In dieser Justified-Episode hagelte es so viele geflügelte Sätze, dass man nur aus Zitaten ein komplettes Review verfassen könnte. Mit einer sehr amüsanten Aussage von Wynn Duffy (Jere Burns) wollen wir eröffnen: „Between you and me, Raylan Givens is a very angry man.“ Das teilt Duffy mit begeisterten und gleichzeitig nachsichtigen Augenbrauen den Detectives mit, die hinter Raylan her sind. Warum?
Weil er Gary tötete – sagen die Beweise. Beweise? Nun, damit sind nicht so sehr die faktischen Beweise gemeint, die die eigentlichen Henker Quarles und Duffy fabriziert haben. Eher geht es um Raylans (Timothy Olyphant) Naturell, das schließlich alle Beteiligten kennen. Kein Wunder, dass plötzlich alle erdenklichen Verdächtigungen auftauchen und alle an Raylan zu zweifeln beginnen. Auf diese Art und Weise bringt Justified die komplette Geschichte ins Spiel und erinnert uns daran, dass und wie Raylan bisher auf einem Seil balanciert hat.
Das FBI, das ein Gespräch von Sammy abhört, beschuldigt Raylan, sich von Boyd bezahlen zu lassen – ein dreckiger Cop zu sein, wie Agent Barkley (Stephen Tobolowsky) es ausdrückt. Barkley bringt sogar Vasquez mit, den Mann, der Raylan schon einmal auf den Fersen war und seine Schießereien unter die Lupe nahm.
Gleichzeitig verdächtigt ihn die Mordkomission, Gary getötet zu haben. Wir erwähnten schon, dass Quarles die Beziehung zwischen Boyd (Walton Goggins) und Raylan falsch einschätzt. Was er dabei jedoch bewusst oder unbewusst ausnutzt, ist das Wissen aller, wie oft sich Raylan in den Randgebieten des Gesetzes aufhält und, wie es vor Duffy schon Winona (Natalie Zea) auf den Punkt gebracht haben, was für ein “angry man” er ist.
Wie dem auch sei: Diese Anschuldigungen holen Raylan aus dem leicht melancholischen Zustand heraus, in dem wir ihn an der Bar sitzen und die Live-Musik genießen sehen. Die einzige Musik, bei der Raylan gern mitspielt, ist die der in den Lift sausenden Kugeln. Und diese Kugeln suchen nach ihm. Auch ein Ricochet kann tödliche Konsequenzen haben. Ein paar Episoden zuvor warf Raylan Quarles und Duffy den Handschuh bzw. die Kugel zu – und die kommt schneller zu ihm zurück, als er gedacht hätte.
„It’s gonna rain tomorrow. You might want to bring an umbrella“, sagt Raylan ironisch zu Art (Nick Searchy). Eine der Stärken von Justified lag immer in weiser Voraussicht. Die „next one’s coming faster“- Szene mit der Kugel ist nicht nur „might be the coolest thing I’ve ever laid ears on“, wie der Detective bei Raylans Verhör anmerkt, sondern belegt auch die Detailfreude, mit der die Autoren die Entwicklung geplant haben. Dabei gibt Raylan – typisch für Elmore Leonards Figuren – offen zu, den Kugel-Spruch seinerseits zitiert zu haben: aus einer The-Tonight-Show-Episode, womit er sich eines popkulturellen Erbes bedient hat.
Quarles bedient sich des “menschlichen” Erbes: der Gier, sprich Sheriff Napiers. Dieser lässt einen von Quarles’ Leuten seinen Dienstwagen in die Luft jagen und hängt die Tat Boyd an. Vermutlich wird sich die nächste Episode mit Boyds Antwort auf diese Verhaftung beschäftigen, während diese sich vorerst weiterhin auf Raylans Probleme konzentriert. Aus der Schlinge bekommt Raylan seinen Kopf noch einmal heraus – mit Winonas, Tims und Arts Hilfe, der Barkleys Frage nach Raylans Verbleib mit „Could be takin’ a shit!“ beantwortet. Wie es Vasquez so schön formuliert: „You dodge another in a long series of bullets!“
Das Unausweichliche, das Sammy schon angekündigt hatte, geschieht. Quarles wird von Detroit allein gelassen, so dass er sich gezwungen sieht, Limehouses Angebot anzunehmen und mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Dabei übersieht er vermutlich, dass Limehouse, wenn er von der Gewinnerseite spricht, sich selbst meint: seine Seite.
Zum Abschluss dieser hervorragenden Episode bekommen wir endlich Wynn Duffys gemeingefährlichen Augenbrauen zu sehen. (Und seine Leidenschaft ist tatsächlich Frauentennis!) Sogar Raylan merkt zufrieden an, dass jetzt der Duffy hervortrete, den er kennen und (nicht) lieben gelernt habe. Bleibt abzuwarten, in welcher Farbe die Wände noch bemalt werden…