Category Archives: Fringe

Fringe: Through The Looking Glass And What Walter Found There (5×06)

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Walter Bishop im Wunderland. Eigentlich wird er immer schon in einem Wunderland gewesen sein. Die sechste Fringe-Episode kann man als eine “pocket episode” bezeichnen, die von einem “pocket universum” handelt. Walter findet auf den alten Videobändern seine eigenen Anweisungen, wie man zu diesem Universum in dem Universum gelangt. Dort soll etwas Wichtiges versteckt sein. Für den “neutralen” Zuschauer ist vermutlich diese Episode eine weitere Verwirrung, aber für den Fringe-Zuschauer ist sie eine Art Offenbarung. Natürlich soll sie die Handlung vorantreiben, aber ist bei Fringe dieses Die-Handlung-voran-Treiben nicht über sich selbst zu reflektieren? Wie soll man voran kommen, wenn man nicht weiß, wer man ist und wo man ist? Im letzten Review haben wir darüber gesprochen, wie sehr Peter in Walters Fußstapfen zu treten droht und diese Episode macht es noch einmal deutlich, was das bedeutet.

Wenn man einen Schritt zurück tritt und aus einem anderen Winkel die Bilder betrachtet, kopfüber – genauso wie in dem Pocket-Universum ein Van Gogh kopfüber hängt-, sieht man Fringe und Walter gleichzeitig die Wahrheit über sich selbst offenbaren. Was die FOX-Serie geschaffen hat, ist ein Pocket-Universum innerhalb des TV-Universums mit seinen Regeln und Gesetzen. Alle Türen in Walters Universum haben Glyph-Symbole. Das sind die Türen zu einzelnen Handlungssträngen in der Serie, zu den unterschiedlichen Themen und Motiven.

Gleichzeitig ist das Pocket-Universum Walter selbst auf der Suche nach einer Lösung für jedes Problem und mit den ständigen Verschiebungen kämpfend. Aber sowohl für Walter als auch für Fringe gilt, was Walter zu Peter und Olivia, als sie eintreffen, sagt: No dead end! Das bezieht sich zwar auf eine Wand, die nur ein Ende simuliert, aber auch eigentlich auf die Probleme, mit welchen die Figuren zu kämpfen haben. Außerdem weiß man – das Universum ist an sich unendlich. Die Autoren lassen hier auch die so genannte “marble theory” aus den 70ern einfließen: “What if there’s a universe inside a universe?” Man sieht, bevor Peter in Walters Universum geht, kurz im Bild zwei Murmeln, die danach plötzlich verschwinden.

Vielleicht befindet sich diese Fringe-Episode innerhalb von Lewis Carrols “Alice” und innerhalb von Fringes “Through The Looking Glass And What Walter Found There” steckt wiederum Losts “Through the Looking Glass” (Season 3, Episoden 22 und 23) oder umgekehrt?
Nicht vergessen: 4+1+3 = 8
Auch der Satz “You’re the friend of the red-head on level 4” aus den Videoaufnahmen wirft Fragen auf hinsichtlich der Tatsache, dass im roten Universum dort die Wohnung von Fauxlivia war bzw. ist…

Mysteriös bleibt außerdem Donalds Identität, der anscheinend damals die Kamera hielt, als Walter sein “Pocket-Universum” betrat, um dort Lil’ O, das Kind aus der Episode “Inner Child” zu verstecken. Aber wie Olivia, Peter und Walter feststellen, ist das Kind nicht mehr da. Eigentlich sind 20 Jahre vergangen, aber die Zeit ist im Pocket-Universum “anders” – dort sind nur paar Tage vergangen. Walter trifft dort auf Cecil, einen Mann, der zufällig hinein geschleudert wurde und dort gefangen blieb. Er behauptet seit vier Tagen dort zu irren.

Als die Observer das Pocket-Universum stürmen, wird Cecil umgebracht, aber der Rest kann dank Peter neuen “Observer”-Fähigkeiten fliehen. Diese Fäihgkeiten bleiben aber unsers und Peters Geheimnis, denn Olivia und Walter sehen nicht, wie er einen Observer tötet. Die Frage ist, was wirklich mit Peter passiert? In was verwandelt er sich?

Lasst mich ein paar Spekulationen los werden (ohne die Episode 7 gesehen zu haben): Lil’ O ist nicht in dem versteck, aber dort finden Walter & Co. ein Radio, das dort nicht funktioniert, aber “draußen” empfangsbereit scheint. Die Frequenz, wenn ich mich nicht täusche, lautet 6khz und wir erinnern uns an die Episode aus der dritten Staffel namens 6995khz. Welche Nachricht wird kommen? Eine vom September vielleicht? Ist Lil’ O September geworden? Ist vielleicht mit ihm Ähnliches passiert, wie mit Peter? Andererseits versteckt sich “Peter” als Wort im “September”…

Am Ende der Episode teilt Walter Peter mit, dass er auf seiner Suche nach einem Ausweg genau das gefunden hat, was er nicht will, nämlich den alten Walter, den Wissenschaftler, der menschliche Opfer in Kauf nimmt:
“I’m losing the man that you helped me become,” sagt er zu Peter, genau als dieser die Umgebung mit den Augen eines Observers sieht – mit kalkulierenden, elektrische Impulse empfangenden Augen… Wie geht es weiter? No dead end:
Aus diesem Wunderland kommt man nur durch ein Wunder des Herzens!

Fringe: An Origin Story (5×05)

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In Milan Künders Roman “Die Langsamkeit” beschreibt der Autor, dass wenn man sich an etwas erinnern möchte, der Mensch langsamer geht und wenn er vergessen möchte schneller. Diese neue Finge-Episode, die sich um den Umgang mit Ettas Tod dreht, demonstriert genau das. Nicht nur ist der Umgang seitens Peter und Olivia ein anderer, sondern Olivia will sich erinnern und Peter will in seiner Wut alles für einen Augenblick der Rache vergessen. Aber der Schmerz ist Teil der Liebe, auch wenn man heutzutage bemüht ist die Liebe sicher zu machen – Partner per Internet-Katalog auswählen und lieber keine Kinder bekommen.

Der Verlust ist auch Teil der Liebe – Walter musste diese Lektion lernen und er ist verbittert zu sehen, dass im Grunde Peter den Weg des Vaters gehen will. Darin besteht die Schönheit der dramaturgischen Wendung, die in dieser Staffel von den Autoren vollbracht wurde. Sie opferten Etta, um die Fringe-Erzählung genau zu diesem unerwarteten schmerzvollen Punkt zu bringen, an dem sie schon einmal war: Ein Vater muss sich entscheiden, entweder mit dem Verlust zu leben, ihn als Teil des Lebens und der Liebe zu akzeptieren oder die Welt zu verändern, die für diesen Schmerz verantwortlich ist.

Und wie wir wissen, sind solche Änderungen katastrophal. Als der Widerstand herausfindet, dass die Observer dabei sind, Maschinen aus der Zukunft zu holen, um damit schneller  die Atmosphäre zu zerstören, entscheidet sich Peter ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Der Widerstand hält einen Observer gefangen und sie haben eins der Geräte, die die Zeitreise ermöglichen in die Hände bekommen. Für Peter heißt es dann – das Geräte zum Laufen zu bringen und  eine Dosis Antimaterie Richtung Zukunft zu befördern, so dass ein Schwarzes Loch entsteht.

Aber Peter ist eigentlich derjenige, der in das metaphorische schwarze Loch fällt. Der gefangene Observer erinnert ihn daran, dass man zwei Gräber vorbereiten soll, wenn man sich auf den Rachepfad begibt. Peter macht trotzdem mit Hilfe einer speziellen Verhörmethode weiter. Diese Methode erlaubt ihm die Pupillen-Reaktionen des gefangenen Obsevers zu lesen und so zum Zusammenstellen des Geräts zu benutzen. Währenddessen versucht Olivia nicht zusammenzubrechen. Man kann buchstäblich sehen, die Minute für Minute die Erkenntnis immer tiefer hinein sickert, was in ihrem Leben gerade geschehen ist. Sie braucht etwas, um such festzuhalten, um nicht einfach davon zu gleiten. Walter ist derjenige, der ihr das anbietet: Es ist eine Videokassette mit einer von Ettas Geburtstagspartys. Was Walter Olivia gibt ist der Schmerz, an den sie sich festhalten soll: “The pain is her legacy to you both. It’s proof that she was here.”

Olivia nimmt zunächst die Videokassette nicht, denn sie sieht das als eine Art Beweis, dass Etta tatsächlich weg ist. An diesem Punkt demonstriert Finge sehr schön die Komplexität und gleichzeitig die Grausamkeit der Liebe.  Etwas später sieht Olivia überall Plakate mit Ettas Gesicht darauf und den Worten: Resist! Am Ende schaut sie sich doch die Aufnahmen an und ihre Hand berührt den Bildschirm, berührt Ettas Lächeln, wie wenn sie sich daran festhalten will, während Peter immer weiter weg gleitet. Wir sehen, dass er – so wie sein Vater damals – den erschrecken Schritt macht. Er holt aus dem Nacken des Observers ein Implantat heraus und setzt es bei sich ein…

Wie viel Hilfe und wie viel Schaden diese Tat mit sich bringen wird? Olivia ruft Peter an und bittet ihn darum zu ihr zu kommen. Sie braucht ihn, aber … er braucht sie in diesem Augenblick viel mehr, um nicht beim Versuch den Schmerz auszulöschen in ihm zu verschwinden.

Fringe: The Bullet That Saved The World (5×04)

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Blau, Rot, Grün und Gelb. Wer erinnert sich an das Spiel “Simon Says”, dessen erste elektronische Version im Jahre 1978 auf den Markt kam? Es ist das Jahr, in dem Peter Bishop geboren wurde. Fringe liefert mit dieser Episode einen sehr subtilen und trotzdem deutlichen Beweis, wie sehr alles in dem Universum miteinander verbunden ist. Das Spiel sehen wir am Anfang der Episode, als Peter in einem Laden neue Halskette für Etta zu erwerben versucht, nur um von einem Observer entlarvt zu werden.

Als etwas später Broyles die Szene betritt, ist Windmark schon da und drückt etwas hektisch auf die Spieltasten. Alle Farben leuchten in einem wilden Durcheinander. Aber ist es wirklich wahllos? Oder kann Windmark einfach nicht die richtige Reihenfolge finden? Simon Says ist eigentlich ein Memory-Spiel und wir haben im Review zur letzten Episode viel über die Erinnnerung-Problematik gesprochen. Wer sich richtig erinnern kann, der wird das Spiel gewinnen!

Auf der einen Seite kann das ein Hinweis zu dem Wiedererlangen von Walters Plan gegen die Observer sein und auf der anderen fordern die Fringe-Autoren die Zuschauer auf, sich zu erinnern. Das Spiel wurde zum ersten Mal in der Episode “Inner Child” von Ella, Olivia und Rachel gespielt. Außerdem, wenn ich mich nicht täusche und sich die Fringe-Wiki nicht täuscht, dann hatten wir drei Simons bis jetzt: Simon Foster, Simon Paris und Simon Phillips.

Der erste opferte sich für das Team und für die Hoffnung in Letters of Transit, der zweite entfernte Walters Erinnerungen (Grey Matters) und der dritte war ein Cortexiphan-Kind, das Gedanken lesen konnte. Fringe pendelt zwischen Erinnern und Vergessen. Manche Sachen kann und darf man nie vergessen, wie zum Beispiel – Liebe. Warum riskiert Peter viel, um neue Halskette zu holen. Was ist der Sinn der Kette? Auf diese Fragen von Windmark antwortet Broyles trocken: “Its purpose? You wear it.” Aber als Windmark Etta am Ende der Episode die tödliche Kugel verpasst, entreißt er ihren Gedanken die Antwort: Aus Liebe!

Fringe ist als Serie ein Labyrinth aus Erinnerungen und die Liebe ist die einzige Navigation, die man hat. Auch durch Walters Erinnerungen muss man navigieren, um zu einem Gesamtbild zu gelangen. Die Videokassette schickt in dieser Episode das Team zu der Penn Station, wo Walter als Kind seine Detectiv-Comics versteckte. Aber um dorthin zu gelangen, müssen sie an einem Checkpoint vorbei. Also nimmt Walter sowohl das Team als auch uns Zuschauer auf eine weitere Reise in die Vergangenheit, in unsere Erinnerungen daran: “Astriff! Prepare the laser!” Unter dem Labor befindet sich Walters Sammlung von Fringe-Events.

Dort hat er Andekne von jedem bearbeiteten Fringe-Fall: “My porcupine-man!” Walter ist auf der Suche nach der passenden Fringe-Waffe gegen die Bewacher des Checkpoints und findet sie auch. Wir erinnern uns an das Gas, das Nase, Augen und Mund “zusammenklebte” und das Gesicht in eine zusammen geschmolzene Masse verwandelte? Das ist, was das Team verwendet, um an Walters Versteck und das nächste Puzzlestück (einen Plan, den er wahrscheinlich von September hat und zunächst nicht dekodieren kann) heranzukommen.

Übrigens: Walters Lächeln und “you electrocuted me” zu dem Observer, als ein kleiner Rauchfaden aus seinem Ohr hochstieg, war Situationskomik pur. Die Heiterkeit und die Herzlichkeit in Erinnerung an die “alten” Tage setzten sich fort, als Etta dem Team Broyles vorstellt, der als Inside Man für den Widerstand arbeitet.  Sein “Agent Dunham” und Olivias Antwort “Philip” gehören zu einem der schönsten Momente in dieser Staffel. Aber der bisher traurigste Augenblick ist Ettas Tod am Ende, obwohl wir die Figur nicht so lange kennen. Trotzdem ist ihr Abschied für die Zuschauer ein qualvoller, vor allem angesichts Peters und Olivias bisheriger Reise.

Jetzt ist die Kugel von Ettas Kette wieder in Olivias Besitz. Hat sie damit ihren Bestimmungsort erreicht oder wird sie ihn noch erreichen müssen? Wird es die Kugel sein, die die Welt rettet? ist es eine und dieselbe Kugel, die vielleicht Olivia tötete? Oder ist es diejenige, die in Ettas Brust steckt? Walter sagt auf einer der Aufnahmen: “Accept the reversibility of all phenomena.” Bezieht sich diese Aussage auf Ettas Tod oder ist sie nur eine generelle über die Fringe-Welt, oder beides?

Fringe: The Recordist (5×03)

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Nachdem ich vor langer Zeit den David Lynch-Film Lost Highway sah, setzte sich ein Satz in meinem Gedächtnis fest, der ungefähr so lautete: Ich mag mich an die Ereignisse erinnern, wie ich mich erinnere und nicht wie sie tatsächlich geschehen sind. Der Protagonist macht diese Aussage gegenüber einem Polizisten als Antwort auf die Frage, ob er eine Videokamera besitze. Erinnerungen werden nicht so sehr von dem erinnerten Ereignis geprägt, sondern von der Art, wie man sich daran erinnert und diese Erinnerung zum Ausdruck bringt.

Wie hat man das eigene Handeln im Gedächtnis festgehalten? Als mutig oder als kaltherzig? Das sind die Fragen, um die sich die dritte Episode dreht, sowohl was die Haupthandlung betrifft, als auch den Fall der Woche. Eine von Walters Aufnahmen schickt das Team in die Wildnis von Pennsylvania, wo vor vielen Jahren Walter etwas Wichtiges gesucht haben soll, um seinen Plan gegen die Observer voran zu bringen. Aber was das Team als Erstes dort findet, sind andere Menschen, die weder zu den Loyalsten noch zu dem Widerstand gehören.

Sie sind Archivare. Sie dokumentieren die Ereignisse aus ihrer Perspektive, der der Verlierer. Im Grunde haben sie den Status  von Beobachtern, nachdem die Welt von den Observern überrannt wurde. Edwin Massey ist der Haupt-Archivar und er genauso wie die anderen leiden unter einer unbekannten ansteckenden Krankheit, die ihre Haut wie die von Schlangen oder Eidechsen aussehen lässt. Walter kann schnell feststellen, dass der Grund für die Erkrankung die Strahlung ist, die aus der alten Goldmine in den Wäldern kommt. Ausgerechnet dort befinden sich bestimmte Art Steine, die Walter vor zwanzig Jahren, bei seinem letzten Besuch mitnehmen wollte.

Wir erfahren, dass er mit einem Mann namens Donald verabredet war, aber mehr Informationen über ihn bekommen wir nicht. Die Geschichte von Edwin und seinem Sohn River ist vielleicht etwas melodramatischer, als von Finge gewöhnt und die Spannungskurve der Episode funktioniert nicht ganz (Observer entdecken den Standort, der Widerstand warnt das Team und Edwin opfert sich in letzter Sekunde), aber die Szenen zwischen Olivia und Peter mit ihrem Bezug auf das Thema der Episode machen die kleinen Schwächen wieder wett. Es geht, wie schon gesagt, darum, wie man Geschichte erinnert.

Während Edwin alles nur sammelt und ordnet, also möglichst objektiv speichert, katalogisiert, hält sein Sohn die Geschichte in seinen Comic-Zeichnungen fest und gibt ihr damit mehr Dynamik, Emotion und dramatische Nuancen. Auch Olivia erinnert die nahe Vergangenheit anders als Peter. Die Zeit, nach Ettas Verschwinden hat Peter mit Bewunderung im Gedächtnis behalten, weil Olivia die Kraft hatte den Widerstand zu unterstützen und für die Welt zu kämpfen. Aber Olivia, wie wir hören, hat es als Schwäche in Erinnerung. Ettas Verschwinden sah sie als eine Art Strafe für ihre Entscheidung Mutter zu werden, ein “normales” Leben führen zu wollen. Wo Peter eine mutige Frau sieht, die trotz Trauer weiter kämpft, sieht Olivia sich selbst als voller Entsetzen, Kälte und Unentschlossenheit.

Welches Empfinden ist das richtige? Gibt es überhaupt ein “richtiges” Erinnern? Diese Fragen gelten nicht nur der Vergangenheit dieser Fringe-Welt, sondern aller Welten, die wir bisher sahen.

Fringe: In Absentia (5×02)

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Oberflächlich betrachtet, kann man sofort behaupten, dass es in Fringes letzter Staffel darum geht, die Welt zu retten, die Observer zu besiegen. Aber In Absentia demonstriert sehr geschickt und subtil die Nuancen, die in dieser Prämisse mitschwingen. Welche Welt rettet man? Und auf welche Art und Weise? Fringes Geschichte war immer schon die Geschichte des Anderen. Ohne sie zu kennen, kann man den Anderen und sich selbst nicht retten. Und manchmal ist die Geschichte die Abwesenheit von … Geschichte. In dieser neuen Welt ist Etta ohne ihre Eltern aufgewachsen.

Sie ist Teil der Geschichte dieser Welt, während Peter und Olivia abwesend waren. Und sie erleben ihr kleines Mädchen, das nicht mehr mit Löwenzahn spielt, sondern bereit ist, einem Feind, dem gefangenen Loyalisten, seiner zukünftigen Geschichte zu berauben. Mit einer Foltermaschine stiehlt sie Jahre seines Lebens, damit er redet. Etta ist in den Augen ihrer Eltern aber immer noch das kleine Mädchen auf der Wiese. Die Diskrepanz ergibt sich aus dem Fehlen. Olivia kritisiert Ettas Handlungen nicht offen, sondern erinnert sie nur daran, dass sich hinter jeder Bezeichnung (in dem Fall “Loyalist scum”) eine Geschichte verbirgt.

Vielleicht kam der Loyalist tatsächlich nur um die Vögel zu füttern? An dieser Stelle spielt Fringe ein doppeltes Spiel. Auf der einen Seite gibt man Olivia Recht, aber auf der anderen auch ihrer Tochter. Die Erzählung des Gefangenen ist eine rührende, aber eine vom Inhalt her falsche. Er würde alles erzählen, um am Leben zu bleiben. Aber – und hier behält Olivia Recht – er ist ein Niemand, keine Gefahr. Die Tragik ergibt sich genau aus dieser falschen Erzählung. Am Ende lässt ihn Etta laufen und verkündet Oliva: “I’m on my way back!” Dieser Satz bedeute auch mehr, als er ist. Etta kehrt zurück zu dem kleinen Mädchen, zurück zu ihren Eltern.

Sie sagt, dass der Mann in Olivias Augen Schwäche sah, aber es war Gewissheit. Was Etta in den Augen ihrer Mutter sah, war Mitleid. Damit bekommt die Frage nach der Rettung eine weitere Nuance. Der Schlüssel zu der eigenen Freiheit befindet sich manchmal im Blick des Anderen. Dieses Thema wird fortgeführt innerhalb des Plots, als Walter und Peter das Auge eines Schweins benutzen, um das von dem Loyalisten nachzumachen. Denn sein Auge ist der Schlüssel, um sich Zugang zu verschaffen. Dazu verschafft sich Walter auch Zugang zu einer Videokassette in dem Amber, um seine eigenen Hinweise auf den Plan zu rekonstruieren.

Es sieht danach aus, als wird die Handlung dieser Staffel aus dem Suchen und Finden des nächsten Puzzelstücks finden, womit man auch wieder eine Fall-der-Woche-Struktur bekommt. So wie Walters Gedanken zerstreut sind, sind es auch die Hinweise auf den Plan gegen die Observer. “Disorder” gegen “The Future In Order”…

Fringe: Transilience Thought Unifier Model-11 (5×01)

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Ich möchte mich für das Verspäten des Reviews entschuldigen und werde mein Bestes geben, um alle Fringe-Reviews möglichst schnell nachzuholen.
Mit jeder neuen Staffel bekommt man als Fringe-Zuschauer den Eindruck in eine weitere neue Welt eingeführt zu werden. Aber diese Welten sind nur Vorwand. Sie sind mögliche Szenarien, dank welcher man alles immer und immer wieder auf die Probe stellt. Und mit “alles” ist die Liebe gemeint. Denn so sehr sich Fringe mit Sci-Fi-Themen beschäftigt und einen Kampf der Universen inszeniert, ist es letztendlich ein Kampf um die Liebe. Ohne Liebe stirbt jedes Universum einzeln und mit ihm sterben die anderen. Denn Leibe heißt  Verbindung. Ohne Liebe wird es kein blondes Mädchen geben, dass zwischen den Pusteblumen spielt.

Was den persönlichen Geschmack betrifft, gefällt mir die neue Observer-Welt und die Rolle der mysteriösen Männer aus der Zukunft nicht so sehr, aber es ist Mittel zum Zweck. Dasselbe kann man auch über das Benutzen von Walter Bishops Gehirn, um eine Plot-Landkarte zu schaffen. Es fehlen wichtige Informationen, an die er sich nicht mehr erinnert und aus diesem Grund muss man sie erneut sammeln. Die Figuren sind wie Hänsel und Gretel, die den Weg nach Hause suchen – Stein für Stein oder soll man besser sagen: Pusteblümchen für Pusteblümchen.

Als “Transilience Thought Unifier Model-11” beginnt, befinden wir uns mittendrin in der von Observern kontrollierten neuen Welt. Es sind eine Handvoll Widerstandskämpfer, die gegen die neue Macht etwas zu unternehmen versuchen. Die Doppelagenten-Rolle hat aber Henrietta Bishop, das kleine Mädchen aus Peters Traum, seine Tochter. Übrigens wir haben in dieser Episode zwei Mal die geträumte oder besser gesagt erinnerte Situation, wie die Observer-Invasion anfing. Die Welt, wie sie existierte und in der die Bishops endlich eine glückliche Familie waren, wurde plötzlich weggepustet, wie die schon erwähnte Blume, die wir in den Flashbacks in Ettas Hand sehen.

Was die Episode macht, ist die einzelnen Teile im Verlauf von Walters und Olivias Rettung zusammen zu bringen. Als Etta bei der Invasion verloren ging, ging auch etwas zwischen Peter und Olivia verloren. Während Olivia und Walter sich der Widerstandsbewegung anschlossen, machte sich Peter auf der Suche nach Etta. Interessanterweise ist sie jetzt diejenige, die  ihre Eltern findet und möglicherweise zusammenbringt. Olivia musst für kurze Zeit die Rolle von Schneewittchen übernehmen, als sie der Bibliothekar Edward Markham von den “amber gypsies” kaufte und in seinem Wohnzimmer hinlegte, um sich selbst in der Rolle des Prinzen zu imaginieren. Aber in der Fringe-Erzählung kann es für Olivia nur einen Prinzen geben, nämlich Peter. Nur für Wiedererwachen der Liebe bleibt im Moment keine Zeit.

Olivia: “We didn’t save the world?”
Peter: “Not even by half.”

Auch der “thought unifier” von September erweist sich als nutzlos nachdem die Observer Walter einer “Gedanken-Folter” unterziehen. Walter verliert die Gedanken, die zu einem Plan gegen die Observer zusammen gepuzzelt werden mussten. Diese erste Episode der neuen und letzten Fringe-Staffel endet wie sie anfing: Mit einer Pusteblume! Der verzweifelte Walter wandert zwischen den Ruinen dieser Welt und die Spiegelung des Sonnenscheins durch eine Skulptur aus alten und kaputten CDs führt ihn zu einem Auto, in dessen Musikanlage er eine der CDs reinlegt. Es ist Yazoo’s “Only You” und wer ganz genau das Bild betrachtet wird auch eins der Fringe-Symbole darin entdecken. Betäubt von dem Musikgenuss wandert Walters Blick (und damit auch unser) zu einem Löwenzahn, das allein inmitten von dem Bruchgestein wächst. Das Ende ist der Anfang.

Dazwischen befindet sich die Liebe, die gleichzeitig auch Sinn ist: Zwischen dem kleinen Mädchen, für das eine Pusteblume zum Pusten da ist, und dem alten Mann, für den sie Hoffnung (in Gestalt eines kleinen Mädchens) bedeutet…

Fringe: Brave New World – Part 2 (4×22)

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Where is Peter? Auf diese Frage kommt mit dem Finale die Antwort. Sie lautet: Bei Olivia. Es ist keine überraschende Antwort, aber dafür eine höchst zufrieden stellende. Denn wir haben schon oft darüber gesprochen, dass Finge unter anderem eine Liebesgeschichte ist, eine Geschichte über das Suchen und Finden, eine Geschichte  über die Welt als Ereignis, welches man aus dem Blickwinkel der “Zwei” erlebt. Und so bekommen wir Olivia und Peter zu sehen, Hand in Hand ins kalte Wasser springen. Dieser Sprung ist aber keiner ins Ungewisse. Sie können ihn nur zusammen vollbringen, denn nur zusammen ist ihre Wahrnehmung dieser Welte(n) vollständig. Peter “schwingt” mit der Frequenz der roten Welt und Olivia der blauen. Man könnte sagen, dass hier Peter Olivia (“the power”) navigiert. Jetzt, wo die Brücke zwischen den Welten nicht mehr existiert, ist Olivia die Brücke. Sie ist die einzige, die ohne   zusätzliche Hilfsmittel überqueren kann und diejenige, die auch alles zerstören kann. Wir erfahren, dass Olivia Bells “power source” ist. You had the power all along my dear, lauten die Worte von Glinda the Good Witch aus The Wizard of Oz. Hier kommen sie aus Nina Sharps Mund.

Auf mehreren metaphorischen Ebenen kann man die Fringe-Erzählung lesen, wenn man Lust dazu hat. Fringe navigiert uns Zuschauer durch die unterschiedlichen Windungen der eigenen Erzählung und deren Positionierung innerhalb anderer medialer Erzählungen und gleichzeitig führt die Serie ihre Figuren zu sich selbst. Für dieses Durchs-Leben-Navigieren braucht man Orientierungspunkte, wie zum Beispiel Familie und Freunde. Es ging bei Finge nie darum, uns große Erkenntnisse über “Gott und die Welt” zu präsentieren, sondern uns die Schönheit von Vorhandenem aufzuzeigen, unsere Sicht auf die Welt zu navigieren.

In der berüchtigten LSD-Episode sah man Bell und Walter an Bord eines Zeppelins, wo Bell Folgendes sagte: We should circumnavigate the currents.

Die beiden sind jetzt an Bord eines Schiffes und Bell ist bereit, die Welt in den Zerfall und dadurch in die Auferstehung als eine seiner Meinung nach bessere zu navigieren. Obwohl er versucht seinen alten Freund und Weggefährten für diesen extremen Schritt zu begeistern, steuert Walter gegen die von Bell gewählte Richtung. Dabei, wie wir erfahren, gehörte die Idee mit der Geburt einer neuen Welt aus der Katastrophe der vorhandenen erschreckenderweise Walter selbst. Um sich von dieser Vision zu befreien, ließ Walter Teile seines Gehirns entfernen. Aber bevor wir uns der Auseinandersetzung zwischen den beiden “mad scientists”, Bell und Bishop, widmen, kommt ein anderes “Fringe-Event”, nämlich Jessica Holt. Sie gehört zu den Figuren, die nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Wie es sich erweist, hilft sie Bell und sorgt dafür, dass Olivia auf Hochtouren kommt, um September zu retten. Dieser ist auf einem Stück Fußboden gefangen, dank den runischen Zeichen, die Jessica dort platziert hat. Wenn ich mich nicht täsuche, ist es eine neue Erkenntnis, dass Observer mit “übernatürlichen” Mitteln bekämpft werden können? Ganz abgesehen davon, wie man diese Information werten will, ist sie hier Mittel zum Zweck. Als Jessica mit einer Spezialwaffe (Bells Kreation) September trotz seiner Schnelligkeit trifft, ist Olivia gefragt, um die nächsten Kugeln abzufangen. Nicht nur stoppt sie diese, sondern befördert sie zurück zum Absender, zu Jessica. An diesem Punkt muss man nicht nur bezüglich dieser Szene, sondern auch der Serie selbst, an den geflügelten Satz aus Lacans Schriften denken – “Der Brief erreicht immer seinen Bestimmungsort”!

Für Jessica endet das Übersenden von Botschaften mit ihrem Tod nicht. Sie wird “befragt”, so wie im Piloten damals Nina Sharp die “Befragung” von Olivias totem Partner befahl. Jessicas Aufwachen kann man definitiv als ein Fringe-Event bezeichnen: Das Überlappen der zwei Stimmen und die sich in unterschiedliche Richtungen drehenden Augen hatten es in sich! Viel wichtiger noch ist ihre “Kindheitserzählung”: “My bicycle is blue and it has a little chimey bell!” Während Peter, Olivia und Nina weiterhin aus Jessica herauszubekommen versuchen, wo Bell ist, richtet sich dieser Satz an uns Zuschauer. Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr Fringe die treuen Zuschauer in die Erzählung miteinbezieht: Die Farbe Blau und die Klingel, wobei “bell” natürlich uns direkt zu William Bell und seiner Glocke führt. Wenn der Postmann zweimal klingelt…

In Fringe gibt es immer ein zweites Mal, sei es eine zweite Chance, sei es ein Doppelgänger, sei es ein zweites Universum oder aber das wiederholte Läuten der Glocke. Zu diesem kommen wir, nachdem Olivia und Peter es an Bord schaffen und Walter zu einer Verzweiflungstat gezwungen wirdt. Er nimmt den Luger aus Bells Vitrine und schießt … Olivia in den Kopf. Wird damit Walter zu Mister X? Im Grunde “bricht” damit Walter Bells Gotteshand die Finger. Im Vergleich zu den etlichen “mad scientists”, mit welchen uns Fringe im Laufe der Zeit konfrontierte, ist Bell keiner, der aus Liebe oder aus dem Streben nach Liebe handelt. Er sieht sich über die Liebe erhaben.

Es fällt auf, dass im ersten Teil des Finales Walter von der Uhr seines Onkels Heinrich erzählte, jetzt den Luger benutzt und der Glyph in dieser Episode “PURGE” lautet. Außerdem gab es im Nazi-Deutschland auch eine Glocke, eine Geheimwaffe. Vermutlich beziehen sich diese kleinen Hinweise auf das Eintreffen der Observer…

Diejenigen, die die Sache mit dem Zitronenkuchen als ein Vorwegnehmen kommender Ereignisse sahen, werden in dieser Vermutung bestätigt. Nachdem Walter Olivia erschießt, schafft sie die Auferstehung aus eigener Kraft bzw. dank dem Cortexiphan.

Am Ende überstürzen sich die Ereignisse: Bell fleiht mit Hilfe der Glocke, Olivia lebt wieder und sie ist so gut wie Cortexiphan frei und schwanger, Peter hat ein Haus für die beiden gefunden und die Fringe Divison bekommt von der Regierung alles was der frisch gebackene General Broyles’ Herz begehrt.

Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Fringe-Autoren doch für ein mögliches Ende bereit waren. Trotzdem fehlt nicht der Cliffhanger, als September in Walters Labor auftaucht, um eine Warnung auszusprechen.

Werden wir in der fünften Staffel einen Zeitsprung erleben? War Olivias Tod der Tod, von dem September sprach? Werden wir die rote Welt wiedersehen? Wo ist William Bell? Fragen über Fragen in einem Fringe-Universum, wo es auf jede Frage zwei Antworten gibt…

Fringe: Brave New World – Part 1 (4×21)

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Feuer fangen. Von Innen aus verbrennen. Eine schreckliche Vorstellung und gleichzeitig eine, die sehr genau den Gemütszustand schildert, in dem sich die Fringe-Fans des Öfteren befinden. Man möchte Antworten haben, brennt buchstäblich darauf zu erfahren, was mit den Lieblingsfiguren passieren wird. Dieses Brennen ist aber kein gewöhnliches, sondern ein regelrechtes Fringe-Ereignis.  Wie wird der nächste Vorspann aussehen – blau, rot oder orange? Wann wird die Handlung spielen? Wer wird dabei sein? Wo ist Peter…?

Mit dieser Frage nämlich eröffnete die vierte Staffel und während wir mit dem Suchen und dem Finden von Peter und seiner Beziehung zu Olivia beschäftigt waren, rückten andere mögliche Fragen in den Hintergrund. So sehr, dass wir sie beinahe vergessen haben. Was ist mit William Bell in dieser “neuen” überschriebenen Ziellinie geschehen? Warum ist Jones überhaupt zu einem Ober-Bösewicht geworden? Auch die Aussage der Produzenten verhalfen dazu die Fans Manches vergessen zu machen: Vielleicht schaffen wir es Leonard Nimoy für die fünfte Staffel zu einem Auftritt zu überreden und vielleicht auch nicht – so ähnlich lauteten die Twitter-Meldungen. Dadurch machte man William Bell zu dem Kaninchen in dem Hut, welches man im ersten Teil des Doppelepisoden-Finales ans Tageslicht beförderte.

Dazu muss ich sagen, dass ich die Enthüllung – rein vom Gefühl her (und Finge ist eine Erzählung über Gefühle) – etwas übertrieben und aufgesetzt fand, aber trotzdem gelungen. Uns wurde Jones einfach viel zu lange als Mastermind präsentiert, um ihn plötzlich zu einer einfachen Schachfigur zu machen. Jones, der penibel durchgeplante Aktionen auszuführen vermochte, wird in dieser Episode selbst zu einer penibel durchgeführten Aktion, als in Boston plötzlich Menschen anfangen von Innen aus zu verbrennen.

Für das Fringe-Team wird schnell klar, dass es sich um Jones Tat handelt, als sie ihn sogar auf den Aufnahmen der Überwachungskamera sehen. Ungewöhnlich für ihn, aber gewöhnlich für ein Katz-und-Maus-Spiel. Lustigerweise sind es sowohl Walter & Co. als auch Jones selbst die “Mäuse” in dem Spiel. Die Naniten, die durch die Berührung vom Rolltreppengeländer, in die Körper der Menschen geraten, verursachen das tödliche Erhitzen, stellt Walter fest. Jessica Holt (Rebecca Mader, Lost) ist eine der Betroffenen, für die jeder weitere Schritt tödlich sein kann, denn Bewegung bedeutet Hitze erzeugen.

Es ist aber Olivia und nicht Walter die Jessicas Leben rettet. Natürlich geschieht das dank Olivias “Superkräften” (POWERS), aber trotzdem ist die Szene rührend, denn was wir sehen, ist wie Olivia Jessicas Hand hält. Diese tröstende Geste ist eine eine Art Versicherung, dass man für den anderen da ist. Und im übertragenen Sinne, auf der Gefühlsebene der Fringe-Erzählung, ist diese Versicherung die Rettung für Jessica. “If you ever need help getting to the head of the line in an ER, sagt Jessica zu Olivia, als sie geht – ein Vorwegnehmen kommender Ereignisse?

Dieses Detail führt uns zu einem übergreifenden Thema, zu der Bedrohung für Olivas Leben, über die wir nach wie vor nicht viel wissen. Abgesehen von der Mr.X-Story. Auch Walters Anmerkung über William Bell in der Zukunft legt die Schlussfolgerung nahe, dass William Bell mit Olivias Tod zu tun hat. Wie so typisch für Finge, findet man die Verbindung in einem kleinen Detail, in den Naniten nämlich. Nicht nur stellt Walter fest, dass sie definitiv das Werk von William Bell sind, sondern in meinen Augen tragen sie sogar Bells, nennen wir sie gemäß den Entwicklungen, “tödliche” Signatur – ein X!

Ich will hier nicht übertreiben, aber Finge hat uns schon einmal auf die richtige Fährte mit Hilfe einer Kombination aus visuellen und narrativen Details geschickt. Nehmen wir zum Beispiel noch die Szene, bevor Olivia und Jessica ins Auto gehen – Man sieht im Hintergrund an der Kirche eine Zeichnung mit den Worten “Light of the world” und den Zeichen “X, P, Alpha und Omega”.

Auf die Gesamterzählung bezogen kann man hier etliche Deutungen anbieten, aber es scheint eine Art Konstellationsbezeichnung zu sein: Wie im Moment die Figuren positioniert sind. Alpha und Omega sind der erste und der letzte Buchstabe aus dem griechischen Alphabet – Anfang und Ende. Die Rückkehr zum Anfang oder der Anfang vom Ende? Eine Verbindung zu diesem Gedankengang bietet die Episode mit Hilfe einer visuellen Spiegelung. Als Walter zu St. Claire zurückgeht, um Beweise für den damaligen Besuch von Bell zu finden, sehen wir ihn durch die Türspalte an dem Schreibtisch mit dem Rücken zu uns sitzen, wie damlas in der Pilotenepisode. Anfang und Ende als Kreis oder als Brave New World, als das Katastrophenprinzip, als Neugeburt aus der Asche des Endes?

Die Sonne ist diejenige, die alles zur Asche verbrennen kann und sie wird auch als Light of the World bezeichnet. Bell benutzt hier die Sonnenkraft, um Boston die ultimative Zerstörung anzudrohen, so dass er Peter und Olivia herauslocken kann. Mindestens denkt Jones so, nachdem Bell ihm erklärt, wie Schach funktioniert. Jones ist nur eine Figur von vielen in Bells persönlichem Schachspiel. Klar kommt diese Enthüllung etwas aufgesetzt daher, aber eigentlich ist der Gedanke ein logischer, anzunehmen, Bell würde hinter Noahs Arche stehen. Solche mad scientist-Gotteshand-Pläne würden tatsächlich zu Bell passen, mehr als zu Jones: Don’t confuse a winning move with a winning game. The Art of (War) Chess für Bell ist etwas (eine Figur, “the bishop”), was im Moment eine große Rolle spielt, zu opfern und dann die entstandene Lücke, auszunutzen.

Nun, Jones wurde zu einer wichtigen Figur und wird hier geopfert, da er Bells Aussage mit “the bishop” als direkten Verweis versteht. Der Kampf “per Fernbedienung” zwischen Peter und Jones (“I got it wrong. I was the sacrifice.”) fand ich nicht besonders gelungen, aber er erfüllt den Zweck – Jones “verbrennt” zur Asche. Ist zwar ein schneller Abschied einer wichtigen Figur in dieser Staffel, aber es geht doch hier um das Ganze, um die Welt(en), um Zerstörung und Neugeburt. Sind eine Zerstörung, ein Einschnitt, endgültig oder kann sich das Ganze regenerieren, aus eigener Kraft? Walter demonstriert mit dem Zitronenkuchen wie dank Cortexiphan sich Objekte regenerieren können. Als Spiegelung davon sehe ich eine auf deme rsten Blick unwichtige Szene, als Olivia ihren Finger schneidet. Zwar konnte man erwarten, dass der Finger wieder von alleine heil wird, aber das geschieht nicht, denn Fringe befindet sich wieder auf der metaphorischen Ebene. Olivias Wunde kann nur Peter schließen und beide können vielleicht diejenige dieser Welt schließen? Ich bin persönlich kein Anhänger religiöser Erzählungen, aber hier liegt alles so ziemlich auf der Hand.

Das P an der Kirchenwand kann für Peter stehen, aber auch für Powers, so wie das Glyph in dieser Episode lautet. Mit ihren Kräften rettet Olivia Jessica und vielleicht wird Peters Kraft bzw. die Kraft der Liebe Olivia retten, diese Welt retten? Man braucht nicht weitere Deutungen bemühen, denn die religiösen Konstellationen sind mehr als deutlich, vor allem nachdem man das Schild mit dem Wort EDEN über dem Tor des Lagerhauses, wo Bell seine “Experimente” hütet, zu sehen ist. Dorthin führt die Spur Walter und Astrid (Astrid: Alex? Walter: I’m on the roll!), aber sie werden erwartet. Astrid trift eine Kugel und während sie in Walters Armen liegt, taucht Bell auf mit einem freundlichen: Hallo, old friend.

Bell: Freund oder Feind? Schöpfer oder Zerstörer?

Ob in Fringe solche Fragen überhaupt angemessen gar möglich sind?

To be continued…

Fringe: Worlds Apart (4×20)

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Somewhere over the rainbow / Way up high / And the dreams that you dreamed of / Once in a lullaby / Somewhere over the rainbow / Bluebirds fly / And the dreams that you dreamed of / Dreams really do come true (…) Somewhere over the rainbow / Bluebirds fly / And the dream that you dare to dream, / why, oh why can’t I? / Well I see trees of green / And red roses too / I’ll watch them bloom / For me and you / And I think to myself / What a wonderful world!

So lautet der Text von “Somewhere over the Rainbow” (von Judy Garland gesungen), und eine bessere Beschreibung der neuen Fringe-Episode ist kaum vorstellbar. Diese Beschreibung trifft aber nicht nur die Serie selbst, sondern auch den Gemütszustand, in den die FOX-Verantwortlichen die Fringe-Fans überall auf der Welt versetzten, als sie die Verlängerung um eine letzte fünfte Staffel mit dreizehn Episoden bekannt gaben. Ein Traum ging in Erfüllung! Wie heißt es so schön: So lange man träumen kann, ist nicht alles verloren… oder doch? Worlds Apart bietet eine höchst emotionale Gratwanderung zwischen Traum und Trauma, eine Erzählung von Blau und Rot, von der Sehnsucht nach einem Regenbogen. Einen solchen Regenbogen hatte Fringe mit dieser Season erzeugt: als Brücke zwischen den beiden Universen. Und alle Figuren überquerten sie, um zu sich selbst zu finden, um sich in den roten Dorothy-Schuhen des/der jeweils Anderen zu sehen. Kansas is where the heart is, könnte man Peters Aussage gegenüber Lincoln paraphrasieren.

Wo das Herz ist, liegt auch Fringes größte Stärke, die hier in vielen Eins-zu-Eins-Gesprächen demonstriert wird: Die Schönheit liegt in den Gedanken, die Fringe vor unseren Augen wie eine Picknickdecke ausbreitet, so dass sich jede/r bedienen kann – und wer das nicht kann oder will, nun, der ist selbst schuld. Menschen wollen von TV-Serien Unterhaltung, eine spannende Handlung, bewundernswerte Helden und Heldinnen; sie wollen vor sich selbst und ihrem Alltag flüchten. Aber letztendlich wird man doch immer wieder eingeholt: von der Welt, von sich selbst, von den Gedanken an die eigene Nichtigkeit innerhalb des großen Ganzen. Warum also soll man dann nicht das Erzählte bzw. Gezeigte manchmal einfach nur schön finden und als schön beschreiben, sei es als Gedanke oder als Bild? Nehmen wir als Beispiel Walters Erklärung von Jones’ Vorhaben: beide Welten auf dieselbe Wellenlänge zu bringen, zusammen pulsieren zu lassen, wie ein und dasselbe Herz. Aber dieses Herz soll nicht als Ganzes existieren, sondern als etwas Neues. Jones‘ Rechnung, das Zusammenbringen beider Welten, lautet nicht 1+1=2, sondern 1+/-1=0 (1).

Dabei steht die Null für einen Neuanfang, für die Schöpfung eines neuen Universums aus der Asche der roten und der blauen Welt. Das Bild des Phönix drängt sich auf, wenn man an Jones‘ fliegende Stachelschwein-Menschen denkt. Einige Kreaturen hat er, wie wir wissen, an Bord seiner Arche Noah versammelt, die irgendwo den neuen Urknall erwartet – in einer Safe Zone, wie der in Westfield. Jones’ Traum von einer neuen Welt ist ein Traum von sich selbst als dem ultimativen Schöpfer. Diesen Traum erkennt Walter in seinem eigenen, wie er den zwei Fringe-Teams am Anfang der Episode mitteilt. Er stellt sie vor die Entscheidung, entweder Jones umgehend zu stoppen oder das Abschalten der Maschine in Erwägung zu ziehen. Zum ersten Mal in dieser Staffel treffen Walter und Walternate aufeinander, und Walters Schuldgefühle kommen wieder hoch. Wir erfahren, dass Jones an 27 unterschiedlichen Orten in beiden Welten die Cortexiphan-Kinder Erdbeben verursachen lässt, aber die Erschütterungen sind nur ein Ergebnis: Ergebnis der Angleichung beider Welten.

Mit jeder weiteren Erschütterung werden diese instabiler, überlappen einander, bis sie irgendwann ineinanderstürzen werden. Durch einen alten Bekannten – Nick Lane, das als “reverse empath” bekannte ehemalige Cortexiphan-Kind – kommen die Fringe-Teams Jones‘ Plänen auf die Spur. Der Nick auf der roten Seite kontaktiert Lincoln, den er für den verstorbenen Lee hält, und erzählt ihm von seinen Träumen: Alpträume, die von der Verbindung zum “blauen” Nick herrühren, in die dann Olivia eindringt, um das nächste Erdbeben zu verhindern. Warum spielt ausgerechnet Nick hier eine so große Rolle? Aus Empathie? Ironie beiseite: Fringe vollbringt wieder einmal einen metaphorischen Fringe-Akt. Nicks Fähigkeit besteht darin, seine Gefühle auf andere zu übertragen, die sie dann als ihre eigenen empfinden. Ist es nicht genau das, was Fringe mit den Menschen aus den zwei Welten tat – und gleichzeitig mit denen aus unterschiedlichen Zeitlinien? Sie gleichen einander äußerlich, aber sind innen verschieden; diese Differenz sorgte anfangs für Abstand, gar Feindseligkeit, bis irgendwann der Regen aufhörte, die Sonne durch die Wolken brach und ein Regenbogen die rote und die blaue Welt miteinander verknüpfte.

Die Beteiligten lernten einander kennen – und vor allem lernten sie, dass die Differenz, der Unterschied zwischen ihnen oft dasjenige ausmacht, was sie in ihrem Leben bzw. in sich selbst vermissen, wovon sie vielleicht träumen. Das Kennenlernen der Träume des/der  Anderen, seiner/ihrer Gefühle, der gemeinsame Blick auf die Welt(en) (ich erlaube mir hier einen Verweis auf meinen Text zu Fringes Episode “A Short Story About Love”) hat eine heilsame Wirkung. Und die rote Welt heilt mit Hilfe der Verbindung zur blauen. In Worlds Apart führen die beiden Olivias eine Unterhaltung über Regen und Regenbögen, darüber, Schönheit mit Hilfe der Anderen wieder sehen zu können. Als sie Abscheid voneinander nehmen, sagt Olivia zu ihrem “roten” Gegenpart: Keep looking up after the rain.

Abschied müssen sie nehmen, denn die Spur zu Jones, auf die Nick Olivia & Co. setzt, verläuft ins Nichts. Übrigens: Als sie (vermeintlich) zu Jones fahren, ist nicht nur die Nissan-SUV-Werbung allzu gut zu sehen, sondern auch extra deutlich ein Reifen, der durch die Pfütze fährt. Regen, Pfützen, Wasser, dazu das an Wasser erinnernde Geräusch der Klimaanlage in dem verlassenen Gebäude – alles Spuren zu, Hinweise auf Jones, aber keine von ihm. Es bleibt nichts Anderes übrig, als die Brücke zu zerstören, die Maschine auszuschalten. Wird damit nicht nur die andere Seite, sondern auch Peter verschwinden? Für die blaue Welt wird Lincoln verschwinden, denn er entscheidet sich endgültig, drüben zu bleiben… bei Olivia (Liv), deren Gesicht die Farbe ihrer Haare annimmt, als er ihr das mitteilt.

Geplagt von dem Gedanken an Peter und daran, wie er vor 35 Jahren alles ins Werk setzte, sitzt Walter im Korridor. Aber er bleibt nicht allein. Walternate setzt sich zu ihm, … und John Noble verdient für diese kleine Abschiedsszene den Emmy, so wie schon für Tausende Szenen davor! Walternate verabschiedet sich von Walter mit einem Zitat des römischen Imperators und Philosophen Marc Aurel: The universe is change; our life is what our thoughts make it.

Und wenn diese Gedanken schön sind, dann gibt es immer einen Regenbogen, samt Hoffnung auf Gold oder Honig an seinem anderen Ende – auch wenn sich die Welt nach dem Ausschalten der Maschine einsam und unvollständig anfühlt für Peter und den Rest des “blauen” Teams.

Hierin eben liegt Fringes Schönheit: diese Gefühle zu den unseren zu machen.

Fringe: Letters Of Transit (4×19)

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I love LSD, sagt Walter in Letters Of Transit. Auch wir lieben die besonderen Fringe-Episoden, die in den letzten zwei Staffeln immer die Nummer 19 trugen. Man kann Walters Aussage als eine Referenz auf Lysergic Acid Diethylamide interpretieren, eine ‚besondere‘ Episode, was Handlung und Umsetzung betrifft. Damit meine ich das Bild, seine Beschaffenheit. Während man in LSD Animation einsetzte, nahmen uns die Bilder von Brown Betty, einer weiteren neunzehnten Episode, auf eine musikalische Film-Noir-Reise mit. Eigentlich kann man beide Episoden, nicht nur wegen Walters Vorliebe für “self-medication”, als “Trips” bezeichnen, als Reisen in den (T)Raum des menschlichen Unbewussten. Letters Of Transit hingegen unternimmt eine Zeitreise, stellt einen Brief aus der Zukunft dar. Und mit einem Brief beginnt denn auch die Episode: mit einer Erklärung, was in der Fringe-Welt passieren wird. Wir schreiben das Jahr 2036, und seit 21 Jahren gehört diese Welt den Observern.

Sie haben aufgehört zu beobachten und stattdessen die Kontrolle übernommen. Die erste Frage, die dieser plötzliche Sprung in die Zukunft aufwirft, lautet: Wie will Fringe die Kontrolle über all diese Plots bewahren? Wenn man einen Beweis dafür braucht, dass die Autoren definitiv auch über diese Staffel hinaus etwas zu erzählen haben, liefert ihn spätestens diese Episode. Ob man die Autoren lassen wird? Auf der einen Seite liefe man mit Fringes Absetzung natürlich Gefahr, Vieles viel zu offen zurückzulassen. Aber andererseits – liegt nicht Fringes Schönheit genau darin, zu zeigen, wie mannigfaltig die Welt sein kann mit all dem, was sich ereignet hat, ereignet und ereignen wird? Den eigenen Gedanken freien Lauf lassen und Genuss darin finden… Natürlich strebt man mit Erzählungen in aller Regel ein Ende an, einen Abschluss, denn der gibt Menschen Sicherheit; er befreit sie aber gleichzeitig davon, selbst denken zu müssen. Dabei kann man zwischen Erzählungen unterscheiden: Manche sind auf ein Ende hin angelegt und zeigen dem Zuschauer deutlich, dass der größte Genuss dieses Ende bieten wird. Andere, wie Fringe, sind wie eine Möbiusschleife, in der man immer wieder die Perspektive wechselt, wo man innerhalb der Wiederholung Verschiebungen ausgesetzt ist, also alles immer wieder “neu” sieht, “anders”.

Ganz egal, wie Fringe – beabsichtigt oder nicht – enden wird: Schon jetzt können wir der Serie als Ganzes bescheinigen, etliche faszinierende Wege gegangen zu sein, die aus pragmatischer Sicht nicht vollkommen erscheinen, die aber trotzdem durchgehend die Seele schweben lassen und das Herz erwärmen.

Es scheint so, als hätte Fringe mit dem neuerlichen Zeitsprung dieser Episode uns und sich selbst wieder einmal ins kalte Wasser geworfen. Aber trotzdem kommt doch alles auf das Fließen zurück, dessen Quelle Reiden Lake heißt. Manch ein Observer wurde fasziniert von dem Gemütszustand, den man Liebe nennt; für andere wiederum stellt er die höchste Gefahr dar. Liebe erschüttert den Kern etlicher Systeme, die die Welt im Griff behalten wollen – oder soll man sagen: die Welten? Ich bin mir nicht so sicher, in welcher Welt wir uns in dieser Episode befinden: der roten, der blauen, einer Kombination aus beiden? Der Vorspann jedenfalls, mit dem uns die FOX-Serie begrüsst, ist grau-blau (in meinen Augen) und voller Fringe-Wörter. Zugegeben: Wenn man davon ausgeht, dass in jeder der drei Fringe-Vorspann-Varianten (rot, blau, orange) Wörter auftauchen, die Fringe-Ereignisse bezeichnen, erscheint es zunächst verwunderlich, jetzt “Community, Individuality, Education, Imagination, Private Thought, Ownership, Free Will, Freedom” zu lesen.

Nachdem wir aber diese “neue”, von Observern und ihren Dienern beherrschten Welt für ein paar Minuten erleben durften, wissen wir, warum es sich auch diesmal um Fringe-Ereignisse handelt. Sie nämlich sind es nun, die unmöglich erscheinen in einer solchen Welt – und trotzdem erstrebenswert, trotzdem erreichbar. Gleichzeitig bezieht sich dieser Vorspann meiner Meinung nach auf unsere eigene reale Welt, die vielleicht einer ähnlichen Zukunft entgegen sieht…

Es gibt in der Fringe-Zukunft unter der Herrschaft der Observer eine Opposition, die direkt vor der Nase eines ziemlich gealterten Broyles operiert: nämlich im Kern der Fringe-Division. Wir lernen Simon (Henry Ian Cusick, Lost) und Henrietta (Georgia Haig) kennen, die mit einer ebenfalls alt gewordenen Nina (aus dem Wissenschaftsministerium) zusammenarbeiten und versuchen, die Fringe-Helden aus der Vergangenheit auferstehen zu lassen. Denn Walter & Co. haben sich absichtlich mit Hilfe von Amber in einen Dornröschenschlaf versetzt, um dem Massaker der Observer zu entkommen. Walter war damals offenbar im Begriff, eine Maschine zu bauen, die die Observer zerstören sollte. Aus diesem Grund ist ein gewisser Captain Winmark aus der Observer-Chefetage sehr daran interessiert, die “Resistance” auszulöschen. Wir erfahren, dass die Observer den Planeten im Jahre 2609 komplett vergiftet und zerstört haben; aus diesem Grunde reisten sie in der Zeit zurück, um neue Existenzmöglichkeiten zu ergreifen. Außerdem wird deutlich, dass jede mögliche Zukunft kaffeefrei sein wird, was sie in meinen Augen extrem ungenießbar macht…

Spaß beiseite und zurück zum gerade erwachten Walter, den Simon und Henrietta aus dem Amber befreien: Es ist ein kindlicher, fröhlicher Walter, den wir lieben gelernt haben; aber nur allzu rasch müsen wir dazulernen, dass ein solcher Walter die Welt nicht retten kann. Er scheint sich an nichts zu erinnern und genießt einfach die Sonne und das Balancieren auf einer Bank in der Nähe der Brücke. Dieses Bild ist nicht nur eine perfekte Beschreibung von ihm, sondern ein schönes Sinnbild für Fringe selbst. Fringe ist wie Walter: voller Melancholie, aber gleichzeitig voller Lebensfreude – und bemüht, nicht die Balance zu verlieren. Es sieht oft danach aus, als würde das geschehen, aber die Serie schafft es, aus diesem Balanceakt ihre Schönheit zu schöpfen. Gemäß Ninas Hinweis gehen Simon und Henrietta mit Walter zum alten MD-Gebäude und “verabreichen” Walter die damals auf seinen Wunsch entfernten Gehirnstückchen. Wir wussten, warum Walter Teile seines Hirns entfernen ließ, aber die Welt in der Zukunft braucht den Walter, der er nicht werden wollte: den Wissenschaftler, der um jeden Preis die Welt voranzutreiben bereit ist. Wieder einmal meistert John Noble diese Differenz, die Verschiebung innerhalb von Walters Identität – so, als würde der Figur eine Seite hinzugefügt, die gefehlt hat: sei es gut oder schlecht.

Genauso fehlt übrigens in dieser “neuen” Welt die Farbe. Die Farbpalette ist entsättigt, kalt. Die einzige Wärme strahlt das Amber aus – so auch in dem Raum, an den sich der ‚neue‘ Walter erinnert und wohin er Simon und Henrietta führt, um den Rest des Teams zu befreien. Übergänge, Brücken, Kommunikation; das Überbrücken der Entfernung zwischen einander, zwischen Welten, zwischen den Teilen des eigenen Selbst: das sind sich wiederholende Motive, an die man sich in diesem Raum erinnert. Letters Of Transit: Der Titel der Episode findet hier sein Bild, in den vielen Schreibmaschinen, die verstaubt herumstehen und genauso aussehen wie diejenigen, die man in Welt-2 zur Kommunikation benutzte.  Die nächste Überraschung wartet hier auf uns: Wir sehen auch William Bell im Amber gefangen! Simon opfert sich selbst, um das alte Fringe-Team zu befreien, aber es kommen nur Peter und Astrid heraus. Und Olivia? Wir sahen sie einmal sterben – handelt es sich hier um dieselbe Zeitlinie? Warum spricht Walter darüber, dass Bell Olivia etwas angetan habe? Deswegen jedenfalls befreit er Bell nicht aus dem Amber, sondern nimmt nur seine Hand mit – vermutlich wegen der Fingerabdrücke.

Und Henrietta? Hat der Observer-Agent Winmark recht mit seinen Worten: „Agent, you are always exactly what you seem“? Wir erinnern uns an Baby Henry, das Kind, das Fauxlivia und Peter bekamen und nicht bekommen sollten. Nun, Fringe darf vorstellen: Agent Henrietta ist das ehemalige Baby Henrietta, das Kind, das Peter mit Olivia haben sollte und allem Anschein nach auch bekommen hat. Vater und Tochter erkennen am Ende einander. Ist die Kugel, die Henrietta an einer Kette um den Hals trägt, diejenige, die Olivia tötete? Werden wir uns in den verbleibenden Episoden dieser vierten Staffel weiterhin in dieser untröstlichen Zukunft aufhalten? Fragen über Fragen… aber Fringe hat immer eine Antwort parat liegen, etwa ein Stückchen Lakritzstange, das Broyles findet. Fringe hinterlässt, “vergisst”, Sachen, aber es ist immer jemand da, um sie zu finden und ihnen Sinn zu verleihen: denn immer verweisen sie auf Ereignisse, denen man in irgendeiner Welt, in irgendeiner Zeit auf irgendeine Art und Weise schon begegnet ist. Spuren von Spuren von Spuren einer unendlichen Geschichte…