Fringe: Subject 9 (4×04)

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Da ich im letzten Review nicht ausdrücklich auf Walters Lobotomieversuch eingegangen bin, werde ich die Besprechung von Subject 9 damit beginnen. Denn für mich besteht zwischen den beiden Episoden eine enge Verbindung, genau wie zwischen Olivia, Walter und Peter, obwohl die ersten beiden sich nicht mehr an Letzteren erinnern. Wie könnte man sich auch an etwas erinnern, was nie da war? Dafür scheint Peter nichts vergessen zu haben. Für ihn ist alles so geschehen, wie wir es in den letzten Staffeln erlebten.

Fringe setzt genau an dem Punkt an, wo Erinnern und Vergessen zwei Seiten einer Brücke bilden: der Brücke, die Fringe uns bereits in unterschiedlichen Kontexten präsentierte – schwarz-weiß, als Bild gerahmt. So auch hier in Camerons Wohnung. Dieses Bild beschreibt sehr gut die Problematik der neuen Staffel, wo Erinnern und Vergessen ständig die Plätze tauschen. In Subject 9 findet der Positionstausch zwischen Ursache und Wirkung statt, da sich Zeit als instabile Komponente erweist.

Auf welcher Seite man sich befindet, ist letztendlich gleichgültig, so lange nur eine Brücke existiert, eine Möglichkeit der Verbindung – auch wenn die rationale Erklärung fehlt. Denn das, was wir Herz nennen, die menschlichen Emotionen, provozieren und motivieren Handlungen und Wahrnehmungen (in) der Welt, die rational nicht erklärt werden können.

Das zeigt diese Episode auf mehreren Ebenen. Außenstehende können irrationales Verhalten als Verrücktheit wahrnehmen und den Betroffenen gar selbst an sich zweifeln lassen: Walter glaubt, er halluziniere und müsse dem ein Ende bereiten, bevor man ihn für verrückt erklärt und wieder einweist.

Aber kann ein Mensch eine emotionale Bindung, die ihn – egal in welcher Zeit – verändert, sein Leben neu definiert hat, restlos kappen? Wenn nicht – sind Emotionen dann zeitunabhängig bzw. können den Wechsel zwischen verschiedenen Zeitströmen überdauern? Olivia kann Walter gerade dadurch an seinem Lobotomieversuch hindern, dass auch ihr Kopf “verrückt” spielt. 1 + 1 = 1? Verrücktheit ist komplizierter, als man denkt, sagt Walter zu Olivia gegen Ende von Subject 9, die ebenso wie Alone in the World eine Olivia-Walter-Episode ist.

Noch eine andere Frage warf die letzte Alone in the World-Szene auf: Was ist gleich und was ist anders im “neuen” Fringe? Viele haben sich gefragt, was nach Peters Verschwinden bzw. nach Peters Nicht-Existenz in diesen beiden Welten anders abgelaufen ist. Häppchen für Häppchen gibt uns Fringe die Antworten. Walters Frau Elizabeth hat auch hier Selbstmord begangen, und Nina Sharp taucht in dieser Episode so auf, wie wir sie kennen: als die einzige, die sich an alles erinnert – und doch wirkt ihre Beziehung zu den Figuren anders. Es klingt, als sei die Bindung zwischen Olivia und Nina eine sehr innige, die schon lange besteht.

Und Walter? Als er in der letzten Episode zu extremen Maßnahmen griff, musste man sich natürlich fragen, ob auch hier schon Teile seines Gehirns entfernt wurden, so wie in der ‘alten’ Fringe-Geschichte. Wenn ich mich nicht täusche, wurde das bisher nicht explizit erwähnt. Cameron jedenfalls, Subjekt Nr. 9 aus Walters Cortexiphan-Experimenten, merkt erstaunt an, dass Walter völlig anders sei, als er ihn erinnere. Walters Beinahe-Verzweiflungstat scheint eine Parallele zur Entscheidung der Observer zu bilden, Peter komplett auszuradieren – nur anders motiviert.

Über die Observer wissen wir übrigens, wie ich finde, immer noch viel zu wenig! Beide Versuche, Peter zu entfernen, werden nicht zu Ende gebracht. Von unserer Logik her müssen sie freilich misslingen, denn Peter wird immer schon da gewesen sein. Doch die Wirklichkeit im gegenwärtigen Fringe sieht so aus: Alle leben eine andere Variante ihres Lebens weiter und haben Peter vergessen, der in dieser Variante nie existiert hat. Peters Rückkehr ist folglich nur in seinen Augen (und denen der Observer) eine Rückkehr: Er muss erkennen, dass er im Reiden Lake nicht nur wieder-, sondern neu geboren wurde für die Menschen, die ihm nahe stehen. Nur er selbst erinnert sich an alles, was nicht war.

Der so genannte Glyph, nach dem Fringe-Fans immer Ausschau halten, hieß letzte Woche REBORN; einer der Titel aus dem Bücherstapel lautete “Astral Projections and Other Psychic Energy”: Zwei Hinweise auf den Inhalt von Subject 9. Was Fringe uns zeigt, sind die kleinen Verschiebungen im Gleichen – die Geschichte der Welten ohne Peter ist beinahe gleich abgelaufen, aber doch anders, als würde eine Minute Zeit zweimal erlebt. So springt Olivias Wecker am Anfang der neuen Episode eine Minute zurück, als ein Streifen Sonnenlicht (an der Wand neben dem Fenster sind Schmetterlinge zu sehen!) ihr schlafendes Gesicht berührt. Im nächsten Moment wird ihr Zimmer von einer blau schimmernden Energiewolke nahezu verwüstet. Ein neuer Fringe-Vorfall?

Das glauben zunächst Olivia und Walter, der im Labor – inspiriert durch „The Matrix“ – mit mehreren Kameras ein Peter-Bild aufzufangen versucht. Aber das Peter-Bild ist die blaue Wolke, was, wie ich denke, allen Fringe-Fans von Anfang an klar war! Walters Gedanke, dass ein gewisser Cortexiphan-Junge (gespielt von Chadwick Boseman) die Ereignisse verursachen könnte, fungiert weniger als Täuschung für die Zuschauer denn als Chance für Olivia und Walter, sich an ihre gemeinsame Vergangenheit zu erinnern, darüber zu sprechen und den Emotionen freien Lauf zu lassen. Zwar hilft Cameron James (der Name: Zufall oder Absicht?) letztlich dabei, Peter zurückzubringen, während alle noch glauben, die blaue Wolke zerstören zu müssen – aber es sind Olivia und Walter, deren Emotionen eine Wellenlänge haben, welche auf Peter reagiert und ihm metaphorisch zur Neugeburt (à la Neo in „The Matrix“) verhilft.

Eine grandiose, Emmy-reife Leistung erbringen sowohl John Noble als auch Anna Torv in dieser Episode. Sie spielen – wieder einmal – die Walter-Olivia-Beziehung und ihre gemeinsame Vergangenheit vor unseren Augen durch: aber – wieder einmal – anders, um Nuancen verschoben… um letztendlich doch zu demselben Ergebnis zu kommen? Nicht nur, dass Olivia Walter entgegen seinen Befürchtungen nicht nach St. Claire schicken will; nicht nur, dass sie zweifach zueinander finden: erstens in ihrem jeweiligen Anderssein, zweitens in dem Verlust, den sie beide fühlen, aber nicht erklären können.

Walter will Olivia beweisen, dass mit ihm alles in Ordnung ist, und verlässt das Labor, zum ersten Mal seit drei Jahren, was mit seiner Verwüstung des Hotelzimmers endet. Ebenso verwüstet ist Walters Gemüt, und in einer die Episode krönenden Szene spricht er das Gefühl aus, allein zu sein: „I merely work for you. We’re not family.“ Als Olivia antwortet, dass sie nur das Beste zu tun versuche, fragt er tieftraurig: „For whom?“

Vielleicht für Peter, den sie beide nicht mehr kennen. Und der nach seinem plötzlichen Auftauchen mitten im Reiden Lake behauptet, alle zu kennen, und Olivia zu sehen verlangt. Die Episode endet mit Olivias Fan-Herzen zerreißender Frage an Peter: „Who are you?“

Ich bin gespannt: auf Peters Antwort und darauf, wie Fringe seine Rückkehr nun handhaben wird.

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