Es waren einmal ein berüchtigter Outlaw und der beste Sheriff im Wilden Westen. Die beiden standen zwar auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes, aber hegten Respekt und Sympathie für einander. Über lange Zeit verfolgte der Gesetzeshüter seinen Opponenten, um ihn endlich zu erwischen – und aus der Überlieferung und den geschichtlichen Tatsachen wurde ein Mythos: der Mythos über Billy The Kid und Sheriff Pat Garrett.
Im Jahre 1988 gelangte eine Verfilmung dieser Geschichte auf die Kinoleinwände – „Young Guns“, ein Film, in dem die “Young Guns” des damaligen Hollywood mitspielten: Emilio Estevez (Billy The Kid), Kiefer Sutherland, Lou Diamond Phillips und Charlie Sheen. Dazu stießen im Jahre 1990, als das Western-Genre ein wenig in Vergessenheit geraten war, Christian Slater, William Petersen, Alan Ruck, Balthazar Getty und Viggo Mortensen. William Petersen übernahm in „Young Guns II“ die Rolle von Pat Garrett und lieferte sich mit Billy The Kid und seiner Young-Guns-Truppe ein mythisches Katz-und-Maus-Spiel durch den Wilden Westen.
„Young Guns II“ ist auch als “Blaze of Glory” bekannt. So heißt auch Bon Jovis Titelsong. Nein, Justifieds Episode Blaze of Glory enthält nicht das Lied und ist auch kein Remake – aber sie erinnert liebevoll an Zeiten, da es unter Räubern noch einen Ehrenkodex gab und zwischen Gesetzeshütern und Kriminellen einen besonderen Bund. Ich selbst bin mit der Popkultur der 80er und 90er Jahre aufgewachsen, so dass diese Episode nostalgische Gefühle in mir weckt. lässt im Vergleich zur letzten Woche die fortlaufenden Spannungen zwischen Raylan, den Bennetts und allen Anderen, die mitmachen wollen, komplett fallen. Dafür darf endlich Art (Nick Searchy) weiter in den Vordergrund treten, und die Beziehung zwischen Raylan (Timothy Olyphant) und Winona (Nathalie Zea) nimmt eine weitere Wendung.
Wenn Kritiker bisher in Justified überhaupt etwas bemängelten, dann die Raylan-Winona-Story – genauer: die Schwierigkeit, mit Winonas Figur umzugehen, da sie außerhalb von Raylans (Berufs-)Leben agiert. In dieser Hinsicht leistet die US-Serie mit gute Abeit, indem sie die Boyd-Ava-Probleme (Walton Goggins, Joelle Carter) nach der Minenexplosion – wir sehen, wie die beiden vom ATF befragt werden – zum Spiegelbild der Probleme von Raylan und Winona macht, die im Laufe der Episode aufkommen. Justified schafft es nach wie vor, zugleich amüsant und feinfühlig zu demonstrieren, dass Menschen nicht immer überlegt handeln und auch die Vernünftigen Fehltritte begehen. Und die Dummen sind eben richtig dumm… im Dewey-Style!
Nach einem heftigen Streit mit Gary über Finanzen und einem unergiebigen Gespräch mit Raylan über ihre Beziehung und mögliche Zukunft ist Winona etwas neben sich und entwendet Geldscheine aus sichergestelltem Beweismaterial. Als sie damit zur Bank geht, wird die Bank überfallen. Geschickt bringen die Justified-Autoren die beiden näher zusammen: ob sie wollen oder nicht. Denn Winona gesteht Raylan ihren Fehltritt – und er sorgt dafür, dass er unbemerkt bleibt. Zugleich würde er den Tritt in Winonas Gesicht im Zuge des Raubüberfalls nur zu gern dem Verantwortlichen heimzahlen.
Ja, die Räuber: ein alter Mann mit Sauerstoffflasche und zwei junge Männer, die sich nicht gerade durch strahlenden Intellekt auszeichnen… Dieses Trio scheint auch zu kommentieren, wie sich sogar auf Verbrecherseite die Welt zum Negativen hin verändert hat. Die ehemals sympathischen und nach Ehrenkodex handelnden Outlaws sind brutale, dumme und selbstherrliche Ganoven geworden, wie der Mann, der Winona ins Gesicht tritt. Einzig Frank (der mit der Sauerstoffflasche) gehört noch zur alten Schule, ein Billy The Kid im fortgeschrittenen Alter.
Wer übernimmt dann den Pat-Garrett-Part? Nein, nicht etwa Raylan, der wäre zu jung. Hier geht es um Generationen. Sein Vorgesetzter Art tritt auf den Plan, der mit dem „Tumbstone“-Plakat an der Bürowand (in der ersten Staffel). Die beiden kennen sich schon eine ganze Weile. Die Art-Frank-Konfrontation referiert nicht nur melancholisch auf glorreiche Wild-West-Zeiten, sondern spiegelt zudem auf amüsante Art und Weise die Raylan-Boyd-Beziehung: So könnten die beiden – günstigenfalls – auch einmal werden… Frank ist sich, wie Boyd, seiner “Identität” als Krimineller bewusst – und er ist schlau, so dass er es beinah schafft, alle hereinzulegen, sogar die eigenen Leute, und mit der Beute wegzufliegen.
Entwischen oder von einem respektierten Gegner erschossen werden: das sind die beiden respektablen Varianten des Abgangs für einen Verbrecher, der auf sich hält. Blaze of Glory! Art stellt Frank auf dem kleinen Flughafen – und die beiden liefern sich dortselbst die beste Verfolgungsjagd, die ich seit langer Zeit gesehen habe. Zu Fuß, über eine Strecke von wenigen Metern. Außer Atem, auf dem Boden liegend, haben der jüngere und der ältere Senior ihre Rollen im Lebensdrama erkannt und mit größtmöglichem Anstand erfüllt; sie bereuen manches und vieles nicht. Bislang wurde Art durchgehend als Raylans väterlicher Beobachter, Begleiter und Boss inszeniert – aber man kann ihn sich leicht als jemanden vorstellen, der zu seiner Zeit schnell gezogen hat, als einen lakonischen Cowboy der frühen 90er, der auf leisen Sohlen seinen Job erledigte.
A propos leise: Auch in Episoden, wo Raylan nicht direkt im Rampenlicht steht, enthalten und entfalten seine Auftritte eine enorme Spannung. Die letzte Szene in der Bank, als er sich vorsichtig den beiden Männern nähert und sie noch vorsichtiger anspricht, stellen eine dieser Raylan-Situationen dar, die sogar besser sind als „the chance to high-noon it“! Raylans Auftritte sind wie zwei rote Dynamitstangen: die eine echt, die andere nicht. Worauf es ankommt, ist: „to know the difference between dynamite and road flares.“
Justified marschiert weiter, auf leisen Sohlen, aber in Blaze of Glory.