Nach dem Finale dieser grandiosen zweiten Justified-Staffel bleibt das Gefühl, dass alles irgendwie zu kurz war. Nicht nur die Staffel selbst ging zu schnell vorbei, sondern auch die letzte Episode Bloody Harlan. Dasselbe Gefühl stellt sich ein, wenn man ein schönes Buch in einem Atemzug gelesen hat: aber dann ist es angenehmer.
Die auseinander gezerrten Erzählungen der Network-Serien üben da einen schlechten Einfluss aus: Durch die vielen Pausen bekommt der Zuschauer das Gefühl, die jeweils laufende Staffel dauere ewig – im Vergleich zur verfliegenden Zeit bei den In-einem-Rutsch-Erzählungen der Kabelserien. Justifieds ununterbrochener Erzählfluss war vor dem Finale an den Rand eines Wasserfalls gelangt. Und in Bloody Harlan ereignet sich das Fallen.
Es ist kurz und schmerzvoll für den Zuschauer – und auch für manche Figuren -, wenn man mit dem “Fallen” das Auflösen einer Spannung meint, die genau dann ihren Höhepunkt erreicht, wenn man in der Achterbahn den Stillstand an der Spitze erlebt: dieses letzte Innehalten, kurz bevor es nach unten geht, hinunter in den Genuss. Wir Zuschauer genießen die Ereignisse, im Gegensatz zu manchen Beteiligten.
Sehr geschickt haben die Autoren das Finale so zu gestalten gewusst, dass jede Figur betroffen wird, ohne Showdowns zwischen den Hauptfiguren wirklich hervorzuheben. Sogar Raylan Givens (Timothy Olyphant) wird fast bis zum Ende außen vor gehalten, wohingegen die Bennetts sich mit Boyd einen Schlagabtausch liefern.
Während sich auf Boyds (Walton Goggins) Vorschlag hin Mags (Margo Martindale) und Doyle mit Boyd und Arlo in der Kirche zu Friedensverhandlungen treffen, entflammt draußen der Krieg. Denn Mags hat einen Plan – aber Boyd hat, wie immer, einen besseren, und Bennetts Leute geraten in eine Falle. Der komplette Abschnitt ist wundervoll inszeniert, indem zwischen der Boyd-Mags-Unterhaltung und dem Kleinkrieg draußen hin- und hergeschnitten wird. Boyd hätte einen Erfolg auf ganzer Linie feiern können, wenn nicht Dickie Ava (Joelle Carter) angeschossen hätte. Wir können nur inständig hoffen, sie in der dritten Staffel gesund wiederzusehen!
Und Raylan? Seine Involvierung ins Finale hat mit Kindern zu tun: mit seinem eigenen und mit einem, das er versprochen hat zu beschützen. Loretta entscheidet sich, Mags einen Besuch abzustatten, um ihren Vater zu rächen, aber unterwegs verliert sie ihre Mitfahrgelegenheit, und alle machen sich auf die Suche nach ihr. So gerät Raylan in Dickies Falle – und ausgerechnet Boyd rettet ihm so manches Körperteil, wenn nicht gar das Leben.
Während Raylan in der ersten Staffel nur für gewisse Zeit “hutlos” war, metaphorisch gesprochen – ihm also nur für kurze Zeit alles aus den Händen rutschte -, hängt er in der zweiten Staffel die meiste Zeit über mit dem Kopf nach unten da, so wie ihn Dickie nun tatsächlich aufhängt. In Harlan wird alles auf den Kopf gestellt, auch Raylans Privatleben, denn Winona (Nathalie Zea) erzählt ihm, dass sie schwanger ist; später bittet sie Art (Nick Searcy) inständig darum, Raylan Hilfe zu schicken – obwohl sie ihm kurz zuvor mit Trennung gedroht hatte, da Raylan wieder einmal ein anderes Schicksal über sein eigenes stellt: und damit auch über das seines eigenen Kindes und dessen Mutter. Obwohl Raylan angeschossen wird, kommt die Hilfe rechtzeitig, genauso wie Tims Kugel für Doyle.
Die bewegendste und letzte Szene der Episode findet zwischen Mags, Raylan und Loretta statt, die Mags ins Bein schießt. Raylan und Mags können Loretta den tödlichen Schuss ausreden und ihr damit die Möglichkeit bewahren, anders zu werden als die beiden selbst. Raylan: „Ask yourself what your daddy would want you to do.“ Loretta: „I want him to be here to tell me!“ Mags jedoch hat ihren eigenen Tod schon beschlossen und vergiftet sich anschließend selbst: kurz und schmerzvoll. „Put an end to my troubles. Get to see my boys again. Get to know the mystery.“
Die Auflösung der Szene macht uns nicht zufrieden, sondern hinterlässt uns gerührt – wobei ich persönlich mir gewünscht hätte, dass Mags der Serie noch länger erhalten geblieben wäre. Ausgerechnet Dickie, der von Raylan verkrüppelte Bennett, überlebt das Ganze – vorerst.
Justified verabschiedet sich still, aber tödlich und hinterlässt uns mit einer todsicheren Tatsache: Es muss ein Kugelhagel an Emmy-Nominierungen erfolgen! Die Fragen für die nächste Staffel lauten: Werden Winona und Raylan nach Glynco gehen? Wird Doyles rechte Hand und Sheriff-Nachfolger Boyd unterstützen? Was ist mit der Dixie Mafia?