Breaking Bad: Thirty-Eight Snub (4×02)

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Thirty-Eight Snub ist eine der Breaking Bad-Episoden, in denen nichts zu passieren scheint und die dem Zuschauer dennoch wie ein Kloß im Hals sitzen. Sie reflektiert den Gemütszustand der drei Männer, die letzte Woche heil am Leib das Labor verließen. Aber heil an der Seele sind sie nicht mehr. Während Jesse und Mike auf ähnliche Weise reagieren – ohne viele Worte -, ist Walters Reaktion… typisch Walter: Er versucht alles zu erklären, zu rechtfertigen. Im Teaser sehen wir ihn beim illegalen Waffenkauf!

Der Verkäufer wird von Jim Beaver gespielt, den man aus Supernatural, aber auch aus Deadwood gut kennt. Ironie der Autoren – oder das nächste perfekt passende Puzzlestück? Denn am Ende von Box Cutter trug Walter ein T-Shirt mit Kenny Rogers darauf – und jetzt ist er schon bereit, den Revolver zu ziehen. Vielleicht gar mit Gus gleichzuziehen? Dafür braucht er eine Menge Übung, merkt der Verkäufer an, während das Licht durch die Jalousien hindurch Walters Gesicht sucht, aber nur eine Hälfte zum Beleuchten findet. Die andere bleibt im Dunkeln. Dennoch ist sie zu erkennen, genauso wie der Verkäufer Walters wahre Absichten erkennt. Walter behauptet, die Waffe zur Verteidigung zu benötigen, aber keiner nimmt ihm das ab. Trotzdem murmelt er wiederholt „defense“ – ein verzweifelter Versuch der Selbsttäuschung, der Rechtfertigung.

Viele Close-Ups von Walters (Bryan Cranston) Augenpartie und extreme Close-Ups von dem Revolver, wie in einem Western, bekommen wir in der Szene in Walters Haus zu sehen, als er den Umgang mit der Waffe übt. Auf dem Tisch liegen Kugeln und ein Apfel – ein Bild für Walters Versuch, zwei Welten zu kombinieren, die Kontrolle zu behalten. Er will einen Showdown mit Gus, aber nüchtern verkündet ihm später Mike im Labor, dass er Gus nie wieder zu Gesicht bekommen werde.

Nun: wenn nicht als Walter White, dann vielleicht als Heisenberg? Im Dunkel der Nacht rollt Walters Auto die Straße hinunter und bleibt in der Nähe von Gus’ Haus stehen. Walter setzt den Hut auf und steigt als Heisenberg aus. Die Musik wechselt; die Kamera befindet sich direkt hinter Walters Schulter, als er entschlossen auf das Haus zugeht. Dann klingelt das Telefon: Die „Django“-Magie ist verflogen. Eine Stimme (Gus oder Mike?) sagt: „Walter, go home.“ Dann zeigt ihn die Kamera aus der Vogelperspektive: ein Schatten im Blau der Nacht, der ratlos auf einem Kreuzweg steht. Viel zu wählen bleibt ihm freilich nicht: Einzig und allein ein Hut ist Heisenberg geblieben. Vielleicht auch von Heisenberg? Er versagt.

Auch Jesses Gesicht wird von Licht gesucht, aber die Farben wechseln: Mal wird es in Blau, dann in Rot, Gelb und Grün getaucht. Es sind die Breaking Bad-Farben und gleichzeitig die Smiley-Farben am Pain Board an Jesses Bett im Krankenhaus, nachdem Hank ihn zusammenschlug. Ein Wechselbad der Gefühle – oder besser gesagt: ein Wechselbad des Schmerzzustandes. Denn Jesse durchläuft alle Stufen, und als er glaubt, den „worse pain possible“ erreicht zu haben, wird es prompt noch schlimmer. Aaron Pauls großartige Leistung in dieser Episode unterstreicht, gemeinsam mit den ungewöhnlichen Winkeln der Aufnahmen in seinem Haus, das Gefühl kompletter Desorientierung und eines schmerzvollen Verlorenseins.

Jesse versucht, den Schmerz mit Freunden, Partys (wir haben eine Art DJ Roomba) und Drogen von sich fern zu halten. Aber der Sound der neuen Musikanlage ist nicht laut genug, um die Realität wegzupusten. Wieder einmal mengt Breaking Bad der chemischen Mischung genau den richtigen Anteil an Humor bei, um sie mannigfaltig, aber nicht zu überdreht wirken zu lassen.

Die Rede ist von Badger und Skinny Pete, die bei Jesse abhängen und eine tiefsinnige Diskussion über Nazi-Zombies führen, die Badger für die schlimmste Sorte hält. Skinny Pete: „Zombies are dead. What difference does it make what their job was when they were living?“ Während dessen stoppt die Kamera immer wieder bei Jesses Gesicht, als ob sie uns sagen wolle, er sei ein Zombie: ein Toter, der immer noch herumläuft und seinen Job macht (wie wir später sehen). Welchen Unterschied macht seine Nicht-Existenz? (Und: Welche bessere Werbung könnte es für AMCs The Walking Dead geben, auch wenn sie hier vielleicht nicht intendiert war?)

Während der Drei-Tage-Party, die Jesse organisiert – inklusive ungeschnittener Pizza, eine Erinnerung an Caballo Sin Nombre -, kommt Andrea vorbei und spricht ihn auf das Geld an, das er ihr heimlich hinterlassen hat. Er sagt ihr, sie solle damit ihre Freiheit kaufen, wegziehen. Doch sich selbst kann Jesse auch mit Geld nur vorübergehende Ablenkung erkaufen: Am Ende, als alle gehen (Badger: „I think I’ve, like, got this cat, I think I’m supposed to feed it.)“, bricht er in Tränen aufgelöst zusammen.

„Have you recently lost a loved one in an aviation disaster? Have you suffered injury, shock to the senses, or property damage due to debris or, God forbid, falling body parts?“ Saul ist in dieser Episode zwar nicht “live”, aber in einer Fernsehwerbung zu sehen, die sich Mike anschaut, allein an der Bar sitzend. Derselben Bar, wo wir ihn am Anfang der Episode Kaffee trinken sahen und einen kleinen blutigen Fleck an seinem Ärmel entdeckten. Eine Erinnerung, über die er nicht reden will.

Er wirkt in dieser Situation enttäuscht und geschockt, sowohl von Gus als auch von Walter. Aber Walter insistiert: „I feel like I need to explain myself… everything I did, I did out of loyalty to my partner and then later, of course, purely out of self-defense“, sagt er, nachdem er sich zu Mike gesetzt hat. „You won – you got the job. Do yourself a favor and learn to take yes for an answer“, rät ihm Mike. Doch Walter kann nicht aufhören: „You and I, we’re in the same boat – if it happened to Victor, it could happen to you… Get me in a room with him – and I’ll do the rest.“

Dieses Mal ist ein Schlag in Walters Gesicht die Antwort, dem ein paar Tritte in die Magengegend folgen, bevor Mike wortlos die Bar verlässt. Von dieser Seite kann Walter keine Unterstützung erwarten – hier bekommt er seinen Showdown sicher nicht. If you are not willing to pull the trigger on this, sagt Skyler zu Walter am Telefon.

Beide Frauen, Marie und Skyler (Anna Gunn), unterstützen ihre Männer in ihren so unterschiedlichen Situationen. Denn sowohl Walter als auch Hank sind „broken“. Und… abhängig von Steinen. Walter ist nur wegen der blauen Meth-Kristalle noch am Leben, während das Einzige, was Hanks Interesse erweckt und ihn beschäftigt, die Mineralien sind, die er in Massen übers Internet bestellt. Vielleicht steigen deswegen ständig die Rechnungen, die Marie Skyler gibt? Geld, das mit Steinen gewonnen wurde, wird für Steine wieder ausgegeben…

Vielleicht ist aber Hanks Stein-Hobby einfach ein Zufall, ein anderes Spielchen von Vince Gilligan & Co.; denn in vielen Interviews betonte der Showrunner, dass das Team zwar gewisse Dinge und Details in die Erzählung einbinde, es aber letztendlich den Zuschauern überlasse, sich eigene Meinungen zu bilden und Schlussfolgerungen zu ziehen. Das gehört zu den großen Stärken der Serie: Sie lässt Raum für Spekulationen, Interpretationen oder aber einfach den Genuss der geballten Spannung, die auch eine Episode akkumuliert, in der buchstäblich nichts passiert.Skyler versucht Bogdan für seine Autowaschanlage ein Angebot zu unterbreiten: nämlich in Höhe von 879 000 Dollar. Das erinnert uns an Walters damalige Berechnungen, wie viel Geld die Familie nach seinem Tod brauchen würde: 737 000 Dollar. Aber Bogdan ist immer noch gekränkt von Walters damaligem Benehmen und will nicht verkaufen. Kein Car Wash – keine Geldwäsche! Und Breaking Bad hält seinen ungewaschenen Windschutzscheiben und anderen spiegelnden Oberflächen die Treue. Im Teaser dieser Episode stehen wir mit Walter vor einem schmutzigen Spiegel im Motelzimmer; später, als Andrea Jesse besucht, winkt Brock Jesse durch das schmutzige Autofenster zu. Schmutzig bleibt schmutzig, ganz egal, wie man es nennt – oder gar wegzuwaschen versucht…

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