Twin Peaks: Zen, or the Skill to Catch a Killer (1×03)

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In dieser Episode scheinen wir uns der Wahrheit über den Mörder von Laura Palmer zu nähern. Oder doch nicht? Ist alles nur ein Traum? Was ist wahr: die Realität, die wir sehen, oder unser Traum davon? Die Leser mögen mich entschuldigen: ich werde an dieser Stelle einen etwas größeren Bogen spannen innerhalb der Lynch’schen (und nicht nur seiner) Erzählungen ¸ber Realität und was sich dahinter versteckt. Erstens, um die surrealen Ereignisse in  Zen, or the Skill to Catch a Killer, Twin Peaks noch komplizierter zu machen. Zweitens, um David Lynch zu folgen, der sich mit dieser Episode auf einen surrealen Pfad begibt. Die Szene am Ende der Episode, in Agent Coopers (Kyle MacLachlan) Traum situiert, übt grofle Faszination auf den Zuschauer aus – und stiftet gleichermaflen Verwirrung: Als Cooper aufwacht, weifl er, wer Laura Palmers Mörder ist! Oder doch nicht? Kann ein Traum wahr sein?

Denken wir an den, den Cooper für ein Experiment benutzt, um herauszufinden, dass Leo mit Lauras Mord etwas zu tun hat. Sind solche Träume Spiegelbilder? Der Film  The woman in the window (1945) von Fritz Lang veranschaulicht diese Problematik. Es handelt sich um einen einsamen Psychologieprofessor, der vom Portrait einer Frau, das in einem Schaufenster neben dem Eingang zu seinem Club hängt, fasziniert ist. Eines Tages schläft er im Club ein, bis ihn der Diener um elf Uhr weckt. Er will nach Hause und beim Verlasen des Clubs wirft er einen Blick auf das Gemälde, das vor seinen Augen mit dem Spiegelbild einer Schönheit auf der Strafle verschmilzt, die ihn um Feuer bittet.

Der Professor beginnt ein Verhältnis mit ihr und tötet im Streit ihren Liebhaber. Als ihm klar wird, dass die Festnahme bevorsteht, sitzt er in seinem Sessel, trinkt Gift und schläft ein… blofl um von dem Diener geweckt zu werden, weil es schon elf ist – also alles war nur ein Traum. Der Professor aber erwacht eigentlich, nur um seinen Traum weiter träumen zu können, nämlich dass er ein friedlicher normaler Mensch ist, d.h. um dem Realen seines Begehrens zu entkommen. Die Parabel von Zhuang Zi und dem Schmetterling (aus den Schriften von Jacques Lacan) erklärt, was damit gemeint ist:Zhuang Zi träumte, er sei ein Schmetterling. Doch als er aufwachte, fragte er sich wie er wissen solle, ob er jetzt nicht ein Schmetterling sei, der träume, er sei Zhuang Zi.

Auf den ersten Blick ist das Verhältnis ein symmetrisches Spiegelbild. Hingegen kann aber Zhuang Zi nach dem Erwachen denken, er sei Zhuang Zi, der im Traum ein Schmetterling ist; im Traum jedoch, wenn er ein Schmetterling ist, kann er sich nicht fragen, ob er als wacher Zhuang Zi dieser Schmetterling sei, der er gerade im Traum ist, d.h. er kann sich nicht sagen, dass er als wacher Zhuang Zi ein Schmetterling sei, der träumt, er wäre Zhuang Zi, die Fragestellung, die dialektische Gespaltenheit ist nur im Wachleben möglich. Die Täuschung kann nicht symmetrisch, beidseitig sein, sonst gerieten wir in eine sinnlose, paradoxe Situation. Also es ist in der  Realität Zhuang Zi, doch im  Realen seines Begehrens ist er ein Schmetterling, sein Dasein liegt im Schmetterling.

So haben wir es in Langs Film nicht mit einem friedlichen, freundlichen, anständigen, bürgerlichen Professor zu tun, der einen Moment lang träumt, ein Mörder zu sein; wir haben es mit einem Mörder zu tun, der in seinem Alltag träumt, blofl ein anständiger, bürgerlicher Professor zu sein… Unsere Realität erweist sich als Illusion, die auf einer gewissen Verdrängung beruht: dem Übersehen des Realen unseres Begehrens. So zeigt uns David Lynch indirekt, dass Twin Peaks’ Realität nichts ist als ein dünnes symbolisches Spinnennetz, das jederzeit durch den Einbruch dessen, was darunter liegt, zerrissen werden kann. Genau wie… ein Vorhang.

Die Vorhänge sind ein sich wiederholendes Motiv in Lynchs Werken (denken wir an  Blue Velvet ). Sie sind meistens rot:  Fire walk with me! schwer und flieflend. Übrigens: Kyle MacLachlan spielt Jeffrey in  Blue Velvet und wirft genauso mit Steinen auf eine Flasche, wie Agent Cooper in der Szene, als er versucht auf unübliche Art und Weise die Person zu finden, die direkt mit Lauras Mord zu tun hat. Sich selbst zu zitieren, ist ebenfalls Usus bei Lynch.Die berühmte Traum-Szene am Ende, als Cooper (mit graumelierten Haaren) auf einen Zwerg (The Man from Another Place) und Laura Palmer trifft – die ihm der Zwerg als seine Cousine vorstellt -, trifft, wirft den linearen Ablauf durcheinander. Die Zeit beginnt zwischen den verschiedenen Ebenen der Erzählung zu kreisen: Was auf der einen Ebene geschehen wird, ist auf der anderen längst Vergangenheit, und Lynchs Figuren blicken sozusagen in die Zukunft, während sie sich in die Vergangenheit zurück bewegen.

Der Zwerg wiederholt in seinem Sprachgestus die unmögliche Erzählzeit: Er spricht, als würde eine Schallplatte rückwärts abgespielt, aber es entstehen dennoch verständliche Worte daraus, als wäre das Original der Sprachaufnahme seinerseits rückwärts aufgenommen. Apropos Schallplatte: Mit diesem Vergleich können wir auch die zwei weiteren Tanzszenen aus dieser Episode mit der Szene am Ende in Verbindung bringen. Audrey (Sherilyn Fenn) tanzt bei ähnlicher Musik in RR wie der Zwerg im roten Raum. Während aber diese beiden Szenen  dreamy anmuten, wirkt es in der dritten höchst verstörend, als Leland Palmer (Ray Wise) eine Schallplatte auflegt und anfängt, mit Lauras Bild zu tanzen und dabei immer lauter zu heulen.

Als Sarah (Piper Laurie) seinen Tanz unterbricht, zerbricht der Glasrahmen und schneidet in Lelands Hände, so dass das Bild von Rot überzogen wird. David Lynch verbindet in dieser Episode die Komplexe Feuer, erotische Obsession und grausames Verbrechen. Denken wir an den Besuch der Brüder Horn in One Eyed Jack und an die Worte des Einarmigen:  Through the darkness of future past the magician longs to see one chance out between two worlds “Fire walk with me” , den wir in der letzten Episode sahen. Er spricht zu Cooper im besagten Traum, erzählt und präsentiert Bob, der Sarah solches Entsetzen eingeflößt hatte und der jetzt Cooper droht:  I will kill again. Ist er Lauras Mörder? Aber wer und wo ist er?

Ist er der Mystery Man im Dunkeln, als Leo Bobby und seinem Freund in den Wäldern begegnet? Handelt es sich um denselben Mann, von dem Laura auf Dr. Jacobys Band sprach? Bob und Bobby… Im Namen reflektiert sich die dämonische Dimension des Feuers: So ist “Bob” in der verkleinerten Form “Bobby” der Name von Laura Palmers Liebhaber Bobby Briggs, der durch sein beständiges Rauchen immer wieder in den Zusammenhang mit Feuer gerückt wird. Der Themenkomplex Feuer-Erotik-Verbrechen breitet sich auch auf den Ort Twin Peaks als Ganzes aus (Twin Peaks, “Zwillingsspitzen”, als Metapher für Brüste). Die zentralen Schauplätze wie das Great Northern Hotel sind  entirely made of wood , während die Hauptstrafle von Twin Peaks Sparkwood Interstate (spark = Funke) heiflt und damit die ständige “Bedrohung” des Ortes durch das Feuer ausdrückt. Aber ist die Wahrheit im Spiegel zu sehen oder an einem anderen Ort?  Where I come from the birds sing a pretty song, and there’s always music in the air.

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