Category Archives: Breaking Bad

Breaking Bad: Hazard Pay – Review (5×03)

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Wie oft hat man schon die genialen Entscheidungen der Breaking Bad-Autoren gelobt – und trotzdem schaffen sie es immer wieder, ein neues As aus dem Ärmel zu ziehen. Wer gedacht hat, die Wohnwagen-Tage für Walter und Jesse seien vorbei, hat sich schwer getäuscht. Dank einer Idee von Walter ist das RV-Prinzip wieder an der Tagesordnung. Heisenberg kocht einfach bei Ihnen zu Hause! Da Walter etliche von Saul vorgeschlagene “Küchen” als Standort für sein Labor missfallen, lässt er sich von Vamonos Pest inspirieren, dem Unternehmen, das Schädlingsbekämpfung in ABQ betreibt. Walter aka Heisenberg aka Christo, der Verhüllungskünstler.

Da die Firma die Häuser verhüllt, bevor das Ungeziefer drinnen ausgeräuchert wird, müssen die Hausinhaber für ein paar Tage ihr Domizil in den Händen von Vanomos Pest lassen. Das bedeutet – in den Händen von Heisenberg, der so das Labor von Haus zu Haus bewegen will. Kochen und weiterziehen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Nur Rauch, der sich aus den Öffnungen der grün-gelben Zelte verflüchtigt. Hazard Pay. In den “Zelten” befindet sich der Hazard-Häuptling Heisenberg, der in einer beinahe im CSI-Stil orchestrierten Laborsequenz unter den Klängen von The Pledders’ “On A Clear Day (You Can See Forever)” das Blaue des Himmels zubereitet. Und da oben im Himmel, über den anderen, sieht sich Walter White thronen.
Mike: “We take a vote?”
Walt: “Why?”

In Walters Augen ist ein Jahr nach seiner Krebsdiagnose er derjenige, der sagt, wo es lang geht: Die Heisenberg-Show! Im Grunde hat Walter den Krebs verinnerlicht – physisch bekämpft, indem er selbst zum “Krebs” geworden ist. Er ist der Mann, der klopft, er ist Hazard, er ist das Insekt, das das Leben Anderer kontaminiert. Mit Facettenaugen scannt er seine Umgebung und filtert die emotionalen Schwächen der Beteiligten heraus.
Nachdem er Jesses Nähe zu Andrea und Brock feststellt, manövriert er Jesse mit dem Vorschlag, dass er Andrea die Wahrheit sagen solle, auf grausam subtile Art und Weise in die emotionale Ecke voller Schuldgefühle und Selbstzweifel: I’m just trying to say that I trust you, and I know you’ll make the right call.

Walt: “If she loves you, she’ll understand.” Nicht nur macht er Jesse klar, dass Andrea und Brock eine Gefahr für ihn – Heisenberg – darstellen, sondern dass Andrea Jesses Tun nie wirklich akzeptieren würde, wenn sie die Wahrheit kennen würde.
Übrigens: Skinny Pete und Badger sind zurück! Sie besorgen aus einem Musikgeschäft das Transportequipment für Walters Laborgerätschaften.

Skinny Pete: “Hey man, I’m trying to do business over here, bitch! Sorry, he’s like, overly enthusiastic.” Awesome!
Nach Skylers Zusammenbruch vor Marie hat Walter auch hier die Entscheidung parat: Er “gesteht” Marie, dass Skyler eine Affäre mit Ted hatte und nach seinem “Unfall” verstört ist. Er kontaminiert die Gedanken und Gefühle der Anwesenden – und sein eigenes Zuhause, indem er wieder einzieht.
Skyler: “Do you really think that’s a good idea?”
Walt: “Yes.”
Danach schaut er mit Junior und dem Baby den Kugelhagel am Ende von Scarface: Everyone dies in this movie, don’t they?

Mike ist der Einzige, der nicht in Walters Rasterbild hineinpasst. Er ist nicht nur “Cleaner”, er ist mehr. Wir sehen ihn das Schweigen der Gus-Leute im Gefängnis sicher stellen: Everyone gets their hazard pay, including you. You will be made whole. You have my word. You need more? Mikes Wort reicht für andere, aber nicht für Walter. In der letzten Szene, als Mike ihm klar macht, wie wenig Gewinn nach Abzug der Ausgaben übrig bleibt, geht Walter hoch.
“We are gonna make ’em whole,” wiederholt Mike.
Walt antwortet: “What is this ‘we’?”

Er sieht Mike, trotz seiner Aussage in der letzten Episode, nicht als Partner. Er sieht ihn als einen Angestellten, der zu nah an der Sonne zu fliegen versucht und sich die Flügel zu verbrennen droht.
Als Walter Jesse fragt, wie er sich fühle, und als Antwort die für Jesse herzzerreißende Bestätigung bekommt, er habe sich von Andrea getrennt, geht er nicht darauf ein. Was Walter meint, ist das Geschäft, das Geld: die Sachen, die für ihn wichtig sind. Seine anschließende Reminiszenz über Victor ist die mit Todesgefahr kontaminierte und verspätete Antwort auf Mikes Aussage: Just because you shot Jesse James, don’t make you Jesse James.

Was bleibt noch zu sagen? Nichts. Einfach mit Walt Whitmans “Leaves of Grass” auf dem Schoß dasitzen und beobachten, wie ein Insekt aus den grün-gelben Grashalmen herauskrabbelt und sich Richtung Haus begibt…

Breaking Bad: Madrigal (5×02)

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Namen, wohin das Auge blickt. Namen, Namen, Namen: Whiskerstays, Haau Chuen Wok, Burger Matic, Palmieri Pizza. Nur kein Los Pollos Hermanos mehr. Um bei den ersten Bildern des Teasers zu bleiben, kann man sagen, dass jeder Name einen Geschmack hat und manche bekommen mit der Zeit einen faden Beigeschmack, wie Herr Schuler feststellen muss. Er sitzt in dem Vorstand des Unternehmens Madrigal Electromotive GmbH.

Es ist das Unternehmen, zu dem Gus’ Restaurantkette gehörte. Aus diesem Grund will die Polizei mit ihm sprechen. Als seine Assistentin ihm das mitteilt, ist er dabei unterschiedliche Soßen zu testen. Aber die allererste, die als ein kleiner Haufen auf dem Tisch in der Episodeneröffnung zu sehen ist, hat die Farbe Gelb. Wie wir wissen,  gehört sie nicht nur zu Breaking Bads Lieblingsfarben, sondern sie ist direkte Verbindung mit Gus’ Operation – Gus trug meistens gelbes Hemd und seine Mitarbeiter gelbe Schutzanzüge. Und die ganze Geschichte von Gus fing unter der glühenden mexikanischen Sonne an. Die nächste Farbe, die Herr Schuler “probiert” ist die rote. Sie führt uns zurück in die Vergangenheit, in das Underground-Labor, während Herr Schuler seine Starre verlässt, um sich dann auf der Toilette zu verschanzen. Dort ist alles blutrot, sogar das Klopapier. Er begeht Selbstmord und fällt vom Klositz herunter, wobei die automatische Klospülung anspringt.

Es ist aber nicht so leicht, die “Scheisse” runterzuspülen, die der Zerfall von Gus Imperium hinterlässt. Die ganzen Verflechtungen, alle Knoten sind jetzt offen und verwandeln sich in lose Enden. Denn das Meth-Lied, das zu Gus Lebzeiten angestimmt wurde, war ein Madrigal. Das Madrigal ist ein mehrstimmiges Vokalstück und Walter scheint sich dieser Tatsache nicht bewusst zu sein. Dafür aber Mike. Walter verlässt sich auf die automatische Klospülung, aber die geht nicht an. “Going forward” – Walter ist dabei sein eigenes Madrigal anzustimmen und bietet Mike gleichwertige Beteiligung. Er lehnt ab, um sich kurze mit einem weiteren Angebot konfrontiert zu sehen.

Dieses kommt nicht von Walter, sondern von einer extrem angespannt wirkenden Unbekannten (für uns Zuschauer) namens Lydia. Anscheinend ist sie Teil von Gus’ Imperium gewesen. Sie bittet Mike darum, elf “Mitarbeiter” zu töten und er lehnt auch dieses Angebot ab. Er ist sich sicher, dass sie nicht singen werden. Aber was, wenn das Geld weg ist? So bewegen wir uns zum dritten Angebot für Mike in dieser Episode, dem von Hank & Co. Nachdem das Verhör nichts nutzt, erzählen sie ihm, dass das Geld aus dem Kaimainseln-Konto auf dem Namen seiner Enkeltochter, beschlagnahmt wird. Mike lehnt trotzdem jegliche Mitarbeit ab. Aber ihm wird klar, dass andere den Text des Gus-Madrigals jeden Augenblick verraten könnten.

Dasselbe denkt Lydia über Mike – er ist plötzlich einer der elf Männer auf ihrer Liste, aber er kann der Falle entgehen. Das geschieht dank dem LOL Rollover Bacon the Pig seiner Enkeltochter. In frühen Staffeln hatten wir den Rosa-Teddy – wird er jetzt von einem Schweinchen ersetzt? Mike stattet Lydia einen Besuch ab, aber anstatt sie zu erschießen (Lydias Tochter ist auch im Haus), was er ursprünglich auch vorhat, bringt er sie zu dem Heisenberg-Madrigal. Sie kann Methylamine beschaffen und Walter, wie wir von ihm hören, braucht es dringend, um kochen zu können. I’m in, teilt Mike Walter per Telefon mit.

Walters zufriedenes Lächeln bedeutet ein weiterer Sieg und letztendlich bringt er Mike, wenn auch unbewußt, in die Lage, das Ja-Wort zu geben. Während es sich mit Skyler und Jesse ganz anders verhält. Er manipuliert die beiden in zwei Ecken, aus welchen sie nur herauskommen können, wenn sie seine ausgestreckte Hand nehmen. In Jesses Fall ist es eine verzeihende Hand und in Skylers eine drohende. Im Grunde misshandelt Walter beide und Skyler benimmt sich in diesen zwei Episoden sogar wie eine misshandelte Frau. Aaron Paul und Bryan Cranston zeigen in der Szene, als Walter das “Auftauchen” der Ricin-Zigarette inszeniert, warum beide Emmy-Träger sind.

Walter kreiert eine “neue” Zigarette (nur mit Salz drin) und bringt Jesse dazu diese zu “finden”.  Somit “pflanzt” er in Jesse die Schuldgefühle, die den jungen Mann komplett aus dem Bann werfen, nur um von dem vergebenden Walter wieder aufgefangen zu werden: You and I working together, having each other’s back, it’s what saved our lives. I want you to think about that as we go forward.

Walters sexuelle Ouvertüre in der letzten Szene der Episode, nachdem er zu Skyler ins Bett steigt, beinhaltet, nichts Geringeres, als den Zwang zum Anstimmen des gleichen Liedes: It gets easier, If what we do, we do for good reasons, then we’ve got nothing to worry about. And what better reason than family?
Er gibt Skyler die Entschuldigung, wie es früher Heisenberg mit Walter tat, aber macht ihr gleichzeitig klar, dass es kein Entkommen gibt. Sie ist an Bord von The Crystal Ship’s und muss mitsingen…

Breaking Bad: Live Free or Die (5×01)

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Was bedeutet eine tödliche Krankheit besiegt zu haben? Was bedeutet von anderen Menschen respektiert zu werden? Was bedeutet Geld zu haben? Oder / Und Macht? Zum Teufel mit diesen Fragen! Was bedeutet eigentlich Gott zu sein? Fühlt es sich so an, Gott zu sein, Walter?

Die ersten Aufnahmen der neuen Staffel zeigen uns Walter White, der was Kopf- und Gesichtsbehaarung betrifft, The Reinhold Messner Way gewählt zu haben scheint. Oder musste er das? Er hat doch gewonnen? So endete die letzte Staffel, mit dem Mann, “der klopft”, als Gewinner: I won, sagte Walter zu Skyler am Telefon. In ihren Augen sieht man, metaphorisch gesprochen, wie sie die Tür gerade aufmacht und tatsächlich Walter vor sich stehen sieht, den Mann, der klopft. Während Breaking Bad in den ersten Staffeln eine Erzählung über Machtlosigkeit und dann über den Verlust der Kontrolle war, ist sie jetzt eine Darstellung von Walters  Empfinden der Über-Macht. Über was? Über sich, über andere? Über alles, lautet die Antwort.

Live Free or Die steht auf dem Nummernschild von Walters Wagen. Die letzten zwei Ziffern sind “53”. Davor sehen wir Walter mit dem Bacon auf seinem Frühstücksteller eine Art Geburtstagstorte kreieren. Die Zahl ist 52. Er gibt vor der Kellnerin zu, dass heute sein Geburtstag ist. Wird es der letzte sein? “Free is always good,” sagt die Kellnerin. Als Breaking Bad Zuschauer kann man den Hinweis nicht übersehen: Die Frage nach der Essenz der Freiheit…

Von einem Unbekannten erhält Walter die Schlüssel für einen neuen Wagen, in dessen Kofferraum ein Maschinengewehr liegt. Breaking Bad setzt übrigens mit der neuen Staffel in alter Tradition das Spielchen mit den Aufnahmen aus extremer Unter- bzw. Aufsicht fort. Die Erzählung ist zwischen Extremen situiert – zwischen Oben und Unten. Und Walter befindet sich jetzt oben.
Breaking Bad schickt uns dann zurück zu Walter direkt nach dem Tod von Gus. Er räumt auf und stoßt anschließend mit sich selbst im Spiegel an. Walter und Heisenberg kann man anscheinend nicht mehr voneinander trennen. Nur, um “Gott” zu sein, bedeutet sich um die Details kümmern zu müssen. Wir wissen alle, wie der Spruch über Gott und die Details lautet.

Warum nenne ich eigentlich Walter “Gott”? Weil diese erste Episode der neuen Staffel aus einer dreiteiligen (heiligen) Einheit an Aussagen besteht, die Walters Empfinden seiner eigenen Machtstellung ausdrücken. Als Mike die Gewissheit über die Richtigkeit von Walters Annahme anzweifelt, antwortet Walter simpel: Because I say so. Zu Saul, der das Verhältnis beenden will, lautet die Ansage: We’re done when I say we’re done! Und in Skylers Ohr flüstert er: I forgive you. Allwissend, bestrafend und gnädig. Aber nicht unsichtbar… Obwohl das Kochlabor vernichtet wurde, bleiben die Videoaufnahmen aus den Überwachungskameras. Mike ist auch noch da. Er erfährt vom “Arzt” über Gus’ Tod und macht sich wütend auf den Weg, nur um … fast mit Walter und Jesse zusammenzustoßen.

Man braucht eigentlich nicht viel über die glühend-faszinierenden Außenaufnahmen in der mexikanischen Wüste sagen. Die Bilder transferieren eine Hitze, die beinahe physische Reaktion beim Zuschauer hervorbringt. Gefilmt aus der Distanz rasen die Autos aufeinander zu und aus der Perspektive gibt es kein Ausweichen in letzter Sekunde bzw. wir sehen es nicht. Sie fahren zwar natürlich aneinander vorbei, aber für den Beobachter entsteht für eine Sekunde der Eindruck eines Ineinader-Verschmelzens. Während Skyler Walter fürchtet, wie sie es ihm in einer späteren Szene mitteilt, macht Mike keine Anstalten vor einem neuen Boss knien zu wollen. Jesse ist der einzige Grund, warum er Walter nicht sofort eine Kugel verpasst.

An diesem Punkt wird eine interessante Dynamik in Gang gesetzt. Jesse befindet  sich in der Mitte und ver-mittelt. Als Walter und Mike in Jesses Haus (auf dem Tisch sind Gegenstände in Breaking Bads Grün zu sehen) darüber streiten, wie man an Gus’ Laptop in der Asservatenkammer kommt, befindet sich Jesse im Hintergrund. Er sitzt auf dem Sofa und ist “unscharf”, während Walter und Mike auf Fokus den linken und rechten Vordergrund einnehmen. Sie sind so sehr aufeinander und die verbale Auseinandersetzung fokussiert, dass sie den “unscharfen” Hintergrund, die Stimme der Vernunft nicht hören: “What about, like, a magnet?” Was danach folgt ist Breaking Bad-Slapstick vom Feinsten: Yeah, bitch! Magnets!

Der Magnet-Trick funktioniert, aber durch die Unordnung, die in der Asservattenkammer entsteht, stoßt die Polizei auf eine versteckte Notiz in Gus’ Sachen. Es ist ein Bankkonto auf den Kaimaninseln.  Walter zieht wie ein Magnet Probleme an, während er glaubt welche zu beseitigen. Ted ist auch noch am Leben, aber nachdem Skyler ihn besucht, hören wir ihn um sein Leben betteln. He’s not gonna talk, sagt sie zu Walter später, der von Saul über das Geld und Ted erfährt. I forgive you, lautet die Antwort, die szenisch sogar als eine Anspielung an das Ende der Episode “I.F.T.” gesehen werden kann.
Perfekter Einstieg in die neue und letzte Breaking Bad-Staffel:

We’re done when I say we’re done.

Breaking Bad: Face Off (4×13)

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Nach dem Finale der vierten Staffel können wir sagen: Ein geniales Finale einer genialen Staffel. Das ist die Tatsache: Grün auf weiß. Und mit dieser Farbkombination steigen wir direkt ins Finale ein, als Walter (Bryan Cranston) verzweifelt unter Gus’ Auto kriecht, um die Bombe zu entschärfen. Danach nimmt er sie in einer Damen-Umhängetasche (war es wirklich Skylers Wickeltasche?) mit ins Krankenhaus, wo er Jesse aufsucht.

Breakings Bads nächstes Täuschungsmanöver steckt in der Atmosphäre, die in der ersten Episodenhälfte erzeugt wird. Walters Hektik und Tollpatschigkeit erinnern sehr an die erste Staffel, als er mit Jesse ins Geschäft einstieg und anfangs von einer prekären Situation in die nächste stolperte. Irgendwie scheint sich hier ein Kreis zu schließen; diesen Eindruck bestärken in meinen Augen die Slapstickeinlagen der ersten Episodenhälfte – zum Beispiel Walters Hereinstürmen in Sauls Büro und sein Standoff mit Sauls Empfangsdame.

Dann aber kommen Walters Worte an Skyler (Anna Gunn) endgültig zum Tragen. Er behauptete, er sei nun derjenige, der an die Tür klopfe. Was uns Breaking Bads Autoren in dem Verlauf dieser Staffel fast vergessen machten, ist Walters Überlebenswille und seine unglaubliche Eigenschaft, Entscheidungen zu rechtfertigen. Wir sahen ihn gezwungen, eine Ohrfeige nach der anderen hinzunehmen, eine Niederlage nach der anderen einzustecken – bis er tatsächlich aufzugeben schien. Er wartete an seinem Pool auf den Tod. Und fand ihn – aber nicht seinen eigenen, sondern den von Gus.

Ich hoffe inständig, dass alle von euch das Finale gesehen haben, denn von nun an steht die Enthüllung am Ende im Zentrum dieses Reviews. Es wurde viel diskutiert, was die Szene mit Walter am Pool bedeuten mochte, als er mehrmals seinen Revolver auf dem Tisch kreisen ließ wie beim Flaschendrehen. Nach dem letzten Bild dieser Episode wissen wir Bescheid. Obwohl ich geneigt bin zu glauben, dass eine Seite von Walter damals tatsächlich aufgab und auf die letzte tödliche Auseinandersetzung wartete, nahm doch die andere Hälfte (Heisenberg?) Überhand. Diese Hälfte suchte nach einer Überlebensmöglichkeit und fand sie, als der Revolver bei der letzten Drehung auf eine weiß-grüne Blume zeigte: Lily of the Valley (Maiglöckchen).

Während Jesse (Aaron Paul) wegen seines Rizin-Hinweises von zwei Detectives verhört wird, läuft Walter die Zeit davon. Er braucht dringend Geld, um Sauls Empfangsdame zu bezahlen, damit sie seine Telefonnummer herausrückt. Als er seine alte Nachbarin Becky (übrigens gespielt von Vince Gilligans Mutter!) anruft und unter einem Vorwand in sein Haus schickt, um zu erkunden, ob die Luft rein ist, erleben wir wieder den kalkulierenden Walter, der alles und jeden ausnutzt, um am Leben zu bleiben.

Und wir gelangen damit wieder an einen Punkt, wo Breaking Bads chemische Formel vollständig aufgeht. Nachdem Saul zuerst Jesse frei bekommen hat (Saul: „What’d you tell him?“ Jesse: „I told them they were a couple of dicks.“ Saul, zu den Detectives: „He’s a wordsmith!“), trifft er sich mit Walter und reaktiviert, ohne es zu wollen oder zu merken, Walters Mordpläne für Gus. Saul erzählt ihm von Gus’ Besuchen bei Tio und der gemeinsamen Vergangenheit der beiden.

Wir wissen, dass Walter nicht über Gus’ Ressourcen verfügt; das machte ihn eine Zeitlang hilflos – aber Walter ist ein brillanter Chemiker, der sowohl chemische Substanzen zu Meth reagieren lassen als auch die emotionalen Reaktionen Anderer berechnen kann. Er stattet Tio einen Besuch ab und bietet ihm an, den gemeinsamen Erzfeind gemeinsam zu beseitigen. Der Rest ist Wortspiel – und ein Spiel seitens Breaking Bad mit uns Zuschauern.

Aber bevor wir zu Walters Endgame übergehen, muss ich einfach Mark Margolis’ (Tio) Leistung erwähnen: Was alles er nur mit Hilfe seiner Augen und Lippen zum Ausdruck bringt, ist faszinierend! Genauso faszinierend, wie Breaking Bad sich jedes Mal Zeit nimmt, um diesen Emotionen freien Raum zum Entfalten zu geben, so dass sie, geballt und plötzlich, die Handlung vorantreiben und nicht umgekehrt. Mit Hilfe einer Buchstabentafel macht Tio seiner Pflegerin klar, dass er zur DEA will, wo er dann ausschließlich mit Hank zu sprechen wünscht. Vor versammelter Mannschaft kommt Folgendes zustande: SUCK MY und FUC. Immerhin… Warum aber dieses Schauspiel?

Ganz einfach: Um Gus aus seiner sicheren Reserve zu locken, der annehmen muss, Tio habe gesungen. Walter nutzt gleichsam die Triebkraft dessen aus, was er als stärkste Emotion in seinem Gegenüber erkennt. Lange dachte er, bei Gus gäbe es keine solche, aber es gibt sie doch: seine Liebe zu Max, die in Hass auf Tio umgeschlagen ist – und umgekehrt Tios Hass auf Gus.

Zu den Klängen von Apparats “Goodbye” betritt Gus (Giancarlo Esposito) das Pflegeheim Casa Tranquila. Währenddessen wartet Walter im grünen Hemd in einem weißen Toyota: als grün-weiße, tödliche Blume. Zwar vorhersehbar, aber eher herbeigesehnt erfolgt nun die Explosion der Bombe, die Tio mit Hilfe seiner Klingel aktiviert und sowohl Tyrus als auch Gus mit in den Tod reißt. Dennoch bekommt Gus den Abgang, den ihm die Serie schuldet: Er schafft es noch, wie ein untoter Roboter aus dem Zimmer zu gehen und sein Jackett zuzuknöpfen, während die Kamera eine Drehung vollzieht und uns seine fehlende Gesichtshälfte zeigt, bevor er tot zu Boden fällt. Face Off.

Genauso zeigt Walter seine andere Gesichtshälfte (Heisenbergs: diejenige, die ihn am Leben erhält), als er gemeinsam mit Jesse das Labor und alle Spuren vernichtet hat und die beiden einander auf dem Dachparkplatz die Hände schütteln. Erleichtert verkündet Jesse, dass Brock überleben werde, und ergänzt leicht verwirrt, dass nicht Rizin die Vergiftung verursacht habe, sondern die süßen Beeren einer bestimmten Blume, genannt Lily of the Valley. Auch Walter ist erleichtert – aber nicht verwirrt. Wieder einmal – auch hier schließt sich der Kreis – hat er Jesses Gutherzigkeit zum eigenen Vorteil ausgespielt.

Walter selbst hat Brock vergiftet; er war bereit, den Jungen zu opfern, um sein Spiel in Bewegung zu setzen und das eigene Leben zu retten. Und selbst der Umstand, dass Jesse in seiner ersten verzweifelten Wut zu Recht Walter verdächtigen und ihn deshalb aufsuchen würde, hatte seinen wohl berechneten Platz in Walters Plan.

Als Jesse gegangen ist, ruft Walter Skyler an, die gemeinsam mit der Familie in Hanks Haus die Nachrichten verfolgt.

Skyler: „Was this you? What happened?“

Walt: „I won.“

Danach fährt die Kamera in den Hinterhof der Familie White und verharrt am Rande des Swimming Pools. Bei einem ganz bestimmten Blumentopf, an dem Breaking Bads Perfektion in Grün-Weiß bewundert werden kann…

Breaking Bad: End Times (4×12)

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Breaking Bad begann als eine Serie, die von Ausweglosigkeit handelte, von dem Unausweichlichen des Todes, angesichts dessen Walter White (Bryan Cranston) sich entscheiden musste, wie er seine letzten Tage verbringen wollte. Danach wurde die AMC-Produktion mehr und mehr eine Erzählung über Entscheidungen und ihre Konsequenzen, die zu weiteren Entscheidungen führten. Daraus entwickelte sich eine spiralförmige Bewegung, die Walter und die Menschen um ihn herum mehr oder weniger in einer Sackgasse stehen ließ. End Times, wie der Titel es schon andeutet, markiert den Höhepunkt dieser Bewegung – oder den Tiefpunkt, je nachdem, wie man es betrachtet.

Direkt vor dem Finale der vierten Staffel kann niemand mehr wählen wie bisher. Es müssen nicht wirklich Entscheidungen getroffen werden, sondern man reagiert nur noch auf die Konsequenzen des bisherigen Tuns. Schon in der ersten Szene sagt Walter zu Skyler (Anna Gunn), dass sie einmal eine Wahl hatten, es jetzt aber keine mehr gebe. Damit weist er auf das fehlende Geld hin, das sie gebraucht hätten, um zu verschwinden. Statt dessen also schickt Walt Skyler und die Kinder unter DEA-Schutz zu Hank (Dean Norris) und Marie, während er zu Hause bleibt und wartet.

Breaking Bad findet natürlich wieder ein schönes Bild für Walters von ihm selbst als letzte Momente gedachten Augenblicke. Er sitzt neben dem Pool. Ein Stillstand – eines jener Breaking Bad-Stillleben, mit denen im Verlauf der Serie immer Katastrophen einhergingen. Walter starrt auf das blaue Wasser; neben ihm liegt die geladene Waffe. Ein Sinnbild für Walters Bewegung am Rande des Todes: „I have lived under the threat of death for a year now, and because of that I’ve made choices“, sagt er vorher zu Skyler. „I alone should suffer the consequences of those choices!“

Die unglaubliche Intensität dieser Episode ergibt sich wiederum aus dieser geschickten Bewegung in Richtung möglicher Showdowns: einer Bewegung, die aber aus dem einen oder anderen Grund am Rand der Explosion innehält, stehen bleibt, um sich danach doch fortzubewegen: aber zu einem anderen möglichen Showdown. Von Showdown zu Showdown schreitet die Erzählung voran, ohne sie zu konsumieren. Nach dem Luftanhalten vor der Explosion gibt sie uns immer wieder doch noch einen Atemzug: genug, um zu überleben, aber nicht genug, um sich von der Anspannung zu befreien.

Diese Bewegung den Rändern entlang lässt Hank Steven überzeugen, die Wäscherei zu durchsuchen – wenn auch ohne Erfolg -, und Saul seine Sachen packen und sich auf einen Not-Urlaub vorbereiten, bis sich der Staub gelegt hat. Jesse (Aaron Paul) aber bleibt standhaft, was Walters Leben betrifft – auch als Gus ihm zum wiederholten Mal nahe legt, welche Gefahr und welche Probleme Walters Existenz allen bereitet und noch bereiten könnte. Dann jedoch wird Jesse komplett aus der Bahn geworfen. Andrea ruft ihn an: Brock wurde mit einem grippeähnlichen Zustand ins Krankenhaus eingeliefert und schwebt in Lebensgefahr. Als Jesse vor der Klinik eine rauchen will, bemerkt er, dass eine bestimmte Zigarette aus der Packung fehlt.

Die Verbindung ist schnell gemacht: Brock wurde mit der für Gus bestimmten Zigarette vergiftet. Also bewegt sich die Episode zum nächsten Beinahe-Showdown in Walters Haus, wo Jesse ihm die Schuld gibt und ihn beinahe erschießt. Damit würde, wie Walter Jesse auseinanderzusetzen versucht, Gus’ subtiler Plan in Erfüllung gehen, nämlich Jesse dazu zu bewegen seinen ehemaligen Partner zu töten – genau wie Walter selbst versucht hatte, Jesse zum Mord an Gus zu bewegen. Wie an einem straff gespannten Seil wurde Jesse beim Tauziehen zwischen Gus und Walter hin und her gezerrt.

Doch er hat sich beiden widersetzt – und nun ist er derjenige, der entscheidet, welcher Showdown der nächste sein wird. Ehemaliger Partner? No more. „I’m going to do this one way or another, Mr. White“, sagt Jesse. Walter: „Then let me help.“ So kehren wir zurück zu der nach den letzten Ereignissen unmöglich erscheinenden Konstellation: Walter und Jesse gegen alle Anderen! Nicht ganz: Jesse und Walter.

Genauso wie Skyler in dieser Episode die grüne Farbe Breaking Bads trägt, sehen wir auch Walter zum ersten Mal in den letzten Episoden in Farbe. Er trägt ein grünes Hemd, während er kocht. Die Farbe der letzten Hoffnung? Dieses Mal bereitet Walter eine Autobombe für Gus zu, während Jesse dafür sorgt, dass Gus im Krankenhaus auftaucht. Aber Gus’ langjährige Übung im Umgang mit tödlichen Fallen sorgt dafür, dass er kurz vor dem Auto innehält, um sich nach einem konzentrierten Rundumblick zu entfernen. Walter kann die Bombe nicht hochgehen lassen: Vorerst war das grüne Hemd umsonst, auch dieser Showdown wurde suspendiert.

Dafür aber bewegt sich die AMC-Serie auf ein bombastisches Finale zu.

Breaking Bad: Crawl Space (4×11)

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Walter: „I’m done explaining myself.“

Gus: „You are done.“

Crawl Space bewegt sich vom ersten dieser Sätze zum zweiten. Die Äußerungen gehören zu unterschiedlichen Szenen, und die Bewegung erfolgt nicht als Kriechen (crawl) in Slow Motion, sondern als Feuerwerk aus brillanten Momenten, vor dem es kein Verstecken gibt. Auch für Walter (Bryan Cranston) gibt es kein Versteck mehr, keinen Ausweg. Alle Brücken, die er sich gebaut zu haben glaubte, scheinen verbrannt.

„What have I done?“ Dieser Satz könnte (und sollte) aus Walters Mund kommen, stammt aber (wenn ich mich nicht täusche) aus dem Film „The Bridge on the River Kwai“. Diesen Film schaut Tio Hector im Heim, als Gus ihm wieder einen Besuch abstattet: Dank Jesse (Aaron Paul) haben sowohl Gus als auch Mike den Ausflug nach Mexiko überlebt. Gus bringt Tio Don Eladios Kette und die Nachricht, dass die Salamancas mit Tios Tod für immer ausgelöscht sein werden. Jeder seiner Verwandten ist jetzt tot, und Gus’ Rache ist vollbracht. Übrigens: Mark Margolis’ großartige wortlose Performance als Tio wirkt jedes Mal wie eine kleine Demonstration von Breaking Bads Kunst, ohne Worte brillant zu erzählen und vor allem Emotionen zu vermitteln.

Der Stillstand bzw. die Stille in Breaking Bad ist nie wirklich still; sie erzählt, sie entblößt Emotionen, macht unseren Blick aufmerksam, buchstäblich nach der rohen Essenz dieser Emotionen suchend, nach ihren extremen Schattierungen. So rauscht Crawl Space dahin als emotionale Achterbahn, die für Walter an die Wand rast – oder besser gesagt, nach draußen: in die glühende Wüstensonne.

Von Anfang an kreiste Breaking Bad um die Thematik der Grenzen: Grenzen in jedem erdenklichen Sinne, offene und geschlossen Räume, Endgültigkeit und Abgeschlossenheit, Hauswände und die Grenzenlosigkeit der Wüste. Walter handelte von Beginn an systematisch über seine Grenzen hinaus. Die Begrenztheit seiner Existenz durch die Krebsdiagnose befreite ihn von moralischen Grenzen und ließ ihn einen Weg einschlagen, von dem es kein Zurück gibt – nicht nur für ihn, sondern für alle, die ihm nahe stehen. Das macht ihm Gus höchstpersönlich klar, als Gus’ Leute ihn in die Wüste bringen. Walter reagiert panisch, als er erfährt, dass Jesse ohne ihn gekocht hat, und will mit ihm reden, aber Jesse ist fertig mit Walter. Genauso Gus: „You are done.“ Walter realisiert aber, dass er “nur” gefeuert und nicht gleich beseitigt wird: dank Jesse.

Für Hank jedoch, der im Begriff ist, die Wäscherei unter die Lupe zu nehmen, gibt es keine Rettung mehr. Gus droht, Walters ganze Familie zu töten, falls der ihn daran hindern sollte, Hank zu beseitigen. Während der gesamten Szene, die meist aus der Übersicht gefilmt und gleichsam als Panoramabild präsentiert wird, treiben Wolken über den Köpfen der Beteiligten dahin; sie befinden sich mal im Licht, mal im Schatten. Hell und Dunkel.

Auch Skyler (Anna Gunn) macht einen weiteren Schritt aufs Dunkle zu: Sie beauftragt Saul, Leute zu Ted zu schicken, um ihn zur Vernunft zu bringen, nachdem dies ihr selbst wiederholt misslungen ist. In einer für Breaking Bad typischen Slapstick-Szene erleidet nun Ted bei seinem Fluchtversuch einen (vermutlich tödlichen) Hausunfall: Der eigene Teppich zeigt ihm die Grenze einer selbstgefälligen Existenz.

Der Rest der Episode ändert den Laufstil: von Achterbahn zu tollwütigem Hund, der von der Kette gelassen wurde. Walter ist außer Rand und Band geraten und fordert von Saul die Nummer des Mannes, der ihm und seiner Familie neue Identitäten verschaffen kann. Der Preis: eine halbe Million. Außerdem soll Saul einen anonymen Anruf tätigen, um die Polizei Hanks wegen zu warnen. Als Walter unter den Hausfußboden kriecht, um an das Geld zu kommen, stellt er fest, dass es nicht mehr da ist – jedenfalls nicht in der vorherigen Größenordnung. Skyler muss ihm mitteilen, dass sie es… Ted gab!

Diese Aussage lässt buchstäblich die Grenzen von Walters Verstand explodieren. Unten im Dreck liegend, bricht er in eine Mischung aus Heulen, Schreien und Lachen aus. Das Lachen nimmt dann die Überhand, als sich die Kamera in einer faszinierenden Einstellung von ihm entfernt: nach oben, Richtung Hausdecke. Walter wird immer kleiner, eingerahmt von der kleinen Tür im Fußboden. Er ist jetzt still. Durch den pulsierenden Sound hat man das Gefühl, die Wände würden zittern und alles in sich und über Walter zusammenfallen. Ein Bild der Unausweichlichkeit, mit der die Serie schon anfing und zu der sie jetzt mit voller Wucht zurückkehrt.

Breaking Bad: Salud (4×10)

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Breaking Bad liebt exakte Zahlen. Ohne exakte Zahlen stimmt die Mischung nicht. Und in Salud ist diese Mischung explosiv, wie ein Schluck Tequila auf leeren Magen zum Frühstück. Apropos Frühstück: Viele US-Kritiker machten zum Running Gag, dass man Walter Jr. nur beim Frühstücken respektive bei anderen Mahlzeiten zu sehen bekäme. Die neue Episode scheint diesen Spaß aufzunehmen: Zum ersten Mal sehen wir Junior (RJ Mitte) kurz nach dem Aufwachen! Es ist sein 16. Geburtstag, und angesichts der fortgeschrittenen Tageszeit fragt Mom Skyler, ob er… frühstücken oder Mittag essen wolle. Walter Junior wählt das Frühstück, genauer gesagt: Pfannkuchen. Während Skyler versucht, ihrem Sohn euphorisch das Geburtstagsgeschenk zu präsentieren – den von ihr gekauften PT Cruiser -, sind Gus, Jesse (Aaron Paul) und Mike unterwegs, um sich mit Don Eladio den Kuchen zu teilen. Aber zuerst muss Jesse beweisen, wie gut er kochen kann.

Das Hauptaugenmerk dieser Episode liegt eindeutig auf der Mexiko-Reise, aber Walter (Bryan Cranston) und Walter Junior bekommen eine bemerkenswerte Szene zusammen. Der besorgte Junior klingelt seinen Vater aus dem Bett, und vor seinen Augen eröffnet sich eine traurige Szenerie: Walter in weißer Unterwäsche und mit Blutflecken übersät. Er erzählt Junior, wegen Gambling in eine Prügelei geraten zu sein, bevor er in Tränen ausbricht und sich entschuldigt: „I made a mistake. It’s my own fault. I’m sorry.“ Wem aber gilt diese Entschudigung? Seinem Sohn? Oder seinen beiden Söhnen? Als Junior ihn ins Bett bringt, fragt Walter nach dem Geburtstagsgeschenk; brav bestätigt Junior, dass er das Auto möge. Walters Antwort: „That’s good, Jesse.“

Am nächsten Morgen befindet sich Junior noch immer in Walters Wohnung. Walter hält einen langen Monolog darüber, wie er sich an seinen Vater erinnere; er wolle nicht, dass sein Sohn das Bild vom vorigen Abend in Erinnerung behalte. Junior aber besteht darauf: „You were real!“ Die Szene klingt wie ein Abschied. Wegen Walters Überzeugung, dass Gus ihn bald von der Erdoberfläche entfernen wird? Oder geht es eher um den Krebs, der doch zurückgekehrt ist?

Ausgerechnet Skyler (Anna Gunn) setzt in dieser Episode alles aufs Spiel, indem sie mit Sauls Hilfe („This is a bad idea!“) Ted die nötigen 621.552,33 Dollar zuspielt: als Erbteil seiner von Skyler erfundenen Tante Birgid aus Luxemburg. Und was tut Ted nach dem kurzen Schock? Er kauft sich den neuesten Mercedes – und schickt sich an, die Firma wieder in Gang zu bringen. Das wiederum bringt Skyler dazu, ihm einen Besuch abzustatten. Verzweifelt über seinen Eigensinn und seine Dummheit lässt sie die Katze aus dem Sack: „From where do you think you got that 600.000?!“

In Mexiko geht es um viel größere Summen, um noch exaktere Kalkulationen, die Gus auch bereits gemacht hat. Aber es ist Jesse, der die Waagschale zu Gus’ Gunsten neigen kann, womit er seine Loyalität unter Beweis stellt. Zwar erreicht sein Meth einen Reinheitsgrad von nur 96 %, aber er steht zu 100 % hinter seinem Arbeitgeber. Zuerst zaubert Jesses verbale Konfrontation mit dem Chemiker des Kartells (gespielt von Carlo Rota, 24) ein zufriedenes Lächeln sowohl auf Gus’ als auch auf Mikes Gesicht: „Shit“, ruft er enttäuscht, als sein Produkt die 96[nbsp]% aufweist. Von den Kartell-Leuten wird dies als Ausdruck von Zufriedenheit gedeutet, denn alle sind mit dem Ergebnis mehr als glücklich. „First of many!“, bekundet Gaff, der Scharfschütze aus der letzten Episode. Jesse soll also in Mexiko bleiben, aber Mike flüstert ihm zu: „I promise you this – either we’re all going home or none of us are.“

Den Rest bildet einer von Breaking Bads von langer Hand geplanten Kreisen, der nun zum Abschluss kommt. Gus steht am Rande des Pools, wo Max 20 Jahre zuvor erschossen wurde. Er hat ein Geschenk für Don Eladio mitgebracht, eine Flasche Tequila. Wir erinnern uns, wie Tio damals Max und Gus demonstrativ nichts zu trinken anbot. Gleichzeitig spiegelt das vergiftete Getränk sehr schön Jesses und Walters Plan, Gus zu vergiften: Auch Gus trinkt aus der Flasche, nimmt aber vorher eine Pille, vermutlich Gegengift. In Don Eladios Bad erbricht er den Inhalt seines Magens. Es scheinen dennoch Spuren in seinem Körper geblieben zu sein, denn er bricht zusammen, nachdem alle anderen – inklusive Don Eladio – bereits gestorben sind. Während der Flucht wird Mike angeschossen, aber Jesse leert das Magazin in den Angreifer; das Bild wirkt wie eine Kopie des Anblicks, den der abdrückende Jesse beim First-Person-Shooter-Spiel bot. Ironischerweise steckt in diesem Moment Jesse in der Rolle, die in den vorherigen Staffeln Walter für ihn spielte: Er greift zum Äußersten, um alle im Geschäft und am Leben zu halten.

Breaking Bad: Bug (4×09)

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Die neue Breaking Bad-Episode erinnert an die Episode Fly aus der dritten Staffel. Nicht, weil Jesse und Walter im Labor ein Kammerspiel absolvieren würden, und auch nicht, weil Insekten (Bug) involviert sind, sondern wegen des klaustrophobischen Vakuums, das in Bug fühlbar wird: gefüllt lediglich mit intensiver Gewalt, die sich zu entladen sucht und es in zwei besonderen Szenen auch tut. Dem Breaking Bad-Stil getreu werden diese Ausbrüche teilweise in Slow Motion gezeigt: im Teaser, der im Grunde den Ton der Episode angibt.

Wir sehen extreme Close-Ups von einer auf dem Boden liegenden Brille. Dann tropft Blut herunter: auf den Holzboden und auf ein Paar Schuhe, die wie Walters aussehen. Eine blutige Hand hebt die Brille auf, während schwere Atemzüge zu hören sind. Schon oft haben wir über Breaking Bads Geräuschkulisse gesprochen, die immer wieder maximale Lautstärke bekommt, so dass die kleinen Details – kleine Bewegungen, kleine Gegenstände – sich im Bild bemerkbar machen oder uns aus dem Off beunruhigen. Kombiniert mit Close-Ups, so dass das Bild nicht zur vollen Entfaltung kommt, kreieren sie eine Erwartungshaltung, eine Vorahnung, dass etwas Schlimmes passieren wird – wobei wir im Moment nicht fähig sind festzustellen, wie es passieren und wie schlimm es werden wird.

Zunächst wird es diesmal richtig schlimm für Gus und seine Leute, denn ein Scharfschütze des Kartells hat einen Mitarbeiter getötet und hält die restlichen – inklusive Jesse und Mike – vor dem Lagerhaus in Schach. Plötzlich, in einem für seine Verhältnisse emotionalen Ausbruch, marschiert Gus ins Freie und bietet sich als Ziel an. Er weiß, dass das Kartell ihn braucht – aber damit der Krieg nicht endgültig ausbricht, greift er etwas später zum Telefon: Tell them the answer is yes.

Was genau dieses „Yes“ bedeutet, wissen wir immer noch nicht, aber eins macht Bug klar: Jeder bewegt sich auf dünnem Eis. Angefangen mit Hank (interessante Eye of the Tiger-Einlage in Walters Auto übrigens, Hank!), der Walter weiterhin in seine Untersuchung involviert und zum Lagerhaus will – und endend mit Skyler (Anna Gunn), die im Car Wash überraschenden Besuch bekommt, während sie… nun: Geld wäscht. Sie bedient imaginäre Kunden und erstellt Kassenbelege: Please give this to your car care professional. In dieser Sekunde scheint die Welt in Ordnung. In der nächsten aber wird Skyler an ein „schmutziges“ Detail aus der nahen Vergangenheit erinnert: Ted Beneke taucht auf – und „schmutzig“ ist nicht „IFT“, sondern die Wäsche, welcher sie damals seine Abrechnungen unterzog. Ted drohen schwere Nachzahlungen, ja sogar Gefängnis. Er braucht Skylers Hilfe: “to uncooking the books”.

Doch was gekocht wurde, wird jetzt serviert und kann schwer ‚ungekocht’ gemacht werden. Da ja Skyler mit in die Sache involviert ist, entscheidet sie sich, in zwei Schritten zu helfen: Ted und sich selbst. Wenn der erste Schritt amüsant daherkommt, so erweist sich der zweite als äußerst riskant: Nimmt Skyler das „gewaschene“ Geld, begibt sie sich tatsächlich auf dünnes Eis.

Nach der Arbeit schaue er Ice Road Truckers im Fernsehen, antwortet Jesse (Aaron Paul) auf Walters doppeldeutige Frage nach seinen Feierabend-Beschäftigungen: Guys drive on ice. Walters Annahme, dass Jesse nicht gewillt ist, Gus’ Essen oder Trinken mit einer gewissen Zutat anzureichern, bewahrheitet sich. Jesse bekommt die ultimative Gelegenheit, Gus zu vergiften, als dieser ihn zum Abendessen einlädt und für ihn kocht – so wie er es früher einmal für Walter tat. Jesse erfährt den wahren Grund dieser Einladung, und nun wissen auch wir, was das „Yes“ bedeutete: Gus will sich das Geschäft mit den Mexikanern teilen, und Jesse soll nach Mexiko aufbrechen, um Laboranten zu schulen. Dafür aber braucht er Walters Rezept: Er muss das Meth allein kochen können.

Jesse braucht also Walter. Aber der ist wieder einmal zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um daran zu denken, was die beiden gemeinsam durchgemacht haben, was Jesse für ihn getan und was er selbst Jesse angetan hat. Er konfrontiert Jesse mit den Daten aus dem GPS-Sender, den er heimlich an Jesses Auto befestigt hat (Bug!), und mit seinem Besuch bei Gus. Dann eskaliert die Situation. Wir kommen zurück zu dem blutigen Teaser. Am Ende hat Jesse auch eine Frage für Walter: Can you walk? Then get the fuck out of here and never come back. 

Breaking Bad: Hermanos (4×08)

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„The Postman Always Rings Twice“: So heißt der Bob Rafelson-Film aus dem Jahre 1981. Allerdings war die erste Verfilmung des gleichnamigen Buchs bereits 1946 und diese erschien in Deutschland mit dem Titel „Die Rechnung ohne den Wirt“. Einem Kapitel des slowenischen Philosophen Slavoj Zizek lassen sich Gedanken entnehmen, die auf Breaking Bads Hermanos mit Gewinn anwendbar sind. Wie dieses Kapitel heißt? “Wenn der Postmann zweimal klingelt” (Slavoj Zitek: Liebe Dein Symptom wie Dich selbst, 1991). Mir geht es um eine – vereinfachte – Variante der Zizek-These, dass ein Brief immer seinen Bestimmungsort erreicht:

a) weil der Bestimmungsort eben dort ist, wo der Brief ankommt;

b) weil Verdrängtes immer zurückkehrt und die Rechnung beglichen werden muss;

c) weil niemand dem Tod entrinnen kann.

Was hat das mit Breaking Bad zu tun? Vor allem die ersten beiden Antworten interessieren uns. Sie sind eng miteinander verknüpft, genauso wie Walter White (Bryan Cranston) und Gustavo Fring (Giancarlo Esposito). Diese beiden verbindet mehr als nur das Geschäft und das Begehren, dem jeweils Anderen ein Ende zu bereiten.

In Flashbacks erzählt uns Hermanos Gus’ Vorgeschichte, Schritt für Schritt und Bild für Bild, bis die für Gus so traumatische Szene am Ende der Episode komplett ist. Verkennen und Verdrängen sind hier die Codeworte. Wir haben oft darüber gesprochen, dass Walter seine eigene Rolle im Ganzen verkennt, dass er die Schuld von sich wegschiebt und anderen aufzuladen versucht. Walters Haltung entspricht der Frage: “Warum ich? Warum tun sie mir das alle an? Womit habe ich das verdient?”

Er sucht nach einem Schuldigen – und findet ihn in Gus. Also: Gus erledigen, und alles wird gut! Als aber Hank Walter in dieser Episode zum Hermanos-Restaurant führt und ihm seine Vermutungen über Gus mitteilt, sagt er ihm eigentlich noch etwas Anderes: dass nämlich Walter selbst der Adressat ist und dem endgültigen Schuldbrief nicht entkommen kann. Genauso wie Gus es Tio mitteilt: im Flashback nach dem Tod der Cousins und bei einem Besuch gegen Ende von Hermanos. Nur Gus selbst wird mit der Wahrheit konfrontiert – ganz am Anfang der Episode, als er zu einem Verhör vorgeladen wird.

Zwar weiß er die Anschuldigungen wegen Gale und des Meth-Geschäfts überzeugend von sich zu weisen, genauso wie Hanks Frage, warum die Existenz eines Gustavo Fring in Chile nirgendwo dokumentiert sei; aber sein Gesicht und seine Haltung im Fahrstuhl erzählen eine andere Geschichte. Wenn man so will, ist ausgerechnet Hank der “Postbote”, das Verbindungselement, das Klingeln.

In Hermanos erleben wir drei einander sehr ähnliche Szenen, sowohl visuell als auch akustisch. Es ist ein wiederholtes Klingeln zu hören, während wir in der ersten Szene Tios Hand und die Glocke im extremen Close-Up sehen, in der zweiten Gus’ leicht zitternde Hand (das Klingeln stammt diesmal vom Fahrstuhl) und in der dritten Walters Hand an der Klingel von Jesses Haus. Alle drei Figuren werden von einer Wahrheit eingeholt und daran erinnert, dass die symbolische Rechnung noch nicht beglichen ist: Egal, was sie tun, der Brief mit der Wahrheit wird sie erreichen, weil sie selbst der Bestimmungsort sind, weil sie alle im selben Boot sitzen. Wir werden wieder an Walters Krebserkrankung erinnert, als er zur Untersuchung muss und einem anderen Patienten erklärt: „Never give up control, live life on your own terms.“ Ein weiterer Hinweis auf Walters Selbsttäuschung, alles unter Kontrolle zu haben.

Aber Hermanos ist nicht hauptsächlich eine Episode über Walter, sondern eher über Gus. Wir erfahren, woher der Name seiner Restaurantkette Los Pollos Hermanos stammt – The Chicken Brothers. Vor einiger Zeit gab es zwei „Chicken Men“, Gustavo Fring und seinen besten Freund aus Chile, den begabten Chemiker Maximilio: Gemeinsam stellten die beiden Freunde dem Kartellboss Don Eladio die Meth-Idee vor. Dieses Treffen endete mit Max’ Tod: durch Kopfschuss aus Tios (Hectors) Hand, vor Gus’ Augen.

Don Eladio (Steven Bauer, „Scarface“ – der Film gehört zu Vince Gilligans Vorbildern, wie er selbst sagt) teilt Gus mit, er lasse ihn am Leben, „because I know who you are“. Noch immer erfahren wir nichts Konkreteres. Interessant wiederum sind die Momente vor Max’ Tod, als er Don Eladio um Gus’ Leben bittet: „I need him.“ Dieselben Worte hat Walter Gus gegenüber wegen Jesse (Aaron Paul) benutzt! Breaking Bads Fähigkeit, an einem solchen Punkt alle Fäden zusammenzuziehen, ist immer wieder bewundernswert.

Ein anderes Klingeln in dieser Episode enthüllt Walter die Wahrheit darüber, dass Jesse ihm gegenüber nicht loyal ist. Zwei ähnliche Close-Ups von Walters und Gus’ Gesichtern werden uns präsentiert, als sie in dieser Episode eine unangenehme Feststellung machen.

Übrigens macht auch Skyler eine unangenehme Erfahrung, die Walter schon hinter sich hat – nämlich mit dem Raum unter dem Fußboden des Hauses, wo sie große Wäschesäcke verstecken müssen: voller Kleidungsstücke, aber auch voller Geld. Damit bekommt Geldwäsche eine sehr sinnbildliche Beschreibung. Dies ist nicht die einzige amüsante Szene in Hermanos: Die zweite findet vor dem gleichnamigen Restaurant statt, als Hank Walter dazu bewegen will, illegal einen GPS-Tracker an Gus’ Auto anzubringen, während ein grinsender Mike die beiden aus einem anderen Auto in der Nähe beobachtet.

„Miss Daisy with binoculars“ nennt er Hank später im Gespräch mit Gus und referiert auf den Film mit Morgan Freeman in der Rolle des Chauffeurs. Tatsächlich ist Walter der Mann hinterm Steuer – aber nicht als Lenker des Ganzen, sondern als Chauffeur, als Angestellter. Walters Worte zu Skyler vor einigen Wochen, dass er derjenige sei, der vor der Tür stehe, wenn es klopfe, erweisen sich letztendlich als wahr: Walt klopft bzw. klingelt tatsächlich – aber er ist auch derjenige, der die Tür dann öffnet.

Breaking Bad: Problem Dog (4×07)

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„Restart or Quit? Yes or No?“ Problem Dog formt ein Fragezeichen. Die Beteiligten suchen nach einer richtigen Antwort, wo es keine richtige gibt. Die neue Episode eröffnet mit Aufnahmen von Jesse, der mit der Waffe in der Hand in seiner Wohnung steht. Er schießt: in Rage, einem Videospiel, bei dem wir mit Jesse eins werden und den Gegnern auf dem Bildschirm begegnen. Plötzlich nehmen sie Gales Gestalt an, und wir schießen ihm immer wieder in den Kopf. Aber war Gale ein Gegner? Oder nur ein Hindernis, ein Problem, für das es keine richtige Lösung gab?

Er hat niemandem etwas getan. So lauten Jesses Worte etwas später in der Episode während einer der besten Aaron Paul-Szenen in Breaking Bad, als Jesse zu seinem 12-Schritte-Programm-Treffen geht und erzählt, wie er einen „problem dog“ tötete. Während des Treffens lässt Jesse alles an den Anwesenden aus, seine ganze Frustration – nicht nur über das, was er tat, sondern vor allem über ein ausbleibendes Urteil des Gruppenleaders: „The thing is, you just do stuff and nothing happens. What’s it all mean, what’s the point? No matter how many dogs I kill, I just do an inventory and I accept?“

Damit aber reagiert Jesse auch auf die Position zwischen Walter und Gus, in die er gebracht wurde. Jeder versucht, seine Loyalität zu erzwingen, ihn für sich einzunehmen. Denn loyale Mitarbeiter erschießen Hunde, wenn sie dazu aufgefordert werden.

Jesse steckt in einem Teufelskreis – um so mehr, nachdem Walter ihn im Walter-Style darum gebeten hat, Gus’ Ermordung zu übernehmen. Jesse ist gerade dabei, die Wände seines Hauses weiß zu streichen. Aber er willigt ein. Währenddessen ist Walter nicht bereit, klein beizugeben und den Challenger einfach zurückzubringen. Wie Jesse legt er eine Art Monolog hin – ohne Worte, dafür mit Hilfe des Challengers. Er malt buchstäblich die Teufelskreise, in denen er steckt, auf den Asphalt. Man erinnert sich an Jesses Angebot am Anfang der Staffel: „Let’s go cart.“ Genau drei Kreise von Reifenspuren hinterlässt Walter (Bryan Cranston), bevor er das Auto über eine Kante fährt und es festsitzt.

Während dieser Szene läuft The Pretenders’ Boots of Chinese Plastic. Aber dann steigt Walt aus – und die typische Breaking Bad-Stille setzt ein, die nur hin und wieder von einzelnen Geräuschen durchbrochen wird. Walter steckt die Autopapiere in den Tank und zündet sie an. Das Auto explodiert nicht sofort, wie man es von audiovisuellen Erzählungen gewöhnt ist, sondern mit Verspätung. Walter dreht dem Challenger den Rücken zu und schreitet mit entschlossenem Gesicht von dannen. Sowohl er als auch wir Zuschauer warten auf die Explosion. Es geschieht zunächst – nichts. Die Kamera zeigt den leeren Parkplatz, nun wieder aus der Aufsicht. Stille. Bewegungslosigkeit.

Das Auto geht erst später in Flammen auf. Was aber prompt aufgeht in Problem Dog, ist die plötzliche (wenn auch vielleicht erwartete) Verschiebung innerhalb der Machtstruktur der Erzählung. Zwar wird Gus nicht gleich entmachtet oder Ähnliches, aber er gerät in eine komplizierte Situation, deren Komponenten er nicht vollständig wahrnimmt: Die Handlungen seiner Kontrahenten verlaufen nicht so, wie er dachte. Das Treffen mit dem Kartell ist im Grunde genommen gar kein Treffen, sondern ein einfacher Mitarbeiter wird entsandt, um von Gus eine Antwort abzuholen: „Yes or no?“ Welche Frage damit beantwortet werden soll, hören wir nicht, aber man kann sich unterschiedliche Variationen vorstellen.

Wie Jesse sitzt Gus am Anfang der Episode vor dem Bildschirm. Wird er überhaupt die Möglichkeit haben zu wählen? Denn wir sehen Hank bei einem Treffen mit seinem ehemaligen Partner und dem Chef seiner ehemaligen Einheit. Er präsentiert den beiden die Fakten der Gale-Untersuchung. Und beendet die Präsentation mit einem schlagenden Argument, das auf Gus’ Beteiligung an dem Meth-Geschäft hinweist. Als er und Walter Junior bei Los Pollos essen gehen, rechnet Hank aufgrund der ganzen Vorgeschichte damit, dass Gus höchstpersönlich auftaucht und sie begrüßt! In diesem Moment ist Gus die Schachfigur, die einen von Anderen vorhergesehenen Zug macht.

Hank holt sich Gus’ Fingerabdrücke und stellt fest, dass sie in Gales Wohnung gefunden wurden. Jetzt lautet Hanks Frage: Wollen wir Gus hochnehmen oder nicht? Die Antwort hängt davon ab, welche DEA-Mitarbeiter Gus vielleicht in der Tasche hat… Im Moment sieht es danach aus, als hätten sowohl Jesse als auch Hank den Restart-Button geklickt: ausgerechnet diejenigen, die am Anfang der Staffel aufgegeben hatten.