Dexter: Beauty and the Beast (5×04)

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Beauty and the Beast ist eine Episode, die – wenn man es ganz negativ ausdrücken will – als Füllepisode bezeichnet werden kann. Sie fungiert als Übergang innerhalb der Erzählung dieser fünften Staffel. Die Frage ist: als Übergang zu was? Ich schätze, hier dürfen wir eine Vertiefung der Beziehung zwischen dem letzten Boyd-Opfer und Dexter erwarten – der Interaktion zwischen den beiden wird schließlich die meiste Screentime gewidmet.

Es werden auch Fortschritte in den Nebenplots gemacht, aber wenn ich ehrlich sein darf, ist mir nicht klar, wohin die führen sollen… Der Handlungsstrang um Maria und Angel übt bisher kaum Einfluss auf den Rest der Erzählung aus und ist nicht spannend oder amüsant genug, um sich aus sich selbst heraus rechtfertigen zu können. Die Sache mit Quinn und seinem Kyle-Butler-Verdacht jedoch wird definitiv mit der Haupterzählung kollidieren – und erinnert sehr an die damalige Interaktion zwischen Doakes und Dexter: mit dem einzigen Unterschied, dass damals alles auf einer persönlicheren Ebene ablief, während Dexter Quinn kaum eines Blickes würdigt.

Nun ja, Dexter hat andere Sorgen. Er hält sich nicht an Harrys Regeln und versucht der jungen Frau, die er vor Boyd rettete, zu helfen. Sein Problem ist seine Glaubwürdigkeit: Dexter stellt fest, dass ihm plötzlich niemand mehr glaubt, ganz gleich, ob er die Wahrheit sagt oder lügt. Das betrifft auch Babysitterin Sonya: Nachdem Dexter sie die ganze Nacht mit Harrison allein gelassen hat, kündigt sie den Job. Sehr schön ist dann die Szene mit Dexter und Harrison, als Dexter zu ihm sagt: I miss your mom…

Eine typische Dexter-Szene. Einerseits könnte sie bedeuten, dass Dexter Rita in menschlicher, emotionaler Hinsicht aufrichtig vermisst – andererseits fehlt sie ihm rein ‚faktisch’: als Ablenkung, als Babysitter, als Deckung. Das verdeutlicht auch die folgende Szene, in der Dexter Harrison als Ablenkung auf dem Revier einsetzt, um durch den Fingerabdruck der Unbekannten ihre Identität feststellen zu können. Schließlich entwendet er sogar – zu Harrys Entsetzen – Masukas Medikamente, um sie Lumen (so heißt die Unbekannte) zu verabreichen. Julia Stiles in der Rolle von Lumen macht ihre Sache sehr gut und vermittelt in den Szenen mit Dexter glaubwürdig die Verzweiflung und die Angst, der sie ausgesetzt ist. Denn obwohl wir wissen, dass Dexter ihr nichts tun wird, wirkt die Verfolgungssequenz durch die Sümpfe wie aus einem Horrorfilm: sie wurde auf entsprechende Art und Weise inszeniert und gefilmt. Eine erschreckende Jagd, die den Horror aus Lumens Perspektive erfahrbar macht.

Nachdem Dexter sie erwischt hat, zeigt er ihr, was Boyd getan hat, damit sie versteht, dass er ihr das Leben gerettet hat. “How do I know you didn’t kill these girls?” fragt sie. Er hat keine Antwort – außer: sie müsse ihm vertrauen. Dazu spielt er noch die Rita-Karte aus. In diesem Moment sagt er die Wahrheit – und endlich glaubt ihm jemand. Allerdings gesteht ihm Lumen, sie habe ihn für ein Monster gehalten. Damit liegt sie allerdings richtig – oder?

Bleiben wir zum Abschluss dieses Reviews ein wenig bei der Frage: Ist Dexter ein Monster? Die Faszination der Unterhaltungsindustrie für Serienmörder hat mit Dexter einen Höhepunkt erreicht. Gleichzeitig markiert Dexter eine Wende innerhalb der Repräsentation und Rezeption serieller Täter. Nach 9/11 hätte man vermuten können, dass Serienmörder auf dem Bildschirm durch die Figur des Terroristen ersetzt werden – aber das geschah nicht wirklich.

Dafür änderte sich das Bild des Serienmörders: Wurde diese Figur früher als Außenseiter, böse, gesellschaftsunfähig und schädlich dargestellt, präsentiert in jüngster Zeit vor allem die Showtime-Serie den Serienmörder als geradezu ‚familiäre’ Figur, als Teil der Gesellschaft oder sogar als ihr Beschützer.

Vielleicht kann man sagen, dass die Paranoia der Angst vor dem Terror und des Zweifels an der Effektivität der legalen Staatsmacht zwei Beschützer-Figuren im Fernsehen produziert hat: Jack Bauer und Dexter. Beide begehen moralisch-ethische Überschreitungen, um die Gesellschaft zu beschützen: der eine auf der Ebene des Staatsapparats und der andere auf familiär-persönlicher Ebene. Diese Figuren scheinen den Zuschauern sympathisch zu sein – aber wie ist das möglich?

Mit Hilfe eines einfachen Mechanismus der Verleugnung:  Rationalisieren und rechtfertigen. Dexters traumatische Kindheitserlebnisse sorgen für Empathie beim Zuschauer, ebenso seine Zuneigung zu Frauen und Kindern, das Vertreten von Familienwerten, das Verurteilen moralisch-ethischer Grenzenüberschreitungen Anderer, das Aufzeigen der Fehler im System und ihre ‚Regulierung’, was ja die Gesellschaft schützt – in der Serienmörder-Figur werden traditionell ‚böse’ mit traditionell ‚guten’ Eigenschaften kombiniert, so dass ein Serienmörder wie Dexter gleichsam ‚im Auftrag der Gesellschaft’ arbeitet.

Das macht es in Dexters Fall extrem schwer zu entscheiden, ob er ein Monster ist oder nicht, ob er gut oder böse ist. Immer wieder erzeugen die Autoren außerdem einen Kontrast zu anderen, wirklich ‚bösen’ Serienmördern, was auch in dieser fünften Staffel funktioniert: Als Dexter Lumen nach Hause schicken will – von dort war sie weggelaufen, bevor Boyd sie überfiel -, sagt sie zu ihm, es sei nicht nur Boyd, es sei nicht vorbei.

Wird es also noch mehr zu tun geben für den ‚nicht-bösen’ Serienmörder, der in die amerikanische Gesellschaft aufgenommen wurde? I’m a very neat monster!

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