In der Episode The Last Evening verzichten Lynch und Frost fast komplett auf das Surreale oder übernatürliche und widmen sich ganz klar den Machenschaften der Figuren und der kriminellen Untersuchung. Das Twin Peaks -Finale zeigt, was den Autoren mit dieser ersten Staffel gelungen ist: Episode für Episode die Figuren so miteinander zu verwickeln, dass es für niemanden ein Entkommen geben kann. Hier zahlt sich das aus, was schon in den ersten Minuten angelegt wurde: Der Zuschauer ist weder von der groflen Menge an Subplots und Verwicklungen überfordert noch zeichnet sich die Handlung durch Sprunghaftigkeit aus. Sie gleicht eher einem Fluss, der in Zick-Zack-Mustern über den Bildschirm flieflt: nach oben und dann wieder nach unten, unaufhaltsam.
Denn die Taten der Figuren holen sie an diesem Punkt ein, und es ist nicht einmal der Schlusspunkt. The Last Evening täuscht Abgeschlossenheit vor, löst dieses Versprechen aber nicht ein. Was diese Folge macht, ist die Perspektive auf die Ereignisse zu verschieben. Sie zwingt den Zuschauer, sich noch mehr Fragen zu stellen: Wer würgt Dr. Jacoby? Ist es der mystery man oder Leo? Oder vielleicht sogar Leland Palmer (Ray Wise)? Denn der Angreifer trägt die gleiche Sorte Handschuhe wie Leland, als er im Krankenhaus Jacques Renault tötet, weil er ihn für Lauras Mörder hält.Oder war es Hank (Chris Mulkey), über den wir erfahren, dass er in noch mehr Geschichten verwickelt ist als es zunächst scheint?
Die Twin Peaks -Autoren lassen auch nicht den kleinsten Handlungsstrang aus. So erfahren wir auch, was es mit Lucy und Andy auf sich hat, nachdem Andy (Harry Goaz) bei der Verhaftung von Renault Harry (Michael Ontkean) das Leben rettet: Lucy ist schwanger. Klingt wie Seifenoper? Hier kommt noch mehr: In Invitation to Love erwischt den Bösewicht, dessen Ähnlichkeit mit Leo (Eric DaRe) uns schon nahe gelegt wurde, eine Kugel. Das geschieht genau in dem Moment, als Leo selbst, der gerade Bobby mit einer Axt erledigen will, von Hank angeschossen wird. Währenddessen schafft es Benjamin Horne (Richard Beymer), den Vertrag für das Ghostwood-Projekt zu finalisieren. Im Bordell will er das mit dem neuen Mädchen feiern, ohne zu wissen, dass es seine eigene Tochter ist. Die Szenen mit Audrey sind komplett in Rot getaucht, abgesehen von ihrem weiflen Kleid, in dem sie nicht nur tatsächlich wie eine Karo Dame aussieht, sondern auch wie eine Braut.
Bereit für den eigenen Vater. Aber Twin Peaks macht in diesem Finale hier nicht Halt. Stattdessen kämpfen sowohl Shelly (Mädchen Amick), die Leo kurz vor Anstecken des Sägewerks dort fesselt, als auch Catherine Martell (Piper Laurie) um ihr Leben. Nadine (Wendy Robie) wiederum will gar nicht mehr kämpfen, sondern versucht, Selbstmord zu begehen – auch im Brautkleid! An dieser Stelle ist die Szene zwischen Pete (Jack Nance) und Catherine hervorzuheben, in der die beiden Schauspieler es schaffen, eine komplette Palette an Gef¸hlen zu präsentieren.
Diese Episode wurde für einen Emmy für Best Sound Editing und die beste Darstellerin (Piper Laurie) nominiert. Auflerdem gab es viele Nominierungen bei den Soap Opera Digest Award. Unter anderem: Best Heroine (Lara Flynn Boyle), Best Actor (Kyle MacLachlan), Best Prime Time Soap und Best Storyline ( Who Killed Laura Palmer? ). Die erste Staffel als Ganzes bekam Emmy-Nominierungen für Best Title Theme, Best Drama Series und Best Sound Editing. Twin Peaks gewann The Television Critics Association Award für Program Of The Year.
Der Abschluss der Episode wirft die Frage für die zweite Season auf: Wer schoss Cooper (Kyle Maclachlan) nieder? Das Ende ist nicht das, was sie zu sein scheint, und die Antworten stehen bevor. Oder, wie The Log Lady in der vierten Episode sagte: I can see the smoke. I can smell the fire. The battle is drawing nigh.