Dexter: Practically Perfect (5×03)

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Das Auto fährt und fährt und fährt, bis es die gelbe Trennlinie überquert – oder aber auf ein totes Tier auf der Straße stößt. Tote Tiere und solche, die noch sterben müssen, unter der Sonne von Miami: Das strahlende Licht, das gelbe Licht, das gesättigte Gelb – sie erleuchten den Weg, Dexters Weg der Besserung. Schritt für Schritt, Gelb für Gelb. Was so gerne als Verbildlichung eines Zusammenhangs genommen wird – „der rote Faden“ oder „die rote Linie“ – verwandelt sich in dieser Dexter-Episode in gelbe Schrift, die nur eins schreibt: Take it!

Was Dexter genommen wurde, will er wiederhaben: seine Frau Rita. Das ist nicht möglich: Dexter kann töten, aber niemanden ins Leben zurückholen. Es bleiben ihm nur Harrison und The Dark Passenger. Damit Dexter Harrison ein guter Vater sein kann, muss The Dark Passenger wieder auf die Straße – und die rote Linie von früher wiederfinden…

Bevor ich noch mehr Verwirrung stifte und angeblich falsche Tatsachen verbreite, kommen jetzt sofort die gelben Tatsachen und Linien an die Reihe. Am Anfang der Episode trägt Harrison ein gelbes T-Shirt. Boyds Auto ist im selben Gelb lackiert. Je intensiver die Handlung wird, desto öfter erscheinen die gelben Flecke im Bild: Extremes Close-Up des gelb-orangenen Lichts am Krankenwagen, als Boyd und Dexter eingeliefert werden; die Tragen mit Dexter und Boyd haben gelbe Gestelle und werden an einem Regal mit gelben Fächern vorbeigeschoben… Am Ende, als Dexter Boyd tötet, trägt er gelbe Handschuhe und eine gelbe Schürze mit der Überschrift: Natural Born Griller!

Das Gelbe dieser Episode beschreibt damit nicht nur Dexters Versuch, „back on track“ zu kommen, sondern erinnert uns an den schwarzen Humor, mit dem die Serie so gekonnt arbeitet. Schon in der ersten Szene spielt man mit unserem Blick, mit unseren Sehgewohnheiten: Es werden extreme Close-Ups von der Augenpartie Debras und einer unbekannten Frau gezeigt, während Dexters Schwester die Unbekannte befragt. Ein ungehaltenes, heftiges Verhör, Debra-Style. Als aber die Kamera zurückfährt, sehen wir das ganze Bild – und sofort wird uns klar, dass sich das Gespräch ganz einfach um eine mögliche Nanny für Harrison dreht…

Letztendlich finden Deb und Dexter eine zuverlässige Nanny, was Dexter die nötige Zeit gibt, sich um Boyd zu kümmern. Oder besser: um sich selbst, denn die Trauerberaterin rät ihm: “Do something for Dexter!” Dexters Stimme antwortet: “Dexter will.“
Obwohl man ja wusste, dass Boyd auf Dexters Tisch landen würde, konnte man die Chemie zwischen Dex und Boyd genießen und war geradezu dankbar, dass die Autoren die Auseinandersetzung in die Länge zogen. Mir zumindest ging es so. Und da wir vom schwarzen Humor sprachen: den Höhepunkt der Episode bildet die Szene, als Dexter Boyd betäubt, dieser sich aber im Fallen umdreht und Dexter seinerseits betäubt – mit der Waffe, die er für die Tiere benutzt. Beide, Dex und Boyd, werden eingeliefert und versichern dem Arzt im Krankenwagen, dass es sich um einen Unfall handele – während die Kamera uns in extremen Close-Ups zeigt, wie sie einander misstrauisch abschätzen. – Ich habe mich übrigens gefragt, ob es tatsächlich eine Tupper-Dose war, in der Dexter behelfsmäßig Boyds Blutstropfen aufsammelt?!

Boyd endet also auf dem Tisch: in seiner eigenen Wohnung, da Dexter improvisieren muss. “Nothing feels different. If anything, I’m emptier“, stellt er nach dem Mord fest. Wieder einmal schafft es diese Episode, die Balance zu wahren zwischen Dexters Gedanken und der Welt – die ihren Gang unterbricht und sich nicht an die gelbe Trennlinie hält, sondern sie überquert. Ins Licht getaucht, das durch das Gelb der Schürze noch intensiver wirkt – Michael C. Hall wird bei den Mordszenen immer von oben beleuchtet (Top Light) –, verharrt Dexter für einen Moment über Boyds totem Körper. Dann… hört er ein Geräusch. Mit Blut an den Händen bzw. den gelben Handschuhen findet Dexter heraus, dass es für seine Tat eine Augenzeugin gibt: Im Nebenraum hatte Boyd bereits sein nächstes Opfer (Julia Stiles) eingesperrt – vermutlich hat sie alles gesehen.

Nun hat Dexter nicht nur Blut an und ein Baby in den Händen, sondern auch eine Augenzeugin auf dem Buckel. Kein Licht am Ende des Tunnels – weder rot noch gelb.

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