Wer könnte das vergessen: Trinitys (John Lithgow) „Hello, Dexter Morgan“! Die zweite Episode der neuen Staffel erinnert uns an Arthur Mitchell aka Trinity – nicht nur anhand des Titels, der ein Zitat des Roadkill-Serienmörders Boyd Fowler (Shawn Hatosy) ist, sondern auch durch die Erwähnung von Trinitys Familie. Zwar sehen wir die Mitchells nicht, aber ihre Off-Screen-Existenz hat Auswirkungen auf einen neuen Nebenplot: Quinn wird auf Kyle Butler (Dexter) angesetzt.
Das FBI sucht nach Kyle Butler: er stellt die einzige Verbindung zum verschwundenen Arthur Mitchell dar. Quinn, der sowieso schon Verdacht schöpfte, wird vermutlich im Laufe dieser Season Kyle Butlers wahre Identität herausfinden. Wird er also auf Dexters Tisch enden? Versuchen die Autoren deshalb, den ohnehin schon unsympathisch daher kommenden Quinn noch unsympathischer zu machen – durch die Art, wie er mit Deb (Jennifer Carpenter) umgeht? Wobei: Auch Deb ist beileibe kein Vorbild für den Umgang mit anderen Menschen… und erst recht nicht ihr Bruder, der immer noch die unterschiedlichen Ebenen der Trauer beabeitet.
Für sämtliche sieben Trauer-Phasen hat Dexter freilich keine Zeit, wie seine Stimme in der ersten Szene berichtet: Whatever the other six stages are I don’t have time for them, because now I’m a full time dad. Die erste Szene steht exemplarisch für die Rückkehr der Serie zu ihren Anfängen, was die visuelle Strukturierung einer Episode betrifft. Die Kamera filmt Dexter unter Wasser, umgeben von Blau; die Oberfläche über seinem Kopf schimmert wie in Rot getaucht. Nicht nur spiegelt diese Szene „Dexter“ an sich (Wasser, Blut, fließen, tauchen…), sondern sie beschreibt seinen gegenwärtigen Zustand: getaucht in ein Meer aus Trauer – und über seinem Kopf The Dark Passenger als rettende Oberfläche.
Die farbliche Struktur der restlichen Episode passt sich diesen Aufnahmen an: Hello, Bandit wechselt zwischen in Rot getauchten Tag-Aufnahmen und in Blau getauchten Nacht-Aufnahmen. Immer hat Dexter versucht, unbemerkt zu verschwinden, durch den Tag in die Nacht hinein zu gleiten, um das Begehren des Dark Passenger zu stillen. Immer hat er nach einem Cover gesucht – und in Rita einmal eines gefunden. Nun ist Rita fort – und alle Augen sind plötzlich auf ihn selbst gerichtet und warten: wie wird er auf die neue Situation reagieren?
Auch Dexter selbst beobachtet sich, und außer für diese Selbstbetrachtung hat er nur für ein Anderes Augen: Blut. Als er einen Transporter mieten will, um die Sachen der Kinder aus Ritas Haus zu holen, entscheidet er sich für einen ganz bestimmten, auf dessen Ladefläche er einen Tropfen Blut erblickt. Dexter kann nicht anders: er muss den Blutspuren folgen – um herauszufinden, dass der vorherige Mieter ein gewisser Boyd Fowler war, der für Animal Control arbeitet und überfahrene Tiere (Roadkill) einsammelt. Das Blut aber ist menschlich, stellen Dexter und Harrison fest.
Harrison? Ja, Dexter nimmt ihm mitten in der Nacht mit, um den Lieferwagen nach auf Blutspuren zu testen. Er teilt diesen Moment mit seinem Sohn. Dabei erzählt er Harrison ein Märchen, so wie es Eltern tun: Once upon a time… a princess had a blunt force trauma. Harrison bekommt eine erste Lektion in Blut- und Mordanalyse. Die Frage drängt sich uns auf: wird Dexter Harrison auch zu den Hinrichtungen mitnehmen? Es klingt zwar schrecklich, aber irgendwie natürlich… für Dexter. Am Ende dieser Szene sagt Dexter zu Harry, der ebenfalls erscheint: The better killer I am, the better father!
Am nächsten Tag stellt Dexter Boyd eine Falle mit einem toten Waschbären, um ihn kennen zu lernen. Lustigerweise liefert ihm Boyd eine Analyse des Waschbären-Tatorts, die zu der Schlussfolgerung führt, der Bär sei irgendwo anders getötet worden. Dexters Gedanke: He’s CSI’ing me. Nun: Boyd interessiert sich nicht nur für Tiere. Dexter stattet ihm einen heimlichen Besuch ab und findet eine nummerierte blonde Haarsträhne auf dem Fußboden. Boyd kommt überraschend nach Hause – und das Bild eines Serienmörders vervollständigt sich, als Dexter mitbekommt, welche Selbstverwirklichungs-Lektionen er auf CD hört: Whatever you want, just take it (so in der Art)! Dexter schleicht sich aus dem Haus. Die Szene endet mit Worten aus dem Off: I can teach you how to take control of your life. Eine ähnliche Stimme – aber ich glaube, nicht die aus den Lektionen – fügt im Anschluss hinzu: Take it! Boyd scheint das Leben junger blonder Frauen zu nehmen, deren Leichen Dexter am Ende der Episode entdeckt: To be continued …
Im Ganzen leidet Hello, Bandit ein wenig unter den Nebenplots: um Maria (Lauren Velez) und Batista (David Zayas) einerseits, andererseits um Deb und Quinn (Desmond Harrington) alias „Mr. Fat Sausage Fingers”, wie Deb ihn nennt. Löbliche, (uns) nicht störende Ausnahme: Masuka (C.S. Lee) als Dexters Vertreter bei der Blutanalyse. Ich darf zitieren – Entschuldigung: Fuck me up the goat-ass!
Man bekommt den Eindruck, als wüssten die Autoren nicht so recht, womit sie die Nebenfiguren beschäftigen sollen, wenn sie gerade nicht in den Hauptplot um Dexter involviert sind. Vielleicht entwickelt sich ja der neue Mordfall um den Todeskult Santa Muerte zu einem spannenden neuen Nebenplot für Deb & Co.? Zu diesem „Co.“ wird anscheinend April Lee Hernandez’ Polizistin Cira gehören. Gut hat mir der leise Abschied von Astor (Christina Robinson) und Cody (Preston Bailey) gefallen. Der Weg für Dexter, ein guter Vater für seinen biologischen Sohn Harrison zu sein, wäre damit frei… !