George Clooney und sein langjähriger Partner im Produktionsgeschäft Grant Heslov, mit dem er Filme wie “Good Night, and Good Luck” und “The Men Who Stare at Goats” auf die Beine gestellt hat, sind die ausführenden Produzenten der neuen TNT-Serie Memphis Beat. Und es ist nicht das erste Projekt der beiden fürs Fernsehen. K Street und Unscripted, die die beiden für HBO produzierten, waren aber eher experimenteller Natur. Mit Memphis Beat will man sich auf etwas länger andauernde TV-Präsenz einlassen.
Gleichzeitig reiht man sich in den Trend der letzten Jahre ein, für das hauptsächlich die Kabelsender in den USA Beiträge liefern. Genauso wie bei True Blood, Treme oder Justified wendet man New York, L.A. und den üblichen Stadt-Verdächtigen den Rücken und begibt sich auf die Suche nach einem Austragungsort, der sowohl durch kulturelle Geschichte, Sprache und Musik, und dadurch beeinflusste Figuren eine andere, verschobene und interessantere Grundlage für ihre Geschichten konstruieren kann. Memphis ist nicht nur als Stadt ein, wie die Amerikaner sagen, visuelles Unikat, sondern auch einer der wichtigsten Orte im Süden Amerikas, was die Musikindustrie und Musikgeschichte betrifft.
Dementsprechend zögern die Memphis Beat-Produzenten nicht eine Sekunde, um das den Zuschauern klar zu machen. Die neue TNT-Serie eröffnet mit extremen Close-Ups von einer Hand, die die Haare glatt nach hinten kämmt, von einem Whisky-Glas, dem Reißverschluss einer Lederjacke, der hellen Bühnen Beleuchtung, den Saiten von Gitarren und dem King höchstpersönlich. Nein, natürlich ist es nicht Elvis Presley selbst, aber jemand performt (sehr gut) eins seiner Lieder.
Wir, Zuschauer, sehen nicht wer genau, denn die Kamera zeigt und höchstens kleine Profilausschnitte, bevor sie auf die Vertikale schwenkt und ein Close-Up vom Mirkophon präsentiert. Schnitt auf eine Polizeimarke. Nicht nur die Stimmung, sondern auch die ganze Welt ändert sich jetzt. Man geht von einer emotionalen Ekstase zur Ernüchterung des täglichen Lebens über. Die Farbpalette ist komplett anders. Die gelben und die sepia Töne sind weg, das Licht ist plötzlich verschwunden und die relativ dunkel gehaltenen Bilder werden nicht nur von Polizeisirenen durchdrungen, sondern auch von Schwarz und Blau.
Willkommen beim nächsten Cop-Procedural! Ja, die Musik und die visuelle Inszenierung sind vorerst das Einzige, was Memphis Beat von den meisten anderen von der Thematik und Dramaturgie her ähnlichen Serien unterscheidet. Und die Autoren sind, zugegeben, sehr bemüht im Piloten diese Tatsache zu unerstreichen. Interessanterweise bis auf ein paar Establishing Shots (auch als Location Shots zu bezeichnen) wurde Memphis Beat hauptsächlich in New Orleans gedreht. Trotzdem soll (und vielleicht ist) die TNT-Produktion für Memphis dasselbe sein, was Treme für New Orleans und Justified für Harlan County in Kentucky ist, die Verbindung zwischen der Musik und der lokalen (Sub)kultur. Wie ein US-Kritiker richtig anmerkte: Atmosphere is the real hero of all these shows and music is the sidekick.
Was die Atmosphäre betrifft, ist Memphis Beat absolut sehenswert, aber was die Geschichte und die Figuren betrifft vorerst nicht wirklich. Warum bin ich so vorsichtig mit meiner Kritik? Weil genau durch diese Atmosphäre die Möglichkeit besteht auch den Rest auf dasselbe Niveau zu heben. Das Interesse ist definitiv da und as zeigen die sehr guten Quoten (4,3 Millionen) des Piloten.
Der Detectiv Dwight Hendricks (Jason Lee, My Name is Earl) ist der nächste aus einer Reihe von so genannten „troubled detectivs“, der etwas ungewöhnlich seine Fälle zu behandeln pflegt, seinem Bauchgefühl und nicht den Beweisen traut, von den nicht weniger exzentrischen Kollegen (Sam Hennings als Dwights Partner Charlie “Whitehead” White, Abraham Benrubi aus Men in Trees – hier mit Zöpfchen, DJ Qualls als Streifenpolizist) geliebt wird, sich um seine Mama kümmert, mit Autoritäten (vor allem weiblicher Natur) seine Probleme hat, jede Frau (Alter egal) „sweetheart“ nennt, an der Stehlampe mit illuminierten Brüsten hängt und in seiner Freizeit … Elvis-Songs zum Besten gibt (ob Lee tatsächlich singt, ist unklar).
Die erste Episode kommt kaum über ihre Begeisterung für Memphis als die Stadt von so viel Musik, von Johnny Cash über Otis Redding bis Elvis Presley: Green Onions, Wichita Lineman und Walking the Dog – Beat für Beat. Während das pulsierende Herz von Memphis den Zuschauerkörper mitschwingen lässt, kann man nicht dasselbe von der Leistung des Casts sagen. Vor allem Alfre Woodard als Dwights neue Vorgesetzte Tanya Rice macht keine gute Figur. Die Spannung zwischen den beiden wirkt künstlich erzeugt und wird vermutlich nicht länger als diesen Piloten überleben.
Ich bin immer noch nicht sicher, wie Lee Dwights Zerrissenheit zwischen seinem alltäglichen Job und der nächtlichen Aufarbeitung seiner inneren Dämonen Selbst’ händeln kann. Wie er selbst erzählt, hörte er Elvis zum ersten Mal in der Nacht als sein Vater, der auch Polizist war, erschossen wurde: It was like he was saying everything I was feeling, just with the sound of his voice. Und der erste Fall, den wir ihn untersuchen sehen, dreht sich um eine alte Frau, die damals ein Memphis DJ war, die damit berühmt wurde im Radio Elvis Songs zu spielen. Also wer es nicht mitbekommen, weiß spätestens dann, dass The Power of Elvis und The Power of Memphis hier die Hauptfiguren sind.
Memphis Beat muss schnell zusehen, das Interesse der Zuschauer auch anhand ihrer Geschichten und Figuren zu erwecken und zu halten und sich nicht nur auf Memphis und die Musik zu verlassen. Meiner Meinung nach ist Memphis Beat gut beraten nicht sich von ihrem Procedural-Anspruch möglichst schnell zu trennen.