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Schöne Bilder: Ästhetik in heutigen TV-Serien – Teil IV (Fringe, Boardwalk Empire)

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„Boardwalk Empire“ sorgte im Fernsehjahr 2010/2011 für großes Aufsehen – allerdings vor allem wegen der Geldsumme, die HBO in Piloten und Werbekampagne zu investieren bereit war. Außerdem schien das Projekt mit Namen wie Martin Scorsese und Steve Buscemi hinter der Produktion förmlich zum Erfolg verdammt.Und doch: Nicht nur die Quoten oder die dicht erzählte Geschichte um die amerikanische Prohibitionszeit sollten von sich reden machen, sondern auch die Bilder der Serie. Damit sind nicht nur die CGI-Effekte und die Sets gemeint, sondern auch die cinematographische Arbeit. Man könnte sagen, dass die Kamera in „Boardwalk Empire“ uns Zuschauern die Figuren und ihre emotionalen Zustände gleichsam erarbeitet.

Das beste Beispiel hierfür bildet natürlich die Hauptfigur der Erzählung, Nucky Thompson, verkörpert von Steve Buscemi. Immer, wenn ich Steve Buscemi sehe, muss ich an die kongenialen Bilder von „Fargo“ (Joel und Ethan Coen) denken, die genauso malerisch daherkamen wie diejenigen der HBO-Serie. Die Kamera nähert sich im extremen Close-Up den wässrigen Augen Buscemis; im nächsten Moment fährt sie zurück und gibt den Blick auf das ganze Gesicht frei, wo jeder Funken einer Regung sichtbar wird: Zweifel, Reue, aber auch Genuss. Atlantic Citys Promenade ist nicht nur mit Liebe zum Detail inszeniert, sondern Nuckys Figur scheint mit ihr zu verschmelzen. Er gehört dazu – und ist gleichzeitig überrascht, gar verbittert über diese Tatsache.

Manche Szenen fallen besonders auf – sie erzählen mehr über die Figur als alle Dialoge zusammen. Etwa diejenige, in welcher Nucky vor dem Schaufenster mit dem Inkubator steht (“See Babies That Weigh Less Than Three Pounds!” lautet die Aufforderung auf dem Werbeschild). Die Kamera filmt Nucky dann von innen, vom Laden aus, so dass er in der linken Bildhälfte am Fenster- und Bildrahmen steht. Danach geht er zum Geländer und bleibt dort stehen, mit Blick aufs Meer. Aus einem Low Angle heraus (sehr typisch für den Piloten und für Scorseses Arbeiten) nähert sich die Kamera seinem Gesicht, dann filmt sie ihn von hinten. Die Farbe seiner Augen ist jetzt die Farbe des Meeres, die vor unserem und seinem Blick liegt.

Wieder steht er links im Bild, als einzige Vertikale. Die restliche Bildstruktur erzeugen die Horizontalen des Meeres, des Geländers und der Bank, die sich rechts im Bild befindet. Die Zeit wird eingefroren. Das Bild könnte auch von René Magritte stammen… In dieser Aufnahme werden die Emotionen aufgefangen und wie auf einer zeitgenössischen Postkarte präsentiert, so dass man beim Zuschauen einen salzigen Geschmack im Mund bekommt.

Später in der „Boardwalk Empire“-Erzählung sehen wir eine ähnlich Aufnahme: „What does the future hold for you?“ Diese Überschrift steht am Schaufenster einer Wahrsagerin auf der Promenade. Nucky nähert sich und wirft einen Blick hinein. Die Kamera filmt ihn auf dieselbe Art wie beim Baby-Schaufenster: „What does the future hold for you?“Für die Serie selbst beantworteten die HBO-Chefs diese Frage sehr schnell, indem sie nach der Ausstrahlung des Piloten sofort eine zweite Staffel in Auftrag gaben. Stuart Dryburgh stand beim Piloten hinter der Kamera, Martin Scorsese übernahm die Regie. Die restlichen elf Episoden gingen auf das Konto Kramer Morgenthaus und Jonathan Freemans. Ungefähr zwei Drittel der Aufnahmen stammen aus Locations in New York, hauptsächlich aus Brooklyn.Um die zeitgenössische Stimmung und die Kleidung wiedergeben zu können, investierte man viel Zeit in Recherche.

Manche der Details in der Serie wurden minutiös aus Fotografien jener Ära übernommen, etwa das Baby-Incubator-Sideshow oder das Chop-Suey-Restaurant. Laut Dryburgh versuchte man, die Tönung der Bilder gedämpft zu halten und die Farben teilweise zu entsättigen – bis auf ein paar grelle Farbflecke wie zum Beispiel Blumen. Die wichtigste Frage, vor der die Produzenten standen, betraf die Ausrichtung der Promenade. Letztendlich entschied man sich für die Südrichtung, damit möglichst viel Sonneneinstrahlung und damit natürliches Licht zur Verfügung stünde – denn die Serie wird sowohl im Sommer als auch im Winter gefilmt. Der Pilot wurde in 30 Tagen abgedreht, während der Crew für die restlichen Episoden jeweils zwölf Tage zur Verfügung standen.Nach der Sichtung der ersten Staffel und den Aussagen der Produzenten kann man getrost behaupten, dass die Kameraleute von „Boardwalk Empire“ sehr gern mit Low- und High-Angle-Aufnahmen operieren und diese häufig ins Extreme führen. Unser Blick befindet sich mit der Kamera entweder ganz unten oder ganz oben.

Ähnlich verlaufen auch die Erzählung und das emotionale Innenleben der Figuren. Die beste Beschreibung, die einem spontan einfällt: wie eine Sinuskurve! Im strikt geometrischen Sinne: Das Leben der Figuren in „Boardwalk Empire“ verläuft in Sinuskurven – mal sind sie oben, mal unten, und dazwischen ereignen sich nur freier Fall und atemberaubender Aufstieg. Solcher Kurven bedienen sich aber auch die Figuren in ihren Monologen selbst: seien es Al Capone und Margaret in „Family Limitation“, Chalky in „Anastasia“ oder Jimmy in „Nights in Ballygran“. Die Monologe bilden Ausschnitte einer Sinuskurve; sie sind kleine Parabeln.Sehr gut wird uns dies mit den ersten Bildern von „Family Limitation“ veranschaulicht. Die Szene besitzt inhaltlich keine besondere Bedeutung, aber visuell durchaus: Wir befinden uns auf der Promenade.

Die Kamera (und unser Blick mit ihr) steigt empor und eröffnet den Blick auf das muntere Treiben dort unten. Es ist fast eine Top-Angle-Aufnahme (extreme Aufsicht), die uns Überblick verschafft. Dann fährt die Kamera plötzlich nach unten, ganz tief, bis zum Boden, und zeigt aus der extremen Untersicht einen Mann mit einem Geldumschlag. Er wird dann in einer Slow-Motion-Verfolgung in eine Falle gelockt, bekommt einen Schlag auf den Kopf und fällt zu Boden. In diesem Moment sind wir durch die Kamera wieder an seinen Blick gekoppelt. Wir befinden uns auf dem Boden und blicken Richtung Himmel, dorthin, wo wir uns am Anfang der Szene befanden. Damit sind wir innerhalb kürzester Zeit am Scheitel- und Tiefpunkt der Sinuskurve gewesen.

Nucky versucht stets, am höchstmöglichen Punkt zu verweilen, aber damit beeinflusst er das Leben Anderer – und manchmal ihren freien Fall. In „Broadway Limited“ spricht Jimmys Mutter mit Nucky und fragt ihn, warum er sich nicht an sein Versprechen halte, ihren Sohn von Problemen fern zu halten. Nucky antwortet, er sei doch kein Gott. Diese Szene korrespondiert direkt mit dem Ende der Episode. Broadway Limited zeigt uns, dass Nucky – ob Gott oder nicht – dem Leben eines jeden Menschen, mit dem er in Berührung kommt, seinen Stempel aufdrückt: Er markiert, signiert, hinterlässt Spuren – solche wie die schmutzigen Abdrücke auf dem Teppichboden der Hotellobby, auf die Nucky in der letzten Szene blickt.Dieses Bild nun hält die komplette bisherige Erzählung fest – wie auf einem Foto. Nucky geht ins Trockene, da es draußen regnet, aber auf dem Weg in die eigene “Komfortzone” hinterlässt er matschige Abdrücke. Als er im Fahrstuhl steht, blickt er auf diese Abdrücke (und wir blicken mit ihm). Dann zeigt uns die Kamera sein nachdenkliches Gesicht, eingerahmt von einem Rhombus des Fahrstuhlgitters. Die Fahrstuhltür schließt sich: von rechts nach links, wie ein Kameraschwenk Richtung Abspann. Diese dritte Episode scheint alle Handlungsstränge miteinander zu verbinden – wie eine Fotostrecke von Bildern, die auf einem Negativfilm nacheinander an unseren Augen vorbeiziehen.

Visuell wird das mit Hilfe “simulierter” Kameraschwenks dargestellt: Wenn sich die Erzählung von einem Handlungsort zum anderen bewegt, schwenkt die Kamera von links nach rechts; im Bild erscheint ein vertikaler schwarzer Balken, der den Schnitt versteckt, so dass man als Zuschauer den Eindruck eines fließenden Übergangs bekommt – wie zwischen zwei eingerahmten Fotos. Diese fotografische Simulation korrespondiert direkt mit Jimmys Leben, das sich ebenfalls als Simulation erweist: Von diesem Leben existieren keine Fotos. Im Fotoalbum sind nur Bilder seiner glücklich aussehenden Frau und seines Kindes zu sehen. Jimmy muss in dieser Episode feststellen, dass es in Atlantic City keinen Platz für ihn gibt: Nucky schickt auch ihn weg.

Die zwei „Boardwalk Empire“-Kameramänner bewegten sich nur selten weg von dem im Piloten angegebenen Ton, aber entschieden sich im Laufe der Erzählung, die Tönung der Bilder allgemein dunkler zu gestalten. Diese “Verdunkelung” spiegelt die immer größeren Probleme wider, die Nucky heimsuchen. Sehr typisch für die HBO-Serie sind zudem die “kleinen Dramen”, die sich über zwei oder sogar nur eine Episode erstrecken und laut Freeman und Morgenthau einen ganz eigenen Look bekommen: „We were encouraged to treat each episode as its own mini-feature and, to a certain extent, give each one a unique look“, sagte Morgenthau.

Beispielsweise verwendete Freeman exzessiv so genanntes Side Light in den Harrow-Episoden. Harrow trägt eine Maske, um seine im Krieg verunstaltete Gesichtshälfte zu verbergen; mit Hilfe des Lichteinfalls – so dass eine Gesichtshälfte im Schatten bleibt – unterstrich man die grundlegende Thematik des Maskentragens in der gesamten Serie: Viele Figuren verstecken sich hinter Masken. Im Vergleich zu seinem Kollegen bevorzugt Morgenthau Toplight, das nicht nur die Augen der beleuchteten Figuren wie zwei Nadelstiche ihr Gegenüber durchbohren lässt (man denke an Arvin Sloanes Beleuchtung in „Alias“), sondern auch – wie oft bei Nucky – das Auftreten der Figur machtvoll und imposant macht.

Bei Tagesaufnahmen war man sich jedoch einig darüber, sparsam mit künstlicher Beleuchtung umzugehen, da im Jahre 1920 Elektrizität einen Luxus darstellte. Die Promenade freilich musste trotzdem erstrahlen, denn sie war das Herzstück von Atlantic City: Hier geizte man nicht mit Beleuchtung, Luxus hin oder her.

Fringe

„Fringe“ gehört zu den Serien, die eine extreme Entwicklung durchgemacht haben. Man vergleiche zum Beispiel die erste mit der dritten Staffel des FOX-Projekts. Auch im visuellen Bereich tritt das zu Tage. Michael Bonvillain („Alias“) filmte den „Fringe“-Piloten, während nach und nach unterschiedliche Kameramänner zu der „Fringe“-Ästhetik beitrugen, die wir in der bisher letzten dritten Staffel genießen durften – unter anderem Michael Slovis, der in den letzten Jahren durch den Emmy für „CSI: Crime Scene Investigation“ und seine Arbeit bei „Rubicon“ und „Breaking Bad“ Berühmtheit erlangte. Derzeit sind David Moxness, Greg Middleton und Tom Yatsko die drei “Haupt-Kameramänner” der Serie.

Während man in den ersten beiden Staffeln kaum von einem spezifischen „Fringe“-Look sprechen konnte, hat der visuelle Fluss der Serie laut Kameramann Yatsko mit der dritten Staffel in sein ganz eigenes Bett gefunden: seien es die Farbenspiele innerhalb einzelner Episoden, sei es das häufige Platzieren kleiner, aber wichtiger Details im Vordergrund des Bildes usw. Mit der Kreation visueller Spiele stellt „Fringe“ im Grunde folgende Frage: Empfinden wir Menschen Dinge und Vorgänge bzw. Ereignisse nur dann als schön, wenn sie einen Sinn ergeben oder ihre Schönheit logisch erklärt werden kann? Wo aber bliebe dann das äußerst subjektive, unlogische Schönheitsempfinden?

Die Logik der Serie ist eng verbunden mit ihrem Genuss als visuelles Produkt, mit dem Empfinden der Schönheit brillanter visueller Inszenierungen – und auch dem Genuss der Interaktion zwischen den Figuren, der kleinen und feinen Meta-Spielchen seitens der Autoren, der Vorlagen für die Zuschauer, sich selbst Gedanken zu machen oder sich gar darin zu verlieren: nur weil der Prozess, gedankliche Knoten zu binden, Spaß macht. Matters of the Mind or Matters of the Heart? Das ist eine der wichtigsten Fragen, mit denen „Fringe“ spielt – und zwischen deren zwei Antworten die Serie unauffällig eine Brücke baut.Brücken sind unangefochten DIE visuelle Metapher für „Fringe“s Erzählkonzept und Thematik: der Technologie entstammende Verbindungen zwischen Dingen bzw. Orten, die ursprünglich nicht direkt miteinander verbunden waren. Brücken erlauben uns, Grenzen zu überschreiten, Verbindungen herzustellen – zwischen Menschen, aber auch zwischen einer Welt und ihrem Spiegelbild. „Fringe“ handelt als romantisches Sci-Fi-Märchen vom Überbrücken von Gefühlen und Zeit. Um zu sich selbst zu gelangen, zu einem Spiegelbild oder zu sich selbst als einem Anderen?

Die Produzenten wollten nach eigenen Aussagen die zwei Welten in „Fringe“ immer näher zusammenführen, auch auf visueller Ebene. Während im blauen Universum der visuelle Erzählfluss standardgemäß abläuft und ausbalancierte Bilder präsentiert, die den Eindruck des horizontalen Fließens vermitteln, erscheint das rote Universum von Unruhe gekennzeichnet. Oft sind dort die Bilder “gekippt”, drohen die Balance zu verlieren – so wie die Welt, die sie zeigen, bereits aus der Balance geraten ist.Die Kamera wechselt zwischen Unter- und Aufsichten; sie verändert ihre Position auf der Vertikalen, um uns dann plötzlich mit extremen Close-Ups von den Gesichtern der beteiligten Figuren zu konfrontieren oder mit Details, die die Erzählung aufnehmen und ihr eine besondere Färbung verleihen.Färbung ist hier das Stichwort: Rot und Blau. Erinnern wir uns an Fauxlivias Blutabnahme in der Episode … – die Fläschchen haben rote und blaue Deckel, und an der Wand hängt ein “fließendes” Bild (vertikale Bewegung).

Das “Drüben” wurde zunächst nicht nur durch die dominierende rote Farbe und rötliche Oberflächen markiert, sondern auch anhand von Kameraeinstellungen (viele Low Angle-Aufnahmen), die unseren Blick – der auch an Olivias gekoppelt ist – vom Gesehenen distanzieren. Nach Olivias (Anna Torv) Flucht suggerieren auch die zahlreichen Long Shots diese Distanz, in denen die Umgebung präsentiert wird. Die Distanz schwindet schließlich im selben Maße, wie Olivia nach und nach von Alt-Olivias Erinnerungen überwältigt wird: Nun dominieren Medium Shots und “weiche Close-Ups”. Die erhöhen nicht nur unsere Empathie mit der Figur, sondern demonstrieren ihren Fall: immer tiefer in ein anderes Leben hinein.Mehr und mehr muss man als Zuschauer auf jedes Detail im Bild achten, denn ob im Fokus oder nicht: die Kunst steckt bei „Fringe“ im Detail.

Bei Olivias zwei kurzen Reisen nach Welt-1 in „Amber 31422“ bemerkt man eine Veränderung im Bild: Die Luftballons bei Olivias erstem Eintreffen waren blau, gelb und rot, während sich die Farben beim zweiten Mal zu Blau, Lila und Gelb verschoben haben.Mit Hilfe dieser Veränderung wurde uns demonstriert, dass Olivias Reise von der roten zurück in die blaue Welt begonnen hat und sie sich auf der Schwelle befindet: „Fringe“ bewegt sich von einer Nummer zur nächsten.Der Titel der nächsten Episode lautet denn auch „6955 kHz“; er wird schon in „Amber 31422“ vorweggenommen, ganz am Anfang, als die Kamera sich Richtung Quarantäne-Zone Franklin Station bewegt. Folgende Zahlen stehen auf den drei grünen Kreisen und dem roten Kreis unter dem Haltestellen-Namen: 6955.

Das Fringe-Team findet heraus, dass jemand die Zahlenübertragungen mit Hilfe eines unbekannten Geräts manipuliert hat, um die Zuhörer vom Code abzubringen. Nicht Walter, sondern Astrid gelingt es, den Code zu knacken – eine Referenz auf Astrid-2! Als sie, um Walter zu beruhigen, eine Schallplatte auflegt, sehen wir kurz im Bild, dass es sich um Bachs “Kunst der Fuge” handelt. Lateinisch “fugere” bedeutet “fliehen”. In der Musik wird als Fuge ein polyphon komponiertes Musikstück bezeichnet, dessen Stimmen einander “fliehen”, sich gegenseitig einen Kontrapunkt setzen, worin es Bach zur Meisterschaft brachte. In der Psychologie bezeichnet „state of fugue“ temporäre Amnesie und dissoziatives Verhalten: Eine betroffene Person geht einfach weg, entflieht ihrem alten Selbst und nimmt für eine gewisse Zeit eine neue Identität an (einen Kontrapunkt zu ihrem alten Selbst).

Fringe lässt keine Möglichkeit aus, um auf diese subtile Art und Weise auf die Probleme der Figuren hinzuweisen, aber gleichzeitig auch den handlungsübergreifenden Erzählstrang voranzutreiben. Hinter dem Code also verbergen sich Locations überall auf der Welt, wo offenbar, wie das Fringe-Team herausfindet, Teile von Walternates Maschine versteckt sind.„Fringe“s Produzenten hingegen versuchten nicht zu verstecken, dass in der dritten Staffel die weiße Farbe in Kombination mit Rot und Blau auftaucht. In mehreren Episoden sieht man im Hintergrund außerdem schwarz-weiße Fotos von Brücken an Wänden hängen. Kein Blau, kein Rot, sondern Schwarz und Weiß. Schwarz oder Weiß? Ein Bild der Überquerung: von einer Welt in die nächste? Auf der Suche nach Wahrheit – oder auf der Suche nach Hoffnung? Gibt die Wahrheit Hoffnung?Nicht nur ist Weiß im herkömmlichen Sinne die Farbe des Friedens, sondern sie umfasst alle Farben, sie ist der Punkt, wo alle Farben zusammenlaufen – in einer weißen Tulpe: „Who are you really, and what were you before?

Schöne Bilder: Ästhetik in heutigen TV-Serien – Teil II (CSI, Dexter, Nip/Tuck)

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Die Reise ins TV-Reich der schönen Bilder wird fortgesetzt. Heute richtet sich das Augenmerk auf Alias, Dexter, Nip/Tuck und CSI.

Bei einem Long Shot kann der Eintritt eines Objekts ins Bild einem flach wirkenden Bild Tiefe verleihen. In der sechsten Episode der vierten „CSI: Crime Scene Investigation“-Staffel zum Beispiel sehen wir Sara (Jorja Fox) vor einem Gebäude warten. Obwohl sie extrem klein im Bild zu sehen ist, wirkt das Bild sehr flach – auch durch die beiden geparkten Polizeiautos und die graue Tönung des gesamten Bildes: Man bekommt den Eindruck, als wären das Gebäude und der Himmel zwei horizontal separierte Teile eines Ganzen. Dann fährt ein Lkw von rechts ins Bild und nimmt die komplette rechte Hälfte ein. Dank dieser Tatsache und der plötzlichen Bewegung im Bild scheinen sich nun das Gebäude, Nick und Sara im mittleren Tiefenbereich (middleground) zu befinden, während der Himmel in den Hintergrund tritt und der Lkw den Vordergrund okkupiert.Einschlägige Bücher lehren uns, dass die visuellen Basiskomponenten eines jeden Bildes „space, line, shape, tone, color, movement, and rhythm“ sind. Diese Komponenten verleihen dem Bild seine visuelle Struktur. Die Wirkung eines Bildes auf uns Zuschauer hängt generell vom Zusammenspiel dieser Komponenten ab. Natürlich kann man Bilder nicht einfach außerhalb des Kontexts einer – in diesem Fall seriellen – Erzählung betrachten: Die visuelle Gestaltung bildet einen Teil der Erzählung. Zudem kreiert man in manchen Serien eine distinkte visuelle Signatur, die einen Wiedererkennungswert für den Zuschauer besitzt.

Manchmal freilich wird das Bild einfach “schön” gestaltet. Die Wahl einer Farbe oder einer Kameraeinstellung zum Beispiel hat nicht immer mit erzähltechnischen Aspekten zu tun, sondern – wenn man Regisseuren Glauben schenkt – auch mit ästhetischen. Natürlich ist eine Betrachtung der “schönen” Bilder unserer Serien eine zweischneidige Sache: Schönheitsempfinden ist immer subjektiv; bis auf Aussagen von Kameramännern und Regisseuren handelt es sich um die eigene Interpretation, die wiederum aus der eigenen Wahrnehmung einer bestimmten Serie resultiert. Nichtsdestotrotz schauen wir uns Fundstücke aus unterschiedlichen Serien an, nicht nur den schon erwähnten visuellen Signaturen auf die Spur zu kommen, sondern auch um zu sehen, ob und wie sie die Erzählung einer Serie verbildlichen.Damit das Zusammenspiel der am Anfang des Artikels erwähnten Bildkomponenten überhaupt stattfinden kann, benötigt man Licht. Die Beleuchtung bei einer Produktion dient aber nicht nur dem Sichtbarmachen des Bildes, sondern mit ihrer Hilfe kann ein Bild auf unterschiedliche Art und Weise manipuliert werden, indem auf die Bildkomposition Licht “geworfen” wird, so dass unser Blick und damit unsere Aufmerksamkeit auf Bildteile – entweder bestimmte Objekte oder Handlungen – gelenkt werden. Im Gegenzug produziert die Beleuchtung auch Schatten – es werden dem Zuschauerblick auch Bildteile verborgen.

Die Beleuchtung beeinflusst damit maßgeblich unsere Wahrnehmung des Bild-Raumes, der Form und Größe der gezeigten Objekte und ihrer Textur / Oberfläche. Ein gutes Beispiel für herausragende Arbeit mit Licht- und Farbkompositionen aus dem Spy-Genre ist die Serie „Alias“. Hier wurde die Arbeit des Kameramanns Michael Bonvillain mit einer Emmy-Auszeichnung für den Piloten „Truth be Told“ und einer ASC-Award-Nominierung für die Folge „Time will Tell“ gewürdigt. Obwohl die Serie längst abgesetzt ist, kann man Arvin Sloanes undurchschaubar-bösen Blick kaum vergessen. Seine Augen erschienen immer wie zwei Dolche, die seinen Gesprächspartner durchbohrten. Um diese Wirkung zu erreichen, verwendete die Crew Toplight (also Licht von oben) und zeigte Close-Ups von seinem Gesicht leicht aus der Untersicht, so dass seine Augen das Licht wie eine funkelnde Nadelspitze reflektierten.

„Alias“ pflegt generell einen spezifischen Licht-Umgang mit Figuren. Bei Close-Ups sind die Gesichter mittels Cross bzw. Side Light oft so ausgeleuchtet, dass ein Teil des Gesichts im Schatten bleibt.Es entsteht eine klare Grenze zwischen Hell und Dunkel, die das Gesicht in zwei gleichwertige und symmetrische Hälften aufteilt. Ähnliche Ausleuchtung findet sich aber auch in anderen Spy-Serien wie „24“ oder aber Krimi-Procedurals. Sie wird entweder in Verhörsituationen verwendet, um in uns den Verdacht einer Schuld des Verdächtigen zu erwecken, oder sie verweist bei Figuren auf deren innere Zerrissenheit.Diese Aufnahmen erfüllen ihren Zweck nicht nur im Effekt, sondern sind eng mit der Hauptthematik der Serien verknüpft. Die spezifische Ausleuchtung von Figuren hebt einen möglichen Kontrast hervor – so, als besäßen die Charaktere zwei Gesichter bzw. zwei Gesichtshälften: eine dunklere, versteckte und eine hellere, offene. Vor allem in Situationen mit Verdächtigen wird damit auf eine mögliche Schuld hingewiesen.

Laut „Alias“’ Regisseur Ken Olin werden überwiegend Hauptfiguren in unterschiedlichen Situationen auf diese Art und Weise ausgeleuchtet.Visualisiert wird Sydneys Zerrissenheit zwischen ihrem Glauben an eine höhere Aufgabe und der Unmöglichkeit, ein “normales” Leben zu leben. Eine ähnliche Ausleuchtung von Gesichtern findet in vielen Serien mit Hilfe von Hindernissen für das von außen strömende Licht statt. Dieser Beleuchtungsaspekt ähnelt der Arbeit eines Malers. So entstehen Lichtstreifen, und einer davon betont immer die Augenpartie der Figur. Dies ist ein häufiger Anblick in Showtimes „Dexter“. Man bekommt den Eindruck, als würde ein Stückchen Licht auf dem Gesicht landen, als würde das Licht wie ein Pinselstrich das Bild berühren.Slice of Light und Slice of Life. So könnte man „Dexter“ beschreiben. Laut Kameramann Romeo Tirone bemühte man sich, Dexters Sicht auf die ihn umgebende Welt herzustellen: nicht sie so darzustellen, wie sie ist, sondern so, wie er sie sieht. Die frühen Episoden sind voller glänzender Oberflächen.Das Licht durchdringt sie nicht, sondern wird abgewiesen, reflektiert. „Dexter“s Welt ist voller Spiegelungen, Reflexionen, wie ein blutiger Mond in der Pfütze oder Dexters Gesicht, das sich in der Messerklinge spiegelt.

Die rote Farbe bei Nachtaufnahmen, in der Zeit von The Dark Passenger, scheint der Dunkelheit zu entspringen; das Rot saugt das Licht in sich auf. Auch bei Außenaufnahmen bei Tageslicht scheint alles eine rötliche Färbung zu haben, wenn Dexter in einer Szene zu sehen ist.Wenn wir jedoch mit seinem Blick auf die Umgebung schauen, wirken die Farben zwar warm, aber “entsättigt”, verdünnt: Das Bild wirkt trotz seiner Farbfülle kontrastarm. In den ersten zwei Staffeln filmte Tirone bei Außenaufnahmen mit Hilfe eines strohfarbenen Filters, um Miamis glühende Hitze hervorzuheben. Die Welt um Dexter herum erscheint wie eine einzige Oberfläche, ohne etwas darunter: Alles verschmilzt in eine gleich aussehende Masse. Tirone und seine Crew wollten damit die Leere, die Dexter in sich trägt, auf die Umgebung projizieren. Aus diesem Grund verzichtete man weitgehend auf Tiefe in den Bildern (was sich in den späteren Staffeln ändern sollte).

Sie wirken flach, synthetisch, portioniert.Slice of life, the American life: in Scheiben geschnitten und in Plastik gewickelt, wie menschliche Körperteile. Das Blut bei Dexters Morden darf mit Oberflächen nicht in Berührung kommen, um keine Spuren zu hinterlassen, keine Spuren von dem, was Dexter ausmacht und ausfüllt: Blut. Für die Technikliebhaber unter euch: Es wurden in den ersten zwei Staffeln Sony F900 und Arri 435 Kameras benutzt, während man später auf Sony CineAlta F23 und Sony EX1 umstieg.Mit Hilfe der Beleuchtung sind Dexters Welten klar differenziert. Bei Aufnahmen tagsüber und in Situationen, wo Dexter seinem Job und dem “normalen” Leben nachgeht, wird er meiste mit frontalem Licht (front light) gefilmt; man kann das komplette Gesicht sehen. Nur in Szenen, in welchen er in seinem Labor sitzt, wir sein Voice Over hören und er andere Figuren durch die Rollos beobachtet, fällt genau der Streifen Licht auf seine Augenpartie, von dem ich oben gesprochen habe.

Bei Aufnahmen von Dexters nächtlicher Jagd und seinen Mord-Szenen wird hauptsächlich Licht von oben eingesetzt, so dass man eine gleichzeitig unheimliche und surreale Wirkung erzielt.Diese Art der Beleuchtung bleibt konstant, aber nichtsdestotrotz sind die Kill-Szenen unterschiedlich gestaltet. Rot, obwohl Hauptfarbe, wird relativ sparsam und punktuell benutzt, während die Morde entweder in Blau oder Grün getaucht sind. Die blaue Farbe dominiert in den späteren Staffeln die nächtlichen Szenen: Das Gefühl der Dunkelheit bleibt – und trotzdem kann man sehen, was gerade passiert. Mit kleinen Lichtquellen im Raum werden die Bilder beleuchtet, die Dexter für seine Opfer bereitstellt. In solchen Szenen errichtet Dexter Inszenierungen für den Blick des Opfers, auf die sie einen Blick werfen müssen, bevor sie sterben. Das andere Bildteil, was zusätzlich beleuchtet wird, sind Dexters Instrumente, so dass ein von der Messerklinge reflektierter Lichtstreifen sein Gesicht berührt, wenn er ein Messer ergreift.

In den späteren Staffeln werden Dexters Morde immer seltener; parallel dazu verändert sich auch die Farb- und Lichtdominanz innerhalb der Bilder. Mit der Entwicklung der Beziehung zu Rita (Julie Benz) “erstrahlt” auch Dexters Welt. In Ritas Haus als permanentem Setting lässt die Crew, vor allem in der dritten Staffel, mit zusätzlichen Lichtquellen die Räume erstrahlen, so dass wir fast ein “soapiges” Bild bekommen.In der vierten und fünften Staffel geht das Rote der Serie immer öfter ins Gelbe über. Sogar Dexters Morde sind “gelb”.Die Verschiebung innerhalb der Farbenpalette geht mit der Verwendung von mehr Tiefe im Bild einher; beides korrespondiert wiederum mit Dexters Suche nach “mehr Licht”, nach menschlicher Tiefe, nach Emotionen und Gefühlen. Aber seine Suche führt immer wieder zu demselben Ergebnis: Immer wieder findet er… Blut unter der Oberfläche.Kehren wir aber zurück zu „Alias“ und zu den Kontrasten, die man sich dort mit Beleuchtung und Farbkompositionen zu schaffen bemühte – z. B. zwischen Sydneys “warmem” Zuhause und ihrem “kühlen” SD-6-Leben oder zwischen den entsättigten Farben der CIA-Zentrale und dem “farbenfrohen” Auftrag in Cuba. Durch diese Licht/Farbe-Kodierungen wusste der Zuschauer jederzeit, wo Sydney (Jennifer Garner) sich befand; gleichzeitig bekam jedes Detail ihres Lebens einen persönlichen Look. Generell wurde bei „Alias“ für den Hintergrund einer Szene hauptsächlich natürliches Licht (Stehlampen, Tischlampen etc.) statt fill light verwendet. (Fill light verringert den Kontrast einer Szene und beleuchtet Teile des Set-Ups, die sich im Schatten befinden.)

Die Crew setzte hauptsächlich auf key light (primäre Beleuchtung – definiert die Form und die Dimensionen des gefilmten Subjekts / Objekts) und natürliche Lichtquellen im Hintergrund. Diese Art der Beleuchtung schuf nicht nur enorme Tiefe im Bild, sondern sie vermittelte einen Live-Eindruck, indem Figuren an den Quellen vorbeigingen und sie für eine Sekunde “verdunkelten”. Sehr auffällig bei „Alias“ war der Himmel bei Außenaufnahmen, gefilmt mit sepiafarbenem Filter weichen Grades, so dass er oft schmutzig und schwer aussah – als trüge Sydney die ganze Welt und ihre Probleme auf ihren Schultern.Der schon angesprochene Kontrast zwischen wärmeren Farben und weichem Licht im Haus einer Figur und dem kälteren, teilweise sterilen Look ihres Arbeitsplatzes wird hauptsächlich in so genannten Hospital Dramas und in Krimis forensischen Hintergrundes benutzt.In „Nip/Tuck“ zum Beispiel bemühte sich der Kameramann um einen naturalistischen Look, den man aufgrund der glamourösen Beleuchtung als „stylized realism“ bezeichnet und sich dafür “weichen” Lichts bedient. (Das so genannte soft light ist Licht, das buchstäblich das Objekt “umgarnt” und Schatten mit weichen Umrissen schafft.)

Dahinter steckt die Idee, die Figuren zwar gut aussehen zu lassen, aber gleichzeitig jemanden, der gut aussieht, “von innen heraus zu beleuchten”.Der Arbeitsplatz der beiden Chirurgen besteht aus drei Operationsräumen, die durch fensterähnliche (beleuchtete) Panels voneinander getrennt sind und eine gemeinsame Hintergrundwand besitzen.Hinter dieser Wand befindet sich unter einem 45-Grad-Winkel die Hauptlichtquelle und versieht das Bild mit konstantem, weichem Hintergrundlicht. Dieses Licht hilft Kameramann Christopher Baffa dabei, einen klinischen, sterilen Look zu kreieren, den die mit Grün gesättigten Aufnahmen der chirurgischen Eingriffe noch unterstützen. Die grünen Reflexionen, erzeugt durch das Behandeln der Lichtquellen-Oberflächen mit grünem Gel, spiegeln sich in den Metalloberflächen des Operationsraumes und lassen das Bild teilweise surreal aussehen.Es gibt kaum eine weiße Wand in der Klinik (ich spreche hier über die frühen Staffeln!) – der Operationsraum ist blau, Christians Office gelb-beige und Seans Office blau-grau. Prinzipiell sind Kameramänner weißen Räumen nicht gewogen, da es sehr schwer ist, das Licht in einer solchen Umgebung zu kontrollieren. Im Vergleich zum Arbeitsplatz ist Seans Haus voll warmer Farben, und man kann durch jedes Fenster grüne Bäume sehen. Es ließe sich durchaus behaupten, dass „Nip/Tuck“ eher farblich “motiviert” ist und nicht so sehr Licht/Schatten – abhängig.

Dafür stellen „CSI: Crime Scene Investigation“ und der Ableger „CSI: Miami“ ein spektakuläres Spiel von Licht und Schatten dar, von Zeigen und Verstecken. Anhand des Spiels mit Licht und Farbe werden phantastische, fast surreale Räume mit glitzernden Oberflächen erzeugt: eine äußerst untypische Tatsache für eine Serie, die sich auf den ersten Blick vor allem mit der objektiven Realität, mit naturwissenschaftlichem Wissen beschäftigt – und die einen etwaigen Realitätseindruck als Qualitätskriterium um so fragwürdiger macht. Licht und Farben besitzt bei „CSI: Crime Scene Investigation“ eine eigene Logik, die nicht unbedingt mit einem Realismuskonzept zu tun hat. Was nach unserem Weltbild und kognitiver Erfahrung als realistisch zu bezeichnen ist, ist nicht unbedingt auch gut und wirkungsvoll. “Unrealistisches” Licht kann sehr viel wirkungsvoller sein.

Die Bilder der ersten „CSI: Crime Scene Investigation“-Staffeln sind spärlich beleuchtet, das Licht glänzt buchstäblich mit seiner Abwesenheit. Ausgehend vom Thema der Serie, der forensisch-kriminalistischen Suche nach der Wahrheit, ist man bemüht, eine gewisse Distanz zum Gezeigten zu schaffen, die Objektivität des Blicks und seine Aufmerksamkeit gegenüber Details zu unterstreichen. Das Bild ist scharf separiert in Hell und Dunkel und wirkt dadurch fast abweisend. In diesen frühen Staffeln schöpft die Serie ihre visuelle Schönheit aus dem Kontrast. Es werden einzelne Stellen hervorgehoben, als würde man unserem Blick das Hinsehen beibringen wollen, um sich Schritt für Schritt den kriminalistischen Blick auf die Welt anzueignen.

Das ganze Bild ist sehr schattenlastig – es verkörpert seriöse Beschäftigung mit der menschlichen Grausamkeit. Das Licht versteckt Bildelemente vor dem Blick und hebt zugleich Objekte, Details oder Figuren im Bild hervor, um uns auf sie aufmerksam zu machen (unser Blick wird automatisch auf die hellste Stelle im Bild aufmerksam). Das Hervorgehobene ist in aller Regel sehr wichtig für die Auflösung des Plots oder weist (in Verhörsituationen) entweder auf eine für die Handlung zentrale Figur hin oder, wie es in Horrorfilmen oft der Fall ist, auf etwas Bedrohliches, was im Bild nicht zu sehen ist.Dem natürlichen Licht von Außen wird aber oft der Zugang verweigert. Es findet nur durch kleine Öffnungen herein, wird gebrochen und entfaltet das Bild als einen surrealen, geheimnisvollen, Rätsel aufgebenden Raum. Dieses Licht will – im Vergleich zur pointierten Beleuchtung, die uns aufmerksam macht – nicht zeigen, sondern verstecken. Es dramatisiert die Beziehung zwischen Innen und Außen als eine durchlässige Grenze. Somit knüpft es an die Erfahrung an, die uns „CSI: Crime Scene Investigation“ präsentiert: die Erfahrung der Nicht-Existenz einer Grenze. Die Grenze als solche wird aufgehoben, sie kann durchbrochen, penetriert werden – sowohl die des menschlichen Körpers (vgl. CSI-Shots) als auch die eines jeden Raumes; vor dem Blick kann man sich nicht verstecken.

In den späteren Staffeln (ab Staffel vier) wird das Bild nicht mehr vom Kontrast dominiert. Es glänzt. In weiches Licht getaucht, simuliert es einen schönen Raum für unseren Blick. „Beautiful Light“ bezeichnet die Beleuchtung einer Szene oder eines Sets, die das Ganze “schön” aussehen lässt. Dabei kann es sich sogar um eine Industrieanlage handeln oder eine Garage, aber mit Hilfe des Lichts erstrahlt das Bild so, als würde alles im schönen Schein glänzen. Es impliziert einerseits Sauberkeit und Glamour, andererseits verleiht es dem Bild Tiefe und Wärme.

Die Oberflächen von Gegenständen, Objekten und Räumen erstrahlen bei „CSI: Crime Scene Investigation“ schön und sauber in warmem Licht. So werden aus unwichtigen oder sogar traurig-schrecklichen Räumen wie etwa dem Autopsieraum saubere und warme. Dieses subtile Erstrahlen der Räume hat eine sehr zentrale Funktion – manchmal untergräbt es selbstreflexiv-ironisch die Seriosität der Serie und inszeniert zugleich Hoffnung für den Zuschauerblick, einen schönen Raum. So schafft man ein Spannungsverhältnis zwischen Orientierungslosigkeit und Gleichgewichtsverlust des Blicks (die mit Anstrengung verbunden ist) und Vertrautheit (die mit einem angenehmen Gefühl der Ruhe verbunden ist). Wenn das Hauptaugenmerk auf Figuren gerichtet werden muss und diese in dem schönen licht-farbigen Raum eine zentrale Rolle spielen, kombiniert man bei „CSI: Crime Scene Investigation“ Back Light mit unterschiedlichen Farben, um “schöne Silhouetten” zu erschaffen und damit das Gefühl zu erzeugen, dass sie Teil davon seien.In den meisten Fällen handelt es sich bei diesen Silhouetten um die Frauenfiguren der Serie, Catherine (Marg Helgenberger) und Sara. Solche Silhouetteninszenierungen gestalten nicht nur eine Einstellung als schön und eindrucksvoll für den Zuschauerblick, sondern begleiten die entsprechende Figur durch die ganze Serie und versehen sie mit bestimmten Charakteristika, mit einer emotionalen Signatur: Für Catherine stehen warme Farben wie Orange, Sepia und Rot; für Sara kalte Farben wie Blau, Grau und Schwarz.

To be continued…

Schöne Bilder: Ästhetik in heutigen TV-Serien – Teil I

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Schöne Bilder, wohin das Auge blickt: Heutzutage kommen TV-Erzählungen in beeindruckender visueller Aufmachung daher. Zeit, einen aufmerksameren Blick darauf zu werfen.

“Watching is not seeing“, sagt Schwertkampfmeister Syrio zu der kleinen Arya Stark in der „Game of Thrones“-Episode „The Pointy End“. Kurz darauf verteidigt er sie gegen die Angreifer und bezahlt dafür (vermutlich) mit seinem Leben. Warum vermutlich? Weil wir nicht sehen, was mit ihm passiert. Es geschieht vor unserem Blick und zugleich versteckt. Syrios Holzschwert wird von seinem Gegner bis zum Griff abgeschnitten; ein Schnitt auf sein Gesicht, dann auf Aryas – und der Rest sind nur Schatten an den Wänden und die Geräusche eines unheilvollen, erbitterten Kampfes.Warum aber empfinden wir Syrios Auftritt als seinen letzten, obwohl wir ihn nicht sterben sehen? Natürlich: Auf der einen Seite behält sich eine Serie damit die Möglichkeit vor, eine Figur doch noch zurückzubringen. Syrios eigene Aussage „Watching is not seeing“ bringt das clever zum Ausdruck. Aber viel wichtiger ist hier die visuelle Umsetzung, die zur Entfaltung der Emotionen beiträgt. Die tänzerische Choreographie der Szene hat etwas Würdevolles an sich. Die schnellen Schnitte zerfließen in eine einzige Bewegung, in einen Tanz. Man verzichtet bewusst auf blutige Aufnahmen (wovor sich „Game of Thrones“ im Prinzip nicht scheut) und eröffnet damit das Feld für Spekulationen und Hoffnungen. Eine Nebenfigur in einer kleinen Szene – und doch, dank der Inszenierung, ein bleibender emotionaler Eindruck.

Inszenierung und Kameraarbeit sind eine sehr wichtige, aber oft vernachlässigte Komponente der Serienerzählung – obwohl die audiovisuelle Beschaffenheit von TV-Serien mittlerweile fast jedem Film Konkurrenz machen kann. Das nimmt nicht Wunder, denn das Fernsehen ist nach wie vor als Medium des Autors bekannt, wo Regisseure und sonstige Mitglieder des Produktionsteams nur ausführende Mitarbeiter sind. Ohne Zweifel ist das Drehbuch von enormer Wichtigkeit, aber die Art, wie heutige Serien ihr im Drehbuch festgehaltenes Konzept umsetzen, bleibt oft unbeachtet; man beschränkt sich auf die Ermittlung narrativer Komplexität und narrativer Strukturen, die wiederum als Ergebnis einer Fortsetzungshandlung und überzeugender Figurendarstellung gesehen werden.

In einer Reihe von Artikeln zur visuellen Beschaffenheit heutiger Serien wollen wir uns mit Elementen dieser Gestaltung und ihrem Einfluss auf das Gesamtkonzept einer Serie beschäftigen.

Wie Karen Lury in ihren Ausführungen zum Kino- und Fernsehbild richtig anmerkt, ist das TV-Bild traditionell dazu bestimmt, eher funktional als schön zu sein. Dem gegenüber kann das Bild heutiger TV-Serien meines Erachtens als gleichzeitig funktional und schön gesehen werden. In diesem mehrteiligen Artikel werde ich den wichtigsten Aspekten dieser Beschaffenheit auf die Spur kommen – wobei ein bei TV-Produktionen oft wenig beachteter Beruf ins Blickfeld gerät, nämlich der des Kameramannes, des sogenannten Cinematographers.Keine Angst: Dies soll keine trockene wissenschaftliche Analyse werden, obwohl die Einführung trocken daher kommt. Eine solche Einleitung vermeidet jedoch Missverständnisse und klärt den Ansatz, nämlich: unser Augenmerk auf die Arbeit des Produktionsteams von TV-Serien zu richten, ihr Tribut zu zollen und uns außerdem vor Augen zu führen, mit welchen “schönen” Bildern wir vor dem TV-Bildschirm liebäugeln dürfen.

Wie die cinematographische Arbeit unser Sehen und dadurch unsere Emotionen beeinflusst, wie sehr sie die Narration vorantreibt oder aber die geliebten Figuren in Szene setzt? Man fragt sich: Müssen wir, als Buffy Angel in die Hölle schickt (letzte Folge der zweiten Staffel), deswegen weinen, weil wir verstanden haben, was passiert – oder spielen nicht doch auch das Musikstück “Close your eyes” von Christophe Beck, die Ausleuchtung der Szene und die Kamera-Einstellungen von den beiden Protagonisten (Close-Up, Medium-Shot etc.) eine wesentliche Rolle? Man stelle sich „24“ ohne das Splitscreen-Verfahren vor oder „CSI: Crime Scene Investigation“ ohne CSI-Shots! Weshalb empfinden Zuschauer eine Serie z.B. als spannend? Nur weil sie die Handlung verstanden haben?

Meiner Meinung nach liegt eine wichtige Qualität heutiger sogenannter Quality Television-Serien in der kognitiven Herausforderung der Zuschauer. Der Genuss, den das Publikum an einer Serie empfindet, misst sich an dem Grad der Bewältigung dieser Herausforderung, die über kognitive Schemata des Einzelnen abläuft: Wissen über Genrekonventionen, Erzählmuster, die Vergabe audiovisueller Informationen, aber auch allgemeines Weltwissen usw. Wir können annehmen, dass sich Quality Television in einer höchst subjektiven Erfahrung ereignet, die in eine genauso subjektive Zuschreibung mündet: Der Zuschauer erkennt die Qualität, wenn / indem er sie sieht. „Watching and seeing!“ Solche Serien, narrativ-audiovisuelle Konstrukte, funktionieren als Zusammenspiel von kognitiver Herausforderung für den Zuschauer und dessen subjektivem Genuss daran.

Daraus sollte aber meines Erachtens bei der Betrachtung von TV-Serien eine nächste Frage resultieren: Wie wird besagte Herausforderung audiovisuell konstruiert? Wir Zuschauer bekommen schließlich nicht das Drehbuch zu lesen, sondern Bilder und Sound zu sehen und zu hören. Um überhaupt mit der Sinnkonstruktion anfangen zu können, müssen wir zuerst die Bilder wahrnehmen; erst über diese Wahrnehmung werden unsere kognitiven Schemata aktiviert. Die Geschichten werden uns gezeigt, in Bildern erzählt. Der audiovisuelle Stil einer Produktion als narratives Element, als Teil des Gesamtkonzepts einer Serie wird des Öfteren stiefmütterlich behandelt. Schon die rein technischen Entwicklungen des Mediums Fernsehen (HDTV, 16:9-Übertragung), gemeinsam mit ökonomischen Veränderungen vor allem in der US-Fernsehlandschaft, führen zu veränderter Produktion und Rezeption; man denke an LCD- und Plasmabildschirme sowie Home-Cinema-Anlagen. Tim del Ruth (Regisseur von „The West Wing“) erzählt in einer Diskussion über Breitbild folgendes:

Switching to 1.77:1 (16:9) would save us set-up time and coverage. We could stack two or three actors in one Shot without having to go to individual singles, which is what we have to do in 1.33:1 (4:3). As it stands now, we only get one-and-a-half or maybe two people in a raking Shot, the Shots get so wide perspective-wise, that the image of the (third) person’s head gets too small, and we lose the strength that’s needed to tell a story on TV.

Nicht nur dass das Breitbild der Industrie vermutlich Geld spart: Es bietet einfach mehr (kreativen Spiel-)Raum – bzw. genauso viel wie im Kino.Die Fernsehübertragung ist nicht mehr nur Informationsfluss, sondern Spektakel, das sich in der vollen ästhetischen Entfaltung der Produkte äußert. Diese Entfaltung verführt unseren Blick zur Aufmerksamkeit. Stets hat man die Fernseh-Erfahrung bezüglich der Aufmerksamkeit des Publikums als dem Kino unterlegen eingestuft, da ihr das Dispositiv Kino fehlt: die Dunkelheit, die riesige Leinwand, die vielen Unbekannten, mit denen man das Erlebnis gezwungenermaßen teilt usw. Im Gegensatz zum Fernsehen, so die verbreitete Meinung (hier Nelson), gehörte dem Film die ungeteilte Aufmerksamkeit des Zuschauers:

Given the various attractions of the domestic space, viewers’ attention may be sporadic. Unlike at the theatre or the cinema, where audiences typically sit in a darkened space constructed to focus their attention on the play or film, most people are engaged in other activities whilst watching television.

Heutzutage jedoch zwingen viele Serien den Zuschauer ungeachtet seiner jeweiligen Sehumgebung dazu, ihnen genau diese Aufmerksamkeit zu schenken. „Watch to see!“ Um zu immer höherem Genuss zu kommen, muss man auf alles achten, vor allem auf Details. Je mehr Aufmerksamkeit der Zuschauer in die Bildoberfläche investiert, desto mehr gibt es zu entdecken, und desto höher wird der Genussfaktor bei der Betrachtung von Serien. „Breaking Bad“ nehme ich zum Anlass, um an der AMC-Serie zu demonstrieren, wie viel Wert man in heutigen TV-Serien auf die Bildästhetik legt. Poesie für das Auge: so hatte ich in einem Artikel anlässlich des deutschen „Breaking Bad“-Starts die Emmy-prämierte Serie bezeichnet. Ihre Bilder sind nicht mit Figuren überfüllt, sondern oft “leer”. Laut Kameramann Michael Slovis kombinieren sie Ländliches und Urbanes. Man betrachtet das Grenzenlose und das Begrenzte, das Offene und das Geschlossene: Sie existieren gleichzeitig. Und beide können Leere und Isolation bedeuten. Man findet nicht nur den Parkplatz unter dem weiten, offenen Himmel leer vor, sondern auch das eigene Haus.

Die meisten Orte, an die uns die Serie führt, sind anonym, neutral, aber signifikant für die Erzählung: leer, aber schön. Sie befinden sich im Kontext der Geschichte und kreieren ihn zugleich. Die braun-gelben Bilder der New-Mexico-Wüste bilden „Breaking Bad“s Zuhause: Die Serie ist, existiert, lebt im Bild. Auch über das Bedürfnis nach einem Zuhause erzählt „Breaking Bad“, nach Geborgenheit, nach Stabilität, nach einer Grenze – als Abgrenzung gegenüber dem Grenzenlosen, Instabilen.

Diese Stabilität jedoch geht durch die Verkettung von Walters Entscheidungen verloren – und plötzlich ist die Leere in die eigenen vier Wände eingefallen. Was Walter als Versuch sehen will, die Familie zusammenzuhalten, wird mehr und mehr zur offenen Tür für die gefährliche Außenwelt. Walters Interaktion mit diesem Außen geschieht auch von einem anderen Zuhause aus: vom Wohnmobil, dem RV. Dort, inmitten der Chemie, fühlt er die Stabilität, derer er in seinem eigentlichen Zuhause nach und nach verlustig geht.

„Breaking Bad“s Bilder thematisieren den Zeitverlust, der gleichzeitig stehen gebliebene und fehlende Zeit bezeichnet. Zu Beginn fehlt Walter Zeit, da er todkrank ist. Als die Krankheit weicht, steckt er zu tief in den Drogengeschäften: auf einmal ist da Zeit im Überschuss, zu viel. Walter White alias Heisenberg (Bryan Cranston) bleibt in diesem braun-goldenen Wortspiel stecken. Dieses Doppelspiel kann tödlich sein – wie die gelbe Farbe in „Breaking Bad“, die Farbe der Chemie, die alles durchdringt: das Gelb der Handschuhe, das Gelb der Schutzanzüge, die Walter und Jesse (Aaron Paul) beim Kochen tragen, Gus’ (Giancarlo Esposito) gelbes Hemd und das Gelb der Sonnenstrahlen. Widmete sich damals „Fargo“ der Farbe Weiß, so widmet sich nun „Breaking Bad“ dem Gelben.

Michael Slovis, „Breaking Bad“s (und auch „Rubicon“s) Kameramann und Emmy-Preisträger für seine Arbeit bei „CSI: Crime Scene Investigation“, verwendet einen so genannten „tobacco filter“ für die Kameralinse, um die Farbtönung zu beeinflussen. „The desert in New Mexico is so brown that the filter makes the browns really pop and gives it a really pleasing skin tone to me. It’s kind of like a tea stain“, sagt er über „Breaking Bad“s Location; dieser Filter akzentuiere neben den gelben auch rote und braune Farbtöne. Der grenzenlose Himmel New Mexicos und die gelbe Schönheit der Wüste fungieren nicht nur als eigenständige Figuren der Serie, sondern als ihr Zuhause. Das Ergebnis ist eine Mischung, an der man sich die Zunge leicht verbrennen kann.