Holder erbringt den endgültigen Beweis, wer Rosies Mörder ist, und kann zusammen mit Linden den Fall abschließen. Aber ist wirklich alles das, was es zu sein scheint?
Das Finale von The Killing kommt überraschend – und irgendwie doch nicht. Täte es der Serie nicht besser, den Fall abzuschließen und mit der zweiten Staffel neu anzufangen? Vermutlich schon. Denn viele Zuschauer sind vor allem deshalb bis zum Ende dabei geblieben, um zu erfahren, wer Rosie Larsen tötete, und müssen nun mindestens ein Jahr lang auf die Antwort warten – mindestens, denn ausgehend von der bisherigen The-Killing-Dramaturgie kann man nicht sicher sein, dass die Antwort dann gleich kommt. Sollte AMC bei der zweiten Staffel mit einem Ratingseinbruch rechnen? Vermutlich.
Andererseits: Ist wirklich die Frage nach Rosies Mörder das Wichtigste? Wie steht es mit der auch im Finale hervorragenden Performance von Brent Sexton, Joel Kinnaman und Mireille Enos? Man nehme die kleine Szene, als Stan im Krankenhaus auf Amber trifft und die Frage nach der Anzahl seiner Kinder zu beantworten versucht. Oder auch seinen vollkommenen Frieden und tiefste Trauer ausstrahlenden Auftritt, als er Terry erzählt, dass Mitch (Michelle Forbes) gegangen sei. Dazu kommt das Zusammenspiel zwischen Linden und Holder, das nach der elften Episode, die nur für die beiden Halt machte, noch intensiver wurde.
Richmonds Szene mit Linden am Ende der letzten Episode war gut gestaltet, aber ihre Fortsetzung im Finale gehört zu der Reihe von Darstellungen in The Killing, die sich richtig um Dramatik bemühen; vor allem auf auditiver Ebene. Dafür holen die beiden alles etwas später nach, als Linden Richmond mit dem Mord an Rosie konfrontiert und er außer sich gerät. Mir gefielen die „gekippten“ Bilder: Die beiden schreien sich im Grunde auf der Diagonalen an; alles scheint aus dem Gleichgewicht zu geraten. Das passiert auch Darren, denn auf die Veröffentlichung der Beweise für seine Affären folgt der Beweis für den Mord an Rosie. Nach gelungener Rekonstruktion der Tour, die Richmonds Auto in jener Nacht machte (warum auch immer man erst jetzt darauf kommt), bekommen die Ermittler dank Holders Arbeit auch ein Foto mit Darren hinterm Steuer. Sehr schön schließt man den Kreis, als man Linden und Holder wieder an dem Punkt aus dem Piloten zeigt – auf Seattles Feldwegen und in den Wäldern der Umgebung, in ihren giftgrünen, durchnässten Fängen.
Nach Richmonds Verhaftung schafft es Linden, mit Jack ins Flugzeug nach Sonoma zu steigen – nur um in letzter Sekunde zu erfahren, dass Holder ihr Vertrauen missbraucht und Beweise gefälscht hat. Gleichzeitig sehen wir, wie Holder in ein Auto steigt und zu dem offscreen bleibenden Fahrer sagt: Es habe funktioniert, Richmond werde fallen.
Das kommt wirklich überraschend – vielleicht die einzige wirkliche Überraschung bisher. Man kann nicht behaupten, dass wir Hinweise auf eine solche Wendung hatten. Für wen arbeitet Holder? Für Gwens Vater? Führt er eine eigene undercover-Untersuchung durch? Wird nach Bennetts Koma Darren als nächster Nicht-Schuldiger Rosies Tod zum Opfer fallen? Am Ende der Episode sehen wir, wie Belko eine Waffe auf ihn richtet…
In welche Richtung The Killing in der zweiten Staffel gehen wird, bleibt abzuwarten. Aber die Serie kann sich nicht ewig darauf ausruhen, dass die Atmosphäre die Arbeit macht und die Zuschaueremotionen bedient, während sich die Handlung sprunghaft und holprig zwischen dem Legen falscher Spuren, langweiligen Politikplots und minimalistischer Beschäftigung mit den Figuren bzw. gar ihrem Fallenlassen nach kurzem Gebrauch bewegt.
Mag sein, dass die Serie nur in meinen Augen solche Schwächen aufweist und ich extrem falsch liege. Daher bin ich gespannt, wie ihr die komplette erste Staffel inklusive Wendung im Finale seht und was ihr von der zweiten erwartet.