In Slash Fiction hat man tatsächlich das Gefühl, sich mitten in einer Meta-Meta-Erzählung über Supernaturals Biggest Hits zu befinden. Warum die Meta-Ebenen? Weil uns die Serie nicht nur mit dem Fall der Woche an vergangene Supernatural-Zeiten erinnert, sondern weil außerdem innerhalb der Erinnerung die Serie selbst von den Figuren kommentiert wird. Damit das funktioniert, braucht man zwei Deans und zwei Sams. Dean: Sons of bitches xerox’d us. So kann man es auch sagen.
Die Supernatural-Fangemeinde weiß nur zu gut, dass die humorigen Episoden immer schon zu den besten der CW-Serie gehörten. Zwar möchte ich nicht behaupten, dass Slash Fiction ins Best Of hineinrutschen würde, aber an den bisherigen Episoden dieser siebten Staffel gemessen ist diese sehr gelungen! Slash Fiction erreicht in meinen Augen, vom Ende mal abgesehen, die richtige Balance zwischen Humor, dem handlungsübergreifenden Erzählstrang und dem Job der Woche. Und der lautet: Findet Sam (Jared Padalecki) und Dean (Jensen Ackles) Winchester! Nicht nur werden beide gesucht, sondern sie suchen sich selbst. Die Meta-Spiele sind hiermit eröffnet!
Schon im Teaser spielt Supernatural mit uns Zuschauern. Sam und Dean dabei zu beobachten, wie sie in der First Bank of Jericho alle Anwesenden eiskalt über den Haufen schießen, kann zwar eingefleischte Supernatural-Fans nicht schockieren: Erstens haben manche schon etliche Spoiler konsumiert, und zweitens lässt uns unsere Serien-Erfahrung sofort an Parallelwelten oder aber Doppelgänger denken. Fernsehen schult! Sam und Dean aus der Bank sind denn auch in Wahrheit LeviSam und LeviDean. Zwei Leviathane haben die Gestalten der Brüder angenommen und schlagen denselben Weg ein, den wir damals, ganz am Anfang der Serie, die echten Winchester-Brüder gehen sahen. Sie fahren – stilecht im gleichen Impala – von einem Ort zum nächsten, Sams und Deans Route aus der ersten Staffel der Serie folgend.
Dieses Zurückversetzen in alte Zeiten thematisiert genau das fortwährende Thema der Serie: Die Winchester-Brüder werden immer wieder mit sich selbst konfrontiert, können sich selbst nicht entkommen. Im Grunde begegnen hier Sam und Dean sich selbst – aber als andere. Seit dem Vorfall mit Amy habe ich mich immer wieder gefragt, wann und wie die Autoren die Sache auflösen wollen. Das geschieht in Slash Fiction auf eine in meinen Augen zufrieden stellende Art. Aber bevor wir so weit sind, müssen wir einen Blick in Bobbys Keller werfen, wo der Leviathan (Chett heißt er, glaube ich) gefesselt sitzt und sich über Bobbys verzweifelte Versuche, ihn umzubringen, lustig macht. Nicht nur das: Auch Bobby muss schließlich sich selbst begegnen, denn Chett nimmt seine Gestalt an. Wenn ich es richtig verstehe, kann er das deswegen, weil Bobby irgendwie für Chett erreichbare DNA hinterlassen hat! Das Ergebnis ist jedenfalls durchaus amüsant; darüber hinaus zeigt es, dass die Leviathane nicht nur die Gestalt einer betreffenden Person annehmen, sondern auch ihre persönliche Geschichte, ihre Erinnerungen lesen können, also Zugang zu ihrem Gehirn haben. Supernatural meistert hier, wie ich finde, die Gratwanderung zwischen dem Einblick in die existentiellen Krisen der Protagonisten und dem Humor, ohne übertrieben zu wirken – sowohl im Gespräch von Bobby mit LeviBobby als auch in den Unterhaltungen zwischen LeviSam und LeviDean über die echten Winchester-Brüder.
Ich habe immer schon Jensen Ackles’ Talent für Slapstick bewundert. In Slash Fiction schenken ihm die Autoren eine kleine Szene, die genauso gut zum Gag Reel gehören könnte: Sie besitzt keine Bedeutung für die Handlung, aber einen um so höheren Entertainmentfaktor. Ja, die Rede ist von Deans stummem, aber leidenschaftlichem ‘Mitgehen’, als im Autoradio Air Supply läuft. Priceless! Es erinnerte mich gleich an zwei Dinge: Deans Darbietung von Eye of the Tiger – und, durch Sams Seitenblicke auf Dean, die erste Episode der neuen Beavis & Butthead-Staffel. You were moved, Beavis! You were crying!
LeviSam und LeviDean haben auch ihren Spaß, indem sie Pulp-Fiction-Inszenierungen anbieten und dafür sorgen, dass alles mitgeschnitten wird. Das FBI versucht folglich mit allen Mitteln, Sam und Dean einzufangen. Da die beiden ihre Doppelgänger ausschalten wollen, brauchen sie neue Identitäten. Die Notwendigkeit der Szene mit Bobbys Freund Frank habe ich nicht recht begriffen, aber zumindest wirkte Kevin McNally ziemlich amüsant in der Rolle des paranoiden Mannes, dessen Leben Bobby vor Jahren rettete. Wenn er später noch einmal aufgetreten wäre oder Sams und Deans neue Papiere eine Rolle in der Episode gespielt hätten, dann hätte ich die Abschweifung verstanden, aber so bleibt sie ein amüsanter Lückenfüller.
Dafür kehren in Slash Fiction gleich zwei bekannte Figuren zurück, nämlich Crowley und Sheriff Jody Mills. Und beide tauchen in freundlicher Mission auf – obwohl: bei Crowley weiß man ja nie, was er wirklich vorhat. Zwischen Jody und Bobby besteht definitiv die Chemie für eine kleine Nebenhandlung – und deswegen: bitte, liebe Autoren, nicht auch diese weibliche Figur umbringen, wie alle anderen! Jodys Dankeschön-Besuch bei Bobby treibt zudem die Haupterzählung voran, denn Jody stößt Bobby durch Zufall auf das, was die Leviathane für längere Zeit unschädlich machen kann: ein ganz normales Putzmittel namens Borax. Jody hat sich den Kuss von Bobby durchaus verdient!
Die Enthüllung geschieht genau im richtigen Moment, denn LeviSam und LeviDean haben gerade die echten Brüder in ihre Gewalt gebracht. Wie für Monster typisch, versuchen sie zuerst die Psyche der Brüder zu erledigen, bevor sie sie töten: You know I had a brother with this many issues once. You know what I did? Hm? I ate him. Dann erfährt Sam von LeviDean die Wahrheit über Amy. Und wir begegnen zum ersten Mal dem Leviathan-Boss Dick Roman (James Patrick Stuart), der eine sehr deutliche Unterhaltung mit Crowley führt und dessen Freundschaftsangebot vehement ablehnt. Man hat nach dem Treffen das Gefühl, das dies nicht der letzte Austausch zwischen den beiden sein wird… Es ist immer gut, wenn Crowley in die Ereignisse eingreift: das Böse der Neuzeit gegen das Ur-Böse? Und dazwischen die Winchester-Brüder. Oder nicht?
Da Slash Fiction eine Episode über Supernatural selbst ist, bleiben wir nicht verschont vom Wiederholungsmuster vergangener Staffeln. Sam erfährt, dass Dean ihn belügt, und geht davon. In der nächsten Episode sind sie vermutlich wieder zusammen. Spontan dachte ich: Das Spielchen mit den Doppelgängern und Dean und Sam als America’s Most Wanted hätte durchaus länger als eine Episode dauern dürfen, damit man sich nicht so schnell auf den herkömmlichen Status Quo zurückgeworfen sieht… und diesen Episoden-Abschluss hätten sich die Autoren sparen können. Andererseits: Man kann nicht alles haben – und diese Rückkehr zum Immergleichen ergibt sich gerade aus jener Unmöglichkeit, sich selbst zu entkommen, die ich am Anfang des Reviews erwähnte. Aber vielleicht… um dem neuen Gegner standzuhalten.