Mad Men: Blowing Smoke (4×12)

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In dieser Mad Men-Episode trifft Don Draper eine Entscheidung, deren Konsequenzen niemand vorherzusehen vermag – nicht einmal Don selbst.

Während am Anfang der Staffel das strahlende Weiß der neuen Agenturräume einen optimistischen Neuanfang suggerierte, verwandelt sich dieselbe Farbe gegen Ende der Staffel in das klinisch-sterile Weiß eines Krankenhauses. Das Strahlen ist verloren gegangen; der Fleck auf der weißen Weste heißt jetzt: Hilflosigkeit.

Schon die erste Szene, das dank Faye zustande gekommene Treffen zwischen Don (Jon Hamm) und dem Ketchup- (Entschuldigung, auch Bohnen-) Hersteller Heinz, zeugt von dieser Hilflosigkeit, die langsam auch Don befällt. Nun: Don hat Erfahrung mit ausweglosen Situationen. Er weiß, dass man manchmal den Ast absägen muss, auf dem man sitzt, um den Baum überhaupt retten zu können.

SCDP ist am Ende dieser vierten Staffel ein Patient, der dringend Behandlung braucht – auch wenn die schmerzvoll verlaufen kann und Genesung nicht garantiert wird. Das Wort „Heilen“ spielt eine gewichtige Rolle in Blowing Smoke: nicht nur bezüglich Dons Anti-Raucher-Statement, auf das wir unten kommen, sondern auch bezüglich Dons Tochter Sally.

Zum dritten Mal in dieser Staffel zieht Mad Men in einer Episode Parallelen zwischen Don und seiner Tochter. Wir sehen hier, dass Sally sich gegenüber Betty besser benimmt und die Ratschläge ihrer Psychologin befolgt. Oder eher Glenns Ratschläge? Wir erinnern uns an den Nachbarsjungen Glen, mit dem Sally noch immer befreundet ist. Eigentlich ist er ihr einziger Freund. Genauso wie Anna Dons einzige Freundin war. Man könnte sagen, dass gegenwärtig höchstens Peggy in Annas Fußstapfen treten könnte.

Sally mache Fortschritte, hört Betty (January Jones) von Dr. Edna, die kurz davor auch eine sehr schöne Szene mit Dons Tochter teilte. Aber Betty will Sally weiterhin zur Behandlung schicken – sie sei nicht geheilt! Da ist es wieder, das Wort: „geheilt“. Die Ironie des Schicksals – will sagen: der Mad Men-Autoren – liegt darin, dass Dons einzige Freundin Anna an Krebs starb: Sie konnte nicht geheilt werden. Wenn nun Betty,  die von den heimlichen Treffen zwischen Sally und Glen erfahren hat, ihre Umzugspläne verwirklichte, würde auch Sally ihren einzigen Freund verlieren.

Im Grunde ist Betty diejenige, die dem Heilungsprozess ihrer Tochter im Weg steht – aus einem einfachen Grund: Sie ist selbst nicht geheilt worden. Höflich weist die Psychologin Betty darauf hin, dass vielleicht auch sie selbst sich in Behandlung begeben sollte… Möglicherweise wirkt ihre Frage, ob sie wie Sally bei Dr. Edna behandelt werden könne, ein wenig „over the top“. Sie macht deutlich, was wir schon wussten: Ja, Betty braucht Behandlung. Im Grunde ist sie selbst noch ein Kind – sie ist nicht erwachsen geworden.

Zurück zu der Heilungsspritze, die Don der Agentur verpasst. Nun ja – es könnte auch die tödliche Spritze gewesen sein… Wie aus heiterem Himmel trifft Don auf Midge (Rosemarie DeWitt), die Malerin, mit der er in der ersten Staffel eine Beziehung führte. Was wie ein Zufall aussieht, war geplant: Midge braucht dringend Geld. Es stellt sich heraus, dass sie mit einem Dramaturgen verheiratet ist und beide drogensüchtig sind. Don und Midge spielen eine von Hilflosigkeit und Trauer durchdrungene Szene, in der er ein Bild von ihr kauft, um ihr das Geld zukommen zu lassen. Wir sehen, dass beide seit dem letzten Mal, als wir sie erlebten, tiefer gefallen sind.

Aber während Midge aufgegeben hat, ist Don ein Meister des Überlebens. Über Nacht, nachdem er lange auf Midges Bild gestarrt hat, trifft er eine Entscheidung. Seine Sucht, seine Abhängigkeit richtet sich nicht auf Drogen, sondern darauf, das Leben zu meistern, sich durchzusetzen. Dafür freilich muss er wieder einmal auf Ehrlichkeit verzichten. Sehr schön die Szene, als er alle mit Selbstreflexionen beschriebenen Blätter aus seinem Tagebuch herausreißt und ein Manifest verfasst: gegen das Rauchen, die Zigarettenhersteller und die Werbefirmen, die ihnen zuarbeiten. Er schreibt rauchend.

Am nächsten Tag erscheint sein Text in den New York Times und sorgt für Riesenaufregung – vor allem in der eigenen Agentur. Don und SCDP vs. „The C“! „C“ wie „cancer“, wie „cancellation“, „c“ wie „clients“, die man nicht hat, wie „cynism“ – Don redet und schreibt Feindseliges übers Rauchen und raucht dabei selbst.

Und: C wie Cooper. Bert Cooper nimmt seine Schuhe und geht. Wird das „C“ aus dem Firmennamen verschwinden? Wird Dons Manöver zum Erfolg führen? The American Cancer Society meldet Interesse an einer Zusammenarbeit, während etliche Mitarbeiter von SCDP die Kündigung erhalten; auch Dr. Faye Miller verliert ihren Job bei SCDP, nimmt es jedoch recht gelassen. Mittel werden gestrichen; jeder Partner muss Geld in die Kasse schießen, damit die Firma überlebt…

Pete hat dieses Geld nicht, aber Don bezahlt seinen Anteil, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Kauft er sich auch hier, wie bei Midge, frei? Frei vom schlechten Gewissen? Kann der Patient S(C)DP gerettet werden? Muss man – auf die Agentur-Gründer Cooper und Sterling anspielend – die Beine amputieren, um das Überleben des restlichen Körpers zu retten? Gibt es noch Heilung für solcherart Überlebende?

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