Supernatural ließ die Fans lange warten, aber heraus gekommen ist dabei eine neue Supernatural-Episode, wie sie sein soll. Man bekommt ein bisschen von Allem in einer gut ausgewogenen Mischung. Zwar adressiert die CW-Serie nur im Nebensatz die handlungsübergreifenden Plots, macht sie dafür aber um so interessanter. My Heart Will Go On steckt voller Melancholie, Humor und Fragen.
Unter Melancholie verstehe ich nun nicht Celine Dion. Vielleicht entspringt mein Gefallen an dieser Episode auch ein wenig meinem Missfallen an dem Film Titanic…? Balthazar (Sebastian Roche) spricht zumindest mir aus der Seele, wenn er erklärt, warum er die Titanic mit ihren 50000 Passagieren rettete und damit den Verlauf der Geschichte änderte: Offenbar hat Balthazar das Schiff Titanic vor dem Untergang gerettet, um den Film Titanic und Celine Diones Karriere zu verhindern. Freier Wille eben!
Aber das Schicksal höchstpersönlich – in Gestalt Atropos‘ (Katie Walder), einer der drei Schicksal-Schwestern – will diesen Eingriff korrigieren und den Status Quo wieder herstellen, dass niemand dem Schicksal entrinnen kann. So finden sich die Winchester-Brüder plötzlich innerhalb einer weiteren alternativen Supernatural-Zeitlinie wieder, in der Sam und Dean einen Mustang fahren und Bobby (Jim Beaver) mit… Ellen (Samantha Ferris) verheiratet ist. Auch Jo ist noch am Leben. Es dürfte die Supernatural-Fans geschmerzt haben, an diese beiden im Krieg gegen Luzifer geopferten Figuren erinnert zu werden.
Das Hinters-Licht-Führen der Zuschauer am Anfang der Episode fand ich durchaus gelungen. Man sieht Bobby den Geschehnissen aus der Episode And Then There Were None nachtrauern; Ellens selbstverständliches Auftauchen in seinem Haus sieht zunächst wie ein Traum aus. Es ist aber keiner, es ist eine „what if“-Situation, die die Frage nach dem Schicksal und dem freien Willen erhebt und sie durch das melancholisch-liebevolle Miteinander von Bobby und Ellen um so schmerzvoller in der Luft hängen lässt.
Apropos „in der Luft hängen“: Die Episode eröffnet mit einer Reihe von Zufallsverkettungen, die gezielt zum Tod der Beteiligten führen – etwa durch eine wie eine Guillotine in der Luft hängende Garagentür oder einen gierigen Kopierer. Dem Schicksal kann man nicht entrinnen. Schon gar nicht, wenn Atropos Arbeitslosigkeit droht und sie daher persönlich motiviert ist, alle 50.000 Titanic-Passagiere und deren Nachkommen unter die Erde zu bringen. Plus zwei weitere Personen! Es handelt sich natürlich um Sam (Jared Padalecki) und Dean (Jensen Ackles), die die Apokalypse verhinderten, so dass der Schicksalslauf die falsche Kurve nahm.
Padalecki und Ackles sind wieder einmal für humorvolle Einlagen gut, etwa als Sam und Dean die Straße entlang gehen und von jeder Ecke den Schicksalsschlag befürchten (Musik: One Way or Another, Blondie). Castiel rettet die beiden im letzten Moment und ist zusammen mit Balthazar gewillt, Fate zu beseitigen. Was Balthazars Figur so interessant macht, ist das Verunsicherungspotential für uns Zuschauer: Balthazars wenige, aber prägnante Auftritte lassen uns immer wieder auf der Hut sein, da wir uns nie ganz über seine Ziele im Klaren sind. „Sorry, you have me confused with the other angel. You know, the one in the dirty trench coat who’s in love with you. I don’t care“, sagt er zu den Brüdern.
In dieser Episode aber wird klar, dass sich Balthazar durchaus für jemanden einsetzt, nämlich für seinen alten Freund Castiel. Anscheinend sind 50.000 Seelen kein geringer Vorteil im himmlischen Krieg. Atropos wirft Castiel vor, Balthazar wegen dieser Seelen Titanics Rettung befohlen zu haben – und Castiel vermag den Vorwurf nicht überzeugend von sich zu weisen. Er muss sich nun zwischen 50.000 Menschen-Seelen und Sam und Dean entscheiden.
Zum wiederholten Mal rettet er die beiden, und die Supernatural-Zeit wird wieder in die „normalen“ Bahnen gelenkt. Aber ist der freie Wille, das Ändern des Schicksals tatsächlich positiv für die Welt? Nach der misslungenen Apokalypse spielt das Universum verrückt, und niemand scheint zu wissen, wie es weiter geht. Sehr schöne Wendung seitens der Supernatural-Autoren, ein Hauptthema ihrer Serie direkt in die Handlung einer Episode einzubinden: Schicksal vs. Freier Wille. Denn das Versinken der Titanic bedeutet auch Ellens Tod – und einen Bobby, der weiterhin allein und mit Schuldgefühlen leben muss. Wenigstens weiß er nicht, wie gut es ihm in der Parallelzeit ging. Aber Castiel lässt Sam und Dean sich an alles erinnern. Die Frage lautet: Sollte dies eine Lektion für die Brüder sein, wie ernst die Situation ist und wie weit Castiel bereit ist zu gehen? Was verbirgt er noch vor den beiden?