Es war einmal eine Serie namens Firefly. Auf den ersten Blick wirkte sie unspektakulär, auf den zweiten wunderschön. So wie das Schiff Serenity, das Zuhause von Firefly.
I don’t care.
Diese Zeile stammt nicht nur aus dem Titelsong von Firefly, sondern beschreibt leider auch die Haltung sowohl des Heimatsenders FOX als auch des deutschen Käufers RTL der Serie gegenüber. Nein, ich werde hier nicht erneut das ewige rote Tuch schwingen, wie die Senderpolitik Serienperlen tötet. Stattdessen möchte ich skizzieren, wieso es inhaltlich falsch war, “The Train Job” als erste Episode auszustrahlen – anstatt des eigentlichen Piloten “Serenity”.
Bevor wir uns den Details aus „Serenity“ widmen, vielleicht ein paar Worte dazu, warum “The Train Job” als Pilot nicht allzu viele Zuschauer begeistern konnte. (Wenn man alte US-Kritiken liest, wird man lustigerweise feststellen, dass Kritiker, die die Serie später in den Kultstatus erhoben, zuerst überhaupt nicht mit ihr zufrieden waren…) Für diesen Artikel habe ich versucht, mir “The Train Job” so objektiv wie möglich als Auftakt-Episode anzuschauen. Dabei fällt auf, dass eine Einführung der Figuren nicht wirklich stattfindet – wenn überhaupt, dann anhand kurzer Dialoge. Umso mehr fällt ins Gewicht, wie man sie zum ersten Mal in Action erlebt.
In “The Train Job” übernimmt das Serenity-Team einen dreckigen Job, der die Charaktere den Zuschauern nicht gerade sympathisch macht. Außerdem kollidieren in der mentalen Konstruktion eines „bösen Gegners“ seitens der Zuschauer Niskas Rolle und die Alliance. Genauer: Die Alliance als Bösewicht „larger than life“ ist durchaus genug – die Darstellung von Niska als zusätzlicher solcher scheint überflüssig und verwirrend, zumal wenn das Ganze als Pilot präsentiert wird (nicht vergessen: ganz sachlich betrachtet). Auch die Einführung in die “Firefly”-Welt als solche – als multikulturelle und multihistorische Mannigfaltigkeit – kommt zu kurz.
Darüberhinaus sollten wir bedenken, dass “Firefly” genau zu dem Zeitpunkt kam, da alle Networks nach Procedurals lechzten und ihren Glauben ans Serial verloren zu haben schienen. Also versuchte man, auch “Firefly” als Serie mit abgeschlossener Episodenhandlung zu verkaufen. Wie man gesehen hat, ohne kommerziellen Erfolg.
Aber die Serie endete nicht mit ihrer Absetzung, sondern sollte noch jahrelang in zahlreichen Haushalten in der richtigen Reihenfolge laufen.
I’m still free. You can’t take the sky from me.
“Serenity”, der wirkliche Pilot von “Firefly”, bietet in seinen ersten Minuten genau das, was man von einem Piloten erwartet: Wir bekommen zwei der Hauptfiguren in einer Art Flashback zu sehen, das uns ihren Hintergrund präsentiert – und damit auch einen andauernden Konflikt des ganzen “Firefly”-Universums, den Kampf gegen die Alliance. Mal (Nathan Fillion) und Zoë (Gina Torres) verloren zwar als Soldaten der Unabhängigkeitsbewegung, genannt The Browncoats, den Krieg, haben aber das Streben nach Freiheit nicht aufgegeben. Das ist die Geschichte, die “Firefly” erzählt: von einer Welt, die das Wort Globalisierung bis zum bitteren Ende am eigenen Leib erfahren hat, und von einer Alliance als mehrköpfiger Drache mit zu wenigen Köpfen, um all das im Blick halten zu können, was sie gewaltsam unter ihr Dach geholt hat. In milderem Sinne sieht es heutzutage ähnlich aus. In dieser Hinsicht ist Joss Whedons Zukunftsvision weder eine Utopie noch eine Dystopie.
Kein Wunder also, dass die Serie Westernelemente enthält, denn “Firefly” feiert die Freiheit als Nomadentum. Dabei setzt sie sich natürlich mit dem amerikanischen Frontiermythos auseinander und stellt ihn unter umgekehrte Vorzeichen: Man dringt in das Andere, in das Unbekannte, Fremde ein. Nicht um es zu kolonisieren, sondern um sich frei zu fühlen; nicht um sich niederzulassen, sondern um die Möglichkeit zu haben, immer weiter in Bewegung zu bleiben.
“Firefly”s Freiheit ist die Freiheit des Sich-Fortbewegens. Aus diesem Grund wirkt auch die Einrichtung des Schiffes Serenity, seine Atmosphäre nicht so klaustrophobisch, wie wir es aus so vielen Sci-Fi-Produktionen kennen, sondern heim-lich – in Freuds Sinne: heimelig, home-like. Hier verbirgt sich eine kleine, feine Differenz, die die Serie daran gehindert hat, die Gunst von FOX und seiner Zuschauer zu erlangen: Sie bricht mit einer Tradition innerhalb des Genres und schöpft ihre Wirkung und ihre Themen nicht aus dem für Science-Fiction üblichen Oppositionspaar von heimlich und unheimlich. Sie thematisiert also nicht die Freudsche Umkehrung des Heimlichen, Heimeligen ins Un-Heimliche, sondern versucht im Gegenteil, unter den magischen gelb-braunen Weltraumwolken ein Zuhause zu erschaffen; ein Zuhause für freie Geister.
„A captain’s goal was simple: find a crew; find a job; keep flying.“
Serenity
Nachdem wir am Anfang der Episode die Hauptfiguren kennengelernt haben – Mal, Zoë, Wash (Alan Tyduk), Jayne (Adam Baldwin) und Kaylee (Jewel Staite) -, werden nach und nach die Beziehungen und Konflikte innerhalb der Serenity-Crew geschildert, vor allem durch das Dazustoßen neuer Mitglieder. Inara (Morena Baccarin) trifft ein, die als Edelprostituierte arbeitet und eine typische Hund-und-Katze-Beziehung mit Mal führt. Auf dem Planeten Persephone sammelt die Besatzung Gäste ein, darunter den Priester Book (Ron Glass) und den vornehmen Simon (Sean Maher). Mit dem Transport von Passagieren halten sich Mal und seine Crew finanziell über Wasser, aber es reicht nicht, und deshalb müssen sie mit gestohlenem Alliance-Gut handeln, was zu etlichen Komplikationen führt. Die durchaus gut inszenierten Action-Sequenzen werde ich hier nicht besprechen, damit das Review überhaupt irgendwann ein Ende finden kann.
Auf der Seite der sogenannten Bösen wird im Piloten die Alliance präsentiert – nicht jedoch eine Absicht seitens der Serenity-Crew, sie zerstören oder auch nur bekämpfen zu wollen. Serenitys Crew will ihre Ruhe haben, ihre kleinen verbotenen Deals abwickeln und weiter fliegen. Die Figuren sind nicht unterwegs, um eine Opposition zu gründen; sie sind vielmehr desillusioniert, was Widerstand betrifft. Ein Leidensdruck aber besteht, was bei Mal sehr deutlich gezeigt wird und was den heimlichen, versteckten Konfliktherd für so manche Situation liefert.
Nicht zuletzt lernen wir das Zuhause der Crew kennen:
Serenity – von Kaylee als „my girl“ bezeichnet. Whedon: „Beat-up but lived-in and ultimately, it was home…“ Das Schiff Serenity verkörpert nicht nur das thematische Zentrum der Serie, sondern bietet die wichtigste Inszenierungsebene für die Figurengeschichten. Den heimischen, fast dokumentarischen Stil der Aufnahmen unterstützt der Einsatz von Handkameras (außer bei Aufnahmen in Regierungsräumen) sowie von sogenannte „lens flares“, typisch für das Fernsehen der 70er Jahre. Im Vergleich zu anderen im Sci-Fi-Umfeld angesiedelten Produktionen fällt der fehlende Sound bei Aufnahmen im Weltraum auf: Es herrscht absolute Stille, die, gekoppelt an Handkamera-Simulationen, ein fast dokumentarisches Vakuum erzeugt.
Generell ist Serenity als Ort der Inszenierung Dreh- und Angelpunkt narrativer Fäden, die anhand von Beleuchtung, Farbe, Tiefe und Komposition, aufgenommen und wieder fallen gelassen werden. Beispielsweise bildet die Brücke mit den seitlichen Treppen in Serenitys Laderaum, wo oft die Handlung spielt, ein Dreieck mit ausgeprägten Diagonalen und Schattenmustern, die das Bild intensivieren. Sie dienen auch dazu, eine Figur symmetrisch einzufangen und ihr dadurch Stabilität zu verleihen. Wenn die Horizontalen der Brücken (nicht nur im Laderaum) im Hintergrund zu sehen sind, korrelieren sie bei Close-Ups und Medium-Shots von Figuren oft mit deren Mündern oder Augenpartien und zwingen so regelrecht die Aufmerksamkeit des Zuschauers darauf. Figuren und Hintergrund als deren Beschreibung sind “Firefly”s Markenzeichen – Zoë und Wash als Liebende werden oft in Türen oder Durchgängen eingerahmt. Simon, der sich als ein talentierter Arzt erweist, wird am Anfang vor flachem Hintergrund und selten im Zentrum des Bildes gezeigt; auch die Farben seiner Bekleidung „entfremden“ ihn.
Simon und seine Schwester River (Summer Glau), die er auf die Serenity schmuggelt, sind auf der Flucht vor der Alliance. Die Regierung will River, um ihre außerordentlichen Begabungen auszubeuten. Man hat an ihr bereits Experimente durchgeführt, bevor Simon sie retten konnte: „They won’t stop…won’t stop…they’ll just keep coming until they get what you took. Two by two…hands of blue…two by two…hands of blue.“ Dieses Lied singt die sichtlich gestörte River vor sich hin. Wie wir später erfahren werden, enthält es einen wichtigen Hinweis.
Durch den Verlauf der Episoden-Ereignisse ernennt Mal schließlich Simon mehr oder weniger als neues Teammitglied. Damit beginnt auch seine visuelle Anpassung an die Atmosphäre der Serenity. Und die steckt voller kleiner Konflikte, die liebevoll ausgetragen, gezeichnet und bis zu den kleinsten sprachlichen oder visuellen Details perfekt inszeniert werden.
Wie man sieht, gibt es über “Firefly” eine Menge zu erzählen – und ich hoffe, der Serie mit den noch folgenden Texten gerecht werden zu können: „There’s no place like home!“
Ach … das bringt mich doch fast dazu die DvD´s aus dem Regal zu holen und für das nächste WE einen kleinen Marathon einzulegen 🙂
Ich kann mich gar nicht mehr erinnen wie oft wir darüber gesprochen haben was das besondere an Firefly war/ist bzw. was uns die Serie so vermissen lässt aber bis heute ist dort ein kleines Loch in meinem Serienherz !!! *seufz*
Sehr nettes Review von einem wahren Schmuckstück !!!!!!
Irgendwie hat es der Pilot geschafft das man über das spärliche Budget und den komischen Titelsong hinweg sieht und weiter schaut, was schon eine Kunst für sich ist, wenn man das Budget mit anderen Sci-Fi Serien vergleicht.
Wer von Firefly nicht genug bekommen hat, dem kann ich die Anime Serie Cowboy Bebop empfehlen, auch wenn von offizieller Seite nie bestätigt, merkt man sehr wie sich Firefly von der Serie inspirieren lassen hat.
Hab einen Freund mal Serenity nahe gelegt und eines Tages meinte er schaun wir uns doch Firefly. Ich war da etwas verwirrt bei der Aussage den er sieht sich keine Serien an. Egal wie gut die sind und wie oft ich schon versucht hab ihm es einzureden. Kurzum hab ich mit ihm den Piloten gesehn und auf die Frage hin ob er noch ne Folge sehen wollt brauchte er dringend noch ein Bier… die Erklärung folgte am Fuß: Er wollt den Film sehn nicht die Serie.
Epicfail. Ich hatte gut lachen und ich glaub das werd ich immer mit Firefly Piloten verbinden.
Notiz am Rande. Er schaut sich nicht mal mehr den Film an oder die Serie weiter… ewig schade den die Serie ist heute noch ein Glanzstück in meiner Sammlung für die ich gern damals den vollen Kaufpreis bezahlt hab 😀
🙂 Serenity wird ja hier nochmal auftauchen – als Film 🙂