Category Archives: Game of Thrones

Game of Thrones: Valar Morghulis (2×10)

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Die zweite Game of Thrones-Staffel kann in meinen Augen als sehr gelungen bezeichnet werden. Dabei geht es nicht hauptsächlich darum, ob die TV-Erzählung sich von Martins Büchern entfernt hat oder nicht, sondern darum, wie die Autoren in den multiplen Handlungssträngen und Figurengeschichten das Feuer nicht erlöschen und uns Zuschauer die eisige Kälte permanenter Bedrohung spüren lassen. Wir haben schon einmal darüber gesprochen, wie diese zweite Staffel eine Art Einleitung in eine neue Dynamik darstellt. Während wir bisher meistens Handlungsstandorte hatten, schickt man jetzt etliche Figuren auf den Weg. Game of Thrones wird zum Road Movie. Die Reise der Helden und Heldinnen in Martins Geschichte ist eine solche nicht nur im metaphorischen Sinne. Jede Figur bewegt sich zu einem Ziel, aber gleichzeitig auch zu sich selbst. Es handelt sich sowohl um einen Selbstfindungstripp (wie bei Bran und Denny), als auch um eine Sich-Selbst-Neu-Erfinden-Reise (Jaime, Theon).

Am Anfang der Staffel thematisierten die Autoren die Suche nach der Macht, nach ihren Quellen und nach ihrer Verteilung. “An die Macht kommen” bedeutet Bewegung und nicht Stillstand. Am Beispiel von Denny demonstriert man die Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf Macht und der Verfassung, in der sich man / frau  befindet, um diese Macht ausüben zu können. Aus diesem Grund haben wir, was Daenerys betrifft, auch im Finale eine Art Reise innerhalb der Reise. Natürlich ist das Durchwandern des House of the Undying “einfacher” als in den Büchern beschrieben.

Die Visionen, die die Warlocks Denny durchlaufen lassen, inklusive einer Begegnung mit Drogo, sind in den Büchern zu surreal und halluzinatorisch, dass man sie hier entsprechend und zufrieden stellend inszenieren könnte. Außerdem würden manche Bilder vermutlich zu viel über kommenden Ereignisse verraten. Deswegen, denke ich, “reduziert” man die Visionen auf ihren emotionalen Kern und zeigt uns dazu die drei Drachen zum ersten Mal zusammen und in Aktion. Das bedeutet: Feuer frei!

Nun, Dennys Erkenntnis und die Sprünge zwischen den vielen Handlungssträngen im Staffelfinale sind nicht mehr als ein kurzes Aufflackern. Aber man muss den Umfang des Materials bedenken und die Art und Weise, die diese zweite Staffel aus dramaturgischer Sicht insgesamt strukturiert war. In meinen Augen bestand sie aus Doppelepisoden. Viele Nebenhandlungen bestanden aus zwei Teilen, die in jeweils zwei Episoden präsentiert wurden und diese auch vom Grundthema her miteinander verbunden waren. Das Finale hat hingegen keine zweite Hälfte. Sie ist gleichzeitig eine Art Zusammenfassung und Einleitung:
Wir sehen, wie Sansa Joffrey entgehen kann, weil er Margery heiraten will, dafür Robb und Talisa sich das Ja-Wort geben, Tyrion mehr oder weniger machtlos und verwundet sich auf die wenigen Freunde verlassen muss (Shae, Pod und Varys) und nicht nur Shae, sondern auch sich selbst zugibt, “süchtig” nach dem Spiel um Macht zu sein…

Kann man dasselbe über Melissandre behaupten? Schwer zu sagen. Die “rote” Priesterin balanciert auf einem dünnen Seil, würde man meinen. Es ist aber das Feuer, das ihr Kraft zum Balancieren gibt und in dieses Feuer lässt sie Stannis blicken. Was er in den Flammen sieht, wird vorerst ein Geheimnis bleiben. Aber diese Flammen scheinen von ihm Besitz zu ergreifen, ihn in einen Bann zu ziehen, aus dem es kein Entkommen gibt.

Währenddessen gerät Jon Snow in die Fänge der eisigen Kälte. Dabei handelt es sich nicht nur um den Norden, sondern auch um Jons Seele, denn Halfhands Tod ist der Preis, der bezahlt werden muss, damit Jon von den Wildlingen akzeptiert wird.
Was in den Seelen von Brienne und Jaime auf ihrer Reise vorgeht und sich ändert, wird nach wie vor eine der interessantesten Nebenhandlungen dieser Geschichte. Dasselbe gilt für Theon. Obwohl man schwer sagen kann, ob seine Erzählung hier endet oder von den Produzenten weiter geführt wird (so wie es in den Büchern). Unabhängig davon ist die Szene zwischen ihm und Luwin, als der Maester ihn zu überreden versucht, zu The Wall zu gehen, eine der besten in diesem Finale.

Theons Schicksal hat sowohl etwas Pathetisches als auch Trauriges an sich, so dass man als Zuschauer in dieses sprichwörtliche Wechselbad der Gefühle gesteckt wird. Und auch Gesichter können wechseln, wie Arya nach der Flucht aus Harrenhal, bei ihrer vorerst letzten Begegnung mit Jaqen erfährt. Er verabschiedet sich, aber hinterlässt ihr einen wichtigen Schlüssel. Damit sind nicht nur die Worte “Valar Morghulis” und die Münze gemeint, sondern auch einen Hinweis auf den Weg, den Arya zu sich selbst zurücklegen muss. Es ist nicht so einfach, wie bei einer Münze mit nur zwei Seiten. Menschen können viele Gesichter haben. Auch wenn man zwischen Identitäten hin und her gleiten kann, muss man lernen, mit dem eigenen “Ich” umzugehen.

Die komplette Episode ist in meinen Augen um eins der ersten und das allerletzte Bild strukturiert. Am Anfang sehen wir, wie Tywins Pferd vor dem Thronsaal einen Haufen legt. Man kann es als eine Beschreibung von Tywins Haltung gegenüber Joffreys und Cerseis Machtspielchen deuten, als eine Geste der Macht. Mit dem letzten Bild der aus dem Schneenebel auftauchenden “Others” lässt man wiederum die bisherigen Machtspiel nichtig erscheinen.
Der Winter kommt … und reitet auf einem toten Pferd.

Immer wieder im Laufe der Erzählung wurden wir daran erinnert, dass es in dem Game of Thrones-Universum nicht nur die Macht des Feuers gibt, sondern auch eine andere, verschwunden geglaubte. Genauso wie die Drachen zurück in diese Welt kommen, tauchen The Others wieder auf und bringen mit sich die Kälte der Unausweichlichkeit.
In diesem Sinne: Valar Morghulis!

Game of Thrones: Blackwater (2×09)

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“Those are brave men knocking at our door. Let’s kill them!” Mit diesem Aufruf ist der kleine Mann, Tyrion, ein ganz großer. Er ist nicht mehr der große Schatten an der Wand oder der Imp, über den auf King’s Landing-Straßen hergezogen wird. Nein, ausgerechnet er  führt die Männer in die entscheidende Schlacht. Mit Blackwater  kommt die Episode, auf die die Fans lange gewartet haben. Es wurde oft die Tatsache angesprochen, dass wir von den bisherigen Schlachten so gut wie nichts zu sehen bekamen. In meinen Augen war es auch nicht nötig, denn die Serie manövrierte uns geschickt um solche massive Inszenierungen herum, ohne das Gefühl eines Fehlens zu hinterlassen.

Aber alle Buchleser wussten, dass man um Blackwater herum nicht kommen wird. Ausgehend von der üblichen dramaturgischen Struktur der Episode stellte sich die Frage, wie die Produzenten eine spektakuläre Auseinandersetzung und all die Handlungsstränge unter einem Hut bringen wollen? Die Antwort ist ganz einfach: Man lässt alles aus und konzentriert sich auf den Kampf vor den Toren von King’s Landing. Der Fokus nur auf ein Ereignis kombiniert mit dem großen Aufwand für die Kampfszenen macht Blackwater eine besondere Episode. Die Nachtaufnahmen haben dabei zwei Vorteile: Man sparrt Kosten und gleichzeitig kommt das Spektakulärste besser zum Tragen: Wildfire!

In der Game of Thrones-Welt sind Feuer und Eis die Elemente, die um die Vormacht kämpfen. Die Jahreszeiten sind Sommer und Winter. Nicht viel wurde uns bisher über die alten Zeiten verraten. Früher haben anscheinend Magie und Übernatürliches die Geschichte dieser Welt bestimmt. Aber das sei vorbei, lassen uns etliche Figuren wissen. Ist das wirklich so oder hofft man es nur? Aus unserer Zeit “beyond the wall” und Ygrittes Andeutungen wissen wir, dass der Winter kommt und er ist nicht nur als Jahreszeit gemeint. Nein, das Eis bringt einen Horror mit sich, der jegliche Beschreibung im Hals gefrieren lässt. Und mit Danys Drachen kommt auch das Feuer zurück in diese Welt. Aber diese Auseinandersetzung zwischen Feuer und Eis scheint im Moment unwirklich, unter mehreren Schichten versteckt, so wie das “dragonglass”, das Sam und seine Freunde finden.

In Blackwater geht es um die Auseinandersetzung zwischen Männern. Wenn es nach Cersei gehen würde, würde es auch Frau gegen Mann heißen. Um sich von der Hilflosigkeit der eigenen Lage abzulenken, trinkt die Königin ein Glas Wein nach dem anderen. Da man schwer aus dem Blickwinkel mehrerer Figuren wie im Buch die Schlacht präsentieren kann, wählen die Autoren eine in meinen Augen sehr interessante Herangehensweise. Wir sind an Tyrion und Cersei “gebunden”. Die Ironie der Geschichte liegt in den Positionen, die die beiden belegen. Cersei ist mit allen adligen Frauen und Kindern in Maegor’s Holdfast (Cersei voller “Optimismus”: These fine women should be in for a rape.”), wo nur – wenn überhaupt – der Lärm des Krieges dumpf und aus der Ferne wahrzunehmen ist, während Tyrion sich mittendrin in der Schlacht befindet. Während Cersei das Schlimmste befürchtet, erlebt es Tyrion … fast.

Er muss sogar die Truppen anführen, nachdem The Hound das Schlachtfeld mit Horor und gleichzeitig Erkenntnis in den Augen verlässt: “Fuck the King’s Guard! Fuck the city! Fuck the king!” Das Feuer, der Alptraum aus seiner Kindheit, holt ihn wieder ein und lässt ihn plötzlich feststellen, dass es hier Nichts gibt, wofür er eigentlich kämpft. Indem man uns den Horror dieser Schlacht durch die Augen des stärksten anwesenden Kriegers erleben lässt, verleiht man dem Ganzen mehr emotionales Gewicht und auch der Entscheidung von Tyrion an die Spitze zu rücken. Nachdem Sansa von einer zunehmend betrunkenen Cersei eine Lektion bekommt, wie es ist Königin zu sein, wartet in Sansas Zimmer eine viel wichtigere.

Dorthin ist The Hound gegangen, um Sansa mit in die Freiheit zu “entführen”. Aber er hat ihr auch etwas Wichtiges mitzuteilen, nämlich, dass alle Männer, die sie kannte, kennt und kennen wird “killers” sind: The world is built by killers. So you’d better get used to looking at them. Diese Szene ist mindestens genauso eliktrisierend wie der Moment, in dem Davos feststellt, was auf ihn und Stannis Schiffe zukommt. Ob Davos noch am Leben ist, Stannis es zu fliehen schafft und Sansa mit The Hound geht, bleibt abzuwarten. Genauso unsicher sieht die Zukunft auch für Tyrion aus, der von “freundlicher” Hand beinahe geköpft wird. Eins ist sicher, nachdem Tywin und Loras Stannis Armee auseinandernehmen: Es wird wieder ein Sieg des Vaters und nicht des Sohnes sein …

Wie es weiter geht? “Gehen” ist hier das richtige Wort: Ab sofort kann man Game of Thrones ruhig auch als Road Movie bezeichnen, aber mehr wird, hoffe ich das Finale verraten.

 

Game of Thrones: The Prince of Winterfell (2×08)

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Mit “The Prince Of Winterfell” hält Game of Thrones kurz die Luft an, bevor es richtig zur Sache geht. Stannis nährt sich an King’s Landing, Dany an The House of the Undying, Robb an Talisa usw. Vielleicht wäre “Seufzer” die bessere Bezeichnung für dieses Luftanhalten? Kurz vor dem Ende der Staffel und vor der großen Schlacht um Westeros nimmt sich die Erzählung Zeit auch für die romantischen Verwicklungen, die in Game of Thrones generell mehr ein Randthema sind. Während Jorahs Liebe zu Dany nach wie vor höchstens wie ein Hauch der Wüstenbrise zu spüren ist, fallen sich  Robb und Talisa in die Arme. Die Gespräche der beiden, die ihrer “heißen” Szene vorausgehen, sind nicht nur dafür da, um die Figuren zu “vertiefen”, sondern um zu zeigen wie kompliziert Robbs Position ist. Die Problematik besteht in seiner eigenen Unsicherheit, wie er die Bewegungen und Verschiebungen um ihn herum in den Griff bekommen soll: Die Nachrichten aus Winterfell, seine Abhängigkeit von den Freys, die Liebe zu Talisa, den Verrat der eigenen Mutter und nicht an letzter Stelle den Zweifel an Sinn und Zweck dieses Krieges.

Dem Topos der zum Scheitern verurteilten Liebe scheinen auch zwei weitere Beziehungen geweiht zu sein. Sowohl Jon und Ygritte als auch Tyrion und Shae bewegen sich aud dünnem Eis. Tyrions Herz setzt für einen Augenblick einen Schlag aus, als Cersei seine Geliebte verkündet gefunden zu haben. Zu Tyrions Glück und wieder einmal zu Ros’ Pech ist es sie und nicht Shae, die Cersei präsentiert. Aber dieses Ereignis veranlasst ihn dazu sich vor Augen zu führen, wie sehr er eigentlich in Shae verliebt ist und wie dünn das Eis ist, auf dem sich ihre Beziehung bewegt.

In Jons Fall ist das Eis nicht nur metaphorisch gemeint, denn er wrid als Gefangener zusammen mit Halfhand immer tiefer in den Norden verschleppt. Nur dank Ygritte wird er nicht an Ort und Stelle getötet. Man könnte behaupten, dass Ygritte und Jon ihre Spiegelung (mit vertauschten Rollen) in Brienne und Jamie finden.

Die beiden machen sich auf den Weg nach King’s Landing. Catelyn befreit Jamie auf sein Wort hin, ihre Töchter zu ihr zurückzuschicken. Letzte Episode haben wir gehört, wie viel das Wort des Kingslayers in seinem bisherigen Leben Wert war. Briennen soll aber dafür sorgen, dass Jaime dieses Mal sich an dem Versprechen hält. Briennes Gradlinigkeit und Jaimies Zynismus sind die perfekte Grundlage für eine amüsante Reise.

Nicht so amüsant ist Yaras Besuch in Winterfell, wo Theon Greyjoy anstatt von ihr Lob und Bewunderung zu bekommen, als “stupid cunt” betitelt wird. Es ist eine traurige Note, die in dieser Episode mitschwingt. Sie zeigt uns eine Reihe von Figuren, die unbedingt etwas erreichen oder haben wollen und dabei Fehler begehen. Wir haben schon über Robb und Catelyn gesprochen, aber Theon erscheint als die tragischste Figur von allen. Mit seinen Taten (obwohl Bran und Rickon noch leben) in Winterfell hat er nicht nur “strategisch” falsch gehandelt, sondern auch jede Liebe und jeden Respekt der Winterfell-Bevölkerung ihm gegenüber unmöglich gemacht. Yaras Bitte mit ihr nach Hause zu kommen, enthält zwar einen Funken schwesterlicher Liebe, aber der Anteil an Mitleid ist größer.

Bei Arya ist es nicht Mitleid, als sie sich umentscheidet und Tywin nicht mit dem Messer angreift, sondern die Überlegung, wie eine solche Tat ihr weiter hilft? Sie findet eine bessere Möglichkeit, um ihre Freiheit wieder zu erlangen, nämlich Jaqen. Nach einem schlitzohrigen “a girl” gegen “a man” Austausch hilft er ihr. Aber der Preis dafür sind mehrere Leben… Unbedingt etwas zu wollen, bedeutet meistens, dass Blut fließen wird.

Und das wird es in der nächsten Episode!

Game of Thrones: A Man Without Honor (2×07)

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A Man Without Honor ist eine ruhige Episode. Hier gibt es mehr zu “lesen” bzw. hören, als zu sehen. Sie ist mehr Buch als Film. Das bedeutet natürlich nicht, es würde an spektakulären Bildern fehlen. Nein, Game of Thrones nimmt sich hier einfach die Zeit, um die Bewegung der Erzählung in die Tiefe gleiten zu lassen, wodurch selbstverständlich der so genannte Handlungsfortschritt verlangsamt wird. Für die Zuschauer, die “nur” an Action interessiert sind, geschieht hier herzlich wenig. Aber ist es wirklich so? In meinen Augen ist A Man Without Honor eine sehr wichtige Episode, da sie die Game of Thrones-Philosophie auf beachtiliche Art und Weise präsentiert. Es ist eine Philosophie der Bewegung, der Verschiebungen. Wir haben schon in mehreren Reviews über die Fragen nach Macht und ihrem Erhalt gesprochen, aber Game of Thrones interessiert sich mehr für die Bewegung, für den Weg zum Ziel und nicht so sehr für das Ziel selbst. Denn wissen die Figuren wirklich, was sie wollen oder besser gefragt: Wissen sie wer sie sind und wo der beste Platz für sie ist?

“Those in the margins often come to control the center, and those in the center make room for them, willingly or otherwise”, sagt Xaro in dieser Episode, als die Qarth-Verschwörung vor Danys Augen auf grausame Art und Weise Gestalt nimmt – eine Warlock-Gestalt. Oder soll man besser Gestalen sagen? Der Warlock ist viele und doch sich selbst. Xaros’ “Selbst” ist, was ihn ins Zentrum der Macht bewegt. Und wir sehen Dany nicht nur an den Menschen um sich herum verzweifeln, sondern auch an sich selbst. Ihr Zustand der Hilflosigkeit korrespondiert direkt mit dem Rezitieren ihres Namens und ihrer Herkunft aus den vorherigen zwei Episoden. Sie sagt, wer sie ist, aber glaubt sie es bzw. ist sie es schon? Dany scheint noch nicht so weit zu sein, um ins Zentrum der Macht zu rücken, wie Xaro es jetzt tut. Auch Theon ist nicht bereit und wird es eigentlich nie sein. Trotzdem macht er weiter. Und wie es aussieht, zahlen Bran und Rinkon den Preis für Theons Verzweiflung über sich selbst und die Situation, in die er sich hineinmanövriert hat. Abgesehen von der Verfolgungjagd in Winterfells Umgebung besteht der Rest der Episode mehr oder weniger aus ruhigen Dialogszenen. Sie sind wie Pinselstriche, die das Bild einer jeden Figur mehr Tiefe verleihen. Aber Tiefe bedeutet nicht immer Kontrast!

In Jons Fall ist es eine genau solche Lektion, dass nicht alles Schnee und Felsen, Weiß und Schwarz ist, sondern auch Grau: “You know nothing, Jon Snow!” Die Wahrheit dieser Aussage wird Jon mit jedem weiteren Schritt und jedem weiteren Blick in Ygrittes Gesicht deutlicher. Zum ersten Mal kommt so direkt die Frage zum Ausdruck, wann frau/man frei ist. Schicksal oder freier Wille? Kann man/frau in dieser Welt, wo jede/r an ein Königshaus oder an einen Eid gebunden ist, frei sein? Muss jemand einem König dienen, weil die eigenen Vorfahren es getan haben? Ygrittes Spielchen mit Jon macht ihn unvorsichtig und führt ihn direkt die Hände von Ygrittes Kameraden. Genauso wie Ygritte Jons innere Konflikte entblößt, balanciert auch Arya auf einem dünnen Seil in ihren Konversationen mit Tywin, der nah dran ist, ihr Geheimnis zu lüften, wenn er es nicht schon getan hat. Sowohl die Szenen “beyond the wall” als auch diese in Harrenhal bedienen nicht nur den Genuß an sprachlichen Feinheiten, sondern liefern uns auch Informationen über die Geschichte dieser Welt – sei es, was das freie Volk betrifft, sei es die Targaryen-Invasion.

Arya und ihre große Schwester Sansa lernen, dass es vielleicht besser ist, niemand zu sein, als wie in Sansas Fall die zukünftige Königin und Ehefrau von Joffrey. Ihr Kindheitstraum, Prinzessin zu sein, wird zum Alptraum. Den Platz, den sie in dieser Welt immer haben wollte, scheint jetzt mit mehr Spitzen übersät als der Eiserne Thron. Sansa hat zum ersten Mal ihre Periode und diese Tatsache versetzt sie in Panik. Ausgerechnet Cersei hat für Sansa beruhigende Worte. Man kann behaupten, dass in dieser Episode die beiden Lannister Geschwister, Cersei und Jaime, ihre Momente der Melancholie, gar Nostalgie haben. Sie blicken zurück in ihre Vergangenheit und stellen mehr oder weniger verbittert fest, dass beide die Menschen sind, die sie sind.

“It’s a good thing I am who I am. I’d have been useless at anything else.” sagt Jaime zu seinem Cousin … bevor er aus dem vertrauensvollen nostalgischen Augenblick einen für den Cousin tödlichen kreiert. Die Gefahr, die von Cersei ausgeht, genauso wie bei Jaime, ist Ergebnis derselben Feststellung nur unter negativem Zeichen. Cersei weiß, wer sie ist und dass ihr Weg für sie gewählt wurde und nicht von ihr selbst. Man kann die Lannister-Familie im Moment als ein Portät malen, auf dem Tywin und Tyrion im Vordergrund (auf Fokus), auf ihren Plätzen, zu sehen sind, während Jaime und Cersei im unscharfen Hintergrund verweilen – unberechnebar und rastlos…

Wird Catelyn, die am Ende der Episode Briennes Schwert fordert, Jaimes Rastlosigkeit ein Ende bereiten?

Game of Thrones: The Old Gods and the New (2×06)

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Die alten Götter und die neuen – welche werden die Überhand gewinnen? Vielleicht sind die neuen Götter einfach die alten, die dazugelernt haben? Alte Götter verschwinden nicht, genauso wie  das Begehren nach Macht in einem Menschen. Um an die Macht zu kommen, muss man anderen beweisen, dass man/frau der/die richtige für den “Job” ist, aber vor allem muss man es sich selbst beweisen. Ist ein Mensch bereit den ganzen Weg zu gehen? Falls ja, stellt sich die Frage auf wieviel Menschlichkeit dabei verzichtet und wieviel davon beibehalten wird? In der sechsten Episode der zweiten Game of Thrones-Staffel haben wir eine sehr ausgeprägte Simultanität der Ereignisse, die seit dem roten Kometen in der Staffelpremiere nicht mehr so stark zu spüren war. Wenn ich mich nicht täusche, dann umfasst die Erzählung von The Old Gods an the New die Geschenisse eines kompletten Tages in Westeros, während in den Qarth-Szenen natürlich die Zeitverschiebung berücksichtigt wird, da Qarth auf einem anderen Kontinenten liegt:

In Westeros tobt eine kleine Strasserevolte, während Winterfell von Theon eingenommen wird, Catelyn zu Robb zurückkehrt, Jon und seine Mitstreiter ein paar Wildlinge angreifen, Dany Schiffe für ihre Rückkehr nach Westeros zu bekommen versucht und Arya von ihrem zweiten Wunsch Gebrauch macht.

Die Handlung ist in kleinen Portionen aufgeteilt, in kleinen Häppchen, die nicht sättigen, sondern Appetit nach mehr machen. Vor allem aber ist das verbindende Element der Appetit danach mehr zu sein, als man im Moment ist, auch im Kontext des Frauen-Männer-Machtkampfes betrachtet, über den wir schon mehrmals in den Reviews zu Game of Thrones sprachen. Joffrey sieht sich zum ersten Mal in seiner Machtposition wirklich bedroht, als nach Myrcellas Abscheid Richtung Dorne, Joffrey und sein Gefolge von der unzufriedenen King’s Landing-Bevölkerung angegriffen werden. Joffrey schreit Hinrichtungsbefehle aus, aber keiner kann sie ausführen, da seine Leute in Unterzahl sind und keine Macht über die Situation besitzen. In dem Getummel ist aber nicht Joffrey die wichtige Figur, sondern The Hound, der auf der einen Seite seine Pflicht erfüllt und Joffery in Sicherheit bringt und auf der anderen macht er, was er für richtig hält, nämlich Sansa vor der Vergewaltigung retten. Das gibt ihm, auch wenn es komisch klingt, in diesem Moment zusätzlich zu der physischen auch moralische Überlegenheit.

Macht bedeutet aber auch sich schlau anzustellen. Zwischen “schlau” und “mutig” gibt es einen Unterschied. Während Jon als “brave but stupid” bezeichnet wird, ist seine Halb-Schwester Arya beides – schlau und mutig. Aus diesem Grund scheint Tywin Gefallen an Aryas Präsenz zu finden. Tywin wird hier etwas differenzierter und aus der Nähe “betrachtet”, als in den Büchern. Die Abweichungen von dem Buch sorgen hier nach wie vor für interessante Szenen wie die zwischen Tywin, Littlefinger und Arya, als Arya um jeden Preis versucht, ihr Gesicht vor Littlefinger zu verbergen. Nicht erkannt werden, wer sie ist – darin liegt die Macht ihrer Position und auch einen “Freund” zu haben, der das Töten für sie übernimmt. Das Unvermögen selbst einen tödlichen Schlag zu verpassen, bekämpft sie mit Schlauheit. Übrigens Tom Wlaschiha  und Maisie Williams sind als Jaqen und Arya wieder einmal großartig zusammen in der Szene als sie ihn auffordert und drängelt, an Ort und Stelle Amory Loch zu ermorden. Er kann nur die Augen verdrehen und … den Wunsch erfüllen.

Auch bei Dany handelt es sich um ein momentanes Unvermögen, darum, den Prozeß des Erwachsenwerdens durchzumachen. Erlangen von Macht heißt bei ihr, dass man sie irgendwann als diejenige sieht, die sie ist – eine Targaryen-Königin, DIE Westeros-Königin. Dafür reichen ihre leidenschaftlichen Worte nicht, sie braucht auch das Feuer ihrer Drachen und diese sind weg. Die weitere Abweichung vom Buch wird vermutlich dafür sorgen, dass sich der Handlungsstrang um die Warlocks aus The House of the Undying schnell zuspitzt. Außerdem bekommen die vielen Buchseiten mit Danys innerem Monolog, mit ihren Zweifeln und Träumen, “aktiv” thematisiert zu sehen…

Theon nimmt Winterfell ein und um sich vor seinen Leuten zu beweisen, beschließt er Rodrik zu köpfen, aber schafft es nicht mit einem Schlag, was zu einer abscheulichen Szene führt. Abscheulich ist vor allem Theons Verrat nicht nur an den Menschen in Winterfell, sondern auch an sich selbst. An diesem Punkt ist Theon schon verloren und er scheint es zu realisieren. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit die Autoren seiner weiteren Geschichte Raum geben können und wollen, aber sie ist sehr interessant und gleichzeitig tief traurig. Natürlich ist der misslungene erste Schlag die Beschreibung von Theons Gemütszustand und von seiner dem Scheitern geweihten Mission. Während Osha ihre “weibliche” Seite ausnutzt um Bran zu retten, ist sein Half-Bruder Jon hinter einer Frau her.

Auch Jon zeigt ein Unvermögen, was Töten betrifft. Tief in dem Norden, umgeben von atemberaubender Kulisse (nur die kleinen Linsenrichtreflexe wirkten etwas störend), bekommt zunächst Jon Snow eine Lektion von Halfhand, wo die Grenzen von Mut liegen und wo der Verstand ums Überleben zu kämpfen beginnt. Aber es ist eine Frau, die Wildling-Gefangene Ygritte, die zu Jons Lektion werden könnte, nachdem er es nicht fertig bringt, sie zu töten. Man kann sagen, dass seine Reise hier beginnt, allein mit Ygritte im kalten Norden, dort wo die alten Götter die neuen sind!

Game of Thrones: The Ghost of Harrenhal (2×05)

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Anyone can be killed! Diese Worte hören wir aus Aryas Mund; sie bilden nicht nur einen der geflügelten Sätze in Game of Thrones (zusammen mit Winter is coming!), sondern beschreiben die Essenz der Erzählung. Man erinnere sich daran, welchen Aufruhr der Tod von Ned Stark verursachte: einer Figur in der ersten Staffel, die dem Zuschauer sehr nah gerückt, ja beinahe eine Hauptfigur war. Im Game of Thrones-Universum kann jeder sterben. Niemand ist hier sicher. Ob man viele Feinde hat oder nur einen einzigen, ist letztendlich egal – es zählt der Wunsch, jemanden tot zu sehen. Ob man allein auf dem Schlachtfeld steht oder von hunderttausend Soldaten umgeben, macht für den sich heranschleichenden Tod keinen Unterschied.

So fällt am Anfang der Episode Renly: von der Hand des Schattens, den ihm Melisandre schickte. Auf ihren Wunsch stirbt derjenige mögliche König, der die größte Aussicht auf Erfolg hatte. Somit hat Stannis freie Bahn, um Richtung King’s Landing zu marschieren. Aber er muss eine Entscheidung treffen – so sehr er sich auch dagegen sträubt, über das zu sprechen, was Melisandre tat und Davos mit eigenen Augen bezeugen kann. Im Grunde fragt Davos Stannis danach, was er will, was er wünscht: selbst König sein – oder von Melisandres in der Nacht rot leuchtendem Schatten regiert werden? Somit verzichtet er für den Angriff auf King’s Landing auf ihre Anwesenheit. Was wünschen / wollen die Beteiligten? Sind sie bereit, ihre eigenen Pläne dafür abzuändern? Darum dreht sich The Ghost of Harrenhal und pendelt dabei zwischen Harrenhal und Qarth, zwischen Arya und Dany: denn die Geschichten der beiden Mädchen sind zentral für die Aussage der Episode und der Serie als Ganzes.

Die Geschehnisse nach Renlys Tod erzeugen eine Art Verknüpfungspunkt zwischen  Dany und Arya – nicht vom Inhaltlichen her, sondern vom Thematischen. Nach Renlys Tod sehen wir eine erschütterte, ja zutiefst betroffene Brienne, und Catelyn rettet ihrer beider Leben, in dem sie Brienne zur Flucht überredet. So kommt es in den Wäldern zu einer höchst emotionalen Szene zwischen den beiden Frauen (großartig: Gwendoline Christie und Michelle Fairley), als Brienne in Catelyns Dienst tritt und ihr Treue schwört. Sie hegt nur einen Wunsch: Stannis zu töten und damit Renly zu rächen. Catelyn muss ihrerseits schwören, ihr diesbezüglich nicht im Wege zu stehen. Eine Szene zwischen zwei Frauen, die ihre Emotionen in der Regel zurückhalten; umso mehr Gewicht bekommt ihre Konversation. Man hat das Gefühl, als würden beide von innen her glühen, als bestünden sie nur aus Herz. Nun, es sind meistens die Frauenfiguren in Game of Thrones, die das Feuer im Herzen tragen, was diese Episode aufs Neue beweist. Die Serie vergisst darüber nicht die handlungsübergreifende Frage danach, woher Macht kommt und wie sie zu halten ist. Feuer ist Macht, lautet hier die Antwort: Feuer im Herzen, Drachenfeuer oder aber magisches; sei es Melisandres Feuer oder das der Alchemisten in King’s Landing, das so genannte wildfire.

Davon erfährt Tyrion durch Lancel, seinen neuen Spitzel in Cerseis Gemächern, und übernimmt nach einem Besuch bei den Alchemisten kurzerhand die Aufsicht über die Produktion. Feuer kann Macht bedeuten, aber nur, wenn man es zu lenken weiß – ansonsten vernichtet es einen selbst. Tyrion erkennt das und stellt sarkastisch und gleichzeitig betroffen fest, dass die Bevölkerung für jedes Unheil und für die Misere, in der sie steckt, ihn verantwortlich macht. Der mächtige Schatten an der Wand, über den wir letztes Mal sprachen, kann schnell schwinden, wenn man das Licht des Feuers aus einem ungünstigen Winkel darauf lenkt. North of the Wall, inmitten von Schneemassen und Felsen (nicht mehr in Irland gefilmt, sondern in Island), bereiten sich die Rangers der Nachtwache an einem Hügel namens “Fist of the First Men” darauf vor, möglichen Angriffen der wilden Horden des King Beyond the Wall standzuhalten, während Jon auf eigenen Wunsch zu einer Mission aufbricht: mit dem Ranger Halfhand, übrigens laut den Büchern einem der erfahrensten überhaupt. Kann das Feuer in Jons Herz der Kälte widerstehen?

Bei Theon lautet die Antwort auf dieselbe Frage vermutlich Nein; und Brans Träume von Fluten, in denen Winterfell versinkt, könnten sich bewahrheiten, als Theon den Weg Richtung Winterfell wählt, um sich vor seinem Vater und dessen Männern zu beweisen. Auch Dany muss zwischen zwei Wegen wählen, einem vermeintlich leichten und einem schweren. Wir sehen in der ersten Qarth-Szene, wie ihr Drache – zum wiederholten Mal: er ist der technischen GoT-Abteilung absolut gelungen, um nicht zu sagen, richtig niedlich geworden! – Flammen auszustoßen und sich so seine Fleischmahlzeit zum Verzehr zuzubereiten lernt. Auf dem Menü für Dany selbst steht mit Xaros Heiratsantrag King’s Landing: Schiffe, Gold, Armee. Und nicht nur Xaro umwirbt Dany, sondern auch ein Gesandter der Warlocks, der sie in das “House of Undying” einlädt. Die Gefahren lauern überall, warnt Jorah eine mysteriöse Frau, deren Gesicht von einer Maske aus Mosaiksteinen verhüllt ist.

Jorah überzeugt Dany davon, das Angebot abzulehnen – aus praktischen und rein persönlichen Gründen, da er für die Mutter der Drachen Liebesfeuer im Herzen hegt. Daenerys erkennt, dass sie ebenso wie ihr Drache lernen muss, das Feuer in sich selbst zu lenken: sich das “Futter” vorzubereiten, bevor sie es “verspeist”. Wie ihre Drachen-Kinder muss sie noch wachsen, bevor sie DIE Königin werden kann. Diese Unterscheidung benennt auch Margaery in einer kurzen Szene mit Littlefinger: Sie will nicht eine Königin, sondern DIE Königin sein. Jorahs Anmerkung gegenüber Dany trifft insoweit zu, als er durch die Liebe zu ihr erkennt, dass sie ein anderes Herz hat als ihre Targaryen-Vorfahren und somit die besten Voraussetzungen, um an Macht zu kommen und sie zu behalten: mit Feuer von innen und von außen, das die Herzen in Westeros gewinnen kann. Herzen gewinnen und nicht kaufen: das ist Dany. Aber wie ihr Drache muss sie zuerst lernen, das Feuer in sich selbst zu nutzen!

Man kann nicht wirklich behaupten, dass Arya Tywins Herz gewonnen hätte; aber die Szene zwischen den beiden, als er mit seinem Kriegsrat beisammen sitzt, gehört zu den besten der Episode. Beide kommen sich im Gespräch näher, nicht nur mit Hilfe der Worte, sondern auch der Kamera. Die Einstellungen wechseln von Medium-Shot über Close-Up zu extremen Close-Ups von der Augenpartie der beiden. Tywin fragt sie, woher sie komme – und zu Aryas Nachteil gereicht ihr das brodelnde Feuer, das sie schon immer in ihrem Herzen trug. So brachte sie nie die Geduld und die Zeit auf, um von Maester Lywin die Geschichte von Westeros zu lernen… Nur zu leicht kann also Tywin ihre Lüge entlarven und feststellen, dass sie aus dem Norden kommt. Er fragt nach Robb, um bestätigt zu bekommen, worin dessen Stärke liegt: nämlich darin, die Herzen seiner Untergebenen gewonnen zu haben. Aber: Jedermann kann getötet werden, lautet Aryas ehrliche Antwort auf Tywins Frage, ob sie an Robbs Unsterblichkeit glaube. Sie hält Tywins Blick in diesem Moment stand, und in den sich verdichtenden Schnitten zwischen Aryas und Tywins Augenpartien verdichtet sich jener Satz zu einem Statement der Serie selbst. Jaqen, der mysteriöse Mann aus dem Käfig, den Arya vor dem Feuer rettete, taucht plötzlich als Lannister-Soldat in Harrenhal auf. Sie verrät ihn nicht, und er erklärt sich bereit, seine Schuld zu begleichen: Arya darf sich drei Tode wünschen. Drei Namen von ihrer Gute-Nacht-Liste. Durch diese Beziehung zu Jaqen beginnt Aryas wirkliche Reise. Zu sich selbst? Oder – von sich selbst fort? Es fällt ja auf, wie der Fremde von sich selbst und von Aria ausschließlich in der dritten Person spricht: unpersönlich. Manchmal scheint es klüger, das Feuer in sich zu bändigen, um in dieser Welt überleben zu können. Aryas erster Wunsch: The Tickler, mit dessen Tod auch die Episode endet. Warum eigentlich er, fragen sich bestimmt die Zuschauer? Weil Arya Arya ist – sie selbst, so wie Dany. Sie handelt aus dem Herzen und mit einem Herzen für andere; somit ist sie bereit, den ersten Wunsch zu verbrauchen, um eine direkte Bedrohung für alle Gefangenen in Harrenhal zu beseitigen. Nach einer vergleichsweise ruhigen Episode hat man am Ende das Gefühl, wie Tyrion auf einer Unmenge von Wildfire zu sitzen und sich zu fragen, wer dieses Lauffeuer in den verbleibenden fünf Episoden am besten zu lenken wissen wird…

Game of Thrones: Garden Of Bones (2×04)

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Äpfel mit Birnen vergleichen. Oder sollte ich besser sagen: Äpfel mit Pfirsichen? Unausweichlich drängen sich für die Kenner der Vorlage Vergleiche auf bei Game of Thrones: zwischen Buch und Verfilmung, vor allem in einer Episode wie Garden of Bones, die interessante Veränderungen vornimmt. Ich weiß: ich habe selbst versprochen, Abstand von solchen Vergleichen zu nehmen und mich in diesen Texten nur um die Besprechung der neuen Episoden zu kümmern. Aber damit wir uns wirklich ein gutes Bild davon machen können, wie die Game of Thrones-Produzenten ihre Erzählung präsentieren – und vielleicht auch, warum -, müssen wir uns mit Äpfeln und Pfirsichen beschäftigen, zwischen Äpfeln und Pfirsichen unterscheiden.

Das heißt: zwischen dem Verlauf der Erzählung als Buch und ihrer Umsetzung auf der Leinwand resp. dem Bildschirm, so dass die Mischung für den Zuschauer stimmt. Der wichtigste Unterschied zwischen beiden liegt im Blick auf die Ereignisse. Im Buch ist es ein Blick “mit”: mit Aryas Augen, mit Tyrions Augen, mit Catelyns etc. In der Verfilmung ist es ein Blick “auf” die Ereignisse, für den man gar keine richtige Vorlage hat. Das bedeutet unausweichlich das Hervorheben von Szenen, die im Buch wie kleine Details wirken, oder das Schaffen neuer Szenenkonstellationen, um bestimmte Gemütszustände oder Figurencharaktere zu veranschaulichen, da ja die Zuschauer nicht das Privileg genießen, im Kopf der Protagonisten zu stecken. Man kann sicher lange darüber streiten, was davon gelungen ist und was nicht, aber man sollte nicht vergessen, dass sowohl ein Apfel als auch eine Birne  oder ein Pfirsich Früchte sind. Also liegt die Differenz in unseren Geschmacksnerven! Für meinen Geschmack stellt die vierte Game of Thrones-Episode eine ziemlich fur/fru-chtbare Angelegenheit dar, ob im direkten oder im übertragenen Sinne. Die Eröffnungsszene – der plötzliche Flash von dem Direwolf-Gesicht, dann Schnitt auf die ausgeweidete Leiche – bietet ein Sinnbild für die dargestellte Welt: Sobald man ihr den Rücken dreht, das Licht ausmacht etc., fletscht sie die Zähne und beißt zu. Gnadenlos: Ohne Licht kein Schatten – und umgekehrt. Dort, wo sich der Garden of Eden zu befinden scheint, ist der Garden of Bones nicht weit. Sie fallen zusammen – so wie in Qarth, der berühmten Stadt, in der Dany und ihre Leute ihre Überlebenschance sehen.

Aber Qarth ist wie ein fauler Apfel: Man muss extrem aufpassen, in welche Hälfte man beißt, um nicht tot im “Garden of Bones” zu enden, den so genannten Feldern um Qarth herum. Daenerys, deren Serien-Reise sich schneller voran bewegt als in den Büchern, sieht sich mit Überheblichkeit und beinahe einem Erniedrigungsversuch konfrontiert, aber sie steht ihre Frau und findet Zugang zu diesem Garden of Eden; wie ein solcher nämlich sieht Qarth tatsächlich aus, als die Pforten geöffnet werden. Den paradiesischen Apfel bekommt Dany von einem gewissen Xaro Xhoan Daxos (Nonso Anozie) überreicht. Ist er auch die biblische Schlange? Werden wir noch sehen! Während die Drachen nur in Daenerys’ vor Wut sprühenden Augen zu sehen sind, können wir durch die Einführung einer weiteren Location betrachten, was das Drachenfeuer anrichten kann. Aryas Reise nämlich (auch zügiger als im Buch) führt nach Herrenhal, wo nicht nur die Schatten der Vergangenheit lauern, sondern auch der von The Mountain, The Hounds Bruder, samt seiner Horde aus “Kriegsverbrechern”.

Während in Danys Handlungsstrang die Grausamkeit hinter der Fassade lauert, erscheint sie hier als offene Wunde, als Grimasse der Westeros-Realität. Sie nagt an ihr wie der Folterer aka The Tickler an der Frucht (Apfel oder Birne?). An diesem Punkt nimmt Game of Thrones eine inhaltliche Änderung vor: Arya wird Tywins Mundschenk, nachdem er auf den ersten Blick erkannt hat, dass sie ein Mädchen ist. Aber diese Abweichung vom Buch vertauscht lediglich Äpfel mit Birnen – aka Pfirsichen. Nicht nur bringt man so mehr von Tywin in die Erzählung hinein, sondern man erhöht die Gefahr der Enthüllung Aryas als Stark-Kind. Und wie wir wissen, schenkt Arya nicht unbedingt jedem nach dem Munde ein, woraus sich stets interessante Situationen ergeben. Ihre Gute-Nacht-Liste wird auch immer länger…

Man kann Tywins Entscheidung, die Folter zu unterbinden, nach den Horrorszenen in Herrenhal als eine Art Gnadenakt sehen, aber letztendlich gehorcht sie ganz einfach praktischem Denken. Hier zieht Game of Thrones eine schöne, inner-familiäre Parallele zwischen Vater und Sohn, zwischen Tywin und Tyrion. Um in der Sprache dieses Textes zu bleiben: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Oder doch? Der Akt des Falls, der Nicht-Akzeptanz bringt unausweichlich Verschiebungen mit sich. Auch Tyrion verübt somit in dieser Episode einen Gnadenakt, aber nicht nur aus purem Pragmatismus, sondern auch von Herzen. Nachdem Robbs Armee den Lannisters die nächste Niederlage verpasst hat… Übrigens: Die schon erwähnte Eröffnungssequenz – Direwolf-Angriff, Schnitt auf Tote – umgeht höchst elegant eine teure, Zeit raubende Schlacht-Inszenierung, indem sie, beeindruckend und perfekt, in ein paar schnellen Bildern das Gefühl von Unausweichlichkeit und Gnadenlosigkeit zusammenfasst.

Joffreys Gnadenlosigkeit bzw. Grausamkeit wird in dieser Episode weiter ins Extreme getrieben und führt zum ersten offenen Schlagabtausch mit Tyrion. Joffrey erniedrigt Sansa im Thronsaal, als Tyrion und Bron eintreffen und Tyrion sie “befreit” – für den Moment. Die Szene beweist ein weiteres Mal Game of Thrones’ visuelle Kunstfertigkeit darin, Emotionen und Gefühle innerhalb der Erzählung zu vermitteln. Als Sansa vor dem Thron kniet, steht Tyrion neben ihr; trotz seines Körpers ist sogar er in diesem Augenblick größer als Sansa. Nicht nur wird Sansas Misere unterstrichen; vielmehr betont die Geste, mit der ihr Tyrion die Hand zum Aufstehen reicht, seine wirkliche Größe in dem Augenblick, da er Sansa wieder über sich hinausragen lässt. Als einziges Mitglied der Lannister-Familie neben seinem Vater ist Tyrion zu großen Taten fähig, aber gleichzeitig bereitet sein großes Herz ihm Probleme. Um Joffrey zu “kurieren” – den heranwachsenden König von seinem “Druck” zu befreien -, schickt er ihm zwei Prostituierte. Aber Tyrion hätte auf Brons Weisheit hören sollen: There’s no cure for being a cunt. Ein fauler Apfel kann nur weiter verrotten und nie frisch und schmackhaft werden. Auf verstörende Weise werden die Grausamkeiten in Herrenhal mit Joffreys Sadismus verbunden. Während The Tickler beim Folter-Anordnen und -Betrachten einen Apfel (eine Birne?) genießt, isst eine der Prostituierten einen Apfel in Joffreys Bett, ohne zu wissen, dass er gleichsam ihre Henkersmahlzeit darstellt. Ein grausames Statement in Sachen “gnadenloser Genuss”!

Brutalität und Gnade. Wir kehren zurück zum Schauplatz der Schlacht vom Anfang der Episode, wo Robb auf eine gewisse “Talisa” (Oona Chaplin) trifft, die sich um einen verletzten Lannister-Soldaten kümmert… mit einer Knochensäge, um sein Leben zu retten.  Die Kenner des Buchs können schon vermuten, um welche Frau sich bei Talisa handelt – und ich werde nicht weiterhin spoilern, sondern diese Veränderung der Buchvorlage zum Anlass nehmen, um hervorzuheben, was sie wirklich ist: nämlich eine wichtige Anmerkung innerhalb der Episode, die wir schon letzte Woche aus Varys’ Mund hörten. Wer ist schuld an Neds Tod? Der Mann, der hier sein Bein verlor? Wie wirkt sich Robbs Rachefeldzug auf “normale” Menschen, auf die Zivilbevölkerung aus? Wie sieht das “big picture” aus? Warum müssen Menschen in den sauren Apfel beißen, die für seinen Geschmack nicht verantwortlich sind?

Garden of Eden und Garden of Bones: Diese Kombination findet ihren nächsten Höhepunkt in dem Treffen zwischen Littlefinger und Catelyn (auch abweichend von der Vorlage), in dessen Verlauf er zuerst Annäherungsversuche startet und ihr anschließend Neds Überreste (Knochen) überreicht. Nicht nur eine stark emotionsgeladene Szene, sondern auch ein weiterer Beweis für Littlefingers Begehren (nach dem verbotenen Apfel Catelyn)… und gleichzeitig für seine Schwäche.  Renlys Schwäche liegt wiederum darin, das Leben und den Krieg als einen süßen, reifen Pfirsich zu sehen, der für ihn zum Pflücken bestimmt ist. Die einzige Änderung, die mir in dieser Episode nicht gefällt, betrifft die Begegnung zwischen Renly und Stannis. Im Buch bietet Renly spielerisch Stannis einen Pfirsich an, eine Geste, in der sich der Unterschied zwischen den beiden Brüdern vollständig zeigt. Nicht Äpfel mit Pfirsichen vergleichen! Während Renly wie die im Licht gereifte Frucht erscheint, ist Stannis der  buchstäbliche saure Apfel. Stannis’ Leben ist ein Schatten dessen, was Renly besitzt. Aber der Schatten fällt nicht weit vom Licht: Melisandre (Carice van Houten) tut den nächsten Schritt, um das Licht mit Schatten zu erlöschen. Mit Davos’ Hilfe kommt sie  Renly nah genug, um die Frucht/Furcht ihrer Beziehung mit Stannis bzw. mit ihrem Lord of Light zu gebären: einen Schatten, eine Grimasse des Lichts, die Macht bedeutet in einer Welt, in der die Äpfel kalt serviert werden.

Game of Thrones: What Is Dead May Never Die (2×03)

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Schon in der ersten Episode der neuen Staffel sahen wir uns mit dem übergreifenden Thema konfrontiert: Woher kommt Macht, wer kann sie wie ausüben und behalten? Macht der Worte bzw. der politischen Intrigen, Macht des Schwertes oder aber Macht der Liebe: Welche ist von Dauer? Wie kann Macht ergriffen werden? Vielleicht kehrt die Welt aus Game of Thrones sogar zu einer viel älteren Machtquelle zurück: zur Magie, zu übernatürlichen Kräften? What is Dead May Never Die lehrt uns, dass all diese Fragen an Bedeutung und Gewicht verlieren können im Vergleich zu einer viel wichtigeren: Wie manifestiert sich Macht, und wer glaubt an sie? Es geht um die Auswirkungen von Macht auf das Leben Anderer und umgekehrt darum, an eine machtvolle Präsenz zu glauben. Auch Gottes Existenz ist in diesem Sinne irrelevant.

Wie der slowenische Philosoph und Psychoanalytiker Slavoj Zizek sagt, spielt es keine Rolle, ob Gott existiert oder nicht – so lange seine (Nicht-)Existenz Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat. Ähnlich verhält es sich mit Macht, die man an bestimmten Orten und in bestimmten Menschen vermutet: Der Glaube an sie erzeugt sie allererst. Auch wenn man, in Varys’ Worten, nur einen Schatten an der Wand sieht. Es ist unwichtig, wer den Schatten wirft. Erscheinung und Ereignis fallen zusammen, während die Wahrheit in der Ecke lauert, weit vom Kerzenlicht entfernt. Eine Repräsentation, ein Erscheinungsbild – es geht darum, wie man von Anderen wahrgenommen wird. In dieser Episode werden viele Stories unter vier Augen erzählt; ich leiste mir also einen Hinweis auf den Witz über den Mann, der sich für ein Korn hält. Er wird in eine Anstalt eingewiesen, wo ihn die Ärzte anscheinend erfolgreich davon überzeugen können, ein Mensch zu  sein. Als er das Krankenhaus verlässt, schreckt er plötzlich zurück, da er auf der Straße ein Huhn sieht. Er sagt dem Arzt, er habe Angst, gefressen zu werden. Der Arzt beruhigt ihn: er wisse doch, dass er ein Mensch sei und kein Korn. Der Patient antwortet: Natürlich weiß ich das, aber weiß das Huhn es auch?

Was wissen die einfachen Leute, was weiß das Volk über all die Könige in Westeros, über all die Menschen an der Macht? Wer, glauben sie, kann sie regieren? Power resides where men believe it resides, sagt Varys zu Tyrion. It’s a trick, a shadow on the wall. Robert Baratheon beendete die lange Herrschaft der Targaryen-Dynastie und damit, könnte man behaupten, wurde auch alles Übernatürliche aus Westeros’ Welt verbannt. Keine Drachen mehr, keine “children of the forest” (wie Maester Luwin zu Bran sagt), keine von höheren Mächten auserwählten Könige und Herrscher. Macht gehört denen, die sie für sich beanspruchen können – sei es mit Worten und politischen Intrigen (die Lannisters), sei es mit Gottes Hilfe (Stannis), mit dem Schwert (Robb) oder aber mit Liebe (Renly). Aber dieser Kampf der Könige beeinflusst natürlich ihre Untergebenen.

Auch wenn Game of Thrones noch nicht so sehr auf die Zustände und Befindlichkeiten der Menschen in Westeros eingeht, kann man schon deutlich sehen, was Loyalität oder Misstrauen hervorzurufen vermögen. Wie Varys Tyrion warnt, werden die Menschen sehr schnell feststellen können, dass Joffrey nicht der richtige Herrscher für sie ist. Genauso schnell hat Renly in der  Zwischenzeit eine Riesenarmee um sich geschart – und alle scheinen ihn zu mögen, vom einfachen Diener bis hin zu einer gewissen Brienne of Tarth (Gwendoline Christie). Mit dieser Episode führt Game of Thrones eine weitere faszinierende Frauenfigur ein. Die Kenner der Bücher unter euch wissen, was ich meine!

In den Abhandlungen über The Night Lands sprachen wir über die Positionierung von Männern und Frauen innerhalb der Machtkontexte, die Game of Thrones konstruiert. Oft werden diese Positionen erschüttert von der Suche nach dem eigenen Selbst, von drohendem Identitätsverlust. In meinen Augen zieht Game of Thrones hier einen sehr geschickten Vergleich zwischen zwei sehr ungleichen Frauen, nämlich Sansa und Brienne. Sansa, gefangen in Cerseis Klauen, scheint sich völlig verloren zu fühlen. Das wird visuell sehr schön demonstriert, als sie allein in ihrem Zimmer in den Spiegel schaut und ihr Abbild nur verschwommen sieht: Sie weiß nicht mehr, wer sie ist und was sie tun soll. Als Shae hereinkommt und sich als ihre neue Dienerin präsentiert, übt Sansa verzweifelt das einzige Stückchen Macht aus, das ihr gegenwärtig zu Gebote steht, und verhält sich übertrieben grob zu Shae. Aber wir sehen die Tränen in Sansas Augen.

Von Brienne wiederum sehen wir zunächst nichts – nur einen großen Menschen in Ritterrüstung, der gerade zur Überraschung aller Anwesenden im Zweikampf einen der besten Ritter in Westeros besiegt: Loras Tyrell, The Knight of Flowers und Renlys Liebhaber. Als Preis gibt ihr Renly zu Loras’ Entsetzen die Erlaubnis, Teil seiner King’s Guard zu werden. Das nämlich ist Briennes einziger Wunsch: für ihren König zu leben und zu sterben. Catelyn, gerade zu Verhandlungen eingetroffen, ist beeindruckt von solcher Loyalität – und erkennt zugleich rasch, dass bei aller Beliebtheit Renlys vielleicht nur Brienne ihm derartig ergeben ist. Der Rest seiner Anhänger ist schlichtweg geblendet: von Sonne und Pflanzen, von Sommerspielen und dem Gedanken an die Macht. Aber Macht erkämpft man sich nicht im Spiel, schon gar nicht spielerisch – und einfach so gegeben ist sie auch nicht. Das muss sich Renly vor Augen führen, vielleicht gar sich selbst überwinden, um seine Macht zu behalten.

Denn wie seine Frau Margaery (die von dem Verhältnis mit Loras weiß) ihm mitteilt, kann das Bündnis mit dem Hause Tyrell nur über ein Baby intakt bleiben. Macht geht einher mit starken Allianzen. Balon Greyjoy jedoch will keine. Er will nehmen, was ihm gehört – und Theon soll eine Rolle am Rande spielen, wenn die Iron Men den Norden angreifen. Sehr gut gefällt mir die Trostlosigkeit und zugleich Entschlossenheit, die die Bilder von den Iron Islands ausstrahlen. Für Theon ist die Anerkennung seines Vaters, das Ergreifen einer Machtposition in der eigenen Familie tatsächlich ein Schatten an der Wand. Wird er sich selbst verlieren in der Verfolgung dieses Schattens? Er wählt die Macht des Blutes über diejenige des einzigen Familienbundes, den er besaß, nämlich mit den Starks. Theon vermittelt das Gefühl, dass er tatsächlich ertrinkt, nur um im nächsten Moment wiederbelebt zu werden – so, als ginge er in einem Ohnmachtszustand mit einer Welle unter, um ein Stück stromabwärts wieder aufzutauchen. What Is Dead May Never Die, lauten die Worte der Iron Men. Und sie lassen sich sehr schön auf zwei andere Handlungsstränge beziehen, nämlich auf unseren kurzen Aufenthalt in Winterfell mit Bran und auf Jons Auseinandersetzung mit Craster.

Bevor wir dazu kommen, sei gesagt, dass mir in der laufenden Staffel diese dritte Episode bisher am besten gefällt. Während die ersten zwei eher als Einführung dienten, fließt hier alles und erscheint kompakt, wodurch die Geschichten mehr Gewicht erhalten – auch wenn wir sie nicht alle zu sehen bekommen; Dany und Melisandre etwa treten nicht auf. Game of Thrones bringt Themen auf den Punkt und schafft einen Fluss, der weniger Kurven nimmt als in den Büchern, wo sich das Fließen überdies an manchen Stellen zu einem See ausbreitet, was den Eindruck von Stillstand erweckt. Solche Reflexionen bilden in einem Buch einen wichtigen Teil des Leseerlebnisses, sind aber kaum bis unmöglich in eine Bildschirm-Erzählung einzubinden. Ebenso können unmöglich in jeder Episode alle Schauplätze und Figuren auftauchen. Hier liegt die Stärke der Fernsehserie Game of Thrones: den Fluss stark vorankommen zu lassen – ohne allzu viele Abweichungen, dafür aber mit dem einen oder anderen überraschend eingebauten Wasserfall.

Die Enthüllung dessen, was Craster mit den neugeborenen Jungen tut, bietet eine solche Überraschung. Sie erinnert daran, dass manche “Dinge” nicht sterben, auch wenn man sie gestorben glaubt – seien es die White Walkers oder die Drachen. Vielleicht auch die so genannten “skinchangers”? Ist Bran einer? Erneut sehen wir Bran durch seine eigenen Augen als Direwolf durch Winterfells Gänge gehen, um schließlich… zu sich selbst zu kommen. Durch die Augen des gerade auf sein Bett gekletterten Direwolfs sieht Bran sich selbst, schlafend – und wacht auf. Im Grunde kehrt er aus dem Traum, aber eigentlich zu sich selbst zurück. Liegt die Möglichkeit der Macht für ihn genau in diesem Einklang mit sich selbst? Maester Luwin sagt, dass die Magie und das Übernatürliche aus dieser Welt verschwunden seien, aber – What Is Dead May Never Die. Das gilt auch für politische Intrigen am Königshof. Tyrion beweist Überlegenheit, indem er ausgerechnet mit den Puppenspielern Varys, Pycelle und Littlefinger ein geschicktes Spiel treibt, um herauszufinden, wer in Cerseis Ohr flüstert.

Aber er weiß nicht nur Geschichten zu erzählen, sondern damit auch die Begehren der Beteiligten anzusprechen oder aber allererst zu wecken. Was er den dreien über die Pläne erzählt, Myrcella nach Dorne zu schicken, um sie mit Theon oder aber mir Robert Aryn zu verheiraten, sind im Grunde mögliche Schachzüge, die Tyrion erwägt – womit er gleichzeitig bestätigt bekommt, wo Cerseis Schwäche liegt. Aber wie ihm Varys trotz aller Anerkennung mit seiner Story mitteilt, wird es mehr als solche Spielchen erfordern, seine machtvolle Position zu halten. Ein Schatten an der Wand schrumpft nur zu schnell im Licht… Von anderen Schatten handelt Aryas Geschichte: von solchen, die nicht weichen wollen und die man nicht mit dem Schwert bekämpfen kann. Oder doch? In einer sehr schönen Szene spricht Arya mit Yoren über ihre Alpträume von Neds Tod; Yoren erzählt daraufhin seine eigene Geschichte und davon, wie er mit Schatten umgeht: Anstatt ihnen auszuweichen, versucht er sie irgendwann zu wirklichen Schatten zu machen – mit dem Schwert.

Im abendlichen Rezitieren der Namen von Menschen, die man für das eigene Leid verantwortlich macht, liegt nicht nur das In-den- Schlaf-Wiegen, sondern ein Versprechen an sich selbst, irgendwann die Macht zur Abrechnung zu erlangen. Ob Arya Yorens “Methode” übernimmt? Denn Yoren wird nicht mehr da sein, um ihr zu helfen. Als Lannisters Leute auftauchen, wird er getötet – trotz brutaler Gegenwehr seinerseits. Ein weiterer männlicher Begleiter in Aryas Leben mit schneller Zunge und schnellem Schwert wird zu einem Schatten – man denke an die Schatten an der Wand, als in Staffel 1 Syrio im Kampf gegen die Lannister-Leute (vermeintlich) starb. Vielleicht sollte er nicht als Letzter Arya nahe legen, dass die Kombination aus beidem, Schwert und Zunge, Macht bringen könnte. Wir sehen, wie Arya die drei Männer im Käfig befreit, und ich sage euch: Sorry für den Spoiler – wir sehen sie nicht zum letzten Mal! Arya rettet zwar Gendrys’ Leben, aber alle werden nach Harrenhal verfrachtet, einen laut Littlefinger verfluchten Ort. Soll man die Schatten an der Wand fürchten oder selbst ein solcher werden? Je nachdem, was man von sich glaubt…

Game of Thrones: The Night Lands (2×02)

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They say hard places breed hard men, and hard men rule the world, sagt Theon zu der Kapitänstochter zwischen den Bettlaken. Macht, herrschen, Herrschaft, Herr – alles Mann? Ist es das ‚richtige‘ Geschlecht, was einen Menschen zur Macht befähigt? Sind die Risse in Westeros, über die wir bei The North Remembers sprachen, das Ergebnis davon? Unfähige Männer wollen herrschen – kann das ein gutes Ende nehmen? Erbe, Heirat, persönliche Eigenschaften – wodurch kommt man an die Macht? Durch Verrat? Oder mit Loyalität? Um diese zentralen Fragen kreist die Episode, die auf den ersten Blick ein wenig zerstreut wirkt und voller Sex-Szenen steckt.

Aber wenn man aufpasst und genau hinsieht, wie Littlefinger durch die Gucklöcher in seinem Bordell, dann erkennt man die Mechanismen, die hier im Gange sind. Damit meine ich nicht nur die Geschichte selbst, sondern auch die Art, wie sie von den Game of Thrones-Produzenten inszeniert und erzählt wird. Von Pyke (einem weiteren neuen Standort im Vorspann) bis zu King’s Landing ist diese Geschichte mit Männern bevölkert, die ihre Machtpositionen an Frauen zu verlieren drohen – bzw. um deren Konstellationen herum sich die Frage stellt, wann die Frauen das Ruder übernehmen werden: seien es Cersei, Daenerys, Melisandre oder aber die jetzt eingeführte Yara, Balon Greyjoys Tochter und Schwester Theons. Übrigens heißt Yara in den Büchern Asha; die Produzenten änderten angeblich den Namen, damit man sie nicht mit Osha verwechselt… Bei dieser Veränderung der Vorlage belässt es die Episode nicht, aber dazu kommen wir gleich.

Zurück zu den Frauen, die ihren Willen durchzusetzen wissen: Theon, der in Robbs Auftrag – nach Pyke zurückkehrt, erwartet, als Prinz und Thronerbe empfangen zu werden. Falsch! Er beißt dort buchstäblich auf Granit, denn die Pyke-Felsen haben ihre zukünftige Herrscherin bereits gefunden: ausgerechnet die Frau, die Theon mit ihrem Pferd zur Burg bringt und an der er sich während des Ritts verbal und physisch vergreift. Und diese Frau ist seine Schwester Yara (Gemma Whelan), die sich auf diese Art und Weise genüsslich einen schlimmen Scherz mit ihrem Bruder erlaubt. Hatte Theon als Figur und als Geschichte in der ersten Staffel ein wenig ‚außen vor‘ gestanden, bekommen wir jetzt seinen Hintergrund zu hören – und Theon die Ablehnung seines Vaters Balon (Patrick Malahide): I pay the iron price. I will take my crown. Dann schließen Vater und Tochter die Szene mit dem berühmten Iron-Islands-Satz: “What is dead may never die” – und wieder ist Theon den buchstäblichen Schritt zu spät gekommen.

Neben Yara baut Melisandre als weitere Frau ihre Machtposition aus, indem sie Stannis mit ihrem nackten Körper von seiner Unterlegenheit auf dem Feld gegenüber Renly ablenkt. Sie hat ihm ein gewichtiges Versprechen zu bieten: einen Sohn. Dieses Versprechen genügt offenbar, um Stannis zwischen ihre Beine zu locken. Denn ein Sohn, ein Mann bedeutet Sicherung der Macht. Nur: Nicht immer sind Männer und Jungen das, was sie zu sein scheinen. Damit kommen wir zu Arya – Entschuldigung: zu Arry, der heimlich pinkeln muss, um sein Geschlecht zu verbergen. Gemäß Joffreys Befehl erscheinen Soldaten, die nach Gendry suchen, aber Yoren schickt sie im äußerst subtilen “bad ass”-Stil mit leeren Händen nach Hause – während Arya noch glaubt, dass nach ihr gesucht würde. Gendrys Identität, nämlich einer mit Königsblut in den Venen, ein Thronerbe zu sein, bleibt Arya, ihm selbst und den anderen noch verborgen, aber dafür deckt Gendry Aryas Geheimnis auf. Beide sind von adligem Geblüt, aber beiden geht es nicht unbedingt um Macht; sie wollen vielmehr nur überleben in einer größtenteils feindlichen Welt.

Wir erleben Aryas erste Begegnung mit einem Gefangenen namens Jaquen H’Ghar, die zwar am Rande verläuft, aber gerade deswegen den Eindruck hinterlässt, für den späteren Verlauf wichtig zu sein.

Es sind die Frauen am Rande der Macht, die in dieser Episode Schritte nach vorn machen, während die beiden, die bereits Macht besitzen – Dany und Cersei – Rückschläge hinnehmen müssen:

Während irgendein anderer Khal den Kopf eines von Danys Reitern zurückschickt – als Hinweis darauf, was er von einer Frau als Anführerin einer Khalasar hält -, treiben die Männer um Cersei diese in den Wahnsinn. Als “the biggest joke” muss sie es letztendlich empfinden, dass sowohl Joffrey als auch Jamie Macht besitzen dürfen, obwohl sie im Gegensatz zu ihr selbst nicht wissen, wie diese Macht auszuüben ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Reihe zu regieren als nächstes ausgerechnet an ihren zweiten, kleinwüchsigen Bruder kommt, während sie selbst außen vor bleibt. Weder hat Joffrey sie über den Kindsmord-Befehl in Kenntnis gesetzt, noch hat Tyrion sie darüber informiert, wie er ihren Untergebenen Janos Slynt weggeschickt hat, den Leiter der City Watch: “I’m not questioning your honour, Lord Janos. I’m denying its existence.”

Dass Bron Janos‘ Platz einnimmt, weicht erneut von den Büchern ab, aber ich denke, dass die Autoren im Interesse des Überblicks nicht mehr neue Figuren einführen wollen als unbedingt nötig. Dafür erfahren wir mehr über Davos: über seine Bemühungen, Piratenschiffe für Stannis’ Seite zu gewinnen, und über seine Verbingung zu dem ältesten Baratheon-Bruder. Der sei der einzige Gott, an den er, Davos, wirklich glaube. Am Anfang haben wir von Loyalität gesprochen. Hier ist sie – aber ob sie jemanden das Leben kosten wird? Auch Littlefinger und Varis begegnen wir kurz und erfahren, dass auch sie loyal sind: zu sich selbst.

Die Verbindung zwischen den Ereignissen in Norden und Süden, Beyond the Wall und King’s Landing, ist hinterlistig. Man kann sie nur durch ein Guckloch erspähen, wie es Littlefinger tut, ein Herrscher über Frauen. Anschließend sehen wir einen anderen Herrscher über Frauen: Craster. Damit kommen wir hinsichtlich des von mir ausgemachten Themas der Episode zu einer dritten Inszenierung von Frauen, die jedoch komplett machtlos sind – etwa Ros und Gilly (Hannah Murray). Auf dieser weniger prominenten Seite wäre natürlich auch die Tochter des Schiffskapitäns anzusiedeln, mit der Theon im Bett seine Machtspielchen treibt. Diese Frauen wurden in eine machtlose Position gezwungen, aus der sie sich nicht allein befreien können.

Gilly ist eine von Crasters Tochter-Frauen, mit der Sam trotz Verbot spricht. Sie will fliehen. Warum? Weil sie sich vor dem fürchtet, was passieren wird, wenn sie einen Jungen gebiert. Jon lehnt Sams Bitte, sie mitzunehmen, ab; aber er geht der Sache, das heißt Craster, nach. Auch diese Schritte im Schnee sind im Buch nicht zu sehen, ebenso wenig wie diejenigen der White Walkers. Durch diese Abweichung findet Jon heraus, was Craster tut – und anscheinend führen uns die Produzenten damit jene stille Gefahr vor Augen, die keine Schrittspuren im Schnee hinterlässt…

Loyalität – oder Verrat? Ein Gott – oder viele Götter? Männer – oder Frauen?

Game of Thrones: The North Remembers (2×01)

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Nach der ersten Game of Thrones-Staffel konnte ich der Versuchung nicht widerstehen und habe alle fünf Bücher hintereinander weg gelesen. Natürlich werde ich mich in diesen wöchentlichen Abhandlungen der neuen Staffel zügeln müssen, um nicht diejenigen von euch zu spoilern, die die Bücher nicht kennen! Umgekehrt bitte ich auch euch, Spoiler in eventuellen Kommentaren zu vermeiden. Übrigens möchte ich auch gar nicht ständig Vorlage und Verfilmung vergleichen, sondern die Geschichte kommentieren, wie wir sie in der Serie Game of Thrones serviert bekommen.

Dennoch hoffe ich, mit diesen Texten sowohl der Vorlage als auch der HBO-Verfilmung gerecht zu werden. Warum? Weil Game of Thrones Anerkennung verdient. Angefangen mit dem Vorspann, der jetzt auch einen Standort mehr enthält (Dragonstone), und endend mit Melisandres “The night is dark and full of terrors. But the fire burns them all away.”

Die zweite Staffel eröffnet mit Feuer, aber mit einem, das noch nicht entfacht ist. Als Vorglühen lauert es im Hintergrund – oder besser gesagt: am Himmel, in der Gestalt eines blutroten Kometen, der diesen Himmel in Stücke zu reißen droht. Darum geht es in dieser zweiten Staffel: um den Eisernen Thron, nach dem seit Roberts Tod etliche neue Könige lechzen. Die Kämpfe drohen das Königreich in Stücke zu reißen, mit Feuer und Blut. In The North Remembers können wir den Kometen als Vorboten der drohenden Zerstörung lesen; zugleich verbindet er alles, nicht nur metaphorisch, sondern auch auf visueller Ebene. Die Macher von Game of Thrones setzen vertikale Kameraschwenks ein, um von einem Standort zum nächsten zu wechseln. Die Kamera schwenkt zum Himmel, zum Kometen – und dann wieder nach unten zu einem neuen Schauplatz von Ereignissen. Es ist eine Bewegung, die den Weg zur Macht beschreibt. Man strebt gen Himmel, kann sich aber jederzeit auf dem Boden der Tatsachen wiederfinden. Und die sind schmutzig, blutig, tödlich…

Diese Auftakt-Episode der neuen Staffel erinnert uns einerseits daran, wer sich wo, wie und mit wem in der Geschichte befindet; andererseits bereitet sie den Boden für das Kommende vor – so, als würde man Holz sammeln für ein Feuer, in dem unausweichlich manche Beteiligte verbrennen werden. Andere hingegen werden als Sieger aus den Flammen hervortreten. Aber es fragt sich stets, für wie lange. Denn in Game of Thrones ist Macht oft nicht von Dauer!

Die erste Staffel endete mit Daenerys, die die Flammen überlebte und ihnen als Mutter dreier Drachen entstieg. Jetzt sehen wir sie und ihre Leute verloren in der Wüste, erschöpft, sterbend, machtlos. Der kleine Drache – wir sehen nur einen – ist der einzige Lichtblick neben dem sengenden Licht der Wüstensonne, die blendet und die Ausweglosigkeit auf Daenerys‘ ausgetrockneten Lippen ihre Spur ziehen lässt. Wohin? Ihr Blick steigt zum Himmel, zu dem Kometen. Soll sie ihm folgen? Sind die Überlieferungen wahr, von denen Osha Bran erzählt, dass nämlich der Komet die Drachen ankündigt – die Herrschaft des Feuers? Zwei andere Schwenks bringen uns zu zwei möglichen Antworten, die einander diametral entgegengesetzt scheinen – und doch lassen die Exzesse dieses Unterschieds eine zukünftige Verbindung ahnen. Feuer und Schnee, Süden und Norden.

Nur: Mit Norden ist der echte Norden gemeint, Beyond the Wall, wo sich vermutlich eine größere Gefahr für Westeros anbahnt, als die Intrigen der unterschiedlichen Könige sie darstellen. Denn auch dort befindet sich ein König, der seine Armeen zu sammeln beginnt – wenn Commander Mormont und die Männer der Night Watch ihrem derzeitigen Gastwirt Glauben schenken: Craster, dem Wildling, der seine eigenen Töchter heiratet. Nach dessen Angaben mustert Mance Rayder, der sich The King Beyond the Wall nennt, eine Wildling-Armee, die nach Westeros marschieren soll. Aber auch eine andere Warnung behält ihre Gültigkeit, die wir zum ersten Mal damals in der Pilot-Episode aus Eddard Starks Mund hörten: Winter is coming.

Immer kann Kälte das Feuer erlöschen lassen. Und die Kälte, die aufzieht, bringt Ungeheures mit sich. Davon allerdings sehen wir in dieser Episode  nicht viel, denn die Zeit ist einfach viel zu knapp, um uns an alles zu erinnern und uns die neuen Gesichter zu präsentieren! Oder, mit Tyrions Worten zusammengefasst: “So many adventures. So much to be thankful for.” Ein kleiner Mann, verglichen mit den meisten anderen Beteiligten – aber einer der großen Auftritte: Peter Dinklage beherrscht jede Szene, in der er zu sehen ist. In seiner ersten Szene verwirrt Tyrion Joffrey mit gezielten und zweideutigen Worten – und das mittendrin in Joffreys grausamen Spielchen mit Leben und Tod seiner Untergebenen. Zu ihnen zählt auch Sansa, die das Beste aus ihrer Situation zu machen versucht. Interessanterweise sehen wir in der nächsten Szene Joffreys Mutter, Cersei. Der Blick auf sie ist jedoch versperrt – die Kamera zeigt ihr Gesicht durch die Stäbe eines Käfigs hindurch.

Wie ein Vogel in einem goldenen Käfig ist Sansa eingesperrt, und die Aufnahmen von Cersei weisen darauf hin, wie meisterhaft diese die Hofintrigen zu lancieren und handzuhaben versteht: Es ist tatsächlich schwer, einen freien Blick auf sie zu bekommen, zu sehen, wer sie ist und was sie vorhat. Tyrion als Einziger scheint sich ein komplettes Bild von seiner Schwester machen zu können, was Cersei in den Wahnsinn treibt – genauso wie die Nachricht, dass ihr Vater Tyrion mit der Macht von The King’s Hand ausgestattet hat. Somit übernimmt er eine große Rolle in den Machtkämpfen. In dieser Episode wird uns präsentiert, wie Macht ausgeübt werden kann, wie jede/r danach strebt und wie die Beteiligten diese Macht verstehen. Nachdem Bran in einem seiner Träume die Welt mit Direwolf-Augen gesehen hat, sehen wir Maester Luwin ihn lehren, dass Macht bedeutet, auf andere hören zu können: ihre Bitten, Gedanken, Träume mitzubekommen und sie dadurch kennenzulernen.

In Kontrast dazu steht Joffrey, für den Macht bedeutet, auf niemanden zu hören – bis auf die eigene, sadistisch-perverse innere Stimme. In  der Konfrontationsszene zwischen Littlefinger und Cersei (To Kill a mockingbird… or not?) kristallisieren sich ebenfalls zwei unterschiedliche Herangehensweisen heraus, was Macht betrifft: Abhören und dadurch Informationen gewinnen (Littlefinger: Power is knowledge) versus gegenwärtig das Sagen haben, im Hier und Jetzt über Leben und Tod bestimmen (Cersei: Power is Power). Cerseis Worte mögen eine dominante Position darstellen, aber kann eine solche der Prüfung der Zeit standhalten? Am Ende der Episode sehen wir auf grausame Art und Weise, wie Joffrey Macht ausübt. Wusste Cersei davon? Wohl eher nicht…

So kommen wir zu einem weiteren machtvollen Auftritt in dieser Episode: dem der Priesterin Melisandre – nicht etwa dem des nächsten Königs, Stannis Baratheon. In der ersten Staffel spielten Götter, Glauben und Mythen eine geringere Rolle aber jetzt spürt man sie immer mehr in den Vordergrund der Erzählung rücken. Wir sehen zwar wenig von Stannis‘ Hof, aber umso eindrucksvoller wirkt Melisandres Auftritt, als sie einen jahrhundertelangen Glauben und damit die alten Götter dem Feuer überantwortet: Damit verspricht sie Stannis – und natürlich sich selbst – die absolute Macht ihres Licht-Gottes.

Während Arya auf dem Weg zu The Wall nur die Macht ihres unbändigen Willens besitzt, hat ihr Bruder Robb, The King of the Nord, Jamie Lannister in der Hand – und damit vermutlich das einzige Druckmittel gegen Cersei und ihren Vater Tywin. Die Frage ist, wie er seine Machtkarte ausspielen will. Die Macht mit anderen zu teilen, wäre gar keine schlechte Idee. Aber ob Renly Baratheon, der sich selbst ebenfalls als König ausgerufen hat, derselben Meinung ist? Wie der Titel des zweiten Buchs uns verrät: A Clash of Kings!