Breaking Bad: One Minute (3×07)

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Wenn an einem einsamen Ort in der mexikanischen Wüste eine Hütte stünde und in der Hütte ein Altar und auf dem Altar eine DVD mit der nächsten Breaking Bad-Episode: ich würde den ganzen Weg dorthin kriechen, um sie zu haben bzw. um einen Blumenstrauß daneben zu legen und eine Kerze anzuzünden für die weltweit beste TV-Serie der Gegenwart!

Im Breaking Bad-Review von Sunset sprach ich von der Axtabhängigkeit der Cousins. Sie sind außerdem familienabhängig. Diese Abhängigkeiten werden ihnen – für mich überraschenderweise – zum Verhängnis. Genial von den Autoren, den beiden ausgerechnet in dieser Episode Namen zu geben und im Teaser Flashbacks von ihrer Kindheit in der Familie Salamanca zu zeigen.

Wir sehen Don Salamanca (Tio), der den beiden eine Lektion über Familie erteilt: „La familia es todo!“ In dieser Minute ist sie da – und in der nächsten kann sie weg sein: Eine Minute trennt das Leben vom Tod! Eine Minute ist viel Zeit und kann viel verändern! Das ist die Lektion, die uns Breaking Bad mit One Minute lehrt: mit einer Episode, die ich als genau eine Minute lang empfunden habe. Sie war so intensiv und explosiv, dass sie bei mir für eine Art Stillstand sorgte, so als betrachtete man ein ABQ-Gemälde mit allen Ereignissen im eingefrorenen Zustand – zeitlos.

Der Zuschauer fühlt sich wie Hank (Dean Norris) in seinem Auto, in dieser einen Minute am Ende der Episode. Damit meine ich nicht die Panik, sondern das Gefühl der Ohnmacht. Nur handelt es sich bei uns um die schmerzvolle Ohnmacht des Genusses beim Betrachten des besagten Bildes, auf dem Folgendes zu sehen ist: Ein trauriger Smiley mit der Überschrift „The Worst Pain Ever“.

Auf diesen Smiley an der Universal Pain Assessment Chart-Tafel blickt Jesse (Aaron Paul), als er im Krankenhaus liegt, nachdem ihn Hank brutal zusammengeschlagen hat. „This should not have happened“, sagt Walt (Bryan Cranston), als er Jesse besucht. Walt kann und will nicht verstehen, warum alle um ihn herum – seiner Meinung nach – verrückt spielen, warum nicht alles nach Plan läuft, warum sich die Situation, die man unter Kontrolle zu haben glaubt, von einer Minute auf die andere verändert. „This is chemistry! Degrees matter!“ schreit er im Labor Gale an. Aber gleicht die Chemie dem wahren Leben, Walt?

Bei einer von gleich zwei grandiosen Darbietungen Aaron Pauls in dieser Episode bekommt Walt endlich zu hören, wie toxisch die Berührung mit ihm ist, wie viel Leid er verursacht hat. „You said I was no good … you said my cook was shit“, schreit am Ende Jesse. Um so unfassbarer Walts Antwort: „Your meth is good — as good as mine.“ Sie enthält zwar eine Art Anerkennung – aber gleichzeitig bestätigt sie all das, was Jesse Walt vorwirft: „You don’t give shit about anyone (me)“!

Walts Bemühungen um seine Familie gleichen tatsächlich denen eines Mafiapaten wie Don Salamanca. Er versucht, eine Familie zu haben und sich um sie zu kümmern – aber gnadenlos, stets mit den eigenen Zielen im Blick. Er hilft Hank indirekt, indem er Jesse davon abbringt, ihn zu verklagen – und stellt Jesse dafür wieder als Assistent ein! Aber lauert nicht dabei in seinem Hinterkopf der Gedanke, dass Gale vielleicht zu perfekt ist und irgendwann Heisenbergs Position usurpieren könnte, was es zu verhindern gilt?

Ein anonymer Anruf verhindert Hanks Tod. Hank wird, da er für seine Taten gerade stehen möchte, aus seinem Job entlassen und kann endlich seinen Emotionen und der Wahrheit freien Lauf lassen. Nachdem er bereits im Fahrstuhl tränenüberströmt in Maries Armen zusammenbricht, erzählt er ihr später alles über seine Panikattacken: „I’m just not the man I thought I was.“ „I think everything’s going to be all right“, sagt er dann zu Marie am Telefon mit einem Blumenstrauß in der Hand.

In der nächsten Minute stehen Marco und Leonel hinter seinem Auto. Ein Blutbad wird auf dem Parkplatz angerichtet, von dem die Cousins nicht verschont bleiben. Nicht allein die Axtabhängigkeit besiegelt ihr Schicksal, sondern auch ein kleines Detail, ein MacGuffin vom Anfang dieser brillant orchestrierten Episode! Und nun ist Marco, der damals in Don Salamancas Garten den Kopf von Leonels Puppe abriss, derjenige, dessen Kopf weggeblasen wird. Genauso wie unserer (im übertragenen Sinne) beim Betrachten dieser Episode.

 

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