Twin Peaks: Lonely Souls (2×07)

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Wir haben schon darüber gesprochen, dass Bilder in  Twin Peaks  ständig wiederholt werden – aber während dessen erfahren sie eine Verschiebung: Bei jeder Wiederholung sind die Bilder doch nicht mehr dieselben, weil der Kontext der Beteiligten sich verändert hat. Genau hier liegt Coopers (Kyle MacLachlan) Problem – und er sieht es irgendwie, wird aber selbst von den Bildern und Ereignissen derartig überwältigt, dass er sich von ihrem Fluss in eine bestimmte Richtung treiben lässt: und die erweist sich als die falsche. Dadurch wird der Zuschauer als Spurenleser inszeniert und herausgefordert, an dem angebotenen Spiel teilzunehmen.

David Lynchs Aussagen hierzu zeigen, dass es ihm weniger darum ging, den Mörder zu entlarven, als das Spielchen mit Cooper und den Zuschauern weiter zu treiben. Das wiederum erschien jedoch ABC zu gefährlich. Wenn man sich aber einmal auf das Spiel mit dem Feuer eingelassen hat, dann muss man es auch zu Ende führen… Vermutlich wollte Lynch nicht einfach innerhalb der  Twin Peaks -Erzählung die Spuren auf eine Figur zurückführen, sondern die Bewegungen und die Verschiebungen thematisieren, die diesen Spuren zugrunde liegen. So wird der Zuschauer mit eingeschrieben, innerhalb des Rahmens seiner Zuschauererfahrung gedoppelt – so wie die Figuren gedoppelt werden.


Twin Peaks  präsentiert uns Gut und Böse als Teile desselben Mechanismus, die schwer voneinander zu trennen sind. Das eine mündet sozusagen in das andere ein, wobei das Böse immer den ersten Schritt oder den Anfang macht, wie es Milan Kundera in seinem “Buch vom Lachen und Vergessen” beschreibt: Er spricht von dem Erstarren des Engels, als er das Lachen des Teufels hört, weil dieses Lachen gegen Gott und sein Werk gerichtet ist. Der Engel war nicht imstande, selbst etwas zu erfinden, und deshalb ahmte er seinen Widersacher nach. Nur die Klangfarbe bezeichnete den Unterschied. In diesem Sinne spricht Kundera von zwei Arten des Lachens und von dem fehlenden Wort, um die beiden Phänomene voneinander zu unterscheiden.

Derjenige, der den Teufel als Vertreter des Bösen und den Engel als Kämpfer für das Gute betrachtet, übernimmt die Demagogie des Engels:  Es sind doch alles Bestien, Kassandra. Halb Bestien, halb Kinder. Sie werden ihren Begierden folgen, auch ohne uns. Muss man sich denen in den Weg stellen?  (Christa Wolf)Und so steht Leland Palmer (Ray Wise) zum Entsetzen der Zuschauer vor dem Spiegel und sieht darin Bob. Er steht vor seinem Spiegelbild und erblickt etwas Anderes – was er ist. Das “ist” ist hier quasi durchgestrichen – im Sinne des Philosophen Jacques Derrida: das “ist” kann nicht als Identitätszuschreibung aufrecht erhalten werden. In der Szene, als Leland/Bob brutal Maddy umbringt, wechseln die Bilder zwischen den beiden Identitäten; auch auditiv ist der Wechsel gekennzeichnet, indem Bobs Stimme verzerrt, verschoben zu hören ist. Die Klangfarbe bezeichnet den Unterschied.


It is happening, again. It is happening, again , sagt der Riese, der sich auf der Bühne (mit roten Vorhängen) im Roadhouse materialisiert. In seiner Stimme schwingt Unausweichlichkeit mit, die Cooper spürt und die ihn erstarren lässt. In diesem Moment realisiert er, dass er den falschen Spuren gefolgt ist. Davor lässt er Ben als den Mörder verhaften und wird von der Log Lady ins Roadhouse geführt, da sie dort Unheil vermutet. In dem Moment, als parallel zum Auftauchen des Riesen der Mord an Maddy geschieht, steht die Welt von Twin Peaks still; es scheint, als würde der Satz, den Smith vor seinem Selbstmord hinterlässt, auf alle Anwesenden zutreffen: Cooper, Harry, James, Bobby, Donna –  I’m a lonely soul.  Laura Palmers Mörder ist kein Geheimnis mehr. Zumindest nicht für die Zuschauer, während Cooper & Co. weiter im Dunkeln tappen.

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