Objects in Space bildet den Schlüsselpunkt der Erzählung, die Firefly nicht mit einer vollen Staffel erzählen durfte. Die Episode vervollständigt das Bild von Firefly, das Joss Whedon & Co. seit den allerersten Sekunden vor den Augen der Zuschauer malen. Objects in Space ist Rene Magritte in Space. Das ist keine Pfeife, sagt uns das berühmte Bild von Magritte, auf dem eine Pfeife zu sehen ist. Ein Objekt kann sich seiner Benennung entziehen, kann einfach davon gleiten und sich eine neue suchen, eine andere, die vielleicht das Objekt nicht von außen beschreibt, sondern seinem Wesen entspricht.
Objects in Space’s Kern ist River. Die Episode vollendet den Prozess, über den ich schon gesprochen habe: River wird als Teil der Crew, als Subjekt akzeptiert. Sie entzieht sich endgültig der Objektivierung, aber auf eine sehr überraschende und philosophisch angehauchte Art und Weise. Warum spreche ich über die Objektivierung? Wir erinnern uns, dass River auf zweierlei Art und Weise zum Objekt gemacht wurde: auf der einen Seite von der Alliance und auf der anderen durch das fehlende Vertrauen seitens der Crew, den Mangel an Akzeptanz. Die zweite Art der Objektivierung geschieht, wie wir gesehen haben, anhand der visuellen Präsentation Rivers innerhalb der Serenity-Räume – und anhand der auditiven: es wird über sie gesprochen, sie wird beschrieben, benannt.
Sie hat nicht die Möglichkeit, außerhalb dieser Beschreibung sie selbst zu sein. In dieser Hinsicht kann man Mals Satz „Hör auf, mich zu beschreiben!“ (habe leider vergessen, aus welcher Episode er stammt) River in den Mund legen.
Was ist, wenn man etwas falsch beschrieben hat oder wenn es sich jeder Beschreibung entzieht? Joss Whedon demonstriert uns das mit an Jaynes verzweifelter Suche nach Worten, um River zu beschreiben: Hexe, Seherin, Psycho etc. River ist kein beschreibbares Objekt. Anhand ihrer Figur inszeniert Whedon einen philosophischen Versuch, die Essenz des Selbst zu retten, sie frei schweben zu lassen. Der Autor selbst erzählt in den Kommentaren zu den DVDs, dass er von existenzialistischen philosophischen Schriften beeinflusst wurde, als er an Objects in Space arbeitete: etwa Sartres Nausea, die er in Rivers Alter gelesen hat.
Man kann an diesem Punkt etliche Überlegungen anstellen und fragen, ob Whedon versucht hat, an River als Figur seine eigenen Erfahrungen in einem prägenden Lebensabschnitt darzustellen. Ich jedoch werde mich hier darauf konzentrieren, aufzuzeigen, wie die Serie Rivers Prozess des Teilwerdens von Serenitys Crew, ihr Subjektwerden erzählerisch vollendet.Erst durch das Eindringen eines fremden Objekts/Subjekts, den Kopfgeldjäger Jubal Early an Bord von Serenity, entfaltet sich das River-Bild vor unseren Augen – und auch vor den Augen der Crew. Nachdem Early es geschafft hat, die komplette Crew auf die eine oder andere Weise auszuschalten, zwingt er Simon, ihn auf der Suche nach seiner Schwester durch die Schiffsräume zu begleiten. Dabei verwickelt er ihn in eine ungewöhnliche Unterhaltung, die uns Zuschauer realisieren lässt, was die Autoren mit River gemacht haben: Sie wurde nie durch die Kameraeinstellungen sexualisiert, wie es mit Inara und Kaylee der Fall ist, obwohl ihre Figur nicht nur als Mädchen, sondern auch als Frau funktionieren könnte.
River wird jedoch nicht als Objekt romantischen Interesses eines Crew-Mitglieds dargestellt – Early hegt falsche Vermutungen, als er sie nicht in ihrem Zimmer findet. River hat kein Zimmer, sie ist ohne Zuhause, sie schwebt so lange davon, bis sie verschwindet und eins mit dem Schiff wird. Zumindest glauben das die anderen Figuren – und wir Zuschauer glauben es auch: nur mit Hilfe unserer Firefly-Erfahrung ist das möglich. Zwar wird uns Zuschauern, wie schon in früheren Reviews erwähnt, immer zugestanden, mehr über River zu wissen als der Rest der Crew – aber trotzdem bleiben wir immer einen Schritt zurück: Auch uns schwebt River davon.
Am Anfang der Episode durchläuft River Serenity – und wir mit ihr: zum ersten Mal aus Rivers Point of View. Sie trifft auf die Crew; aus ihrer Perspektive gesehen, werden die Crewmitglieder aus ihren entspannten Tätigkeiten oder Gesprächen gleichsam “herausgenommen”, um mitzuteilen, was unter der Oberfläche liegt, was sie eigentlich empfinden und denken, aber nicht sagen. Nur weil wir uns in Rivers Position befinden, sprechen die Figuren auch zu uns. Damit lässt man uns zugleich fühlen, was River fühlt, wenn sie Gedanken liest. Und mit River zusammen heben wir das Stück Holz im Lagerraum: „It’s just the object. It doesn’t mean what you think.“ Im nächsten Moment trennt sich die Kamera von ihr, und wir sehen sie mit einer geladenen Waffe in der Hand – und die komplette Crew in Panik.
„River doesn’t mean what you think“, lautet hier die Botschaft an die Crew. Geschickt werden dann die Ebenen gewechselt, als River vorgibt, mit Serenity eins geworden zu sein: Während wir visuell und auditiv Zeugen werden, wie River Early “liest”, ist es die Crew, die River als Serenity “fühlt” und auf der metaphorischen Ebene denkt – während River sie zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen hat und pragmatisch der Crew hilft, Early auszuschalten. Earlys Problem, von River benannt, besteht darin, dass sich in ihm das Nichts befindet. Hieraus handelt er: obwohl er versucht, seinem Handeln Bedeutung zu verleihen, bleibt es leer. „The plan is like the room, empty!“
Am Ende der Episode wird Early selbst zum Object in Space: er gleitet ins Nichts und seinem Tod entgegen. Serenity wiederum gleitet weiter durch das Nichts – mit einem Unterschied: Zwar sind wir alle Objekte, die ihrem Ende entgegen gleiten, aber die Zeit, die wir dafür brauchen, können wir als Subjekte nutzen, indem wir mit Anderen Beziehungen eingehen und aufhören, allein dem Ende entgegen zu schweben. Dann kann das Ende genau die Bedeutung haben, die wir ihm geben. Dasselbe gilt für Fireflys Ende!