Homeland: Two Hats (2×09)

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Viele Zuschauer haben sich die Frage gestellt, wie es wohl Abu Nazir gelungen ist, amerikanischen Boden zu betreten? Die Frage ist: Das ist absolut irrelevant. Homeland ist keine Dokumentation über Terroristen, sondern eine fiktionale Erzählung. Andererseits – im “normalen” Leben sind schon Sachen geschehen, die sich ein Autor nie getraut hätte, als fiktionale Ereignisse niederzuschreiben, weil niemand es glauben würde. Der Logik zu folgen ist natürlich wichtig, aber man muss der Logik der Serie selbst folgen. Homeland hat uns erzählt, dass Abu Nazirs Organisation viel mächtiger ist, als ähnliche Organisationen im “realen” Leben. Aus diesem Grund braucht man keine Zeit vergeuden, um sich nach Abu Nazirs Ankunft Gedanken zu machen. Die Auswirkungen dieses Ankunft sind wichtig und die Frage, die sie aufwirft: Wie viel kann man über einen Menschen wissen, wenn man ihn auf Schritt und Tritt beobachtet? Alles?

Was ist, wenn er eine Rolle spielt? Und wenn diese Rolle ein Teil von ihm selbst ist? Erkennt man dann “das Spielen”? Wir als Zuschauer sehen auch Homeland Episode für Episode und versuchen herauszufinden, was das “Endgame” ist? Wissen wir alles über die Figuren und ihre Rollen? Nicht wirklich. Jeder ist ein Terrorist, bis das Gegenteil bewiesen ist. Das Thema der Überwachung beschäftigt die Menschheit seit langer Zeit, aber man stellt selten die Frage nach der Überwachung als Norm und nicht als Ausnahmesituation. Damit ist die Gesellschaft gemeint, in der Aufnahme und Übermittlung von bewegten Bildern Alltag ist, normal ist. Die Menschen sind sich ständiger Überwachung bewusst. Um zu Homeland zurückzukehren: Wenn Menschen damit rechnen, beobachtet und überwacht zu werden, verraten sie dann ihre wahren Ziele? Natürlich nicht.

Damit sind wir wieder an dem Punkt angelangt, mit dem Homeland so gern arbeitet: Paranoia. Verhandlungsexperten sagen, dass er unnötig ist mit einem paranoiden Menschen Freundschaft schließen zu wollen. Solche Menschen erwarten nie Gutes und versuchen immer herauszufinden, wie das Gegenüber sie über den Tisch ziehen will. Wenn eine Sportmannschaft vor dem Spiel im Stadion einen Kreis bildet, damit die Spieler sich gegenseitig anfeuern, ist der paranoide Mensch im Publikum derjenige, der denkt – die Sportler bilden einen Kreis, um über ihn heimlich zu reden.

Saul, Carrie, Quinn und Estes reden über Brodys Geschichte mit Abu Nazir, aber sie können sich trotz Carries Behauptungen nie wirklich sicher sein, was in Brody vorgeht und was wirklich war. Wir als Zuschauer glauben es zu wissen, aber haben wir nicht auch nur Ausschnitte gesehen?
Darin besteht die Arbeit von Saul und Carrie, nämlich solche einzelne Teile des Puzzels zusammenzustellen, so dass sie einen Sinn ergeben. Hier führt das Puzzeln zur Verhaftung von Roya und ihren Komplizen, aber Abu Nazir bleibt da draußen.

Roya gehörte im Prinzip zu der Reihe an Fragezeichen, was ihre Rolle im ganzen Spiel betrifft. Wie es aussieht, haben sich die Autoren doch dazu entschieden, keine Wendungen und Drehungen für Roya zu benutzen, bis vielleicht auf den kleinen Augenblick der Täuschung während des Verhörs.

Das andere große Fragezeichen ist Quinn gewesen. Und auch in diesem Fall bekommt man Klarheit. Quinn ist ein Profi-Killer, der Brody ausschalten muss, nachdem dieser nicht mehr gebraucht wird. Diese Tatsache bringt mehrere Probleme mit sich, wenn Saul mit Carrie seine Erkenntnisse teilen würde oder sie es von allein herausfindet. Der Versuch ihn umzubringen, könnte Brody wiederum zurück in die Arme von Abu Nazir schicken. Aber will er ihn wirklich zurück oder braucht er ihn nur für seinen Plan? Egal welche Entscheidung Brody trifft, ist er nicht einmal in Carries Armen sicher… Aber, um wieder zu den Anmerkungen vom Anfang des Reviews zurückzukehren, wir wissen nicht wirklich, was passieren wird, obwohl wir aufmerksam betrachten. Dazu lädt uns letztendlich Homeland ein, zu beobachten – Brody, Carrie, Saul, David, Quinn – in dem Versuch herausfinden, was in ihnen vorgeht…

Supernatural: The Born-Again Identity (7×17)

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Es ist soweit: Cas ist wieder da! Die Supernatural-Fans dürften weltweit gejubelt haben, denn Castiel wurde schmerzlich vermisst. Ich muss gestehen, dass die Kombination aus Castiel und  Luzifer diese Episode absolut sehenswert gemacht hat. Castiels Schusseligkeit und Luzifers zynische Bemerkungen wissen zu amüsieren. Aber wenn man die Episode aus einem ernsten Blickwinkel betrachtet, werden in ihr die Winchester-Brüder endgültig von der Vergangenheit eingeholt. Nicht nur Luzifers Präsenz, sondern auch Megs und Castiels (und vielleicht Bobbys?) zwingen sowohl Dean als auch Sam dazu, sich mit Gefühlen auseinanderzusetzen, die sie hinter sich lassen wollten, aber nie konnten.

Ich werde nicht so weit gehen zu sagen, dass jeder der Brüder die Episode im Grunde mit seinem jeweils “besten” Freund verbringt, obwohl ich mich versucht fühle. Sagen wir: Luzifer ist nicht als der Teufel Sams Freund, sondern da er nur in Sams Kopf ist, begegnet Sam sich selbst als seinem einzigem Freund. Zwar wird Dean immer Sams großer Bruder und Freund bleiben – aber wenn man es genau bedenkt, teilt Sam mit niemandem das, was Dean mit Castiel teilte. Wie ein Kritiker von AV-Club sehr zutreffend anmerkte, ist die Tatsache sehr interessant, dass Sam Luzifer in ähnlicher Bekleidung imaginiert, wie er selbst und sein Bruder sie tragen. Natürlich sieht er Luzifer so, wie man ihn das letzte Mal in menschlicher Gestalt sah. Trotzdem kreiert das eine gewisse Nähe, die von Luzifers zynischer “Zuwendung” ins Extreme getrieben wird. Man könnte fragen: Bestraft Sam sich selbst? Besteht seine Art des Umgangs mit der Vergangenheit darin, aufzugeben, bis zum Tod dahinzuvegetieren – im Kontrast zu Deans gelegentlichen selbstmörderischen Aktionen? Die Ausgangsposition ist die gleiche: Beide haben nichts zu verlieren. Wir haben keine Freunde, sagt Dean zu Sam. Vielleicht doch?

Ich muss gestehen, dass ich schon beinahe melancholisch werde, wenn Dämonen auftauchen. Und in dieser Episode gibt es etliche davon, die nach einem Mann mit Heilkräften suchen. Auf den wird auch Dean hingewiesen: Er sei die einzige Hoffnung für Sam, der in der Psychiatrie sitzt und langsam, aber sicher seiner Schlaflosigkeit zu erliegen droht. Woher bekommt Dean den Hinweis? Aus dem Heft mit den Telefonnummern, das plötzlich vom Tisch auf den Boden fällt. Bobby? Das bleibt vorerst unserer Vorstellungskraft überlassen.

Dean sucht also den mysteriösen Heiler Emanuel und findet… Castiel, der sich an nichts mehr erinnert. Die Szenen zwischen Dean und Cas hatten es in sich – und auch die zwischen Dean und Meg, die mit den Winchesters gemeinsame Sache gegen den Teufel und die Welt machen will. Nachdem Castiel seine Erinnerungen wiedererlangt hat, wiegt die Schwere der Schuld fast vernichtend – genauso wie bei Dean und Sam. Castiel beschließt, sich zu opfern und den Teufel der Schuld in sich selbst einzulassen: Er nimmt Luzifer aus Sams Kopf heraus – und damit die Qual. Die Winchester-Brüder müssen ihren einzigen Freund zurücklassen (in Megs Händen!), um weitermachen zu können. Aber wie und gegen wen? Wenn man mich fragt: Nach dieser Episode wüsste ich nicht zu sagen, wohin sich Supernatural mit den letzten Episoden dieser Staffel bewegt. Und das ist gut, oder?

Supernatural: Out With The Old (7×16)

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Schwanensee, hübsche Frauen, Supernatural: Das kann nur tödlich enden! Für eine Ballerina heißt der letzte Tanz “Sterbender Schwan”, als ihre Spitzenschuhe sie eindeutig zu weit tragen – so weit, dass sie abhebt. Und das ist sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne gemeint. Wie man von anderen Tänzerinnen hört, hielt sich ihre Kollegin für etwas Besseres und wollte alle überholen. Nun, das gelingt ihr, denn keine hat Schwanensee jemals schneller getanzt! Man bekommt den Eindruck, versehentlich auf die Vorspultaste der Fernbedienung gedrückt zu haben. Mit irrsinniger Geschwindigkeit fegt die Ballerina durch den leeren Übungsraum, synchron mit den Bewegungen des Putzmanns draußen auf dem Flur, dessen Wischmop vor dem Abtauchen im Eimer eine letzte schnelle Drehung vollführt. Aber für die Ballerina gibt es keine Abkühlung im Wasser, sie tanzt bis zum Umfallen – genauer gesagt: bis ihr die Füße abfallen.

Ein Blut-Splash, dem Supernatural-Vorspann-Splash gleich – und damit ist die CW-Serie zurück aus der Pause mit einem weiteren gelungenen Teaser. Ich muss leider sagen, dass es nach diesem Teaser auch schon so ziemlich vorbei ist mit den guten Momenten einer Episode, die mir das Empfinden eines beträchtlichen Durcheinanders vermittelte: eine Ansammlung von diesem und jenem und dadurch irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes. In Portland untersuchen Dean und Sam den Black-Swan-Vorfall (übrigens: Dean hat den Film zweimal gesehen!), während Frank weiterhin hinter Dick (Roman) und seinem Geheimnis her ist. Eine Super-Szene hätten wir genießen dürfen, wenn auch Jensen Ackles Schwanensee zum Besten gegeben hätte… Wer weiß, vielleicht auf den DVD-Extras?

Apropos Geheimnis: Verwünschte Nachlass-Objekte sind die Übeltäter, die Menschen dazu zwingen, sich zu Tode zu tanzen oder kochendes Wasser aus einem uralten Teekessel zu trinken. Bis auf diese zwei exzellenten Horror-Sequenzen – Teekessel und Ballett – bleibt der Fall der Woche um die verwünschten Gegenstände aus dem Besitz einer verstorbenen Dame blass; weder erfahren wir mehr über sie noch über ihren ständig jammernden Sohn Scott. Andererseits ist der Fall ja auch nur Mittel zum Zweck, um die Brüder in die Stadt zu bringen. Dort nämlich spielen zwei Leviathane Immobilienmakler – nach dem Prinzip “Verkaufe oder werde gegessen”! Mary Page Keller gibt die MILF-Leviathan-Vorgesetzte, die ihren armen Assistenten durch die Gegend scheucht.  Interessant zu erfahren, dass auch Leviathane keine Lust auf ihre Bosse haben: Der schusselige Leviathan hilft Sam und Dean, so dass sie die Chefin köpfen können.

Wie wir allerdings wissen, sind Leviathane so etwas wie mehrköpfige Drachen, die sich nicht so leicht beseitigen lassen. Aber was keiner geahnt hat: Er sei angeblich ein wohltätiger Drache, verrät der freundlich gesonnene Leviathan. Dick sei gar kein… dick, jedenfalls hege er keine bösen Absichten: Er baue ein Forschungszentrum, um Krebs zu bekämpfen. Aber warum? Um die Mahlzeiten der Leviathane gesünder zu gestalten? Sam bekommt Luzifer nach wie vor nicht aus seinem Kopf, wie er seinem Bruder verrät. Luzifers bzw. Mark Pellegrinos Performance von Stairway to Heaven hätte ich gern gesehen, aber anscheinend wurde der Schauspieler nur für eine begrenzte Anzahl von Episoden engagiert. “Fine. Call me if you don’t die”, sagte Frank zu Dean, und dieser Spruch fällt am Ende der Episode irnoischerweise auf ihn selbst zurück. Oder denkt ihr, dass Frank den Angriff auf seinen Wohnwagen überlebt hat? Und was genau führt Dick denn nun im Schilde?
Ich hoffe, dass Supernatural die Staffel zu einem guten Abschluss bringt – anstatt so lange im Kreis herumzutanzen, bis die Füße abfallen…

Supernatural: Repo Man (7×15)

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Im Vergleich zu manch einer Episode dieser siebten Staffel – und es gab mehrere, die uns an frühere Supernatural-Staffeln erinnerten und erinnern wollten – trifft Repo Man mehr meinen Geschmack. Mag sein, dass ich einfach viel zu sehr an den Supernatural-Zeiten hänge, in denen es um die Brüder und die Dämonen ging… Diese Zeiten bleiben meiner Meinung nach die stärksten! Repo Man gehört wiederum zu den stärksten Episoden der laufenden Staffel. Nach wie vor gibt es in der Leviathan-Story keine Entwicklung zu verzeichnen, aber hier tut das kaum etwas zur Sache. Denn die Autoren kehren zu Luzifer zurück. Wie Luzifer selbst bemerkt, als er und Sam in der Bibliothek sitzen: Es sind Monate vergangen, seit sie zuletzt Kontakt hatten. Dieser Umstand bildete einen Teil meiner Kritik an Supernatural in den letzten Wochen. Ich weiß, dass es schwer ist – und nicht einmal immer nötig -, uns in jeder Episode sämtliche Handlungsstränge inklusive die kleinen und großen Nebenhandlungen vor Augen zu führen, aber dazu im Stande zu sein, gehörte immer zu Supernaturals Stärken.

So fühlt sich auch die erzählte Welt ‚voller‘ an, reicher an unterschiedlichen Figuren und Geschichten. Außerdem beschert uns das den Genuss schauspielerischer Leistungen wie Mark Pellegrinos als Luzifer höchstpersönlich. Übrigens: Auch Crowley (Mark Sheppard) vermissen wir schmerzlich! Die Mitarbeiter der Hölle waren immer schon interessante Figuren. Zurück zu ihrem Chef oder besser gesagt Ex-Chef. Die Dämonen, die man rief, hausen stets in einem selbst, sagt uns Repo Man. Und wenn das auch auf den ersten Blick trivial erscheinen mag, ist die Ausführung der Episode meiner Meinung nach gut gelungen – auch die kleinen humorigen Einlagen. I was nothing without my demon, sagt ein gewisser Jeffrey (Russell Sams) gegen Ende der Episode zu Dean (Jensen Ackles). Jeffrey war ein einfacher Postbeamter, bevor er vor vier Jahren von einem Dämon besessen wurde; er verübte eine Serie brutaler Morde an Frauen, bis ihm Sam (Jared Padalecki) und Dean das Handwerk legten, wie wir in der Rückblende sehen.

Eigentlich aber waren die Brüder hinter diesem Dämon her, um ihm Hinweise auf Lilith zu entlocken, die er ihnen unter grausamer Folter letztendlich auch gab. Sie schickten ihn in die Hölle zurück, wo er als Verräter einen nicht unbedingt angenehmen Status genießen sollte… Doch nun scheint dieser Dämon zurückgekehrt zu sein, denn eine neue Mordserie trägt seine Handschrift. Some demons tend to be sentimental, sagt Sam. Nicht die Enthüllung als solche ist hier wichtig, sondern die Tatsache, dass Jeffrey der Mörder ist – als Aussage darüber, was die eigenen Dämonen anrichten können und dass man oft außer Stande ist, sie wegzuschicken. Dadurch entsteht eine schöne Verbindung zu Sam und seiner gemeinsamen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit Luzifer. Mit Luzifers erneutem Auftritt kehrt Supernatural selbst zu der dunklen Farbpalette, dem sparsamen Lichtgebrauch und den gelb-rötlichen Wandfarben zurück, die wie im höllischen Feuer zu schmelzen drohen – so wie die Wände in Sams Kopf, die ihn vor dem Abgleiten ins Nichts bewahren.

Im Verlauf der Supernatural-Erzählung wurde immer wieder angedeutet, dass Sam vielleicht mehr von der dunklen Seite in sich trägt, als ihm lieb ist, und dass dies Kreaturen wie Luzifer den Zugang zu ihm erleichtert. Dank Jeffreys Geschichte und Sams allmählich gewachsener „Zusammenarbeit“ mit Luzifer wird dies wieder zum Thema, und ich bin gespannt, wie die Autoren damit umgehen werden. Als Supernatural-Zuschauer wissen wir, dass die von Dämonen besessenen Menschen immer anständige, ‚gute‘ Personen sind. Als Dean auf Jeffrey trifft, der nach den damaligen Ereignissen vollkommen eingebrochen zu sein scheint, verläuft die Handlung so, als wäre Jeffrey nicht nur den Dämonen, sondern auch Dean und Sam selbst zum Opfer gefallen, obwohl sie Jeffrey damals geholfen haben. Indem sich aber herausstellt, dass der Dämon Jeffrey gleichsam die willkommene Möglichkeit bot, sein eigenes Begehren in die Tat umzusetzen, nimmt alles eine interessante Wendung und rundet Supernaturals Beschäftigung mit den inneren Dämonen ab. Kann es für Sam und Dean eine Rettung geben?

Supernatural: Plucky Pennywhistle’s Magical Menagerie (7×14)

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Thematisch bedingt, muss ich mich schon zu Anfang dieses Reviews outen und zugeben, dass ich nicht zu den Clown-Liebhabern zähle. Clowns haben bei mir immer Aggressionen anstatt Fröhlichkeit und Amüsement geweckt. Vielleicht stimmt mit mir etwas nicht? Oder eher mit den Clowns? Wie Supernaturals Langzeit-Fans wissen, gehören Clowns für Sam Winchester (Jared Padalecki) zu der Kategorie „Persönliche Monster“. Vermutlich können nicht einmal der gelbäugige Dämon und Luzifer dieses Privileg für sich beanspruchen… Obwohl Luzifer zu Beginn dieser Staffel auf dem besten Wege dahin war, aber dann verschwand er mehr oder weniger spurlos.

Damit machte er Platz für den neuen großen Gegner, für die Leviathane – aber auch von Dicks Leuten fehlte zuletzt jede Spur. Eigentlich ist es weder etwas Neues noch komplett abwegig, wenn Supernatural ein paar Episoden mit abgeschlossener Handlung in Folge anbietet. Gegenwärtig aber entsteht durch Bobbys Abwesenheit – und auch Cas’, der sich im Hintergrund mit dem Feind auseinandersetzt – das Gefühl, die Autoren hätten die Leviathan-Story einfach links liegen lassen, um sie in den finalen Episoden um so wirkungsvoller reaktivieren zu können. Bis dahin füllt man die Zeit mit ein paar Fällen und versucht, die frühere Balance zwischen Horror, Humor und Emotionen wiederherzustellen. Das jedoch gelingt immer seltener.

Amüsant darf sich diese Episode freilich nennen – dank etlicher gelungener Slapstickeinlagen. Und überhaupt, wir wollen der Serie nicht Unrecht tun und korrigieren hiermit: Einer arbeitet, wie wir von Dean am Anfang der Episode erfahren, definitiv an der Dick-Geschichte, nämlich… Dick. So we have Dick on Dick? fragt Sam seinen Bruder. Kein Dick-Witz ist einer zuviel. Aber für Sam ist das Ganze bald nicht mehr lustig. Denn in medias res sehen wir ihn in erbittertem und panischem Kampf gegen gleich zwei Clowns der besonders grässlichen und grünhaarigen Art. Dann erscheint die 24-Style-Uhr und teilt uns mit, wie lange wir noch ausharren müssen, bis die Kampfszene endet… Während „hot chicks“ sich langsam zu Deans Alptraum entwickeln, waren Clowns immer schon Sams Horror. Als die beiden eine Mordserie in einer Kleinstadt in Kansas untersuchen, führt die Spur zu dem Indoor-Spielplatz „Plucky Pennywhistle’s Magical Menagerie“.

Dort werden Kinder-Alp-Träume wahr. Buchstäblich. Die Philosophie des Kinderparadieses besteht darin, die kleinen Besucher ihre Alpträume zeichnen zu lassen, damit sie sich davon befreien. Einer der Mitarbeiter ist der Meinung, dass der größte Alptraum der meisten Kinder die Eltern seien, und sorgt mit Zaubersprüchen und anderen magischen Utensilien dafür, dass manche Väter von Riesenkraken, einem Einhorn (es sah aus, als ließe das Zaubergeschöpf einen Regenbogen fahren) und sogar einem Hai (beste Szene der Episode!) erledigt werden. Dass Sam und Dean dem eifrigen Mitarbeiter auf die Schliche kommen, heißt: Zwei feindselige Clowns werden auf Sam gehetzt. Dean als Sams Glücksfee ist natürlich nicht untätig und sorgt dafür, dass sich die roten Pappnasen in Glitzerstaub auflösen. Plucky Pennywhistle’s Magical Menagerie bietet also durchaus amüsante Momente… Aber: Supernatural ist gegenwärtig doch irgendwie eine Grimasse seiner selbst.

Supernatural: The Slice Girls (7×13)

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Supernatural und die Frauen: Eine Geschichte für sich. Meistens eine sehr kurze Geschichte, die selten für einen Einschnitt im handlungsübergreifenden Erzählstrang sorgt, aber dafür immer blutig endet. The Slice Girls fängt schon blutig an. Frauen stehen im Zentrum der Episode, und die Männer stehen… auf der Speisekarte! Nein, ich werde Supernatural nicht wieder für den Umgang mit seinen Frauenfiguren kritisieren. Denn letztendlich geht es in der CW-Serie, ohne Umschweife ausgedrückt, um zwei Männer und nicht um Frauen. Man kann fiktionale Erzählungen nach Herzenslust interpretieren, auseinandernehmen und kritisieren; man kann Supernatural Sexismus und Machismo vorwerfen – aber viel interessanter erscheint es mir, solche von Frauen dominierten Supernatural-Episoden daraufhin anzuschauen, ob und wie sie die Erzählung über die zwei Brüder beeinflussen und zu ihrer Bereicherung beitragen.

Sorgen sie für eine coole, verwickelte Story, an deren Ende Dean und Sam in noch cooleren Auseinandersetzungen (von denen wir seit den Budgetkürzungen nicht mehr viele sahen) den Tag retten? Bieten sie emotionale Ventile für ein Problem, dessen Wurzeln ein paar Episoden zurückliegen? Oder vielleicht sogar beides? The Slice Girls hatte tatsächlich beides in sich… mehr oder weniger gelungen. Im Grunde handelt die Episode wieder einmal Deans Zustand ab und erinnert uns daran, dass Dean bereit ist für eine letzte selbstmörderische Reise. Dank Jensen Ackles’ Performance und dem Gefühl der Leere, das nach dem Verlust Castiels, des Impala und zuletzt Bobbys über Supernatural schwebt, hätte das freilich auch so funktioniert – ohne die Töchter der griechischen Göttin Harmonia, die Amazonen, in die Mischung zu werfen und Dean zum Vater einer Amazone zu machen.

Frauen sind gefährliche Geschöpfe, meistens Monster, denen man nicht trauen kann. Check. Ob „hot chicks“ oder Teenager: früher oder später gehen sie dem Mann an die Gurgel. Eigentlich hätte eine interessante staffelübergreifende Geschichte daraus werden können, Dean und Sam gegen die Amazonen antreten zu lassen, die die Welt mehr und mehr mit Frauen füllen: Gewissermaßen würden dann Männer und Frauen die Rollen tauschen, indem erstere in Unterzahl gerieten und nur Reproduktionsaufgaben erfüllten. Die Supernatural-Welt, sonst so arm an Frauen, plötzlich voller weiblicher Figuren zu sehen, wäre ein sehr schöner ironischer Kommentar der eigenen Erzählung. Und wer sagt, dass es nicht so kommen kann? Nachdem die Amazonen Dean mit der schönen Lydia (Sara Canning, The Vampire Diaries) und mit AC/DC’s “You Shook Me All Night Long” zum Vater einer Amazonen-Tochter (Emma) gemacht haben, verschwinden die Kriegerinnen, bevor die Brüder sie vernichten können. Fortsetzung folgt? Werden wir sehen.

Auf jeden Fall setzt diese Episode die Geschichte um Amy fort – nur dass Dean und Sam die Positionen getauscht haben, denn diesmal muss Deans Tochter Emma getötet werden. Dean zögert; Sam gibt schließlich den tödlichen Schuss ab und nimmt damit die emotionale Schwere der Entscheidung auf sich. Natürlich kann man die Verbindung zwischen Dean und Emma nicht derjenigen zwischen Sam und Amy gleich setzen, aber trotzdem bleibt Emma Deans Tochter. Und Bobbys Geist, ob tatsächlich oder im übertragenen Sinne, schwebt in der Erzählung mit. Sein Flachmann befindet sich nun in Deans Händen – und irgendwie wird man die Vorstellung nicht los, dass Dean in Supernaturals Zukunft selbst zu Bobby wird. Falls er so lange überlebt – denn obwohl es hier nicht thematisiert wird, stehen die Leviathane doch jeder Zukunft im Wege…

Supernatural: Time after Time (7×12)

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That’s the Chicago way! Diesen geflügelten Satz aus dem Film The Untouchables kann man für unsere Zwecke in That’s the Supernatural way! umformulieren, denn die neue Episode der CW-Serie setzt die Tradition der Zeitreisen innerhalb des Supernatural-Universums fort; auch diesmal traditionsgemäß mit dem Ziel, Verluste und emotionale Krisen zu kommentieren. Die Episode wurde anscheinend nach dem Film Time After Time benannt, der auch von Zeitreisen handelt. Selbstverständlich gibt es auch etliche Zurück-in-die-Zukunft-Referenzen – aber dazu kommen wir gleich. Zunächst muss klargestellt werden, dass die Zeitreise un/glücklicherweise nicht darauf abzielt, Bobby von den Toten zurückzubringen. Der Schrägstrich drückt meine Unentschlossenheit aus: Auf der einen Seite hätte ich Bobby (Jim Beaver) natürlich gern wiedergesehen – auf der anderen gefällt es mir auch in dieser Episode, wie über seinen Verlust reflektiert wird.

Die Tragödie kreiert eine Art melancholischer Balance zwischen den beiden Brüdern. Sie wählen zwar unterschiedliche Ansatzpunkte, um das erdrückende Gefühl des Verlustes zu bewältigen (Sam: Little more anime, or are you strictly into D(d)ick now?), aber beide akzeptieren das und lassen sich dadurch nicht gegeneinander aufbringen. Die emotionale Kluft zwischen den Brüdern, mit der schon so oft gespielt wurde, wird hier nicht erneut vertieft. Dennoch trägt der Fall der Woche zur Melancholie bei – und nicht nur wegen der Zeitreise, sondern durchaus auch Bobbys wegen. Es kommt eine Figur ins Spiel, die Bobby nahe stand. Ging es letzte Woche um Frank – obwohl von einer engen Beziehung zwischen ihm und Bobby kaum die Rede sein kann -, so weist diese Woche Sheriff Jody Mils die Brüder auf einen übernatürlichen Fall hin.

Obwohl Frank kein enger Freund Bobbys war und wir nicht genau wissen, wie nahe sich Jody und Bobby mittlerweile standen, verkörpern beide Figuren irgendwie Teile von Bobby – als stünde er über sie mit Sam und Dean in Verbindung. Aus genau diesem Grund passt die Figurenkonstellation, die wir hier erleben. Während letzte Woche Dean mit Frank zu tun hatte, hat jetzt Sam mit Jody zu tun, die die Brüder – ohne es zu wissen – auf keinen Geringeren als Chronos ansetzt, den antiken Gott der Zeit. Dieser erhält sich in den letzten Jahrzehnten durch menschliche Energie am Leben, die ihm nicht wie früher bereitwillig gestellt wird, sondern die er sich gewaltsam nehmen muss, wobei er natürlich Morde begeht. Diese führen zurück ins Jahr 1944: Als Dean versucht, Chronos bei einem Mord in der Gegenwart zu stoppen, reist er gezwungenermaßen zusammen mit ihm in die Vergangenheit. Dort trifft Dean auf… Eliot Ness (gespielt von Nicholas Lea), der ebenfalls ein Hunter ist. Die Auslassungspunkte stehen für Deans offenen Mund, mit dem er der ikonischen Figur aus The Untouchables begegnet!

Dieser anfänglichen Sprachlosigkeit folgen zahlreiche Untouchables-Referenzen. Wenn man sich wundert, warum Supernatural so gern Dean für Zeitreisen einsetzt, dann liegt die Antwort hier auf der Hand: Jensen Ackles bringt die Referenzen mit dem passenden Humor rüber… und die Kleidung vergangener Zeiten steht ihm tatsächlich! Währenddessen versuchen Sam und Jody (Kim Rhodes), Dean in die Gegenwart zurückzubringen. Eigentlich geschieht das am Ende dank… Zurück in die Zukunft! Genau wie im Film schickt Dean Sam eine Botschaft aus dem Jahr 1944. Außerdem scheint Chronos Geld zu machen, indem er auf zukünftige Sportevents wettet, deren Ausgang er schon kennt. Ness und Dean finden jedoch heraus, dass Chronos seine Morde und Zeitreisen aus Fringe-Gründen ausführt: nämlich aus Liebe,  unsterblicher Liebe zu einer Frau namens Lila.

Diese Enthüllung trägt zur melancholischen Note der Episode bei und bringt eine Komponente ins Spiel, die Supernatural viel zu selten berücksichtigt, nämlich die so genannten „Monster“. Diesmal allerdings ist Chronos‘ Zeit abgelaufen. Sam und Jody können Dean zurückbringen, aber Ness’ Worte sind es, die Dean vielleicht aus der Verzweiflung und Verbitterung über das Geschehene herauszuholen vermögen: Everybody loses everybody and then one day, boom. Your number’s up. But at least you’re making a difference. So enjoy it while it lasts because hunting is the only clarity you’re going to find in this life. Und dieses Leben könnte sich als kurz erweisen: nicht nur Deans, sondern alles Leben. Denn bevor Chronos stirbt, teilt er den Brüdern etwas über die Zukunft mit, in der er nur eine schwarze Masse und Trostlosigkeit erblickt. Wird man es tatsächlich schlimm ausgehen lassen für die Supernatural-Welt? Ich glaube es kaum – aber wo Zeitreisen möglich sind, ist alles möglich. Oder versucht man mit dieser Aussage einfach nur die Dramatik für die kommenden Episoden anzuziehen?

Supernatural: Adventures in Babysitting (7×11)

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Willkommen zur zweiten Hälfte dieser Supernatural-Staffel, deren erste Hälfte sowohl die Winchester-Brüder als auch uns Zuschauer mit mehreren tragischen Verlusten konfrontiert hat. Ich werde jetzt das schönste Lächeln aufsetzen, das ich hinbekomme, und versuchen, die Ereignisse in dieser Episode professionell abzuhandeln. Zum Glück ist der Schreibprozess keine Live-Übetragung, sonst könnte man im Close-Up trotz Lächeln die Tränen in den Augen sehen… Viele Fans konnten und wollten nicht glauben, dass Bobby Singer tatsächlich gestorben ist: aber es ist die Wahrheit. Und Adventures in Babysitting geht gut mit dieser Erkenntnis um, zumindest meiner Meinung nach. Nach dem Teaser, der in den Fall der Woche einführt, beginnt die Episode wortlos: genauso, wie wir Zuschauer nach dem Ende von Death’s Door zurückgelassen wurden – und so wie wir einige Wochen Zeit hatten, darüber nachzudenken, mussten auch Sam (Jared Padalecki) und Dean (Jensen Ackles) drei wortlose Wochen hinter sich bringen.

Die Überschriften übernehmen deren Zählung; die Bilder bestehen meist aus Close-Ups von Sam und Dean, deren Gesichter sich wortlos wieder in Dunkelheit auflösen, so dass man als Zuschauer die Dunkelheit in den beiden Brüdern zu spüren bekommt. Keine Träne, kein Wort – bis zur dritten Woche, in der sie langsam ihre Arbeit wieder aufnehmen. Denn auch wenn die Rettung der Welt immer eine persönliche Sache für die beiden war, besitzt sie dieses Mal einen Kern aus Rachedurst. Natürlich war nicht Bobby der biologische Vater der beiden, sondern John Winchester – aber war John wirklich ihr Vater? Im Rückblick und hinsichtlich Bobbys Tod würde ich behaupten, dass dieser Tod auf emotionaler Ebene schwerer wiegt als Johns Abschied damals. Vor allem der Zeitpunkt für Bobbys Ableben hätte nicht besser gewählt werden können, wenn man das so sagen darf. Nicht nur wurde er in letzter Zeit immer öfter in die Ereignisse involviert, sondern man schien sogar ein mögliches „love interest“ für ihn gefunden zu haben – und für die Brüder war er mehr denn je das Gegengewicht zu ihrem ständigen emotionalen Desaster.

Vielleicht ist Bobbys (Jim Beaver) Abwesenheit der extreme Schritt, der das ewige emotionale Hadern zwischen Sam und Dean aus dem Teufelskreis der Wiederholung befreit; und andererseits fühlt sich Bobbys Tod an wie der erste große Schritt der Serie selbst zu einem möglichen Ende. Darüber aber möchte ich jetzt nicht spekulieren, sondern eher über das Vorhaben von Dick Roman & Co. Ausgerechnet auf Bobbys alten Bekannten Frank (Kevin McNally), den paranoiden Überwachungsspezialisten (schließen diese beiden Wörter einander nicht eigentlich aus?), sind Sam und Dean angewiesen, um herauszufinden, was hinter der Zahlenfolge steckt, die Bobby den beiden hinterließ. Ich würde nicht behaupten, dass Frank ein Bobby-Ersatz werden soll. Es ist zu früh für so etwas. Aber mir gefiel der Austausch zwischen ihm und Dean – vor allem die Szene auf dem Feld (Dean zu Sam am Telefon: Relax, it’s a field, not a Death Star), das wir auch als Dick-Areal bezeichnen könnten: This one says, ‘Manager’, that one says, ‘Technician!‘ Übrigens: Ist es ein Zufall, dass die für Roman tätige Angestellte auf dem Grundstück einen Regenmantel im Castiel-Style trug?

Während Dean mit Frank das Dick-Areal überwacht, macht sich Sam auf den Weg, einen anderen Hunter zu retten, dessen vierzehnjährige Tochter Bobbys Nummer angerufen hat. Es handelt sich um vampirartige Geschöpfe namens Vetalas, die Sam im Handumdrehen gefangen nehmen, um ihn wie ihre anderen Opfer langsam auszusaugen. Der Nebenplot um Dean und Krissy gehört zu den typischen Supernatural-Plots, in welchen die Brüder auf ihr jüngeres Selbst zu treffen scheinen und über Was-wäre-wenn nachdenken. Also nichts Neues… oder vielleicht doch? Am Ende sehen wir Dean hinterm Steuer sitzen und – lächeln, während sich Sam wie in alten Zeiten zum Schlafen an die Impala-Tür sinken lässt. Haben Franks Worte (I call it being professional. Do it right, with a smile, or don’t do it.) und Krissys Schicksal Dean irgendwie wieder auf die Beine gebracht? Mit einem lachenden und einem weinenden Auge endet die Episode, womit sie auch die Gefühle der Zuschauer nach Bobbys Abschied spiegelt.

Supernatural: Death’s Door (7×10)

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Ein so genannter CSI-Shot von Bobbys Kopfwunde. Die Kamera fährt zurück, aus der Wunde heraus, um uns Zuschauern einen Überblick über die traumatische Szene zu verschaffen. Bobby liegt im Sterben, während Dean und Sam zum nächsten Krankenhaus rasen, beide völlig außer sich vor Verzweiflung und Angst: Verlustangst. Dann fährt die Kamera wieder hinein in die Wunde, in Bobbys Kopf, in Bobbys Leben, in Bobbys Erinnerungen… und damit in Supernaturals Erzählung über Söhne und Väter, über Freundschaften und große persönliche Verluste. Wir haben schon des Öfteren darüber diskutiert, wie sehr Supernaturals Welt unter dem schnellen Beseitigen von Nebenfiguren leidet.

Über diesen drohenden Verlust jedoch reflektiert die Serie: über sich selbst, über die Trauer verpasster Möglichkeiten und gleichzeitig über den freien Willen, der zum Schicksal wird. Zu Supernaturals zentralen Themen gehörte immer schon die Opposition Freier Wille vs. Schicksal, aber anhand Bobbys Figur und mit Hilfe dieser Episode verschiebt die CW-Serie den Blickwinkel. Schicksal bedeutet hier die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, zu wählen, ob und durch welche Tür man gehen soll. Man könnte entgegnen, dass es doch letztendlich nur eine richtige gebe – dass es einfach der Zwang des Schicksals sei, durch diese eine Tür gehen zu müssen. Aber wer konstruiert diesen Zwang, wenn nicht man selbst? Die Reise durch Raum und Zeit in Bobbys Erinnerungen macht genau diese Tatsache klar: dass man selbst die Tür erzeugt, dass hinter dem Schicksal die Verkettung von Ursache und Wirkung eigener Entscheidungen steht.

Death’s Door öffnet die Tür und schließt damit eine Lücke. Es geht um Bobbys Vergangenheit, um seine Gefühle, die stets dem Hauch eines vorbeihuschenden Geistes glichen; das komplette Bild bekamen wir nie zu sehen. Die Kamerabewegung in die Wunde hinein bietet uns Zuschauern, metaphorisch gesehen, die entgegen gesetzte Bewegung an und damit die Möglichkeit des Schritts zurück, um das komplette Bild vors Auge zu bekommen: um zu erfahren, wie lange Bobbys Wunde schon blutet. Ein Wunder, dass Bobby nicht längst schon blutleer ist… Nun – das Einzige, was dieses emotionale Ausbluten verhindert hat, ist eine Beziehung, die Bobby selbst um jeden Preis verhindern wollte: die Beziehung zwischen einem Vater und seinen Söhnen. Während Bobby im Koma liegt, springt die Erzählung zwischen Sams und Deans Verzweiflung und unserer Reise in Bobbys noch lebendige Erinnerungen hin und her.

Diese Reise soll einen Schlusspunkt in Bobbys Tod finden, denn der Reaper ist schon da und versucht Bobby klar zu machen, dass sein Weg hier ende, enden müsse, dass er genug getan habe und dass Sam und Dean ohne ihn zurechtkommen würden. Aber Bobby weigert sich zu gehen, auch wenn die Erinnerungen durch die in seinem Kopf steckende Kugel nach und nach ausgelöscht werden. Die Kugel tötet Gehirnzellen, Träger der Erinnerungen eines Lebens voller Traumata. Eigentlich ist es ein Kindheitstrauma, das allem zugrunde liegt. Visuell wird Bobbys Reise in die Tiefe dieser Erinnerung von Aufnahmen unterstützt, die genauso „tief“ wirken; ihr Fluchtpunkt ist jene letzte Tür, die Bobby nicht öffnen will. Doch er unternimmt die Reise nicht allein. Sein ehemaliger Partner Rufus begleitet ihn: als Ratgeber, als Freund, als Teil von Bobbys Patchworkfamilie. Nicht nur ist es gut für uns Zuschauer, Rufus wieder zu sehen und den Austausch zwischen den beiden Huntern zu genießen, sondern es wird uns ein Kontrast vor Augen geführt. Wir sehen, wie sehr sich Dean und Sam verändert haben.

Angesichts der Aufnahmen von dem fröhlichen Bruderstreit (Jet Li vs. Chuck Norris – Dean, du hast Unrecht!) spürt man beinahe den väterlichen Schmerz, den Bobby für die beiden empfindet, wenn man an die müden, verbitterten Gesichter der gegenwärtigen Winchesters denkt. Diese Veränderung ist Bobbys Grund dafür, nicht zu gehen, die beiden nicht allein lassen zu wollen: Zwar scheint sich Bobby in Erinnerungen zu verlieren, doch es sind Sam und Dean, die verloren sind. Am Ende sehen wir schließlich das traumatische Ereignis, das Bobbys Leben geprägt hat: Mit der Schrotflinte tötete er noch als Junge den eigenen Vater, der Bobby und seine Mutter misshandelte. Der Kopfschuss traf den Vater an der gleichen Stelle, wo nun Bobby die Kugel getroffen hat: eine symbolische Wunde, die mit dem Öffnen dieser letzten Tür geschlossen wird. God will punish you for what you did, sagt die Mutter zu Jung-Bobby, anstatt sich für die Rettung zu bedanken.

Dadurch hat Bobby früh gelernt, keinen Dank in seinem Leben zu erwarten… und wie es sich in dieser Welt mit Gott verhält, wissen wir: Er ist nicht mehr da, um zu belohnen und zu strafen. Er hat sich selbst bestraft (oder belohnt?): mit Abwesenheit. Bobby wacht schließlich kurz auf, um Sam und Dean die Ziffern zu übermitteln, die anscheinend wichtig sind für den Kampf gegen Dick Romans Truppe. Aber die Kugel in Bobbys Kopf schließt langsam die Lücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, und alles droht zu verschwinden, sich in Nichts zu verwandeln. Stay or go?, lautet die Frage des Reapers am Ende – und sie bleibt vorerst unbeantwortet von Bobby, indem der Bildschirm schwarz wird. Wir werden bis zum nächsten Jahr warten müssen! Supernatural verabschiedet sich mit der in meinen Augen besten Episode der siebten Staffel – und falls Bobby wirklich stirbt: bereitet sich die Serie damit auf das letzte Kapitel vor, in dem Sam und Dean vollkommen auf sich gestellt sein werden bei ihrem Versuch, diese Welt zu retten?

Supernatural: How To Win Friends And Influence Monsters (7×09)

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The Rise of Dick oder Dick is coming: So könnte die neue Supernatural-Episode auch heißen, denn sie widmet sich dem Leviathan-Erzählstrang und zeigt uns, was für ein „dick“ Dick ist. Sam, Dean und Bobby müssen die leidige Erfahrung machen, dass Crowley mit „hate this dick“ (oder so ähnlich) keine generelle, sondern eine sehr spezifische Aussage getroffen hat. Bei mehrköpfigen Gegnern wie den Leviathanen besteht immer Gefahr, sich in der undurchsichtigen Bedrohung zu verzetteln; aber Supernatural war immer schon gut darin, einem Gegner „Gesicht“ zu verleihen: spezifische Charakterzüge, die ihn zwar übermächtig, aber gleichzeitig psychologisch zum Anfassen nah gestalten.

Man denke an den gelbäugigen Dämon, an Luzifer oder eben jetzt an Dick Roman, den Anführer der Leviathane. Übrigens würde es mich interessieren, nach welchen Kriterien eine hierarchische Ordnung unter uralten Monstern zu Stande kommt! Mal abwarten, ob die Serie noch ein paar Details dazu parat hat. Zurück zu Dick Roman als Oberbösewicht: Der Vorsicht halber möchte ich nicht gleich behaupten, dass er seine Rolle perfekt erfülle – dafür haben wir trotz dieser Episode bislang zu wenig von ihm gesehen. Aber das Gesehene stellt mich vorerst zufrieden! Dick Roman wirkt wie eine Kombination aus Dexters Jordan Chase und Terminator. Bei ihm spürt man tatsächlich etwas Gnadenloses unter der Oberfläche lauern, so dass es überhaupt nicht nötig ist, das wahre Leviathan-Gesicht zu zeigen, um Wirkung zu erzielen. Diese Wirkung gerät umso stärker, als es Supernatural gelingt, uns Zuschauer in den ersten zwanzig Minuten der Episode erfolgreich in die Irre zu führen.

Als Bobby, Dean und Sam untersuchen, wie tödlich „Sounds of nature“ in Pine Barrens, Jersey sein können, finden sie heraus, dass „alte“ Bekannte hinter den Morden in den Wäldern stecken. Ich muss bekennen, dass in dieser neuen Staffel meines Erachtens das Trio bisher besser funktioniert als das Duo: nicht weil Sam und Dean unbedingt eine väterliche Bezugsperson brauchen, sondern weil durch Bobbys Figur eine Mischung aus Direktheit, Humor, Melancholie und unermüdlichem Kampfgeist in die Sache hineinkommt. Bestes Beispiel: die zwei Konversationen, die Bobby mit Dean (Jensen Ackles) und Sam (Jared Padalecki) über ihre „Probleme“ führt. Nicht nur fühlen sich die Gespräche wie eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Thema an, sondern immer wieder kann Bobby (Jim Beaver) die beiden auf humorvoll-väterliche Art dazu bringen, konkrete Probleme ins Auge zu fassen –wodurch er sie daran hindert, sich allzu sehr in passiven Ende-der-Welt-Selbstmord-Gedanken (Dean) oder in glückseliger Akzeptanz der eigenen „freak nature“ (Sam) zu ergehen. Denn Bobby weiß, wie sehr die Brüder davon zerfressen werden können, so dass am Ende nichts mehr übrig bliebe. You die before me and I’ll kill ya, sagt Bobby zu Dean.

Im Zuge solch kannibalistischer Anspielungen landen wir im lokalen Diner, wo sich Dean und Sam Informationen von Ranger Rick holen… und Dean dem Angebot der Woche, dem Turducken-Burger, nicht widerstehen kann. So ein Burger kann einen direkt ins Nirwana versetzen. Da wir nun aber Deans fröhliche Beziehung zum Fast Food kennen, fällt uns sein unbekümmerter Zustand zunächst nicht auf – bis Bobby und Sam feststellen, dass jemand die komplette Bevölkerung unter Drogen setzt, und zwar (Dean inklusive) mit Hilfe der Burger. Unter die schlimmste Droge, die sie sich vorstellen können: die Leviathan-Droge. Nach Deans Kaltentzug verfolgt das Trio die Spur bis zu einem Lagerhaus: einer Art Labor, wo unser alter Bekannter, der Leviathan-Doktor, ein Experiment durchführt. Wie es aussieht, gelingt den Leviathanen auch nicht immer alles: Sie haben mit Nebeneffekten des Experiments zu kämpfen. Nicht nur ist Edgar (Benito Martinez) vor Ort, sondern man erwartet überdies den Boss: den Dick, der höchstpersönlich das Programm einstellen will, da die „Ausrutscher“ zu viele Schlagzeilen in der Presse verursachen. Worum aber geht es dem Experiment eigentlich?

Die betroffenen Personen sollen in einen glückseligen, unbekümmert-willenlosen Zustand versetzt werden – nicht aber sich in kannibalistische Fressmaschinen verwandeln. Genau das jedoch ist in mehreren Fällen geschehen. Also lautet die Strafe für den Doktor: Friss dich selbst! Als Dick Bobby gefangen nimmt, bekommen wir einen kleinen Einblick in die Pläne der Leviathane, die viel praktischer orientiert zu sein scheinen als die Ende-der-Welt-Wünsche bisheriger Bösewichte. Die Leviathane wenden die Welt – so, wie sie eben ist – gegen sich selbst, um von ihr Besitz zu ergreifen. Daher die Ironie, dass Bobby während seiner Flucht mit Sam und Dean ausgerechnet von einer Kugel verletzt wurde; vielleicht gar tödlich. Als Dean und Sam nach ihm rufen, bekommen wir nur den dunklen Bildschirm als Antwort, der uns voller Spekulationen verabschiedet – bis zur nächsten Episode in zwei Wochen.