Lights Out: Review der Pilotenepisode (1×01)

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Lights Out begibt sich in den Ring und erzählt die Geschichte von Schwergewichtsboxer Patrick Leary und seinem Kampf um Titel, Familie und Ehre. 

Mittlerweile hat Kabelsender FX geradezu eine Tugend daraus gemacht, mit Testosteron voll gepumpte Produktionen auf den kleinen Bildschirm zu bringen. In diese junge Tradition scheint mir nach der Sichtung des Piloten auch Lights Out zu gehören. Während die Networks die amerikanische Berufswelt meist mit Hilfe von Procedural-Formaten abhandeln, begibt sich FX nach The Shield, Rescue Me und Justified erneut mit einer stark serialisierten Erzählung in die Abgründe des Arbeitslebens. Diesmal: des Profiboxens.

FX-Serienkenner wissen, dass bei diesen Produktionen nicht nur die moralisch-ethischen Fallen unterschiedlicher Berufe hinterfragt werden, sondern – und noch mehr – deren Auswirkungen auf die Menschen, die den jeweiligen Beruf ausüben. Lights Out wird keine Ausnahme sein. Mit einem Einzelschicksal im Brennpunkt taucht die Serie ein in die Welt des professionellen Boxens: mit Patrick “Lights” Leary, der bei seinem letzten Kampf von den Schiedsrichtern um den Titel gebracht wurde.

Freilich steht die neue FX-Serie mit ihrer Erzählung über den Kampf des gebrochenen Helden um seine verlorene Ehre in einer langen Tradition. Aber die Serie fügt geschickt viele kleine Elemente ein, die die Erzählung aus den Klischees herausziehen. Ebenso sehr wie vom Boxen handelt Lights Out von einem Mann in der Midlife Crisis – mit der Besonderheit, dass Leary weder neurotisch noch wirklich gebrochen ist und seine Zeit nicht mit Selbstmitleid bzw. der Suche nach dem Mitleid Anderer verbringt: Leary zweifelt nicht an sich selbst (mindestens ist das mein Eindruck vom Piloten) und kann sehr schnell Maß nehmen, wenn er das, was er will, anders nicht bekommt.

Holt McCallany in der Rolle Learys liefert eine überzeugende Leistung und rechtfertigt die Entscheidung der Autoren, ihn für die Rolle zu besetzen. Diese Entscheidung war nicht unumstritten: Die Autoren mussten sich der Kritik stellen, dass Amerika schließlich seit Rocky Marcianos Zeiten keinen weißen Schwergewicht-Champion mehr zu feiern hatte. Nicht nur ist in Lights Out der gefallene Champion ein Weißer (irischer Abstammung übrigens – FX-Serien scheinen Irland verbunden zu sein), sondern er konkurriert mit dem farbigen Richard “Death Row” Reynolds (Billy Brown): der hatte Leary den Titel unverdient weggeschnappt und fordert ihn nun erneut heraus.

Also alles unter umgekehrten Vorzeichen? Spielt die Serie mit dem “weißen” Traum vom Schwergewicht-Titel? Vielen solchen Fragen und Mutmaßungen mussten sich die Autoren in der US-Presse stellen.

Kehren wir zurück zum Piloten: Lights Out verschwendet keine Zeit und steigt direkt in den Ring. Sehr schön gefilmte Boxsequenzen wechseln sich ab mit den Bildern des unbeweglich mit blutigem Gesicht auf einem Tisch liegenden Leary. Seine Frau Theresa (Catherine McCormack) pflegt ihn, ihre Tränen unterdrückend: „You could’ve died out there. I can’t do this . . . I love you too much to watch you die. Either you stop, or we stop.“

Er hört auf. Und die Erzählung springt fünf Jahre vorwärts: Leary lebt nun mit Theresa und den drei Töchtern in New Jersey. Theresa ist dabei, Ärztin zu werden, und Leary besitzt eine Boxschule, die aber im Grunde sein Vater und ehemaliger Trainer “Pops” Leary (Stacy Keach, „Fat City“) und sein Bruder Johnny (Pablo Schreiber, The Wire) betreiben.

Lights, der bald vierzig wird, erfährt, dass er pleite ist. Das ist nicht die schlimmste Nachricht: Er wird oft müde und ist zuweilen sehr vergesslich. Der Arzt warnt ihn vor der Möglichkeit, in naher Zukunft Alzheimer oder sonstige Gehirnprobleme zu bekommen. An diesem Punkt betritt die FX-Serie ein wenig Breaking Bad-Territorium: Die Umstände zwingen Leary dazu, das Job-Angebot eines “Geschäftsmanns” namens Hal Brennan (Bill Irwin) anzunehmen, nämlich für ihn Geld einzutreiben. Ist dieser Job besser als die Auftritte in lokalen Infomercials und Bingo-Veranstaltungen?

Außerdem organisiert Learys Bruder ein Re-Match mit Reynolds, bei dem zwölf Millionen herausspringen würden. Leary kämpft immer noch mit den Erinnerungen an die unfaire Niederlage vor fünf Jahren. Wenn er sich aber darauf einlässt, wieder zu boxen, könnte ihn das seine Ehe kosten – und seine Töchter Ava, Daniella und Katherine (Meredith Hagner, Ryann Shane, Lily Pilblad). Wie Walter White (Breaking Bad) steht Patrick Leary vor einer Entscheidung. Sein Wunsch nach Ehre kocht hoch, sein Temperament gerät außer Kontrolle…

Lights Out gelingt es im Piloten sehr gut, den Zuschauer immer wieder an diese unter der Oberfläche lauernde Gewalt zu erinnern. Bei einem Interview im Fernsehen sagt Patrick über das Leben ohne Boxen: „Sometimes you miss hitting people.“ Lights Out ist eine Geschichte darüber, ob man es schafft, die Schläge, die einem das Leben verpasst, zu überstehen und wieder aufzustehen. Die US-Serie schlägt mit ihrem Piloten den Zuschauer zwar nicht k.o., aber ihr bleiben ja noch ganze zwölf Runden, um das fertig zu bringen…

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