Firefly: Our Mrs. Reynolds (1×06)

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Our Mrs. Reynolds ist eine der interessantesten Firefly-Episoden in Joss Whedons Oeuvre. Neben all den speziell für Firefly zusammen gebastelten intergalaktischen Sprachkombinationen aus dem Englischen und Chinesischen demonstrieren Joss Whedon & Co. mit dieser Episode zweierlei: die Gewalt der Sprache und das Ausüben dieser Gewalt im “Kampf” der Geschlechter. Gleichzeitig – vor allem bezüglich Mals Figur – zeigt uns die Serie, wie differenziert sie ihre Figuren behandelt und nicht davor zurückschreckt, sie für ihre Makel zu strafen.

Natürlich auf liebe- und humorvolle Art. Our Mrs. Reynolds macht ihrem Titel definitiv Ehre. Nachdem die Serenity-Crew diesmal erfolgreich einen Job für die Bewohner eines Planeten erledigt hat, muss das Ganze gefeiert werden. Am nächsten Tag – nach der ausgiebigen Feier – stellt sich heraus, dass der Serenity-Crew ein kompletter Erfolg wieder einmal nicht gegönnt wird. Jedenfalls nicht ihrem Captain Reynolds! Warum nenne ich ihn plötzlich beim Nachnamen? Weil es Zeit ist, offiziell zu werden und Mrs. Reynolds zu präsentieren, die mit Vornamen Saffron heißt. Das Mädchen ist angeblich Mals Geschenk von dem Dorf, dem geholfen wurde – und offenbar hat Mal sie letzte Nacht (in betrunkenem Zustand) geheiratet.

An diesem Punkt beginnt ein geschickt konstruiertes Spiel, vor allem von Saffrons Seite: die nämlich ist als alles andere als ein unschuldiges, weltfremdes Dorfmädchen, das der Bibel und den Regeln ihrer Gemeinde folgt. Sie hegt den Plan, die Serenity Weltraumpiraten auszuliefern – und fängt an, ihn Schritt für Schritt zu verwirklichen. Kann man ein Weltraumschiff mit rhetorischen Waffen in seine Gewalt bringen? Wobei “frau” hier richtiger wäre. Saffron gelingt es nämlich. Fast.

But she was naked! And all articulate!“ sagt Mal, der das eigentliche Opfer ist… und der eigentliche Entmachtete in dieser Episode. Nicht nur in seiner Position als Captain, sondern auch als Mann blieb Mal bislang niemandem eine Antwort schuldig. Auf der Serenity hat er das Sagen und dadurch die Kontrolle. Bis er von Saffron verführt wird. Dabei handelt es sich nicht nur um den physischen Aspekt des Wortes, sondern – und vor allem – um den rhetorischen. Schon im ersten Gespräch zwischen den beiden gelingt es Saffron, ihre Verletzlichkeit zu konstruieren und dadurch gleichzeitig verbale Kontrolle über Mal zu erlangen: „But … you know I’m to cleave to you?

Diese Frage versetzt Mal in eine schwächere Gesprächsposition, da er keine Ahnung hat, wie er diese Frage beantworten soll. Daher auch seine Antwort: „To-whubba-who?“ Nach dem nächsten Satz „Did Elder Gommen not tell you?“ verbessert sich die Lage für ihn nicht, da er Saffron einen Wissensvorsprung einräumen muss. Beim ersten Hören scheinen die beiden Sätze absolut unwichtig, aber sie bewirken etwas Entscheidendes: nämlich Mal auf seinem eigenen Territorium aus dem Konzept zu bringen. Saffron stoppt nicht hier, sondern nutzt Mals Unsicherheit aus, indem sie vorgibt, auf seine Entscheidungsgewalt angewiesen zu sein: Sie erhebt ihn in die Rolle des Beschützers und erweckt in ihm Scham wegen seiner Grobheit und Direktheit. Umso lustiger vor diesem Hintergrund die Eröffnungssequenz, als Mal und Jayne, verkleidet als Mann und Frau, (Mal) Rollen spielen: „How can you shame me in front of new people?“ fragt Mal.

I’m sorry that I shame you“, sagt Saffron, nachdem er behauptet, sie seien nicht verheiratet. Damit trifft sie genau Mals so genannte ethische Schwachstelle, die wir auch in Shindig erleben durften. Mal sagt zu Jayne, der seine Lieblingswaffe namens Vera für Saffron eintauschen will: „She needs our protection.“ Was Saffron tut, ist, direkte Konfrontationen zu vermeiden: sie widerspricht nie, fordert nichts… Genau aus diesem rhetorischen Spielchen resultiert der Humor in dieser Episode: Genau wie Inara weiß Saffron die emotionalen Schwachstellen zu finden und an ihnen wie an den Saiten einer Gitarre zu zupfen. Außerdem weiß sie Bedürfnisse anzusprechen mit deren Befriedigung zu locken: „Does your crew never show interest in your life?

Als Nächstes findet er sie nackt in seinem Bett, bewaffnet nur mit einer sexuellen Metapher, in Bibelsätze verpackt. Mals Reaktion: „Oh. Good bible.“ Bezeichnend für Mal in dieser Episode: entweder bringt er seine Sätze nicht zu Ende (was ihm sonst so gut wie nie passiert) oder hat gleich nur knappe Ausrufe als Reaktion parat. Die Szene kurz davor ist emblematisch dafür. Mal: „I never even…“ Saffron lässt ihn nicht ausreden: „My name is Saffron.

Nachdem Saffron Mal durch ihren Betäubungskuss außer Gefecht gesetzt hat, ist der Nächste dran, nämlich Wash. Für ihn verpackt sie das sexuelle Versprechen in eine mythologische Erzählung von der Erde, wie sie einmal war. Washs Antwort lautet: „Oh. Good myth.“ In beiden Fällen macht sie die Männer beinah sprachlos. Nach wie vor: nicht nur die sexuelle Metaphorik verhilft zur Verführung, sondern die Beschreibung des eigenen Lebens als nichtig. Das Mitleid, das sie dadurch hervorruft, kombiniert sie mit dem Vermitteln des Gefühls, dass genau der eine Mann, den sie gerade anspricht, ‘the one and only’ sei, der ihr eine glückliche Nacht bescheren könne: „A few days I’ll be back to that life and gone from yours. Make this night what it should be. Please. Show me the stars.

Wash kann ihr zwar widerstehen – man(n) ist ja vorsichtig, wenn man mit einer „warrior woman“ verheiratet ist -, aber Saffron setzt ihn physisch außer Gefecht. Da ein Kuss, hier ein Schlag. Mals Beschreibung ihrer physischen und rhetorischen Macht trifft also absolut zu. Nun: die einzige, die Saffrons Zaubermacht gegenüber Immunität beweist, ist Inara. Kein Wunder: Sie ist nicht nur auch eine Frau, sondern beherrscht das von Saffron gespielte Spiel durchaus selbst, was wir in den vorherigen Episoden gesehen haben.

You would lie with me?“ fragt Saffron. „I guess we’ve lied enough“, antwortet Inara. Sie nimmt sofort das Sprachspiel auf und versucht die Kontrolle zu übernehmen, aber rhetorisch vermag Saffron auch Inara in die Irre zu führen: „Malcolm Reynolds’ widow“ sei sie, gibt Saffron als Antwort auf Inaras Frage. Danach geschieht etwas, das sich mittlerweile als dramaturgisches Mittel im seriellen Erzählen etabliert hat, vor allem in Erzählungen “Kriegen sie sich oder nicht”. Wir nennen es einfach mal “Kuss, der keiner ist”. Inara küsst Mal, da sie glaubt er sei tot, und fällt selbst in Ohnmacht. Dadurch wird der tatsächliche Grund für den Kuss – Inara hat Gefühle für Mal – verschleiert. Der Kuss wird als “bewusster” ungeschehen gemacht.

Und was hat wohl Mal mit Saffron gemacht, nachdem er ihren Zufluchtsort gefunden hat? „What’s your real name?“ (Mal)

Das steht in den Sternen.

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