„Do you know something I don’t?“ fragt Nucky (Steve Buscemi) Manny, als er ihn in seinem Versteck besucht. Mannys Antwort: „The question answers itself.“ Ja, Boardwalk Empire beendet eine grandiose zweite Staffel mit einem Kracher. Wozu Cliffhanger einbauen, wenn man sie gleich auflösen kann – und das mit einer Wucht, die einem fast Tränen in die Augen treibt? Oder war es doch der Regen? An dem Gesicht des sterbenden Jimmy (Michael Pitt) ist das nicht zu entscheiden. Die Regentropfen sehen wie Tränen aus. Haben wir damit gerechnet, dass Jimmy geopfert wird? Nein, nicht wirklich. Andererseits MUSSTE Jimmy sterben – oder? Es gibt nicht viele Serien, die Hauptdarsteller schon in der zweiten Staffel opfern.
Eigentlich muss man den Boardwalk Empire-Autoren zu dem Mut gratulieren, ihrer Erzählung treu zu bleiben – ganz abgesehen von den Gerüchten, die Michael Ausiello verbreitet. Der Satz, den man aus vielen Mafia-Inszenierungen kennt – über den Mann, der schon tot ist, das aber noch nicht weiß -, wird hier in den tragischen Satz umgewandelt: Er ist schon tot und weiß es auch! Denn zu Jimmys letzten Worten gehört die Aussage: „I died in the trench, years back. I thought you knew that.“ Nuckys Antwort: „You don’t know me, James. You never did. I am not seeking forgiveness.“ Boardwalk Empire erzählte in diesen zwei Staffeln die Geschichte zweier Männer, die einander sehr gut zu kennen glaubten.
In Wirklichkeit jedoch traute keiner dem anderen zu, so weit zu gehen, wie die beiden gegangen sind. Jimmy versucht zwar im Laufe der Episode, wieder zu Nucky zurückzurudern, aber nach den finalen Minuten – und nachdem wir mitbekommen haben, dass er unbewaffnet zum Treffen mit Nucky und Manny erschien – kann man alles als Abschiednehmen deuten: als eine Art Reinigungsritual, bevor man geht. Letztendlich ist dieser Abgang das Beste, was Jimmy passieren konnte.
Und gleichzeitig verpassen die Ereignisse im Finale der ganzen Erzählung eine neue Richtung, die lange genug um Jimmy und Nucky zentriert war. Boardwalk Empire hat einen großen Cast, dem wir noch gerecht werden müssen. Trotzdem können wir nicht verleugnen, dass Jimmy uns fehlen wird. Die Kamera hegte, und das stellt man im Finale erneut unter Beweis, eine besondere Vorliebe für Michael Pitt: für die einsamen Sequenzen, während derer nur durchs Fenster schaut oder im Halbdunkel eine Zigarette raucht. Das wird fehlen. Aber ein Fehlen erhebt die Erzählung über das Gewöhnliche.
Außerdem bildet die Leere hier das zentrale Thema: Jimmy versuchte, die Leere in sich mit der Machtübernahme in Atlantic City zu füllen – aber dieser Schritt kostete ihn mehr, als er ihm einbrachte, und machte die Leere umso spürbarer, vor allem nach Angelas Tod. Der andere Höhepunkt der Episode wird als Montage aus mehreren Szenenausschnitten erzählt: Esther Randolphs Vorbereitungen fürs Gericht und die parallel ablaufenden Ereignisse, die ihren Fall gegen Nucky zunichte machen. Nicht nur feierte Nucky einen Sieg gegen das Rechtssystem, sondern schloss Frieden an allen Kriminalfronten.
Genauso wie zu Hause: Er heiratete Margaret. Aber dieser Frieden ist nur ein scheinbarer. Wir sehen, dass Margaret zwar als brave Ehefrau agiert, aber hinter Nuckys Rücken das Land, das ihm wegen des vom Staat genehmigten Straßenbaus Geld bringen sollte, der Kirche überträgt. Es scheint, als wäre Nuckys Geschäft mit Gott längst nicht in trockenen Tüchern…
Wie fandet ihr das Finale? Was erwartet ihr von der dritten Staffel – oder verhält es sich mit euch so wie in Rothsteins Worten: „Flip a coin. When it’s in the air, you’ll know which side you’re hoping for.“