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Hell on Wheels: Review der Pilotenepisode

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Mit dem Schriftzug “The Nation Is An Open Wound” öffnet die neue AMC-Serie Hell on Wheels ihre Pforten zu der Hölle menschlicher Obsession: Rache, Gier, Betrug und die Unmöglichkeit des geraden Weges – auch wenn man den eigentlich geplant hatte. Der Weg verändert einen, zwingt den Gehenden zur Abschweifungen, zu Fehltritten, zum Verlust des Ziels, das einmal am Horizont zu glänzen pflegte. Wie sich die neue Eisenbahn über die Landkarte schlängelt, so sollen sich die Schicksale der in Hell on Wheels auftretenden Figuren schlängeln.

Um mit den eröffnenden Worten gleichzuziehen, präsentiert die Serie sehr rasch ihre Hauptfigur und belegt die offene Wunde mit Bildern. Cullen Bohannon (Anson Mount) ist ein ehemaliger Soldat auf der Suche nach den Männern, die im Krieg seine Frau töteten. Erste Station ist eine Kirche, in der Cullen die Beichte eines Soldaten abnimmt, bevor er ihm in den Kopf schießt. Ein spektakulärer Anfang – wenn auch etwas überspielt, wie in meinen Augen auch der gesamte Pilot daherkommt.

Viel zu oft schreit Hell on Wheels heraus: „Wir sind im Wilden Westen, und es wird blutig werden!“ Mit den ersten Sekunden bemüht sich die Serie, uns nicht nur mitzuteilen, worum es hier geht, sondern auch, wie wir das Gesehene empfinden sollen. Um möglichst viele Zuschauer mitzunehmen, muss man freilich Vieles schon im Piloten offen legen: sei es die Wunden der Protagonisten, sei es die Art, wie man die Erzählung konstruieren will.

In meinen Augen wählt Hell on Wheels einen interessanten Ansatz, und man kann nur hoffen, dass die AMC-Serie sich dem gewachsen zeigen wird. Obwohl sich Hell on Wheels nah am italienischen Western bewegt, was Atmosphäre und Figuren betrifft, setzt sich die Serie doch mit Geschichte auseinander. Man könnte vorsichtig behaupten, dass die AMC-Produktion eine Mischung aus beidem zu sein versucht.

Hell on Wheels legt den Finger genau an die richtige Stelle: an den Punkt nämlich, wo Zusammenbruch und Aufbruch Hand in Hand gehen. Aus Genre-Perspektive versucht die Produktion, angelehnt an die gewalttätige Sprache des Italo-Western und die düsteren Bilder des Spätwestern von Sam Peckinpah (The Wild Bunch), eine Erzählung zu schaffen, die die individualistische Suche nach Rache und Freiheit, den Wertezerfall und die brutale Gewalt umkreist, auf welcher die ‘Zivilisierung’ des Westens beruht.

Cullen Bohannan (Anson Mount) allerdings befasst sich vorerst weniger mit Werten und Fortschritt: Wenn er gerade einmal nicht betrunken mit dem Kopf auf dem Tisch liegt, sucht er nach den Mördern seiner Frau. Mount gefällt mir gut in der Rolle, und seine Inszenierung weckt teilweise alte Django-Gefühle. Auch die Gesamtinszenierung ist solide, die ausgeblichenen Farben tun ihren Job, auch wenn es manchmal – vor allem in den Waldszenen – aussieht, als wären die Blätter von Schnee bedeckt.

Die Suche des ehemaligen Südstaatensoldaten führt ihn zu dem Camp “Hell on Wheels”, das wie eine Stadt auf Rädern der für die Indianer höllischen Eisenbahn den Weg bereitet. Koste es, was es wolle. Union Pacific wird von Thomas “Doc” Durant (Colm Meaney) geführt, der zu allem bereit ist, um seine Taschen zu füllen; auffälliger Weise neigt er in diesem Piloten zu ewig langen Monologen. Manche davon, wie am Ende der Episode, finden auch im leeren Raum statt und richten sich nur an uns Zuschauer.

Obwohl Meaney eine an sich gute Performance abliefert, inszeniert ihn die Serie etwas „over the top“. Es erscheint überflüssig, uns die offene Wunde immer wieder zu zeigen, uns daran zu erinnern, welch harten Zeiten wir gerade beiwohnen und wie in solchen Zeiten verfahren wird. Es ist, als würde man alles zusammenfassen, was geschah und noch geschehen wird, alle Moralprobleme, alle Emotionen, die jene Zeiten mit sich bringen und die Hell on Wheels hiermit verspricht. Die Frage ist, ob und wie die AMC-Serie das Versprechen halten wird.

Nach dem Piloten käme ein Urteil zu früh, denn hier bewegt sich Hell on Wheels auf der sicheren Seite und tut alles, was man von einem Western erwartet. Das ist nicht unbedingt schlecht, sobald wir mehr über die Nebenfiguren erfahren und mehr Handlungsstränge aufgebaut werden. Im Piloten sehen wir nur einen Hauch davon, da dieser zu viel Zeit fürs Vor- und Versprechen verbraucht.

Die Figur des ehemaligen Sklaven Elam Ferguson (Common), der mit Bohannon über die Ermordung des Hell on Wheels-Kommandanten Daniel Johnson eine Verbindung aufbaut, weckt Interesse. Etwas pathetischen und aufgesetzten Unterhaltungen zum Trotz – etwa Bohannon: You got to let go of the past. Ferguson: Have you let it go? – ist die Chemie zwischen den beiden vorhanden. Johnson gehört übrigens zu den Männern, die  Cullens Frau töteten, und verrät ihm vor seinem Tod, dass es da noch den „Hauptbösewicht“ gibt: den Anführer der damaligen Soldatengruppe.

Ohne weitere Hinweise wird sich Cullen schwer tun, jemanden zu finden, von dessen Existenz er vorher nichts wusste.  In der Zwischenzeit lernen wir einen von Durants Leuten kennen, der die Eisenbahn-Streckenkarten erstellt, und seine Frau Lily Bell (Dominique McElligott). Ein kurzes Vergnügen für ihn (immerhin aber ein Vergnügen mit Lily im Zelt in der Nacht davor), denn Indianer, die leider wie Karikaturen ihrer selbst durch die Gegend laufen, greifen das Lager an und töten alle.

Bis auf Lily, die verletzt fliehen kann. Also wird sie auch weiterhin eine Rolle spielen – die irischen Brüder Sean und Mickey McGinness (Ben Ester, Phil Burke) vermutlich ebenfalls, die Cullen im Zug trifft, und auch der zum Christentum konvertierte Indianer Joseph Black Moon (Eddie Spears), der mit Reverend Nathaniel Cole (Tom Noonan) in Hell on Wheels eintrifft. Gern zeigt Hell on Wheels Silhouetten seiner Protagonisten – und Silhouetten bleiben sie in diesem Piloten. Ich bin gespannt, wie sich die AMC-Produktion weiter entwickeln wird.

Breaking Bad: Hazard Pay – Review (5×03)

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Wie oft hat man schon die genialen Entscheidungen der Breaking Bad-Autoren gelobt – und trotzdem schaffen sie es immer wieder, ein neues As aus dem Ärmel zu ziehen. Wer gedacht hat, die Wohnwagen-Tage für Walter und Jesse seien vorbei, hat sich schwer getäuscht. Dank einer Idee von Walter ist das RV-Prinzip wieder an der Tagesordnung. Heisenberg kocht einfach bei Ihnen zu Hause! Da Walter etliche von Saul vorgeschlagene “Küchen” als Standort für sein Labor missfallen, lässt er sich von Vamonos Pest inspirieren, dem Unternehmen, das Schädlingsbekämpfung in ABQ betreibt. Walter aka Heisenberg aka Christo, der Verhüllungskünstler.

Da die Firma die Häuser verhüllt, bevor das Ungeziefer drinnen ausgeräuchert wird, müssen die Hausinhaber für ein paar Tage ihr Domizil in den Händen von Vanomos Pest lassen. Das bedeutet – in den Händen von Heisenberg, der so das Labor von Haus zu Haus bewegen will. Kochen und weiterziehen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Nur Rauch, der sich aus den Öffnungen der grün-gelben Zelte verflüchtigt. Hazard Pay. In den “Zelten” befindet sich der Hazard-Häuptling Heisenberg, der in einer beinahe im CSI-Stil orchestrierten Laborsequenz unter den Klängen von The Pledders’ “On A Clear Day (You Can See Forever)” das Blaue des Himmels zubereitet. Und da oben im Himmel, über den anderen, sieht sich Walter White thronen.
Mike: “We take a vote?”
Walt: “Why?”

In Walters Augen ist ein Jahr nach seiner Krebsdiagnose er derjenige, der sagt, wo es lang geht: Die Heisenberg-Show! Im Grunde hat Walter den Krebs verinnerlicht – physisch bekämpft, indem er selbst zum “Krebs” geworden ist. Er ist der Mann, der klopft, er ist Hazard, er ist das Insekt, das das Leben Anderer kontaminiert. Mit Facettenaugen scannt er seine Umgebung und filtert die emotionalen Schwächen der Beteiligten heraus.
Nachdem er Jesses Nähe zu Andrea und Brock feststellt, manövriert er Jesse mit dem Vorschlag, dass er Andrea die Wahrheit sagen solle, auf grausam subtile Art und Weise in die emotionale Ecke voller Schuldgefühle und Selbstzweifel: I’m just trying to say that I trust you, and I know you’ll make the right call.

Walt: “If she loves you, she’ll understand.” Nicht nur macht er Jesse klar, dass Andrea und Brock eine Gefahr für ihn – Heisenberg – darstellen, sondern dass Andrea Jesses Tun nie wirklich akzeptieren würde, wenn sie die Wahrheit kennen würde.
Übrigens: Skinny Pete und Badger sind zurück! Sie besorgen aus einem Musikgeschäft das Transportequipment für Walters Laborgerätschaften.

Skinny Pete: “Hey man, I’m trying to do business over here, bitch! Sorry, he’s like, overly enthusiastic.” Awesome!
Nach Skylers Zusammenbruch vor Marie hat Walter auch hier die Entscheidung parat: Er “gesteht” Marie, dass Skyler eine Affäre mit Ted hatte und nach seinem “Unfall” verstört ist. Er kontaminiert die Gedanken und Gefühle der Anwesenden – und sein eigenes Zuhause, indem er wieder einzieht.
Skyler: “Do you really think that’s a good idea?”
Walt: “Yes.”
Danach schaut er mit Junior und dem Baby den Kugelhagel am Ende von Scarface: Everyone dies in this movie, don’t they?

Mike ist der Einzige, der nicht in Walters Rasterbild hineinpasst. Er ist nicht nur “Cleaner”, er ist mehr. Wir sehen ihn das Schweigen der Gus-Leute im Gefängnis sicher stellen: Everyone gets their hazard pay, including you. You will be made whole. You have my word. You need more? Mikes Wort reicht für andere, aber nicht für Walter. In der letzten Szene, als Mike ihm klar macht, wie wenig Gewinn nach Abzug der Ausgaben übrig bleibt, geht Walter hoch.
“We are gonna make ’em whole,” wiederholt Mike.
Walt antwortet: “What is this ‘we’?”

Er sieht Mike, trotz seiner Aussage in der letzten Episode, nicht als Partner. Er sieht ihn als einen Angestellten, der zu nah an der Sonne zu fliegen versucht und sich die Flügel zu verbrennen droht.
Als Walter Jesse fragt, wie er sich fühle, und als Antwort die für Jesse herzzerreißende Bestätigung bekommt, er habe sich von Andrea getrennt, geht er nicht darauf ein. Was Walter meint, ist das Geschäft, das Geld: die Sachen, die für ihn wichtig sind. Seine anschließende Reminiszenz über Victor ist die mit Todesgefahr kontaminierte und verspätete Antwort auf Mikes Aussage: Just because you shot Jesse James, don’t make you Jesse James.

Was bleibt noch zu sagen? Nichts. Einfach mit Walt Whitmans “Leaves of Grass” auf dem Schoß dasitzen und beobachten, wie ein Insekt aus den grün-gelben Grashalmen herauskrabbelt und sich Richtung Haus begibt…

Breaking Bad: Madrigal (5×02)

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Namen, wohin das Auge blickt. Namen, Namen, Namen: Whiskerstays, Haau Chuen Wok, Burger Matic, Palmieri Pizza. Nur kein Los Pollos Hermanos mehr. Um bei den ersten Bildern des Teasers zu bleiben, kann man sagen, dass jeder Name einen Geschmack hat und manche bekommen mit der Zeit einen faden Beigeschmack, wie Herr Schuler feststellen muss. Er sitzt in dem Vorstand des Unternehmens Madrigal Electromotive GmbH.

Es ist das Unternehmen, zu dem Gus’ Restaurantkette gehörte. Aus diesem Grund will die Polizei mit ihm sprechen. Als seine Assistentin ihm das mitteilt, ist er dabei unterschiedliche Soßen zu testen. Aber die allererste, die als ein kleiner Haufen auf dem Tisch in der Episodeneröffnung zu sehen ist, hat die Farbe Gelb. Wie wir wissen,  gehört sie nicht nur zu Breaking Bads Lieblingsfarben, sondern sie ist direkte Verbindung mit Gus’ Operation – Gus trug meistens gelbes Hemd und seine Mitarbeiter gelbe Schutzanzüge. Und die ganze Geschichte von Gus fing unter der glühenden mexikanischen Sonne an. Die nächste Farbe, die Herr Schuler “probiert” ist die rote. Sie führt uns zurück in die Vergangenheit, in das Underground-Labor, während Herr Schuler seine Starre verlässt, um sich dann auf der Toilette zu verschanzen. Dort ist alles blutrot, sogar das Klopapier. Er begeht Selbstmord und fällt vom Klositz herunter, wobei die automatische Klospülung anspringt.

Es ist aber nicht so leicht, die “Scheisse” runterzuspülen, die der Zerfall von Gus Imperium hinterlässt. Die ganzen Verflechtungen, alle Knoten sind jetzt offen und verwandeln sich in lose Enden. Denn das Meth-Lied, das zu Gus Lebzeiten angestimmt wurde, war ein Madrigal. Das Madrigal ist ein mehrstimmiges Vokalstück und Walter scheint sich dieser Tatsache nicht bewusst zu sein. Dafür aber Mike. Walter verlässt sich auf die automatische Klospülung, aber die geht nicht an. “Going forward” – Walter ist dabei sein eigenes Madrigal anzustimmen und bietet Mike gleichwertige Beteiligung. Er lehnt ab, um sich kurze mit einem weiteren Angebot konfrontiert zu sehen.

Dieses kommt nicht von Walter, sondern von einer extrem angespannt wirkenden Unbekannten (für uns Zuschauer) namens Lydia. Anscheinend ist sie Teil von Gus’ Imperium gewesen. Sie bittet Mike darum, elf “Mitarbeiter” zu töten und er lehnt auch dieses Angebot ab. Er ist sich sicher, dass sie nicht singen werden. Aber was, wenn das Geld weg ist? So bewegen wir uns zum dritten Angebot für Mike in dieser Episode, dem von Hank & Co. Nachdem das Verhör nichts nutzt, erzählen sie ihm, dass das Geld aus dem Kaimainseln-Konto auf dem Namen seiner Enkeltochter, beschlagnahmt wird. Mike lehnt trotzdem jegliche Mitarbeit ab. Aber ihm wird klar, dass andere den Text des Gus-Madrigals jeden Augenblick verraten könnten.

Dasselbe denkt Lydia über Mike – er ist plötzlich einer der elf Männer auf ihrer Liste, aber er kann der Falle entgehen. Das geschieht dank dem LOL Rollover Bacon the Pig seiner Enkeltochter. In frühen Staffeln hatten wir den Rosa-Teddy – wird er jetzt von einem Schweinchen ersetzt? Mike stattet Lydia einen Besuch ab, aber anstatt sie zu erschießen (Lydias Tochter ist auch im Haus), was er ursprünglich auch vorhat, bringt er sie zu dem Heisenberg-Madrigal. Sie kann Methylamine beschaffen und Walter, wie wir von ihm hören, braucht es dringend, um kochen zu können. I’m in, teilt Mike Walter per Telefon mit.

Walters zufriedenes Lächeln bedeutet ein weiterer Sieg und letztendlich bringt er Mike, wenn auch unbewußt, in die Lage, das Ja-Wort zu geben. Während es sich mit Skyler und Jesse ganz anders verhält. Er manipuliert die beiden in zwei Ecken, aus welchen sie nur herauskommen können, wenn sie seine ausgestreckte Hand nehmen. In Jesses Fall ist es eine verzeihende Hand und in Skylers eine drohende. Im Grunde misshandelt Walter beide und Skyler benimmt sich in diesen zwei Episoden sogar wie eine misshandelte Frau. Aaron Paul und Bryan Cranston zeigen in der Szene, als Walter das “Auftauchen” der Ricin-Zigarette inszeniert, warum beide Emmy-Träger sind.

Walter kreiert eine “neue” Zigarette (nur mit Salz drin) und bringt Jesse dazu diese zu “finden”.  Somit “pflanzt” er in Jesse die Schuldgefühle, die den jungen Mann komplett aus dem Bann werfen, nur um von dem vergebenden Walter wieder aufgefangen zu werden: You and I working together, having each other’s back, it’s what saved our lives. I want you to think about that as we go forward.

Walters sexuelle Ouvertüre in der letzten Szene der Episode, nachdem er zu Skyler ins Bett steigt, beinhaltet, nichts Geringeres, als den Zwang zum Anstimmen des gleichen Liedes: It gets easier, If what we do, we do for good reasons, then we’ve got nothing to worry about. And what better reason than family?
Er gibt Skyler die Entschuldigung, wie es früher Heisenberg mit Walter tat, aber macht ihr gleichzeitig klar, dass es kein Entkommen gibt. Sie ist an Bord von The Crystal Ship’s und muss mitsingen…

Breaking Bad: Live Free or Die (5×01)

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Was bedeutet eine tödliche Krankheit besiegt zu haben? Was bedeutet von anderen Menschen respektiert zu werden? Was bedeutet Geld zu haben? Oder / Und Macht? Zum Teufel mit diesen Fragen! Was bedeutet eigentlich Gott zu sein? Fühlt es sich so an, Gott zu sein, Walter?

Die ersten Aufnahmen der neuen Staffel zeigen uns Walter White, der was Kopf- und Gesichtsbehaarung betrifft, The Reinhold Messner Way gewählt zu haben scheint. Oder musste er das? Er hat doch gewonnen? So endete die letzte Staffel, mit dem Mann, “der klopft”, als Gewinner: I won, sagte Walter zu Skyler am Telefon. In ihren Augen sieht man, metaphorisch gesprochen, wie sie die Tür gerade aufmacht und tatsächlich Walter vor sich stehen sieht, den Mann, der klopft. Während Breaking Bad in den ersten Staffeln eine Erzählung über Machtlosigkeit und dann über den Verlust der Kontrolle war, ist sie jetzt eine Darstellung von Walters  Empfinden der Über-Macht. Über was? Über sich, über andere? Über alles, lautet die Antwort.

Live Free or Die steht auf dem Nummernschild von Walters Wagen. Die letzten zwei Ziffern sind “53”. Davor sehen wir Walter mit dem Bacon auf seinem Frühstücksteller eine Art Geburtstagstorte kreieren. Die Zahl ist 52. Er gibt vor der Kellnerin zu, dass heute sein Geburtstag ist. Wird es der letzte sein? “Free is always good,” sagt die Kellnerin. Als Breaking Bad Zuschauer kann man den Hinweis nicht übersehen: Die Frage nach der Essenz der Freiheit…

Von einem Unbekannten erhält Walter die Schlüssel für einen neuen Wagen, in dessen Kofferraum ein Maschinengewehr liegt. Breaking Bad setzt übrigens mit der neuen Staffel in alter Tradition das Spielchen mit den Aufnahmen aus extremer Unter- bzw. Aufsicht fort. Die Erzählung ist zwischen Extremen situiert – zwischen Oben und Unten. Und Walter befindet sich jetzt oben.
Breaking Bad schickt uns dann zurück zu Walter direkt nach dem Tod von Gus. Er räumt auf und stoßt anschließend mit sich selbst im Spiegel an. Walter und Heisenberg kann man anscheinend nicht mehr voneinander trennen. Nur, um “Gott” zu sein, bedeutet sich um die Details kümmern zu müssen. Wir wissen alle, wie der Spruch über Gott und die Details lautet.

Warum nenne ich eigentlich Walter “Gott”? Weil diese erste Episode der neuen Staffel aus einer dreiteiligen (heiligen) Einheit an Aussagen besteht, die Walters Empfinden seiner eigenen Machtstellung ausdrücken. Als Mike die Gewissheit über die Richtigkeit von Walters Annahme anzweifelt, antwortet Walter simpel: Because I say so. Zu Saul, der das Verhältnis beenden will, lautet die Ansage: We’re done when I say we’re done! Und in Skylers Ohr flüstert er: I forgive you. Allwissend, bestrafend und gnädig. Aber nicht unsichtbar… Obwohl das Kochlabor vernichtet wurde, bleiben die Videoaufnahmen aus den Überwachungskameras. Mike ist auch noch da. Er erfährt vom “Arzt” über Gus’ Tod und macht sich wütend auf den Weg, nur um … fast mit Walter und Jesse zusammenzustoßen.

Man braucht eigentlich nicht viel über die glühend-faszinierenden Außenaufnahmen in der mexikanischen Wüste sagen. Die Bilder transferieren eine Hitze, die beinahe physische Reaktion beim Zuschauer hervorbringt. Gefilmt aus der Distanz rasen die Autos aufeinander zu und aus der Perspektive gibt es kein Ausweichen in letzter Sekunde bzw. wir sehen es nicht. Sie fahren zwar natürlich aneinander vorbei, aber für den Beobachter entsteht für eine Sekunde der Eindruck eines Ineinader-Verschmelzens. Während Skyler Walter fürchtet, wie sie es ihm in einer späteren Szene mitteilt, macht Mike keine Anstalten vor einem neuen Boss knien zu wollen. Jesse ist der einzige Grund, warum er Walter nicht sofort eine Kugel verpasst.

An diesem Punkt wird eine interessante Dynamik in Gang gesetzt. Jesse befindet  sich in der Mitte und ver-mittelt. Als Walter und Mike in Jesses Haus (auf dem Tisch sind Gegenstände in Breaking Bads Grün zu sehen) darüber streiten, wie man an Gus’ Laptop in der Asservatenkammer kommt, befindet sich Jesse im Hintergrund. Er sitzt auf dem Sofa und ist “unscharf”, während Walter und Mike auf Fokus den linken und rechten Vordergrund einnehmen. Sie sind so sehr aufeinander und die verbale Auseinandersetzung fokussiert, dass sie den “unscharfen” Hintergrund, die Stimme der Vernunft nicht hören: “What about, like, a magnet?” Was danach folgt ist Breaking Bad-Slapstick vom Feinsten: Yeah, bitch! Magnets!

Der Magnet-Trick funktioniert, aber durch die Unordnung, die in der Asservattenkammer entsteht, stoßt die Polizei auf eine versteckte Notiz in Gus’ Sachen. Es ist ein Bankkonto auf den Kaimaninseln.  Walter zieht wie ein Magnet Probleme an, während er glaubt welche zu beseitigen. Ted ist auch noch am Leben, aber nachdem Skyler ihn besucht, hören wir ihn um sein Leben betteln. He’s not gonna talk, sagt sie zu Walter später, der von Saul über das Geld und Ted erfährt. I forgive you, lautet die Antwort, die szenisch sogar als eine Anspielung an das Ende der Episode “I.F.T.” gesehen werden kann.
Perfekter Einstieg in die neue und letzte Breaking Bad-Staffel:

We’re done when I say we’re done.

The Killing: Orpheus Descending (1×13)

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Holder erbringt den endgültigen Beweis, wer Rosies Mörder ist, und kann zusammen mit Linden den Fall abschließen. Aber ist wirklich alles das, was es zu sein scheint?

Das Finale von The Killing kommt überraschend – und irgendwie doch nicht. Täte es der Serie nicht besser, den Fall abzuschließen und mit der zweiten Staffel neu anzufangen? Vermutlich schon. Denn viele Zuschauer sind vor allem deshalb bis zum Ende dabei geblieben, um zu erfahren, wer Rosie Larsen tötete, und müssen nun mindestens ein Jahr lang auf die Antwort warten – mindestens, denn ausgehend von der bisherigen The-Killing-Dramaturgie kann man nicht sicher sein, dass die Antwort dann gleich kommt. Sollte AMC bei der zweiten Staffel mit einem Ratingseinbruch rechnen? Vermutlich.

Andererseits: Ist wirklich die Frage nach Rosies Mörder das Wichtigste? Wie steht es mit der auch im Finale hervorragenden Performance von Brent Sexton, Joel Kinnaman und Mireille Enos? Man nehme die kleine Szene, als Stan im Krankenhaus auf Amber trifft und die Frage nach der Anzahl seiner Kinder zu beantworten versucht. Oder auch seinen vollkommenen Frieden und tiefste Trauer ausstrahlenden Auftritt, als er Terry erzählt, dass Mitch (Michelle Forbes) gegangen sei. Dazu kommt das Zusammenspiel zwischen Linden und Holder, das nach der elften Episode, die nur für die beiden Halt machte, noch intensiver wurde.

Richmonds Szene mit Linden am Ende der letzten Episode war gut gestaltet, aber ihre Fortsetzung im Finale gehört zu der Reihe von Darstellungen in The Killing, die sich richtig um Dramatik bemühen; vor allem auf auditiver Ebene. Dafür holen die beiden alles etwas später nach, als Linden Richmond mit dem Mord an Rosie konfrontiert und er außer sich gerät. Mir gefielen die „gekippten“ Bilder: Die beiden schreien sich im Grunde auf der Diagonalen an; alles scheint aus dem Gleichgewicht zu geraten. Das passiert auch Darren, denn auf die Veröffentlichung der Beweise für seine Affären folgt der Beweis für den Mord an Rosie. Nach gelungener Rekonstruktion der Tour, die Richmonds Auto in jener Nacht machte (warum auch immer man erst jetzt darauf kommt), bekommen die Ermittler dank Holders Arbeit auch ein Foto mit Darren hinterm Steuer. Sehr schön schließt man den Kreis, als man Linden und Holder wieder an dem Punkt aus dem Piloten zeigt – auf Seattles Feldwegen und in den Wäldern der Umgebung, in ihren giftgrünen, durchnässten Fängen.

Nach Richmonds Verhaftung schafft es Linden, mit Jack ins Flugzeug nach Sonoma zu steigen – nur um in letzter Sekunde zu erfahren, dass Holder ihr Vertrauen missbraucht und Beweise gefälscht hat. Gleichzeitig sehen wir, wie Holder in ein Auto steigt und zu dem offscreen bleibenden Fahrer sagt: Es habe funktioniert, Richmond werde fallen.

Das kommt wirklich überraschend – vielleicht die einzige wirkliche Überraschung bisher. Man kann nicht behaupten, dass wir Hinweise auf eine solche Wendung hatten. Für wen arbeitet Holder? Für Gwens Vater? Führt er eine eigene undercover-Untersuchung durch? Wird nach Bennetts Koma Darren als nächster Nicht-Schuldiger Rosies Tod zum Opfer fallen? Am Ende der Episode sehen wir, wie Belko eine Waffe auf ihn richtet…

In welche Richtung The Killing in der zweiten Staffel gehen wird, bleibt abzuwarten. Aber die Serie kann sich nicht ewig darauf ausruhen, dass die Atmosphäre die Arbeit macht und die Zuschaueremotionen bedient, während sich die Handlung sprunghaft und holprig zwischen dem Legen falscher Spuren, langweiligen Politikplots und minimalistischer Beschäftigung mit den Figuren bzw. gar ihrem Fallenlassen nach kurzem Gebrauch bewegt.

Mag sein, dass die Serie nur in meinen Augen solche Schwächen aufweist und ich extrem falsch liege. Daher bin ich gespannt, wie ihr die komplette erste Staffel inklusive Wendung im Finale seht und was ihr von der zweiten erwartet.

The Killing: Beau Soleil (1×12)

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In dieser Episode schließt sich der Kreis: Linden und Holder scheinen einem grausamen Geheimnis an die Wurzel gekommen zu sein.

Maybe none of us knew her, sagt Terry über die ermordete Rosie zu ihrer Schwester Mitch in einer der besten Szenen dieser Episode. Die beiden Frauen, gefangen in ihrer Trauer und Enttäuschung, beschuldigen einander in einem erbitterten Wortgefecht. In ein ähnliches Gespräch verwickelt Mitch ihren Ehemann Stan, als sie ihn im Gefängnis besucht. Beide Szenen sind auch visuell ähnlich orchestriert und zeugen von Isolation, Trauer und dem verzweifelten Versuch zu verstehen, wie das Leben plötzlich aus dem Gleis geraten ist.

Aber geschah das wirklich so plötzlich? Tatsächlich hat The Killing eine Zeitlang wenig dafür getan, uns die Ermittler und Rosie kennen lernen zu lassen.  Dafür bringen die letzten zwei Episoden immer mehr Details an die Oberfläche. Es ist so, als würden endlich die Wellen des Steins, den man vor einer Weile ins Wasser warf, die Füße erreichen und sie durchnässen.
Es stellt sich heraus, dass Rosie, das Mädchen mit der Vorliebe für Poesie, unter einem enormen familiären Druck stand – vor allem seitens ihrer Mutter Mitch. Rosies Tante Terry scheint mehr über ihre Bedürfnisse und Wünsche gewusst zu haben als ihre Eltern. Aber Terry hat Rosie auch in ihre Welt hineingezogen: die Welt der Callgirls. Man erinnere sich an die kleine Szene während Rosies Trauerfeier, als Terry mit Jaspers Vater flirtete, woraufhin der sich harsch umwandte und davonging: anscheinend ein treuer Kunde!

Die Ermittler stellen eine Verbindung her zwischen Rosies teuren Schuhen (die ihr Terry schenkte), Internetaktivitäten, einem Bankkonto und der Webseite Beau Soleil. Dahinter versteckt sich ein Escort-Service. Zwar versichert Terry Holder (Joel Kinnaman) und Linden (Mireille Enos), Rosie sei nicht als Callgirl tätig gewesen, aber ein anderer Hinweis ihrerseits führt doch zu einer Verbindung: Ein Callgirl namens Celine warnte die anderen Mädchen schon vor einer Weile vor einem Kunden namens Orpheus, der Ertrinkensphantasien pflegte. Während Linden und Holder seine Identität ausfindig zu machen versuchen, bekommt Linden unerwarteten Besuch von ihrem Ex-Mann (ein weiterer Battlestar-Galactica-Schauspieler als Gaststar: Tahmoh Penikett), der darum bittet, Jack öfter und überhaupt sehen zu dürfen. Die kurze Szene lenkt eigentlich stark von der intensiven Untersuchung ab, aber sie thematisiert noch einmal die mittlerweile – vor allem nach der letzten Episode – verfestigte Partnerschaft zwischen Holder und Linden, ihre gegenseitige Hilfsbereitschaft und das Verständnis füreinander.

“Orpheus” ist aus der griechischen Mythologie als “legendary poet, prophet and musician” bekannt, der aus Liebe zu der Nymphe Eurydike in die Unterwelt hinabstieg, um sie zurückzuholen. Ganz von selbst denkt man an dieser Stelle an Darren Richmond und seine tote Frau. Aber warum die Phantasie über das Ertrinken? Starb Darrens Frau nicht in einem Autounfall, oder landete das Auto ins Wasser?

The Killing kann es natürlich nicht lassen und versucht – wenn auch nur für zehn Minuten -, den Zuschauer noch einmal zu täuschen und auf Tom Drexler als Orpheus hinzuweisen. Nach einem weiteren Skandal um Adams wird Darren allem Anschein nach die Wahl gewinnen; Drexler feiert eine Party, zu der aber nur Jamie geht. Anwesend sind, laut Tom, Beau-Soleil-Mädchen, die im azurblauen Wasser an der Decke schwimmen (die zweite Ebene der Wohnung ist ein Pool). Aber nach einem Treffen mit Celine erfährt Holder Orpheus’ wahre Identität.

Im Grunde erfahren sie beide Ermittler gleichzeitig – und auf gewisse Art und Weise indirekt. Als Linden Darren einen Besuch abstattet, um ihn vor Drexler zu warnen, verkündet sein Computer den Eingang einer Email. Sekunden davor verschickte ein Polizist auf Lindens Befehl an Orpheus’ Adresse folgende Email: I know what you did! Dann noch einmal – und noch einmal. Darrens Computer meldet jedes Mal den Empfang – und bevor wir es selbst sehen, vermittelt uns Lindens Gesicht die Wahrheit, beleuchtet von dem Computerbildschirm in der Dunkelheit von Darrens Büro. Wie ein Schatten erscheint Darren im Rahmen der Tür. Auf dem hellen Hintergrund des Korridors ist er in Dunkelheit getaucht.

Diese gut in Szene gesetzten Aufnahmen korrespondieren mit Holders Fund von Celines Hinweis auf Orpheus. An der Wand gegenüber der Telefonzelle, von der aus sie angerufen hat, kleben mehrere Plakate mit Darrens Gesicht darauf. Damit schließt sich der Kreis, den AMC schon bei den Promos von The Killing zu zeichnen begann. “Who Killed Rosie Larsen?” stand damals auf etlichen Postern. Ist es erneut eine falsche Spur?

The Killing: Missing (1×11)

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Linden und Holder haben immense Schwierigkeiten, herauszufinden, wo Rosie Larson ihre letzten Stunden verbracht hat. Linden braucht Holders Hilfe, um mit einem Zwischenfall zurechtzukommen.

Als würden The Killings Autoren mit Missing die Kritik der letzten Wochen kontern wollen: Die Episode erreicht fast das Niveau, das man seit dem Piloten vermisst hat. Und damit meine ich vor allem die Art und Weise, den Zuschauer in die Bilder einzusaugen – als stünde man im strömenden Regen, ohne die Nässe zu bemerken. Es handelt sich eigentlich um ein Kammerspiel zwischen Linden, Holder und dem Dauerregen, aber dieses Spiel meistern sie mit Bravour.

Missing verhält sich wie ein Auto, das links blinkt und plötzlich nach rechts abbiegt. Die Episode fängt mit Lindens Besuch in dem Casino an, aber plötzlich dreht sie sich einmal um die eigene Achse und widmet die nächsten 40 Minuten Lindens Suche nach ihrem vermissten Sohn Jack. Eigentlich sucht sie eine Antwort auf die Frage, was sie als Mutter falsch gemacht hat – und gleichzeitig lässt die Suche ihrer Verzweiflung darüber freien Lauf, sich immer weiter vom Leben vorantreiben zu lassen, ohne irgendwo oder bei irgendwem Halt finden zu können.

Das allerdings gilt sowohl für Linden als auch für Holder. The Killing zeigt uns, dass die beiden trotz unterschiedlicher Persönlichkeiten und trotz Meinungsverschiedenheiten vielleicht aus einem einzigen Grund aneinander hängen blieben: Tief in sich verstehen sie einander. Sie streiten – und erzählen einander im nächsten Moment traumatische Ereignisse aus der Vergangenheit. Das plötzliche Verschwinden von Lindens Sohn Jack ist der Auslöser für eine Reihe von Dialogszenen zwischen Holder und Linden während der Suche, die ihren Höhepunkt im Fast-Food-Restaurant finden.

Some things you can’t fix. Maybe they just stay broke, sagt Holder zu Linden. Er erzählt ihr, wie er während des Undercover-Jobs drogenabhängig wurde; von Linden erfahren wir später, dass ihr Vater starb, die Mutter Prostituierte war und Sarah von einer Pflegefamilie zur nächsten wechselte. Endlich erzählt sie von dem Fall, der sie zusammenbrechen ließ. Es handelte sich um ein Kind, dessen Mutter getötet wurde; Linden schickte den Vater und Mörder ins Gefängnis, so dass das Kind ins System geriet – und mehr oder weniger Lindens Schicksal erleiden musste.

So no wonder you ain’t a pro at being a mom, ist Holders erste Reaktion, aber sein Zynismus ergibt sich aus der eigenen Verzweiflung und aus der Empathie für Linden. Und sie erkennt das. Man kann sagen, dass die beiden ihre Beziehung nach dieser Episode fast auf ein freundschaftliches Niveau gehoben haben. Diese Abschweifung innerhalb der Erzählstruktur von The Killing funktioniert sehr gut, vor allem dank der Leistung von Mireille Enos und Joel Kinnaman. Eigentlich hätte diese Dynamik viel früher greifen sollen, aber besser später als nie. Denn der tiefere Einblick in die Figuren war längst überfällig und zieht uns Zuschauer auch tiefer in den Rest der Handlung hinein.

Gleichzeitig – und fast unauffällig – demonstriert Missing, obwohl Jack unversehrt zu Linden zurückkommt, auch ein Hauptthema von The Killing, nämlich die Tatsache, wie schnell Teenager sich von dem gefährlichen Fluss des Lebens forttreiben lassen können, bis sie plötzlich am Rand eines Wasserfalls stehen. Aber wer trieb Rosie in den Fall hinein? In den letzten Sekunden der Episode kehrt The Killing zurück zu Rosie; auf den Bankautomaten-Aufnahmen findet Holder die Bestätigung, dass Rosie an dem betreffenden Abend im Casino war.

The Killing: I’ll Let You Know When I Get There (1×10)

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Welche Rolle spielte Belko an dem Abend, da Rosie verschwand? Und wo wollte das Mädchen eigentlich hin? The Killing liefert mit der neuen Episode die Antworten.

Bin ich zu hart zu The Killing? Vielleicht. Nicht nur weil die Serie von AMC ausgestrahlt wird, fällt sie für mich in eine Kategorie, die wenig zu tun hat mit Procedurals und gängiger, „leichter“ Unterhaltung. Dadurch aber wächst der Anspruch, und gewisse Mankos fallen schwerer ins Gewicht.

I made a mistake, sagt Sarah Linden (Mireille Enos), als sie erfährt, dass Stan Bennet fast zu Tode geprügelt hat. In den vorherigen zwei Episoden, Stonewalled und Undertow, beschäftigte sich The Killing mit der falschen Spur um die muslimische Community. Dem gegenüber bietet I’ll Let You Know When I Get There tatsächlich eine Steigerung – und einen Hauch von Spannung, den man längere Zeit vermisst hat. Zwar löst eine weitere falsche Spur, die innerhalb der ersten Episodenhälfte auch prompt wieder verworfen wird, den Fluss von Ereignissen aus, aber wir dürfen mehr Linden-Holder-Zusammenarbeit genießen, die von Anfang an zu den großen Stärken von The Killing zählte. Vor allem die Verhörszenen mit den beiden sind wirklich stark gespielt.

Nachdem Linden und Holder die Bennet-Muhammad-Story mit hängenden Köpfen aufgeben mussten, treffen sie auf dem Polizeirevier einen Stan, der sich, ebenfalls mit hängendem Kopf, freiwillig stellt. Der Fokus auf seine Tat sorgt dafür, dass Belko mehr ins Rampenlicht rückt und die Ermittler beunruhigende Einzelheiten über sein Leben und seine Beziehung zu der Larson-Familie erfahren. Zwar sind Belkos Obsession und die Erklärung dafür ein Krimi-Klischee, aber die Szenen wirken intensiv – und das Aufnehmen dieser Spur führt zu tatsächlicher Detektivarbeit seitens Holder und Linden, welche sie mit einem unerwarteten Ergebnis konfrontiert.

Natürlich wäre die Entwicklung viel intensiver und dramatischer, wenn The Killing all diese „red herrings“ simultan verfolgt und „auseinandergepflückt“ und damit so manche Figur vor der Vergessenheit bewahrt hätte. Aber die Serie hat eine mehr „realistische“ als dramatische Herangehensweise gewählt, und das muss man respektieren. Ganz anders steht es um Lindens Verlobten Rick: Falls wir ihn zum letzten Mal gesehen haben, erschöpft sich seine Funktion tatsächlich darin, Mittel zum Zweck zu sein und uns daran zu erinnern, dass Linden einen traumatische Vergangenheit mit sich herumträgt. I’m not gonna end up in a hospital again watching you stare at a blank wall.

Nach den letzten Minuten dieser Episode beschäftigt uns die Frage, wie traumatisch die Enthüllungen sein werden, wenn man tief in die Wälder am anderen Ufer vordringt. Denn Linden entdeckt durch Zufall – schöne Erinnerung an die Jogging-Szene aus dem Piloten -, dass die mysteriöse Adela, mit der Rosie an dem fraglichen Abend allem Anschein nach verbredet war, eine Fähre ist, die Rosie zu einem Casino brachte. Dessen Logo gleicht dem Design von Rosies Schlüsselanhänger.

Natürlich ist die Aufnahme des riesigen, aus den Uferwäldern ragenden Casino-Aufstellers aus Lindens Perspektive, untermalt von melancholisch-bedrohlicher Musik, eine Erinnerung an Twin Peaks und One Eye’d Jacks. Mit wem traf sich Rosie dort? Mit Darren Richmond? Wie wir erfahren, hat er gelogen, als er seinem Stab gegenüber beteuerte, sie nie gesehen zu haben. Hat er die Begegnung, die auf einem Foto festgehalten wurde, tatsächlich vergessen? Oder hat das Casino etwas mit Stans leeren Bankkonten zu tun, von denen Mitch mit Entsetzen erfährt? Es könnte spannend werden…

The Killing: Undertow (1×09)

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Die Ereignisse in The Killing eskalieren. Linden und Holder scheinen die Felle davonzuschwimmen.

The Killing braucht sich um eine zweite Staffel keine Sorgen zu machen, aber die Entwicklung der ersten Season erregt Besorgnis unter den Kritikern. Mag es an der hohen Messlatte liegen, die die AMC-Serie sich mit ihrem fulminanten Start selbst legte und seitdem nicht wieder erreichen konnte, oder an der Tatsache, ein beliebtes Original als Vorlage zu haben: Nach wie vor kann The Killing nicht überzeugen. Übrigens: Ich habe angefangen, das Original zu schauen – und auch wenn Viele mich dafür lynchen wollen: Die dänische Produktion überzeugt mich nach einem guten Anfang genauso wenig.

Zurück zu AMC: Den Leserwünschen entsprechend, werde ich im Zuge dieses nachgeholten Reviews über Undertow die Probleme von The Killing aus meiner Sicht schildern. Natürlich ist das hier Geschriebene ein subjektiver Eindruck, und ich werde mich gerne von der Serie oder aber von euch Leserinnen und Lesern eines Besseren belehren lassen!

Wie ich schon einmal erwähnt habe, liegt m. E. das Problem nicht hauptsächlich im langsamen Voranschreiten der Handlung von The Killing, sondern darin, „wie“ sie voranschreitet. Etliche Elemente stören den Regen-Fluss der Serie: das Bedienen etlicher Klischees; der Nebenhandlungsstrang um Darren Richmond, für den die Autoren kein Zuschauerinteresse wecken konnten; das Verharren der Hauptfigur Linden (Mireille Enos) in einem unveränderten, geradezu inerten Zustand an der Seitenlinie; und auch die zufälligen Hinweise, die immer wieder zum nächsten Verdächtigen und zum nächsten angeblichen Durchbruch in Rosie Larsons Fall führen. Der Zusammenhang des Ganzen droht dadurch stellenweise verloren zu gehen.

Falsche Spuren und MacGuffins sind schön und gut, aber The Killing übertreibt es damit doch etwas. Das Legen und Verwerfen solcher Spuren wird zum Selbstzweck, während wir viel zu wenig über Rosie und ihr Leben erfahren, ihre Beziehungen zur eigenen Familie, zu ihren Freunden. Wir wissen daher praktisch nichts über ihre Motivation, gewisse Dinge zu tun oder zu lassen. Was die Serie bisher über Wasser hält, sind die filmische Umsetzung, die dadurch entstehende Atmosphäre und die Einzelleistungen, etwa Brent Sextons (Stan) und Joel Kinnamans (Holder).

The Killing begann als Erzählung darüber, wie der Tod eines Menschen das Leben anderer verändert und beeinflusst, wobei sich die Serie hauptsächlich auf die Larsons konzentrierte. Was am Anfang zutiefst erschütterte, lässt einen mittlerweile kalt. Außerdem scheint The Killing den Erzählkurs in jüngster Zeit wechseln zu wollen: vom Persönlichen zum Politischen, was für einen faden Beigeschmack sorgt, vor allem die Art, wie mit Problematiken umgegangen wird. Alles wird nur oberflächlich berührt und wirkt dadurch klischeehaft.

Es ist, als zeigte die Serie ständig mit dem Finger: Seht ihr, da sind Risse in der sozialen Oberfläche! Aber sie geht nicht weit genug, um diese Risse zu erforschen. Ein gutes Beispiel hierfür bietet der Plot um die muslimische Community, in dem es um Diskriminierung, Integration und darum geht, wann man sich in Traditionen Anderer einmischt und wann nicht. Aber mehr als ein plumpes Statement kommt dabei nicht heraus: The Killing vereinfacht die Problematik, indem die Serie versucht, sie mit dem Richmond-Plot zu verbinden.

Darren stattet Drexler einen Besuch ab, um sich eine hohe Summe für den angeblichen Aufbau der somalischen Community zu sichern. Aber dieser Handlungsstrang hängt einfach so in der Luft und weckt kein Interesse – meines zumindest nicht. Während Holder und Linden feststellen, dass Bennet und Muhammad ein zwölfjähriges somalisches Mädchen nur deshalb quasi „entführt“ haben, um es vor einem grausamen Ritual zu bewahren, kommt es für Bennet zum Unausweichlichen. Nach Mitchs (Michelle Forbes) Vorwurf, man hätte den Mörder laufen lassen – sowohl Stan als auch die Polizei – nehmen Stan und Belko Bennet mit in die verregnete Dunkelheit und prügeln ihn möglicherweise zu Tode. Als Stan mehrfach auf den liegenden Bennet einschlägt, rastet Belko aus und schlägt wie in einer seltsamen Trance auf einen Stein. Nun, wenn das nicht der nächste Hauptverdächtige ist: nicht der Stein, sondern Belko?

The Killing: Stonewalled (1×08)

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Holders Geheimnis kommt ans Tageslicht, während Linden und Richmond sich zu verzweifelten Maßnahmen gezwungen sehen.

Stonewalled bietet mehr Bewegung, als der Titel erraten lässt. Nachdem Sarah Linden von den Autoren seit dem Piloten so ziemlich im Regen stehen gelassen wurde und minimal an den Geschehnissen teilnahm, wirkt sie diesmal für bisherige Verhältnisse wie entfesselt. Sie steht im Zentrum der Episode, genauso wie ihr Partner Holder. Verzweifelt wegen der Sackgasse ihrer Hochzeit, wegen ihrer Mutterrolle, ihrer Detective-Position und Holders Geheimnissen nimmt Linden die Autoschlüssel in die Hand und – findet Antworten.
Für mich ist die entscheidende Szene die Auseinandersetzung auf  dem Revier zwischen Sarah und Holder, als sie ihn mehr oder weniger aus der Untersuchung ausschließt und zu ihm sagt: „Stay and do nothing“. In der nächsten Minute kommt auf der Straße Mitch zu Sarah und wirft ihr vor: „You’ve done nothing!“ Ist es wirklich Holder, der nichts getan hat – oder doch sie selbst? Offenbar ist der Zeitpunkt gekommen für Lindens Erkenntnis, dass sie durch Rosies Mord und die Erinnerung an ihre (ständig angedeutete, aber nie zu Ende erzählte) Vergangenheit in eine Art Stillstand geraten ist, wie eingefroren. Sie ließ sich vom Plätschern des Regens innerhalb der eigenen Gedankenwelt so weit weg tragen, dass ihr Ins-Leben-Kommen in dieser Episode teilweise etwas überstürzt wirkt. Nichtsdestotrotz führt das zu manchen – wenn auch nicht zwingend überraschenden – Antworten.
So ist Holder einfach ein Ex-Junkie, der zu seinen Meetings geht. Joel Kinnamans Monolog bei dem Meeting, das Sarah heimlich beobachtet, ist die beste Szene dieser Episode. Leider kann man im Bild fast den moralischen Zeigefinger sehen, mit dem The Killing darauf zeigt: Seht mal hin, das wird eine tolle Szene! Die Serie kommt nach wie vor nicht aus dem Bruchstückhaften heraus; ihr Steckenbleiben bildet einen Gegensatz zu dem fließenden Regen in Seattle. In The Killing stockt es ständig, sei es wegen der Langeweile im Richmonds Nebenplot oder wegen des Springens von einem Klischee zum nächsten.
Nachdem das überwältigende Gefühl der Trauer durch den Einblick in das Leben der Larsons abgeebbt ist, bleibt im Moment nicht viel mehr übrig als ausgetretene Stufen von Trauerarbeit. In dieser Episode treten Rosies Eltern in die Phase der Entfremdung und der gegenseitigen Beschuldigungen ein, nachdem Mitch die beiden Jungen im Auto vergessen hat: in der Garage, bei laufendem Motor. Mit The Killing verhält es sich genauso: Alles scheint nur Rauch zu sein – und wenn dieser verfliegt, wissen wir nicht viel mehr über die Figuren als im Piloten. Vor allem wissen wir nicht viel über Rosie selbst, das Opfer, so dass sie der Ausgangspunkt wird, um das Puzzle aus anderen Figuren zusammenzustellen.

Alle bleiben irgendwie separiert voneinander.
Das Problem liegt nicht darin, dass The Killing zu viele lose Enden schafft und nicht wieder aufnimmt, sondern darin, dass die AMC-Serie sie nicht spannend offen lässt, uns keine Möglichkeit und keinen Anreiz zu Spekulationen gibt. Ob Bennet mit der Terrorzelle in Verbindung steht? Ob die Terrorzelle mit Rosies Mord in Verbindung steht? Ob die Zuschauer wirklich gespannt auf die Antworten sind?