Firefly: Shindig (1×04)

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Joss Whedon selbst beschreibt die Firefly-Welt als eine Kombination von Horror, Science Fiction und Western bzw. als ein „Western Noir“ mit „a kind of a Hong Kong sensibility“. Bisher haben wir die Westernseite („border planets“), die Horrorelemente (Reavers) und den Staatsapparat (Alliance) erleben dürfen. Es wurde klar, dass diejenigen Planeten, die im Krieg für den Widerstand kämpften, mehr oder weniger „arm“ gehalten werden: sie sind ausgeliefert und müssen jeden Happen portionieren. Das gilt auch für all diejenigen Schiffe, die nicht unter der Flagge der Alliance fliegen. Ganz deutlich wird das in der „Serenity“-Szene, als Book Kaylee als Gegenleistung dafür, dass er Passagier auf die Serenity darf, eine Erdbeere schenkt. Der Genuß, mit dem sie die Erdbeere verspeist, erzählt mehr, als wenn man in zehn Minuten Filmzeit Aufnahmen von den armen Planeten zeigen würde.

Die Erdbeere kommt außerdem – wie es bei Firefly und generell bei Whedon-Projekten der Fall ist – als visuelles Motiv wiederholt zum Einsatz. In Shindig kommt Kaylee in den Genuß richtig vieler Erdbeeren und eines vornehmen Ballkleides, in dem sie wie eine… Erdbeere aussieht. (Durchaus positiv gemeint! „I, too, love the ruffles!“) Apropos Metapher: Shindig scheint, um eine pejorative solche aufgebaut zu sein. Die Episode beginnt damit, dass Mal und Jayne in einer Bar Billard spielen. Na ja, es ist so etwas wie Hologramm-Billard, wo das Bild Störungen erfahren kann und die Bälle für kurze Zeit verschwinden. Die Kamera schwenkt zu einem Schild an der Wand: „Management Not Responsible for Ball Failure.

Aber jeder ist für seine eigenen verantwortlich. Und Mal muss, flapsig ausgedrückt, welche zeigen, – in Inaras Anwesenheit, die an der Bar trinkt. Er provoziert also eine Schlägerei. Kurze Zeit später, als die Serenity auf Persephone landet und Badger (Mark Sheppard) sie mit einem Jobangebot aufsucht, ist die Rede von Diamanten mit der Größe eines Hodens! Balls everywhere! Mal zeigt letztendlich wirklich welche und verteidigt Inaras Würde in einem Kampf auf Leben und Tod. Nun ja, auf seine Art und Weise halt.Inara nämlich pflegt auf Persephone geschäftliche Beziehungen zu dem reichen Atherton Wing, den sie zum Ball der gehobenen Alliance-Gesellschaft begleitet. Mit der Präsentation dieser Gesellschaft schließt nun Shindig eine Lücke in der Darstellung von Fireflys Welt: Wie schon erwähnt, haben wir bisher eher deren erschreckende und negative Seiten gesehen; das, was Mal “Inaras Welt” nennt, wurde nicht wirklich gezeigt: die Welt der Reichen, die Welt auf den Planeten in Zentrumsnähe. Den Unterschied zwischen dem Leben auf der Serenity und dem der Reichen wird anhand der Kameraarbeit deutlich demonstriert: Während an Bord der Serenity mit Handkamera und vielen extremen Close-Ups gearbeitet wird, was Intimität impliziert, bleibt die Kamera während der Ballaufnahmen auf Abstand (Long Shots). Sie tanzt zwar mit, aber aus der Distanz: klassische, “normale” Kameraarbeit, wie in einem alten Kostümfilm.

Warum Kostümfilm? Wie wir sehen, bedeutet Reichtum in der Firefly-Welt ein Leben im Stil des Adels im 18./19. Jahrhundert. Aus diesem Grund gelten auch die damaligen Ehrenkodices. Als nun Mal, der mit Kaylee (im Erdbeerkleid!) auf dem Ball auftaucht, um seinen neuen Auftraggeber zu treffen, Atherton ins Gesicht schlägt, da dieser Inara erniedrigt und wie Besitztum behandelt, bedeutet das automatisch eine Duellforderung. Mal schafft es, das Ganze zu überleben – aber die Duellszene dient nicht nur als humorvolle Einlage, sondern trifft eine wichtige Aussage über Mal: Hier kommt die Widersprüchlichkeit seines Charakters zum Tragen – die ganz eigene Grenze, die er zwischen Ehre und Hinterlistigkeit zieht, zwischen unbeholfener Arroganz und Warmherzigkeit. (A propos: Wer hatte schließlich Kaylee das Erdbeerkleid gekauft, nachdem er sie vor dem Schaufenster empfindlich gekränkt hatte?)

Shindig ist zwar eine Mal-Inara-Episode, aber auch die restlichen Figuren sorgen für erfrischende Szenen, die die dunkle Stimmung der vorherigen Episode wieder wettmachen. Ausgerechnet River bringt Humor in die Szene mit Badger, die den Zuschauer unvorbereitet erwischt. Ihre lange Rede für Badger, in der sie seinen britischen Akzent nachahmt und ihn mehr oder weniger lächerlich macht, ist die längste verbale Äußerung, die River bisher von sich gegeben hat.

Um mit der anrüchigen Metaphorik abzuschließen, mit der wir anfingen: In dieser Episode dürfen wir Zoe und Wash dabei zusehen, wie sie ihr Eheleben endlich genießen dürfen – und einen Jayne erleben, der, als Badgers Leute die Crew quasi gefangen halten, Ausdruck “Bälle zeigen” wortwörtlich versteht:

Jayne: „What we need is a diversion. I say Zoe gets naked.

Wash: „No.

Jayne: „I could get naked.

Wash: „No!

Doch noch eine Erdbeere zum Dessert: Kaylee, die nach diesem langen, ereignisreichen Tag erschöpft und zufrieden in ihr “Mädchenzimmer” auf der Serenity zurückkehrt. In voller Maschinistinnen-Klamottage lässt sie sich auf ihre Koje fallen und geht glücklich lächelnd auf in der Betrachtung ihres… Erdbeerkleides, das in voller Pracht am Fußende des Bettes von der Decke hängt…

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