Alcatraz: Kit Nelson (1×03)

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Der nächste dunkle Schatten der Vergangenheit fällt über das Alcatraz-Team ein, und dieses Mal ist die Situation Dr. Soto leider vertraut.

Obwohl der Showdown am Ende im strömenden Regen stattfindet, ist diese Episode ziemlich trocken. Das betrifft nicht nur den Inhalt von Kit Nelson, sondern auch – mit wenigen Ausnahmen – die Performance der Beteiligten und den Fortgang der Erzählung. Die dritte Alcatraz-Episode zeigt sehr deutlich, welche Gefahren der neuen FOX-Serie drohen, genauer gesagt: der Qualität ihrer Erzählung. Ich weiß, es ist sehr früh, um Alarm zu schlagen; die Anmerkungen in diesem Review sollten also als leicht erhobener Zeigefinger betrachtet werden! Im Sinne des Überlebens der Serie ist es vermutlich das Richtige, alles simpel zu handhaben und das Dramaturgie-Schema aus Fall der Woche plus Mystery-Prise beizubehalten, bis man irgendwann den großen Gegner eingeführt hat. Aber so wird Alcatraz über eine Serie zum Nebenbeischauen nicht hinauskommen.

Das ist an sich nicht schlimm, und ich würde mich nicht gleich auf dem Absatz umdrehen und die Gegenrichtung einschlagen wollen. Nach wie vor erscheint mir die Prämisse viel versprechend – aber an der Umsetzung muss gearbeitet werden, damit die Möglichkeit, eine interessante Geschichte auch interessant zu erzählen, nicht flöten geht. Im Moment wirkt alles zu schematisch, man empfindet kein Mit-Gefühl für die erzählte Welt. Wir beobachten die meiste Zeit Darsteller, die ihre Rollen spielen und ihren Text hersagen – und nicht Figuren, die in dieser Welt leben. Ausgehend von der Prämisse der Erzählung klingt die Bemerkung ironisch, aber Alcatraz wirkt… menschenleer. So, als würden Figuren und ihre Emotionen mit solchem Nachdruck dargestellt, dass uns – einfach nichts zu tun bliebe. Die Serie übernimmt alles für uns! Hier ist Dr. Soto, das ist seine Geschichte… Obwohl: die kann warten. Vielleicht später.

Das Musikthema wechselt und zwingt uns zum nächsten Gefühl. Mich stört die Art, wie Alcatraz bei uns Zuschauern das emotionale Mitfiebern zu erzwingen versucht. Oft geschieht das mit Hilfe des Scores, dessen Lautstärke die Produzenten offenbar immer mehr aufdrehen. Ich mag Celli sehr, aber uns wirklich bei jedem Blick und jeder vermeintlichen Gefühlsregung mit Streicher-Sound zu bombardieren, um diese Regung zu betonen, wirkt völlig übertrieben und erreicht – zumindest bei mir – den gegenteiligen Effekt. Warum man so sehr „hört“? Vielleicht weil man zu wenig „sieht“? Vor allem von den Darstellern und von den Details der handlungsübergreifenden Erzählung. Kit Nelson kann am besten mit den eigenen „Waffen“ beschrieben werden: Ein paar Mal kann die Episode zünden, aber die Flamme brennt nicht lange genug, um etwas wirklich zu beleuchten. Das Auftauchen eines der verschwundenen Gefangenen bringt keine neuen Erkenntnisse – weder über die Geschichte noch über die Alcatraz-Welt. Ein Kindermörder aus den 60er Jahren namens Kit Nelson (sehr gut in der Rolle: Michael Eklund, Fringe) taucht auf, setzt seine grausamen Taten fort, wird vom Team erledigt und wandert in das neue Gefängnis, nur diesmal als Leiche. Vielleicht, damit man uns den berüchtigten Dr. Beauregard vorstellen darf?

Ausgehend von seinem Tanz am Ende der Episode dürfen wir uns fragen, ob er die Funktion des Zwerges aus Twin Peaks übernehmen wird: der Mann von einem anderen Ort. Beauregard hat sich, ebenso wie Lucy, äußerlich seit 1960 nicht verändert. Heißt das, es gibt unter den Verschwundenen zwei Gruppen: die Insassen und das Gefängnispersonal – und beide kommen zurück in die Gegenwart / Zukunft? Die Flashbacks aus Nelsons Gefängniszeit sind, zusammen mit ein paar Dr.-Soto-Szenen, das Beste, was diese Episode zu bieten hat. Nicht nur ließ damals Warden James zu, dass die anderen Gefangenen Nelson halbtot prügelten, wie es sich für einen Kindermörder gehört, sondern er erzwang von ihm das Geständnis, dass Nelson als Kind den eigenen Bruder tötete. Die Verbindung zur Gegenwart und zu der Erkenntnis, warum und wie Nelson funktioniert, kann nicht überraschen, falls sie das sollte.

Aber das ändert nichts an der Intensität der James-Nelson-Szene im Dunkeln mit den Streichhölzern. Mich beschäftigt die Frage, was Nelsons Auftrag in der Gegenwart war. Oder kam er nur zurück, um weiterzumachen? Gibt es Unterschiede zwischen den Rückkehrern – und wenn ja, warum? Wir erfahren, dass auch Soto eine dunkle Vergangenheit besitzt, die den Erfahrungen des entführten Jungen ähnelt. Warum aber seine Obsession ausgerechnet mit Alcatraz? In einer innigen Szene am Ende spricht er mit Dylan über die Flucht vor der Vergangenheit, darüber, sich von ihr befreien zu können. Aber wenn sie einen trotzdem heimsucht?

Wie viele Streichhölzer wird Alcatraz brauchen, um die Wahrheit zu erzählen? Wie viel ist die Serie dafür bereit zu riskieren, ohne sich die Finger zu verbrennen oder aber zu lange im Dunkeln zu tappen? Wird sie den Balanceakt zwischen Pflicht-der-Woche und einer tiefer gehenden Erzählung meistern können? Weiterschauen und abwarten.

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