Kann es sei, dass die Dexter-Autoren selbst Gott spielen? Das könnte sich als gefährliches Spiel zwischen Licht und Schatten erweisen. Ich meine die Ungewissheit, in der man uns Zuschauer noch immer schweben lässt: ob Gellar physisch existiert oder nicht. Es scheint so, als würde dieses Spiel – ganz abgesehen von seinem Ausgang – keinen Gewinn bringen. Anstatt als As im Ärmel kann sich Gellar als Schwarzer Peter entpuppen. Warum? Wenn Gellar wirklich existierte, dann wären innerhalb der Gesamtthematik der Staffel die Parallelen zwischen Travis und Dexter nicht mehr so stark ausgeprägt – und Gellars Figur wäre durch ihre sporadischen Auftritte nicht annähernd so wirkungsvoll wie frühere Bösewichter.
Die Figur bliebe einfach „flach“. Falls aber Gellar nur in Travis’ Kopf lebte und die Autoren dies als „Bombe platzen“ lassen wollten gegen Ende der Staffel, dann würde der Überraschungseffekt sicherlich ausbleiben: aufgrund der vielen Spekulationen und Hinweise, die es bereits gibt. Nun jedoch folgt das große „Aber“ und damit die Tatsache, von der die Serie profitieren könnte: Wenn Gellar nur für Travis existiert, dann weiß das Travis selbst nicht. Er weiß nicht, dass Gellar sein Dark Passenger ist. Das könnte zu einem interessanten Spiel zwischen ihm und Dexter führen, da sie beide Travis’ Problem als ein äußeres betrachten, wie Dexters Stimme sagt: als eines, das man mit einem Messer beseitigen könnte.
Die Nebenhandlungen in Miami Metro wirken nach wie vor wie von einem anderen Stern: Es ist wirklich egal, was geschieht und was nicht. Ob Quinn besoffen mit Masuka im Stripclub sitzt, Angel Louis wegen Jamie anmacht und Maria Debra herumzukommandieren versucht – das alles bleibt schlichtweg belanglos. Immerhin könnte es durch den Fall um die an einer Überdosis gestorbene Prostituierte endlich gelingen, Maria zu verabschieden. Denn allem Anschein nach übt sie auf Debra Druck aus, um jemanden zu decken. Ob es Matthews ist? Wir werden es bestimmt bald erfahren.
Die Episode konzentriert sich zum Glück vorwiegend auf den Austausch zwischen Travis und Dexter. Dexter versucht Travis dazu zu bewegen, Gellars Aufenthaltsort preiszugeben. Aber Gellar selbst schläft nicht, sondern vollendet die Inszenierung The Whore of Babylon, indem er dafür… Travis’ Schwester Lisa (Molly Parker) benutzt. Davor knockt er Travis mit einer Schaufel aus und kettet ihn in der Kirche an. Debra und ihre Kollegen realisieren, dass sie nach zwei Personen suchen, und Travis wird zum Hauptverdächtigen. (Debra: I’ll fuck Masuka if this isn’t our guy.) Debra (Jennifer Carpenter) wirft sich vor, etwas übersehen zu haben, da sie noch kurz vor dem Mord mit Travis’ Schwester sprach. Aber genau genommen – und das ist vor dem Hintergrund des Bruder-Schwester-Konflikts in dieser Episode interessant – liegt die Schuld nicht bei Debra, sondern bei Dexter (Michael C. Hall).
Er ist ja derjenige, der seinen Kollegen Erkenntnisse und Beweisstücke vorenthält, was den Tod Unschuldiger zur Folge hat. Die Serie versucht, die Parallele zwischen den beiden Bruder-Schwester-Paaren zu ziehen. Das könnte sich als Erfolgsrezept erweisen, je nachdem, wie nah die Autoren Debra an Dexter herankommen lassen. Sie findet den Nebraska-Stift und stellt schnell fest, dass Dexter sie belogen hat. Wird ihr gescheiterter und verzweifelter Versuch, mit ihrem Bruder zu kommunizieren, sie Einiges hinterfragen, Verbindungen herstellen lassen? Dexter wiederum scheitert daran, Gellar zu erwischen, der wie ein Geist aus der Kirche verschwindet. Dafür verspricht ihm Travis seine Hilfe, um Gellar umzubringen. Dexters Voice Over spricht am Ende darüber, dass er es vielleicht geschafft habe, selbst das Licht in Travis „anzuzünden“. Aber die Frage ist: Was wird das Licht im Dunkeln beleuchten?