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Luther: Season 2, Episode 4

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Am Anfang der zweiten Staffel beobachteten wir Luther (Idris Elba) dabei, wie er in seiner Wohnung Russisches Roulette zum Frühstück spielte. Am Ende der Staffel stehen seine Chancen nicht mehr fünf zu eins (vorausgesetzt, der Revolver hat sechs Kugeln), sondern nur noch 50:50.

Aber ist das wirklich so? Ist Luther ein fatalistisches Spiel? Oder eher ein Dazwischen, das Luftanhalten nach dem Fall des Würfels, das Mehr im Hundert? Hat man bei einem Spiel immer noch dieselben Chancen, wenn ein Gegner die Bühne betritt – vor allem, wenn die Gegenspieler sich stark von einander unterscheiden? Luther findet in diesem Finale einen Mitspieler für das Spiel, das er seit Anfang der neuen Staffel mit bzw. gegen sich selbst spielt. Aber die beiden sind nicht gleich!

Ebenso wenig können wir die Teile der Luther-Erzählung gleich gut nennen. Man verstehe mich nicht falsch: Luther ist und bleibt eine herausragende TV-Produktion. Meine Kritik richtet sich noch immer gegen den Jenny-Plot, der mich zum großen Teil gleichgültig ließ. Zwar funktioniert das innige Zusammenspiel zwischen Luther und Jenny, aber der Plot an sich als Vehikel für Drama und Spannung greift in meinen Augen auch im Finale zu kurz – und dafür erstreckt sich seine Screentime zu lang. Zu keinem Zeitpunkt empfindet man die Porno-Bedrohung als Bedrohung oder interessiert sich für die Beteiligten und ihre Geschichten. Auch Luthers Grenzüberschreitungen, um Jenny zu helfen, wirken als wenig tragfähige Grundlage für moralische Dilemmata am Arbeitsplatz und die Fragen nach Vertrauen und Hingabe, genauso wie alle Nebendarsteller in dieser Staffel zu kurz kommen.

Andererseits fehlt der Serie die Zeit für mehr: Luthers Problem besteht darin, dass die Fälle der Woche (oder der zwei Wochen) viel zu interessant und spannungsgeladen daher kommen, um “Luft” für mehr und Anderes zu lassen. Außerdem scheint es so, als würde man sich alle Türen offen halten wollen und deswegen laufende Nebenhandlungen kurzer Hand beenden, um “neu” anfangen zu können, falls die Serie verlängert wird. Wenn man also die vier Episoden der zweiten Staffel rückwirkend betrachtet, sieht alles nach dem Versuch aus, einen handlungsübergreifenden Erzählstrang aufzubauen – als Gefahr im Hintergrund, die Luther bei Bedarf stets aus dem Gleis werfen kann. Verglichen mit der Alice-Story aus der ersten Staffel verfehlt diese jedoch ihr Ziel.

So sind wir bei einem weiteren Kritikpunkt angelangt: Alice. Genauer: Ihrem Fehlen! Im Hinblick auf die Intensität der Beziehung zwischen Luther und Alice (Ruth Wilson) und deren Wirkung auf Luthers erste Staffel verabschiedeten die Autoren Alice allzu sang- und klanglos. Man kann sich natürlich vorstellen, vor welchem Dilemma die Autoren standen: Egal welchen Zug sie mit der Figur gemacht hätten, die Gewinnchance hätte nie mehr als 50 Prozent betragen. Wenn man Luther eine Beziehung mit Alice führen lässt, droht sich das Ganze festzufahren, so dass die Intensität mit der Gewöhnung verloren geht.

Aus der Rolle der Luther-Nemesis wiederum hatte man Alice schon herausgeholt und eine viel zu innige Beziehung zwischen den beiden aufgebaut. Sie als eine Art ständige Beraterin einzusetzen, hätte der Serie zu viel US-Procedural-Feeling zugefügt – auch nicht wünschenswert. Die von Alice vorgeschlagene Variante des Zusammenlebens in Mexiko würde die Serie, so wie sie ist, beenden. Eine letzte Möglichkeit läge darin, Luther und Alice ihr selbst-liebendes und gleichzeitig selbst-mörderisches Spiel zu Ende spielen zu lassen – was auch das Leben der beiden Serienfiguren beenden würde.

In meinen Augen sind die Autoren allen Gefahren aus dem Weg gegangen, indem sie Alice auch im Finale der zweiten Staffel keine Rolle spielen ließen – außer der Bedrohung im Hintergrund, die Luther der Porno-Godmother vor Augen führt, um Jennys dauernde Freiheit zu gewährleisten. Im Vordergrund dieses Finales steht eindeutig das Spiel mit dem Würfel, das um Leben und Tod geführt wird. Mehr um Tod, wie Luther und seine Kollegen herausfinden.

Die schonungslos inszenierte Mord-Orgie der beiden Zwillingsbrüder Nicholas und Robert wirkt wie die Live-Variante eines Computerspiels, bei dem die Spieler neue Levels erreichen müssen: Je mehr Tote, desto bessere Waffen dürfen die Spieler benutzen. Ein Ende wäre nur möglich, wenn einer der beiden bezwungen wird. Da Robert in Haft sitzt und Luther nicht auf seine Hilfe zählen kann (er verliert das Würfelspiel gegen ihn), muss Luther nicht als Spieler, sondern als Level das Feld betreten. Er bietet sich also Nicholas an: als Weg zur Steigerung.

Während Luther im Jenny-Spiel die Züge der Gegner komplett mit einrechnet – er benötigt sie, um zu gewinnen, sie ließen zu, dass er mitspielt -, so spielt er mit Nicholas nach den Regeln des Russischen Roulettes. Wenn nun Nicholas die Chancen mit 50:50 berechnet, so stehen sie in Wirklichkeit doch eher 5:1 – für Luther, der das Außerhalb des Spiels mit einberechnet: die Scharfschützen, die Aufschrift auf dem Van und den Umstand, dass Nicholas’ Leidenschaft für das Spiel ihn für diese äußeren Umstände und für die Berechnungsfähigkeiten seines Gegners letztlich doch blind macht. Durchtränkt mit Benzin gewinnt Luther also auch dieses Spiel.

Ob seine Serie aber eine dritte Staffel bekommt? Es steht 50:50…

Luther: Season 2, Episode 3

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Der Horror lauert vielleicht an der nächsten Straßenecke, wo ein eigentlich unscheinbarer Mann Mitte Zwanzig steht und sein bohrender Blick einen für den kurzen Augenblick in Stein zu verwandeln droht. Eigentlich ist es ein einladender Blick: Komm und tanz mit mir den tödlichen Tanz des Chaos, des kompletten Orientierungsverlustes, des freien Falls. Luther konfrontierte uns schon in der ersten Staffel mit unheimlichen menschlichen Taten, aber Episode 3 bildet meiner Meinung nach einen Höhepunkt, was das Hervorrufen von purem Entsetzen beim Zuschauer betrifft. Ein Unbekannter terrorisiert London, indem er etliche Gewalttaten verübt, die im Laufe der Episode eine kontinuierliche Steigerung erfahren. Es fängt mit Vandalismus und Totschlag an der Tankstelle an und endet mit dem Ermorden mehrerer Büroangestellter am helllichten Tag.

Die Atmosphäre der Episode wird von dem Fall diktiert – eine Tatsache, die in manchen anderen Episoden nicht so perfekt funktionierte. Der starke Sog, den der Fall entwickelt, sorgt in meinen Augen dafür, dass der Nebenplot um Jenny (Aimee Ffion Edwards) und die Mafia eher als Ablenkung funktioniert. Da allerdings möchte man ausrufen: Wenn schon Ablenkung, dann bitte Alice!

Luther begibt sich in noch größere Probleme, um Jenny weiterhin beschützen zu können. Obwohl er im Rahmen des Möglichen (und Illegalen) kooperiert, bekommt Jenny Besuch von Toby Kent (David Dawson), der dann auf Luthers Fußboden im eigenen Blut endet, mit Luthers Küchenmesser im Kopf: Jenny hat den Zweikampf gewonnen. Die Eskalation dieses Nebenplots zum Finale scheint damit gesichert.

Aber kehren wir zurück zu dem Mann, der sich seinen mörderischen Weg durch London würfelt. Er handelt einfach, brutal, sinnlos und vor allem wahllos. Dieses Konzept – oder eher: Täterprofil – ist nicht unbedingt etwas Neues in der Film- und TV-Geschichte, aber die Art, wie Luther den Fall präsentiert, und die Steven Robertsons Verkörperung des Täters wirken äußerst verstörend. Der Angriff im Bürogebäude gehört zu den traumatischsten Szenen der letzten TV-Jahre.

Dabei wissen wir eigentlich gar nicht, ob der Täter ins Schema passt. Bislang ist er nur ein Niemand außer Rand und Band, der anscheinend wahllos Gewalttaten verübt. Auch am Ende der Episode wissen wir – und auch Luther – nichts über ihn, nicht einmal seinen Namen. Luther schafft es ihn zu verhaften, aber nichts Schlimmes konnte verhindert werden. Außerdem gibt es kein Täterprofil, gar keinen ersichtlichen Grund für alles. „He’s making his decisions on the roll of a dice“, sagt Luther. Auch John gelingt es nicht, das Spiel mit den Würfeln, den Zahlen und dem Notizblock zu durchschauen.

Zum ersten Mal in Luthers Geschichte erleben wir ein Verhör, bei dem Luthers (Idris Elba) Gegenüber sich auf kein Gespräch einlässt. Vielleicht, weil er nicht… da ist? Weil er immer noch da draußen ist, um weitere Verbrechen zu begehen: als ein Anderer und doch gleich? “Sweet Dreams” erklingt am Ende und schickt den Zuschauer ins Land der Alp-Träume, wo nächste Woche Luthers Finale wartet.

Luther: Season 2, Episode 2

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John Luther (Idris Elba) steht mit den Händen in den Taschen da. Unbeweglich am Straßenrand, während die Kamera ihn umkreist, als wolle sie die Bewegung in seinem Innern vorführen. Längst ist Luthers Welt aus dem Gleichgewicht geraten – hinein in einen Sog, der dem eines Schwarzen Lochs ähnelt. Und doch ist Luther selbst derjenige, der diese Bewegung erzeugt, in ihrem Zentrum steht und Andere mit in den Abgrund reißen kann. Oder auch retten. In dieser zweiten Episode der BBC-Produktion hängt Ripleys Leben an einem nicht seidenen, sondern sehr groben Faden, Jenny braucht weiterhin Luthers Hilfe, und Alices seidige Worte in Luthers Ohr geben ihm zu denken.

Kann er seiner Welt den Rücken zukehren und mit Alice nach Mexiko gehen? Wäre er dann noch John Luther?In dieser Episode zitiert er Alice zwei Mal: am Anfang der Episode und an ihrem Ende. Seine Antwort auf ihre Frage zum Schluss, warum er nicht mit ihr nach Mexiko kommt, lautet: „Because I am what I am.“ Man erinnere sich außerdem an das Gespräch zwischen Luther und Alice (Ruth Wilson) aus der ersten Staffel, als Alice über den Sog der Schwarzen Löcher und das ultimative Böse sprach: Jene Worte wiederholt Luther am Anfang vor seinen Kollegen, als alle um Ripleys (Warren Brown) Schicksal bangen.

Alice ist erst am Schluss der Episode kurz zu sehen, doch ihre Worte begleiten Luther die ganze Zeit über und weisen ihm den Weg, um Cameron unter die Haut zu gehen: Luther führt Cameron (Lee Ingleby) dessen eigene Nichtigkeit vor Augen, zieht ihm die Bühne unter den Füßen weg. Er inszeniert für Cameron den fehlenden Blick auf ihn. Cameron will die Hand Gottes sein: so drückt es Luthers Vorgesetzter aus, während er einen Komplizen verhört. Aber niemand hört Cameron zu.

Das Setting korrespondiert mit dieser Leere, der sich Cameron ausgesetzt sieht: Die Kamera zeigt uns Bilder des Verfalls in London. Die meisten Gebäude sind leer oder kaum bewohnbar, wie Camerons Tatorte, Luthers Wohnung oder aber Mark Norths verwahrlostes Domizil.Doch genauso wie die Blume, die Mark mit Zärtlichkeit begießt, bleibt ein Rest Hoffnung hinter der abgeblätterten Farbe der Häuser am Leben. Luther und Ripley schaffen es, die Schulkinder zu retten, die Cameron töten will. Außerdem entscheidet sich Luther, Jenny (Aimee Ffion Edwards) weiterhin zu helfen, und nimmt sie bei sich auf. Dafür freilich überschreitet er erneut das Gesetz.

Luther handelt zwar mit guten Absichten, nimmt aber Grenzüberschreitungen in Kauf – und, wie man argwöhnt, nicht ungern. Auch er spielt, wenn man so will, die Hand Gottes. Sinnbildlich bekommt er dafür einen Nagel durch die Hand geschlagen. Aber das hindert ihn nicht daran, weiterzumachen. „You’ve done enough“, sagt Alice zu ihm und wiederholt damit nun ihrerseits seine eigenen Worte zu Jenny und ihrer Mutter, „now give it up and walk away.“ Genau das aber kann Luther nicht…

Luther: Season 2, Episode 1

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Alices (Ruth Wilson) Lächeln. Was amüsiert sie? Der Verlauf der Geschichte um sie und Luther (Idris Elba)? Die eigenen Worte während einer Befragung am Anfang dieser zweiten Staffel? Wegen Luther sitzt Alice in einer psychiatrischen Anstalt. Sie wollte ihm helfen und tötete den Freund, der ihn verriet. Trotzdem bringt sie der Gedanke an Luther zum Lächeln. Währenddessen betrachten wir Luthers Vorbereitung auf den neuen Arbeitstag: Anziehen, Kaffee machen, eine Kugel in den Revolver stecken und… russisches Roulette spielen. Sieht fast nach Routine aus. Das Klicken beim Abdrücken lässt uns Zuschauer die Augen zukneifen. Alices Augen stehen weit offen, aber ihr Blick scheint anderswo zu sein: bei Luther.

Durch das Hin- und Herspringen zwischen zwei Handlungsorten in dieser ersten Sequenz hat man das Gefühl, Alice würde Luther beobachten, während sie über den Mord an Ian und ihre Beziehung zu Luther spricht. Schon immer haben sie und Luther russisches Roulette im eigenen Kopf gespielt und waren eigentich nie sehr weit von einem Treffer entfernt. Was hält die beiden davon ab, den letzten Schritt zu machen? Eine Differenz in einem indifferenten Universum zu erzeugen?

In der ersten Staffel überstieg die Chemie zwischen Idris Elba und Ruth Wilson physikalische Gesetze. In einem Interview erzählte Ruth Wilson, wie sehr sie The Wire gemocht habe – vor allem Elbas Figur. Dann kam die Rolle in Luther und das erste Treffen mit Elba, der sofort versicherte, sie als Jane Eyre geliebt zu haben. Ihre Antwort: „You never watched Jane Eyre!“ Dieses Detail aus dem realen Leben klingt genau wie eine Unterhaltung zwischen Luther und Alice. Ruth Wilson bereitete sich mit „Das Schweigen der Lämmer“ und John Grays philosophischen Werken auf ihre Rolle vor. Aber Luthers und Alices Reise durch menschliche Abgründe ist mehr Alice Through the Looking Glass.

Die Richtungswechsel im Zuge dieser Reise, die verwinkelten Gänge menschlicher Makel, durch die sie führt, sind spannend, aber auch trostlos. Denn diese Reise will und kann keine Endstation erreichen. Luthers Bilder sind voller enger Gassen, undefinierbarer Räume, verwinkelter Gänge, Hintertreppen. Man verliert beim Zuschauen die Orientierung und weiß nicht, was im nächsten Moment geschieht und was sich hinter der nächsten Ecke befindet. Durch die ausgeblichenen Farben der Erzählung aber führt uns eine dunkelrote Krawatte: Luther hat seinen Job zurückbekommen, darf Ripley an Bord holen und muss seinem neuen Chef (Dermot Crowley) versprechen, keine Spielchen hinter seinem Rücken zu treiben… und natürlich „no Alice Morgan“. Luther verspricht alles – bis auf Letzteres.

Die Räume und Orte in Luther wirken wie eine Kartographie von Luthers mentalem und seelischem Zustand: ein Stillleben, das den Rahmen sprengt. Gleichzeitig spiegeln die verkommenen Räume in London, die wir betreten, den Fall der Woche, in dem ein gescheiterter Kunststudent (bitte: immer das Studium zu Ende führen!) bühnenartige und blutige Inszenierungen mit jungen Frauen als Opfern hinterlässt. Der Mann will die Stadt aus ihrem Stillstand holen, den Rahmen sprengen. Gleichzeitig will die Witwe eines von Luther überführten Kriminellen, der im Gefängnis Selbstmord begangen hat, dass Luther ihre Tochter aus dem Bann von Sexvideos, Prostitution und Drogen herausholt. Ausgerechnet Mark, Zoes verhinderter Zweit-Ehemann, wird ihm dabei eine Hilfe sein.

Der neue Serienmörder (Lee Ingleby) – der Luther und seinen Kollegen zu schaffen macht, indem er mit dem Team als Publikum live via Webcam einen Mord begeht -, trägt eine Mr.-Punch-Maske und hegt eine Vorliebe für Londoner Geschichte. Die Serie macht typischerweise kein großes Geheimnis um seine Identität: In Luthers Welt sind Maskierungen überflüssig. Wir begegnen hier Grimassen der Realität, die zum Beißen nah sind. Mit einem Biss holt sich Luther bei der Auseinandersetzung mit Mr. Punch seine DNA, seine Identität. Und mit einem Biss holt er sich Alice wieder. Er besucht sie in der Anstalt und bringt einen roten Apfel mit. Alices Arme sind bandagiert: Auch sie hat Russisches Roulette gespielt.

Nachdem sich Alice über die mangelnde Erotik in der Anstalt beschwert hat, beißt Luther genüsslich ein großes Stück vom Apfel ab: so groß, dass eine Chipkarte Platz im Apfel bekommt. Beim Hinausgehen wirft er den Apfel über den Zaun, den Alice beim Hofspaziergang prompt findet. Mit Kapuze auf dem Kopf, dem roten Apfel in der Hand (und somit einem Teil von Luther: seiner DNA!) und einem Lächeln auf den Lippen steht sie da: Rotkäppchen, Alice im Wunderland und Schneewittchen in einer Figur. Die Frage ist: Wird der Apfel sie nach Hause bringen oder töten?

Luther: Season One

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It’s unfortunate that when we feel a storm, we can roll ourselves over ’cause we’re uncomfortable. Oh well the devil makes us sin, But we like it when we’re spinning in his grin. Love is like a sin my love, For the ones that feel it the most. Look at her with her eyes like a flame, She will love you like a fly will never love you, again.“ So lautet der Text des Massive-Attack-Songs “Paradise Circus” aus „Luther“s Vorspann.

Genauso wie uns Massive-Attack-Songs in einen hypnotischen Zustand versetzen, sorgen Idris Elba (Detektiv John Luther) und Ruth Wilson (Alice Morgan) dafür, dass man die Augen keine Sekunde mehr vom Bildschirm abwenden kann. Idris Elba dürfte den Zuschauern aus seinem Auftritt in „The Wire“ als Drogendealer Stringer Bell bekannt sein, während Ruth Wilson ihre erste große Rolle als Jane Eyre landen konnte („Jane Eyre“, BBC 2006).

Zuletzt war sie in der Mini-Serie „The Prisoner“ zu sehen, AMCs faszinierendem Remake. Dank der Performances nicht nur von Elba und Wilson, sondern auch vom Rest des Casts kann „Luther“ in keine Schublade wegsortiert werden, bleibt undefinierbar. Jedes Mal, wenn man denkt, die richtige Beschreibung gefunden zu haben, macht „Luther“ eine halsbrecherische Wendung und lässt den Zuschauer, der sich schon in kategorischer Sicherheit wiegte, am Rand stehen: vor einem Abgrund, vor dem freien Fall in die Tiefe.

Genauso steht Detective Luther auf dem Dach eines Gebäudes; seine Schuhspitzen ragen über den Rand hinaus. Er denkt über den Sinn eines freien Falls nach. „Luther“ zeigt uns Menschen im freien Fall, auch wenn dieser nur in ihrem Kopf geschieht. So wie „Rubicon“ es für seinen Protagonisten Will Travers (James Badge Dale) tat, nimmt sich die BBC-Serie „Luther“ die Zeit, ihre Hauptfigur beim Denken zu zeigen. A beautiful mind, but broken? Klingt das etwa nach Klischee? Mag sein, aber Wilson und Elba machen daraus ein spektakuläres Kammerspiel. Der Dialog zwischen den beiden während Alices Verhör bleibt uns lange im Kopf hängen.„Luther“ vergeudet keine Zeit, um uns in eine Konfliktsituation zu manövrieren. Die Serie eröffnet mit einer actiongeladenen Sequenz. Detective John Luther schafft es, einem Kindesentführer und Mörder den Aufenthaltsort seines letzten Opfers zu entlocken, aber lässt den Mann dennoch abstürzen. Darauf folgen Zusammenbruch, Untersuchung, Freistellung vom Dienst – und anschließend bekommt John seinen Job wieder. Warum? Weil keiner so obsessiv und so erfolgreich Verbrecher verfolgen und überführen kann wie er!

Aber es gibt Dinge, die, einmal gebrochen, für immer gebrochen bleiben. Luthers Vorgesetzte Rose (Saskia Reeves) und sein Kollege und bester Freund Ian (Steven Mackintosh) sehen in ihm eine tickende Zeitbombe. Von diesen Gefühlen am Rande des Ausbruchs macht die Serie sehr gut Gebrauch: Man weiß nie, ob John im nächsten Moment nicht doch hochgehen wird. Seine Präsenz füllt den Bildschirm aus – in jedem Sinne. Ein groß gewachsener Mann mit den Händen in den Taschen, mit hängenden Schultern und einem unnachahmlichen Gang: bedrohlich träge, weil zugleich voller Spannung – wie eine Raubkatze, die nur zum Schein döst.

Wie in späteren Episoden Personen anmerken werden, als Luther “maskiert” auftritt: jegliche Maskierung ist nutzlos. Man erkennt Luther, auch wenn er mit Strickmütze und Brille auf einen zuläuft.

Man erkennt ihn, ja – aber kennt man ihn? Kennt er sich selbst? Seine Frau Zoe (Indira Varma) glaubt ihn zu kennen; gerade deshalb verlässt sie ihn und beginnt eine Beziehung mit dem harmlosen Mark. Diese Tatsache wirft Luther fast über das schon angesprochenen Rand hinaus und hinab. Aber er trifft auf einen anderen „beautiful mind“: auf die hyperintelligente Astrophysikerin und Mörderin Alice Morgan, die gerade ihre Eltern samt Hund umgebracht hat. Luther weiß es; sie weiß, dass er es weiß – und dass er es nicht beweisen kann: Sie hinterlasse keine Beweise, sondern „evidence-shaped absence“, erkennt Luther.In Alice findet Luther, was er am allermeisten sucht: Erklärungen. Sie denkt mit ihm mit, sie ist sechs Episoden lang seine „mind mate“, seine Nemesis und seine Komplizin – letztendlich sein einziger Freund. Beide ziehen einander an mit dem Sog eines Schwarzen Lochs, das Alice beschreibt als „evil at its most pure, something that drags you in, crushes you, makes you nothing.

Don’t you worry you’re on the devil’s side without even knowing it?“, fragt er sie.

Aber meistens sitzt John Luther nur da und hört zu, vor allem in Verhörsituationen. Oft wird er vor einem eintönigen Hintergrund gezeigt, wodurch das gesamte Bild “flach” wirkt. Sein Kopf ist in der linken unteren Bildhälfte zu sehen. Er sitzt da, hört zu und denkt nach. Diese Aufnahmen entwickeln einen Sog für den Zuschauer, trotz fehlender Tiefe des Bildes. Man versucht, in Luthers Kopf zu blicken, ihn zu lesen, aber es gelingt nicht. Er ist gleichzeitig absolut vertieft und fieberhaft involviert, kurz vor einer möglichen Explosion. „The universe is not evil, just indifferent“, sagt Alice zu ihm. Im Laufe dieser ersten Staffel hilft sie ihm mehrmals – doch auch er ist eine Hilfe für sie, nicht nur eine gedankliche Herausforderung.Wie erzählt diese Serie? Traurig. Es ist die Trauer über den menschlichen Makel, die John Luther in den Abgrund reißt. Diese Trauer kann Alice nicht fühlen, denn sie selbst ist ein solcher Makel: Sie ist “flaw-shaped absence” – gnadenlose, gleichgültige Schönheit der reinen Abwesenheit, des Fehlens. Nur in den Begegnungen mit John Luther kann Alice fühlen, indem ein Mensch sie als Mensch braucht, als das, was sie ist. „We are who we are.

Britische Produktionen zeigen nicht nur einen speziellen Sinn für Humor – mit dem „Luther“ bislang extrem sparsam verfährt -, sondern auch ein Faible für entsetzliche Verbrechen. Genauso wie sich die Beziehung zwischen Alice und Luther über die Staffel hinweg dreht und wendet, wendet sich die BBC-Serie selbst. „Change the state of play“, rät Alice John bezüglich eines Falls. Und die Serie „Luther“ hört auf sie.

Während in den ersten vier Episoden einzelne Fälle grausamer menschlicher Taten untersucht werden, verwandelt sich die Produktion in den finalen zwei Episoden von einer Erzählung über den Wahnsinn von Serienmördern in einen klassischen Krimi über Korruption und Verrat. Geschickt benutzt die Serie zwei Nebenfiguren, um diesen Wandel zu untermauern, nämlich Luthers neuen Partner Justin Ripley (Warren Brown) und seinen besten Freund Ian. Beide tauschen die Plätze: Während sich Ian zu Luthers schlimmstem Alptraum entwickelt, wird Ripley am Ende der einzige sein, auf den Luther an seinem Arbeitsplatz zählen kann. Für mich funktionieren die letzten zwei Episoden im Doppelpack als Agonie einer Freundschaft, die zu Ende geht und Andere mit sich in die Tiefe reißt.

Ausgerechnet Zoe ist das Opfer. Die Staffel endet mit einer Auseinandersetzung zwischen John und Ian, die – mit Alices Hilfe – tödlich für Ian endet. Bereitwillig, da entzückt über die entstehende “Beziehung” zu John Luther, macht sich Alice zu seinem Finger am Abzug. „Oh well the devil makes us sin, But we like it when we’re spinning in his grin. Love is like a sin my love, For the ones that feel it the most. Look at her with her eyes like a flame, She will love you like a fly will never love you, again“…