Fringe: Wallflower (4×07)

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Wallflower bedeutet Mauerblümchen. Erzählt die neue und leider letzte Fringe-Episode in diesem Jahr von Blumen? Was tun Mauerblümchen? Verschönern sie nur die Wände, oder sorgen sie für Spalten und Brüche darin? Bezaubern sie, oder bedrohen sie? Sind Emotionen und Gefühle im Fringe-Universum die Mauerblümchen, die die Wände des Schicksals durchlässig machen: brüchig – und überwindbar?

Wie bei allen wichtigen Fragen der Fringe-Erzählung werden die Antworten nicht fertig serviert. Mauerblümchen wachsen still im Hintergrund. Sie sind auf den ersten Blick unsichtbar. So wie manche Menschen ihr ganzes Leben unsichtbar bleiben, isoliert. Sie scheitern daran, eine Verbindung zu ihren Mitmenschen aufzubauen, registriert zu werden. Oder werden sie deshalb über-sehen, weil sie anders sind? Wird das Mauerblümchen in der Wand der Normalität als eine Bedrohung ihrer Ganzheit empfunden? Wenn die Balance gestört wird, kann es zu Brüchen kommen, zu unvorhersehbaren Entwicklungen, die außer Kontrolle geraten können.

Wer hat aber in Fringe wen unter Kontrolle – bzw. wer glaubt wen unter Kontrolle zu haben? Die Schwierigkeit bei der Antwort auf diese Frage liegt in der Unterscheidung von Problem und Lösung. Ist beispielsweise Peter (Joshua Jackson) ein Problem oder eine Lösung? Fringe arbeitet gern im Hintergrund an solchen Antworten, unsichtbar für das unaufmerksame Auge. Denn viele Probleme sind zunächst unsichtbar, bis sie sich in harten Tatsachen manifestieren. Peter geisterte durch Raum und Zeit, bis er die “neue” Fringe-Welt betrat. Aber nur um festzustellen, dass er dort wie ein Mauerblümchen dasteht, isoliert.

Wir hören, als er beim Einkaufen von einem Agenten begleitet wird, dass ihm Kontakte mit anderen Menschen untersagt sind. Er gehört nicht in diese Welt und stellt somit automatisch eine Gefahr für sie dar. Ebenso war der “unsichtbare Mann” im Fall der Woche von Geburt an durch sein Anderssein, seinen genetischen Defekt dem Tode geweiht – aber die Gier der Wissenschaft machte eine lange Qual aus diesem Tod.

Der Unterschied zwischen Eugene (UGene – Abkürzung für „unknown genetic disorder“) und Peter liegt in dem räumlichen und zeitlichen Blickwinkel auf ihren Zustand. Während Peter sich mit der Distanz abfindet und versucht, ein Zuhause zu finden in dem Wissen, dass er diese Welt verlassen wird, will Eugene sie verlassen – aber im Gefühl der Nähe, nachdem er “gesehen” wurde. Also versucht er sich mit der Pigmentierung Anderer sichtbar zu machen, was für diese Anderen tödliche Konsequenzen hat.

Im Zuge der Suche nach Eugene erfahren Olivia und Lincoln (Seth Gabel), dass Massive Dynamic damals die Finger im Spiel hatte. Nina versichert Olivia jedoch, dass sie und William Bell über die Experimente mit Eugene nichts wussten. Sagt sie die ganze Wahrheit? Fringe kann einem wirklich Kopfschmerzen bereiten, aber gleichzeitig auch “Herzschmerzen”: und darin liegt die Stärke der Serie. Nicht allein Eugenes traurige Geschichte dominiert diese Episode, sondern auch der Zustand Olivias. Sie leidet durchgehend unter Kopfschmerzen – und zugleich verspürt sie dasselbe Gefühl der Isolation, des Alleinseins und versucht dem schließlich entgegenzutreten. Olivias nächtlicher Gang zur Apotheke bringt sie an einem Diner vorbei, wo Lincoln sitzt und einen Kaffee nach dem anderen trinkt.

Auch er kann nicht schlafen. Die kurze Szene zwischen den beiden erzeugt den Eindruck, als sähen sie einander zum ersten Mal in einer Episode, die komplett von der Farbe Blau dominiert wird – angefangen mit den Räumen der Fringe-Division über Olivias Becher und Lincolns Hemd bis zu dem Licht in dem Gebäude, wo Eugene lebt. Kommen wir dem blauen Universum näher? Ausgerechnet Peter hilft Lincoln, Olivia näher zu kommen – denn Lincoln scheint der einzige zu sein, der Peter normal behandelt. Er schenkt Lincoln am Ende der Episode eine neue Brille, die ihn in Olivias Augen sympathischer machen soll.

Olivia hat sich zwar dazu durchgerungen, eine Art Date mit Lincoln zu verabreden, bekommt jedoch nicht die Chance, seinen neuen Look zu registrieren: In ihrer Wohnung wird sie von Unbekannten mit Hilfe von Gas bewusstlos gemacht und bekommt Cortexiphan injiziert! Wer steht währenddessen im Türrahmen? Nina Sharp! An dieser Stelle schafft es Fringe wieder einmal, aus einer Episode heraus, die vorwiegend emotionale Zustände der Protagonisten zu kommentieren scheint, den Zustand der Erzählung selbst in Frage zu stellen, zu verändern. Wir müssen uns fragen, ob Nina Olivia deswegen adoptierte, um das Experiment fortzusetzen – und falls ja, zu welchem Zweck?

Wallflower ist eine melancholische Episode, die neben all den anderen Interpretationen, zu denen sie uns verleitet, eine über Fringe selbst vorzuschlagen scheint. Kommentiert nicht Fringe das eigene Schicksal, von so vielen Zuschauern nicht registriert zu werden – missverstanden, isoliert in seinem Anderssein innerhalb der Drama-Landschaft der Networks? Und FOX schickt nun Fringe in die Pause – bis Januar, was den Zuschauerzahlen nicht unbedingt gut tun wird… Aber wer weiß: Vielleicht haben manche Zuschauer dadurch Zeit, sich wirklich in Fringe hineinzufühlen, eine Verbindung aufzubauen, so dass die Serie nicht Eugenes Schicksal erleiden muss.

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