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Aller Anfang ist schwer: CSIs Entstehung

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Im Jahre 2000 stand CBS-CEO Leslie Moonves bei der Programmplanung für die kommende Season vor einer schwierigen Entscheidung. Die Platzierung von „CSI: Crime Scene Investigation“ war durchaus nicht sicher. In seinem Buch „Desperate Networks“ beschreibt Bill Carter ein Treffen in Leslie Moonves’ Büro, am Tag vor den Upfronts. Anwesend waren etliche CBS-Executives sowie Moonves’ Freund Phil Rosenthal, der Erfinder der Sitcom „Everybody Loves Raymond“.

Eigentlich sollte eine neue Serie mit Tony Danza den zur Debatte stehenden Primetime- Sendeplatz bekommen: Das Konkurrenzprojekt, eine Forensiker-Serie namens „CSI“, hatte beim Screening in Moonves’ Büro bei den Verantwortlichen nicht besonders gut abgeschnitten. Die Resonanz des Testpublikums war jedoch positiv. Moonves musste eine Entscheidung treffen. Zum Erstaunen etlicher CBS-Mitarbeiter präsentierte er am nächsten Tag den Werbekunden für die kommende Season „CSI: Crime Scene Investigation“ als neues Primetime-Produkt. Als die Ratings der Erstausstrahlung kamen, trauten die CBS-Mitarbeiter ihren Augen nicht: CSI war offenkundig auf dem Weg, CBS aus seiner tiefen Krise herauszuholen und sogar, gemeinsam mit „Survivor“, zum Primetime-Sieg über NBC zu führen: am Donnerstag, der seit Jahren als ‚NBC- Donnerstag’ bekannt war!

CSIs Entstehung zeichnet sich durch eine Kette von Last Minute- Entscheidungen aus, für die mehrere Faktoren eine gewichtige Rolle spielten: Anthony Zuikers Präsentationskunst, Nina Tasslers Liebe zu der Gerichtsmediziner-Serie „Quincy M.E.“, Jerry Bruckheimers Bereitschaft, das Projekt mitzuproduzieren, William Petersens Interesse an der Hauptrolle und daher nicht zuletzt Moonves Vorliebe für William Petersen sowie dessen Vertrag mit CBS:

Als Nina Tassler einen Anruf von ihrem langjährigen Freund Jonathan Littmann erhielt, dem „top television executive“ von Jerry Bruckheimer, hatte sie nach 300-400 Präsentationen von Drehbuchautoren aus ganz Hollywood ihre Anhörung von Scriptideen bereits abgeschlossen. Littmann bettelte buchstäblich, dass sie sich nur noch eine einzige Präsentation anhören möge, eine „forensic show“. Als langjähriger Fan von NBCs „Quincy M.E.“ und HBOs „Autopsy“ wurde sie neugierig.

Aus diesem persönlichen Interesse und der Tatsache heraus, dass sich unter CBS’ Pilotenbestellungen keine forensische Serie befand, willigte sie ein, dem Newcomer Anthony Zuiker zuzuhören. Nach seiner überwältigenden Präsentation voller „Snap Zooms“, „Helicopter Shots“, Laborräume etc. war Tassler so beeindruckt, dass sie sofort das Script für den Piloten bestellte, da kaum noch Zeit zur Verfügung stand. Littmann kam so spät zu Tassler, weil Bruckheimer als Produzent einen Deal mit Disney hatte, dem Inhaber von ABC und dem Touchstone Television Studio; Littmann war somit verpflichtet, Zuikers Idee zuerst bei ABC vorzustellen. Touchstone willigte ein zu produzieren, aber ABC lehnte mit der Begründung ab, dass die Serie zu spezifisch für den allgemeinen Zuschauer sei. Tassler wiederum wusste genau, dass CSI bei CBS ohne das OK von ihrem Boss Leslie Moonves ebenfalls keine Zukunft haben würde.

Moonves seinerseits verfolgte seit mehr als acht Jahren William Petersen, dessen Performance in Filmen wie „Manhunter“ und „To Live and Die in L.A.“ ihn in Moonves’ Augen perfekt für eine TV-Serienhauptrolle erscheinen ließ. Moonves war derartig überzeugt von Petersens Qualitäten, dass er dem Schauspieler einen langjährigen Vertrag (1 Million Dollar holding deal) anbot, bei dem sich der Schauspieler zu nichts verpflichtete und schon dafür bezahlt wurde, sich Angebote von Nina Tassler lediglich anzuhören. Dieser Vertrag lief bereits, als Zuiker nun mit der Hauptrolle des Gil Grissom kam, die Tassler absolut auf Petersen zugeschnitten zu sein schien. Sie arrangierte ein Treffen zwischen Zuiker und Petersen. Nachdem sich die beiden Männer vier Stunden lang im Beverly Wilshire Hotel unterhalten hatten, sagte Petersen zu und teilte Moonves seine Entscheidung umgehend mit. Moonves, der Zuikers Präsentation noch nicht gesehen hatte, war skeptisch. Aber Petersen war absolut überzeugt, nicht nur von der Idee und der Rolle, sondern auch von Anthony Zuiker.

Moonves seinerseits hatte Fragen über Fragen: Wer würde als erfahrener Showrunner an der Spitze der Serie stehen? Wie sollte sich die Zusammenarbeit mit Bruckheimer gestalten, der zwar erfolgreiche, aber sehr teure Kinofilme produziert hatte? Wie würden Zuikers „snap zooms“ und Kamerafahrten in Wunden auf dem TV-Bildschirm aussehen? Petersens Entschlossenheit, mit dieser Serie seine TV-Karriere zu starten, gab schließlich den Ausschlag: Moonves bestellte den Piloten.

Die Zeit war knapp und wurde noch knapper, als Tony Scott den Regieposten in letzter Minute doch noch ablehnte. Bruckheimer schlug den Newcomer Danny Cannon vor, der allerdings mit seiner Arbeit an Filmen wie „I Know What You Did Last Summer II“ und „Judge Dredd“ bei Moonves nicht wirklich punkten konnte. Bruckheimers gutes Auge für junge Regietalente war jedoch berühmt. Er bestand darauf, dass Cannon der Richtige sei, um einen ausgeprägt filmischen audiovisuellen Stil zu schaffen. Als Showrunner wurde Carol Mendelsohn an Bord geholt, die lange Jahre bei „Melrose Place“ tätig gewesen war.

Der Rohschnitt des Piloten enttäuschte Tassler. Sie schlug einige Veränderungen vor, die Bruckheimer akzeptierte. Touchstones Testvorführungen der abgeänderten Fassung waren mehr als zufrieden stellend, und viele Teilnehmer betonten vor allem die audiovisuelle Stärke der Bilder. Mangels Vorbereitungszeit und freier Termine sah sich Nina Tassler gezwungen, das Screening während Moonves’ Mittagspause durchzuführen. Der fand den Piloten o.k., aber auf keinen Fall ausstrahlungsreif und bat deswegen Touchstone Pictures um weitere Nachbesserungen.

Am Abend vor der offiziellen Ankündigung des CBS-Programms in Carnegie Hall kam es zu dem am Anfang beschriebenen Treffen und zu Moonves’ Entscheidung, das Programm in letzter Sekunde zu ändern und CSI den Vortritt für den Sendeplatz am Freitag um 21:00 Uhr zu lassen – an Stelle der Serie „Homewood P.I.“ mit Tony Danza. Aufgrund der Gefahr, dass CSI ein Hit werden könnte, bekam der Touchstone-CEO McPherson von seinen Disney-Chefs die Nachricht, dass Disney seine 50% der Co-Finanzierung von CSI zurückziehen würde – denn nun würde CSI ja auf CBS laufen und nicht auf ABC. So musste CBS Productions für die Gesamtkosten aufkommen.

Üblicherweise wird jede Network-Serie mit einem Verlust von 300 000 bis 800 000 Dollar pro Episode produziert – in der Hoffnung, dass sie gut laufen und danach in Syndication Millionen einbringen wird. Aber das Risiko ist enorm, denn die meisten Serien fallen durch. Aus diesem Grund streben die Networks prinzipiell nur 50% Beteiligung an. CBS suchte vergeblich nach einem neuen Partner, sogar das Schwester-Studio Paramount Television wollte sich nicht an CSI beteiligen: Keiner wollte ein so teures Projekt ‚auf blauen Dunst’ mitfinanzieren.

Moonves suchte und fand Hilfe außerhalb Hollywoods, nämlich in der kanadischen Produktionsfirma Alliance Atlantis, die im Jahr zuvor die Mini-Serie „Joan of Arcadia“ für CBS produziert hatte. Der CEO von Atlantis, Peter Sussman, war sehr bemüht, im Seriengeschäft Fuß zu fassen: hier war seine Gelegenheit. Und er sollte diese Entscheidung nicht bereuen: Am frühen Samstagmorgen sahen er sowie auch alle CBS-Verantwortlichen die Ratings vom Vorabend – CSI hatte 17 Millionen Zuschauer eingefahren, vier Millionen mehr als das Lead-In, das als Top-Serie des Abends platzierte „The Fugitive“.

 

17th Precinct: Review der Pilotenepisode

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Die von NBC nicht in Serie gegebene Geschichte aus der Feder Ron Moores brachte es nur auf eine Pilotepisode, die den Zuschauer in eine magische Welt an den Grenzen zwischen Phantasie und Philosophie entführt. Dort klärt die Polizei Verbrechen auf ungewöhnliche Weise auf. 

Wie wäre es mit einer fiktionalen Welt, die ganz anders funktioniert, als wir es von TV-Serien im Bereich des Übernatürlichen kennen? Oft trifft man auf Konstellationen, in welchen das Übernatürliche als Ausnahmezustand und nicht als die Regel dargestellt und empfunden wird. Daraus schöpfen Magie und übernatürliche Kräfte ihre faszinierende Wirkung, sowohl für die TV-Figuren als auch für uns Zuschauer. Was aber, wenn das Übernatürliche sein “Über-“‚ verliert?

Wie wäre es mit einer Welt, die auf Magie und Zauber beruht und die von Visionen und Gefühlen geleitet wird anstatt von Vernunft, von „something they call science“? Macht Logik die Welt leichter oder schwerer zu ertragen? Wann ist man in der Position, darüber zu urteilen? Wenn die Gesellschaft einen in sie erhoben hat? Auf welcher Grundlage aber? Müsste man nicht aus sich herausgehen, um sich selbst und die Welt neutral betrachten zu können? Wenn Magie alle Antworten brächte und die logischen Kausalketten überflüssig machte: wäre das ein Fortschritt oder ein Rückschritt, was unser Denken betrifft?

Kann man überhaupt zwischen Fühlen und Denken eine Grenze ziehen? Machen Gefühle uns blind, oder öffnen sie uns die Augen? Angesichts all dieser Fragen wundert es uns nicht, Ron Moores Unterschrift unter der Produktion zu erblicken. Und etliche „Battlestar Galactica“-Schauspieler machen diesen Piloten vollends zu einer „Battlestar Galactica“-Reunion.

In „17th Precinct“ spürt man schon im Piloten, wie Moore versucht, sich von einer anderen Ausgangsposition aus mit Themen zu befassen, die „Battlestar Galactica“ durch Raum und Zeit begleiteten. Das Voice Over des Deputy Chief Inspector Wilder Blanks (Eamonn Walker, zuletzt großartig in der leider nach einer Season gecancelten FX-Serie „Lights Out“) spricht zu uns in den Eröffnungssekunden: „Oil, electricity, coal: the power that drives modern society. But what if science had never been invented? What if we relied on… magic? What if plants and fire powered our world? And what if the police solved crimes in ways that we can’t imagine? This is 17th Precinct.“ Dann treffen wir auf die Detectives Bosson (James Callis) und Longstreet (Jamie Bamber). Sie untersuchen den Mord an einem Mann im North-Beach-Distrikt der City of Excelsior.Die Tatortarbeit beobachten wir aus der extremen Obersicht, wie von vielen Krimi-Procedurals gewohnt. Aber hier enden auch schon die Ähnlichkeiten, denn in der Welt von 17th Precinct hat auch die Sprache ihr “Über-“‚ verloren: ihr Übernatürliches, ihre bildliche Beschreibungsfunktion von Handlungen. „To take a picture“ wird hier wörtlich ausgeführt: Der Detective greift mit bloßer Hand Richtung Tatort und legt die Hand dann auf ein leeres Blatt. Dort erscheint prompt die Fotografie.

Mit Hilfe magischer Kräfte werden auch Blutspuren analysiert; man folgt dem Blut buchstäblich vom letzten zum ersten Tropfen und damit dem Verlauf des Mordes. An der Stelle, denke ich, hätte die Serie einige Zuschauer verloren, die sich mit dergleichen Zaubertricks nicht anfreunden können! Was in den Augen einiger als cool erscheint, stempeln andere schlicht als lächerlich ab. Aber eine solche Serie muss nicht von der Visualisierung von Magie leben, sondern von der Geschichte, die erzählt wird, und von den Figuren, die darin vorkommen. An nur einer Episode lässt sich allerdings kaum ablesen, mit welcher Gewichtung „17th Precinct“ seine Kombination aus Procedural-Plots und übergreifender Geschichte gestaltet hätte.

Apropos Krimi-Procedurals: „17th Precinct“ nimmt eine von „CSI: Crime Scene Investigation“s Hauptaussagen wörtlich – “Mit den Toten sprechen”. Für diese Rolle hat Moore ein weiteres „Battlestar Galactica“-Mitglied parat, nämlich Tricia Helfer in der Rolle von Dr. Morgana Kurlansky, einer Gerichtsmedizinerin mit pechschwarzen Haaren – oder besser gesagt, einer Nekromantin, wie man sie in dieser Welt wohl nennen könnte. In meinen Augen gehört Tricia Helfer zu den unterschätzten Schauspielerinnen im TV-Geschäft; gerade „Battlestar Galactica“ liefert den Beweis dafür!

Unter den Klängen von Massive Attacks Teardrop (dieser Song dient dann als sich wiederholendes Motiv im Piloten) spricht Morgana für ein paar Sekunden mit dem Toten: Donald Pynchon, Executive Prophet der Stadt. Sie erfährt, dass Rache den Mord motivierte. Aber es scheint mehr dahinter zu stecken. Der Chief des 17th Precinct, Wilder Blanks, wird von Visionen verfolgt, die eine Stimme begleitet: „An old foe has returned to strike at our way of life.

Wie Blanks am Ende der Episode erzählt, handelt es sich um eine Gruppierung, die als The Stoics bekannt ist und diese Welt verändern will: Sie soll von Logik, von rationalem Denken geleitet werden und nicht von Intuitionen, Gefühlen, Visionen und Prophezeiungen.The Stoics wollen Objektivität anstatt Subjektivität. Um der wieder erwachten Gefahr zu begegnen, holt Blanks eine alte Bekannte namens Mira Barkley (Stockard Channing) an Bord, die früher einmal im Morddezenat tätig war. Sie muss mit Neuling James Travers (Matt Long) zusammenarbeiten – unter der Aufsicht von Blanks rechter Hand und Miras alter Flamme Lisa, jetzt Liam Butterfield (Esai Morales): „I’m not Lisa anymore, inside or out.“ Nach der Einführung aller Figuren und einigen Einblicken in das Leben der Stadt (Energieversorgung durch Pflanzen, Autos ohne Lenkrad, das Internet ist buchstäblich zum Greifen nah usw.) begleiten wir beide Detective-Teams, während sie ihre Fälle untersuchen.

Letztendlich werden die Ermittler an denselben Punkt geführt: Jemand scheint die führenden Köpfe der Stadt zu ermorden. Inmitten dieser Erkenntnis steht eine Prophezeiung, die Pynchon vor seinem Tod aussprach und die von derselben Verdammnis handelt, die Blanks in seinen Visionen sah. Es sind aber nicht nur Zukunftsvisionen, sondern auch Erinnerungen an eine Vergangenheit, von denen Wilder Blanks Morgana in den Abschlussminuten erzählt (beide haben ein Verhältnis).

An diesem Punkt kann man den geflügelten BSG-Satz buchstäblich hören: „All this has happened before, and all this will happen again.“ Eine Kugel erreicht immer ihren Bestimmungsort, im metaphorischen und im buchstäblichen Sinne, denn Kugeln sind das Mittel, dessen sich The Stoics hier bedienen. Begleitet von dem schweren Gefühl der Unausweichlichkeit, ist „17th Precinct“ definitiv eine Serie, die eine Geschichte zu erzählen gehabt hätte – nebst passenden Figuren, um sie auszufüllen. Leider wird die Kugel dieses Projekts weiter und in alle Ewigkeit herumirren…

Schöne Bilder: Ästhetik in heutigen TV-Serien – Teil III (CSI, Firefly, Mad Men)

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Es geht weiter mit drei Serien, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber das kunstvolle Kreieren von TV-Bildern gemeinsam haben: CSI, Firefly und Mad Men.

Im letzten Teil dieser Reihe waren wir dabei, uns über die Beschaffenheit der „CSI: Crime Scene Investigation“-Bilder zu unterhalten. Diese Besprechung wird jetzt fortgesetzt. Vielleicht fragen sich manche, warum „CSI: Crime Scene Investigation“ so viel Aufmerksamkeit bekommt. Nun: „CSI: Crime Scene Investigation“ löste nicht nur den Procedural-Boom aus, sondern legte extrem großen Wert auf die visuelle Gestaltung des Bildes; so bot die Serie ein Experimentfeld für Regisseure und Kameraleute wie zum Beispiel Michael Slovis, der für seine Arbeit bei der forensischen Serie einen Emmy erhielt, bevor er mit „Breaking Bad“ und „Rubicon“ weitere faszinierende visuelle Welten schaffen durfte. Laut Aussagen mehrerer Regisseure arbeitet „CSI: Crime Scene Investigation“ sehr bewusst mit bestimmten, sich wiederholenden Bildkompositionen:

Die Dreiecksstruktur des Bildes ist ein visuelles Merkmal, das in „CSI: Crime Scene Investigation“ die zentrale Aufgabe erfüllt, unseren Blick “gefangen” zu halten. Der Zuschauerblick wird innerhalb eines Dreiecks positioniert bzw. gelenkt. Zwei Arten der Dreieckskompositionen sind vertreten, je nach “Besetzung” der Eckpunkte: aus Figuren oder aus Kombinationen von Figuren und Lichtquellen.Eine um eine Möglichkeit erweiterte Komposition findet sich in der vierten „CSI: Crime Scene Investigation“-Staffel. Das erste Dreieck bilden die Figur, die unserem Blick gegenüber sitzt, und die zwei Lampen. Unsere eigene Position, unser Blick bildet die Spitze des zweiten Dreiecks im Bild – die anderen zwei Spitzen sind wieder die Tischlampen. Dreieck Nummer 3 wird durch die Positionierung der drei Figuren gebildet. So ist unser Blick geradezu materiell in das Bild involviert, er ist mit eingeschrieben.

Auf diese Art und Weise ist der Zuschauerblick ein wichtiger Bestandteil der Bildbalance und der Bilddynamik.Die Bildkomposition bei „CSI: Crime Scene Investigation“ ist nicht durch und durch stilisiert, sondern auch ausbalanciert – in den meisten Fällen mit besagten Dreieckskompositionen. Eine andere interessante Licht-Figuren-Komposition findet sich in der dritten Staffel, als sich Grissom (William Petersen) bei Lady Heather (Melinda Clarke, „Nikita“) befindet. Wieder wird qua Licht ein Dreieck gebildet. Interessanterweise stellt diesmal das zweite Dreieck eine Spiegelung des ersten dar: Es befindet sich im Hintergrund der linken Bildhälfte, eingerahmt im Spiegel. Die Blicke der beiden Figuren und das glühende Licht dazwischen bilden die Spitzen dieses Dreiecks. Diese Komposition – die Kamera bleibt für einen Moment bei der Einstellung stehen – impliziert eine glühende Verbindung zwischen den beiden.Wenn es aber um visuelle Beschaffenheit geht, verbindet man „CSI: Crime Scene Investigation“ meist mit der farblichen Gestaltung.

Kameramann Christopher Doyle („Hero“) brachte in einem Interview die Tatsache auf den Punkt: Man kann eine Geschichte mittels Farben erzählen. Die Farbkompositionen gehören zu den prägnantesten visuellen Elementen von „CSI: Crime Scene Investigation“, die eine zentrale narrative Funktion erfüllen. Farben werden bei „CSI: Crime Scene Investigation“ auf etliche Arten manipuliert: im Zuge der Post-Production ebenso wie während der Dreharbeiten mit Hilfe von Farbfiltern und Farblicht. Auch die Setgestaltung (Räume, Objekte im Raum, Figuren im Raum) wird mit Hinblick auf die Farbpalette einer Szene konzipiert.Wenn man an „CSI: Crime Scene Investigation“ und Farben denkt, fällt einem zuallererst die farbliche Kodierung der unterschiedlichen Plots im Rahmen einer Episode ein: Farbe wird gezielt eingesetzt, um die Narration zu strukturieren. Die Plotgestaltung in Farbe wird meistens schon im Drehbuch festgehalten. Beispielsweise vermerkt das Drehbuch zur Episode „Viva Las Vegas“ (St.5, Ep.1) die Daten zu den Dreharbeiten der vier Plots dieser Episode auf der ersten Seite, zusammen mit der jeweiligen farblichen Kodierung: „Full Blue, Pink, Yellow-Red, Green“.

Diese Episode stellt ein sehr beeindruckendes Beispiel für die ästhetisch-narrative Funktion der Plotfärbung dar. Im Teaser werden vier unterschiedliche Szenen mit vier unterschiedlichen Farbpaletten dargestellt. Die sehr komplexe Bild- und Narrationschoreographie wird einzig und allein von den Farben zusammengehalten.Spätestens seit Staffel drei sind farbliche Zentren zu erkennen, die den Langzeitzuschauern der Serie immer wieder einen Bezugspunkt anbieten; so wird z.B. die “Base” der Laborräumlichkeiten als konstantes farbliches Zentrum der Serie etabliert (etwa Gils Büro), indem man sie konsequent in Blau hält. Die Entwicklung des visuellen Stils der Serie über die Staffeln hinweg hin zu einem stimmigen, funktionstüchtigen visuellen Gesamtkonzept ist gleichzeitig ein Spiel aus Basis und Variation. Auch Possible-worlds-Farbinszenierungen werden bei „CSI: Crime Scene Investigation“ auf ähnliche Weise eingesetzt wie im erwähnten Film „Hero“: nämlich um – wie in St.6, Ep.21 – die unterschiedlichen Blickwinkel unterschiedlicher Figuren zu kennzeichnen, die wiederum bestimmte Charaktereigenschaften dieser Figuren betonen.

Der realitätsnahe, dokumentarische, ja sogar wissenschaftliche Bildstil der früheren Staffeln, der dafür sorgte, dass viele Objekte und die Raumbeschaffenheit ihre Form, Textur und Farbe behielten und einer grauen Färbung unterzogen wurden, wurde spätestens in der dritten Staffel verdrängt durch die Herrschaft der blauen Farbe über die Bildoberfläche.Die visuelle Gestaltung bekam eine eigene Rolle im CSI-Universum – sie darf mit erzählen und Gefühle und Emotionen erwecken. Das bietet unserem Blick nicht nur eine ästhetische Qualität, d.h. ist nicht nur “schön”, sondern besitzt auch einen Wiedererkennungswert, der uns immer auf die Funktionalität der Farben und auf ihre „CSI: Crime Scene Investigation“-Geschichte hinweist.

Firefly

I love spaceships and I always wanted to make a show set on one“, sagt Joss Whedon, der Schöpfer von „Firefly“. „To me, the future is going to be like the past: a life that’s difficult and full of people scraping to get by and trying to find meaning.“ Die Serenity-Crew will vor allem eins: die Möglichkeit und Freiheit, nach diesem Sinn zu suchen. „You can’t take the sky from me“, lautet ein Satz aus dem Vorspann-Song, komponiert von Whedon und Greg Edmonson.

„Firefly“s Freiheit ist die Freiheit des Sich-Fortbewegens. Die Crew ist nicht auf der Suche nach einem Zuhause: das nämlich haben sie – in dem Schiff Serenity. Aus diesem Grund wirken Einrichtung und Atmosphäre der Serenity längst nicht so steril und klaustrophobisch, wie wir es aus so vielen Sci-Fi-Produktionen kennen, sondern heimelig: home-like. Serenity – von Kaylee als „my girl“ bezeichnet – ist letztendlich der Haupthandlungsort in „Firefly“. Entsprechend bemühte sich die Produktionscrew, Whedons Vorstellungen in Bildern zu übersetzen: „Beat-up but lived-in and ultimately, it was home.“ Das Schiff Serenity verkörpert nicht nur das thematische Zentrum der Serie, sondern auch die wichtigste Inszenierungsebene für die Figurengeschichten.„Firefly“ wurde fast ausschließlich mit Handkameras gefilmt; Kameramann David Boyd versuchte stets, möglichst nah am Geschehen zu sein und den Bildern teils dokumentarischen Charakter zu verleihen. Auch „lens flares“, typisch für das Fernsehen der 70er Jahre, wurden eingesetzt. Man strebte “unvollkommen” wirkende Bilder an: manchmal nicht ganz im Fokus, nicht ausbalanciert oder gar – anhand der Positionierung von Figuren – bestimmt von zufälligen Konstellationen. Im Vergleich zu anderen im Sci-Fi-Umfeld angesiedelten Produktionen fällt zudem der fehlende Sound bei Aufnahmen im Weltraum auf: Es herrscht absolute Stille, die, gekoppelt an Handkamera-Simulationen, ein fast dokumentarisches Vakuum erzeugt.

Als Whedon und Boyd den visuellen Stil der Serie festlegen wollten, diskutierten sie viel über Western wie „Heaven’s Gate“, „The Searchers“, „McCabe & Mrs. Miller“, aber auch Jules Vernes Bücher und Comic-Art. Joss Whedon selbst beschreibt die „Firefly“-Welt als eine Kombination aus Horror, Science Fiction und Western bzw. als ein „Western Noir“ mit „a kind of a Hong Kong sensibility“.

Die zwei Serenity-Sets waren miteinander verbunden, so dass kontinuierliche Bewegung möglich wurde; ensprechend konnte die Kamera der Action nahtlos folgen. „Compositionally, we find things rather than frame things. We allow ourselves to operate behind the action rather than to anticipate it“, sagt Boyd.Generell bildet die Serenity als Ort der Inszenierung den Dreh- und Angelpunkt narrativer Fäden, die anhand von Beleuchtung, Farbe, Tiefe und Komposition aufgenommen und wieder fallen gelassen werden. Beispielsweise bildet die Brücke mit den seitlichen Treppen in Serenitys Laderaum, wo oft Handlung stattfindet, ein Dreieck mit ausgeprägten Diagonalen und Schattenmustern, die das Bild intensivieren. Sie dienen auch dazu, eine Figur symmetrisch einzufangen und ihr dadurch Stabilität zu verleihen.

Wenn die Horizontalen der Brücken (nicht nur im Laderaum) im Hintergrund zu sehen sind, korrelieren sie bei Close-Ups und Medium-Shots von Figuren oft mit deren Mündern oder Augenpartien und zwingen so regelrecht die Aufmerksamkeit des Zuschauers darauf. Figuren und Hintergrund als deren Beschreibung sind „Firefly“s Markenzeichen – Zoë und Wash als Liebende werden oft in Türen oder Durchgängen eingerahmt. Simon, der sich als talentierter Arzt erweist, wird am Anfang vor flachem Hintergrund und selten im Zentrum des Bildes gezeigt; auch die Farben seiner Bekleidung “entfremden” ihn.Chefbeleuchter Dennis Peterson und Kameramann Boyd sorgten dafür, dass innerhalb der Serenity-Räume ein spektakuläres Spiel von Licht und Schatten stattfand, indem sie eine ganz andere als die normale Herangehensweise bevorzugten: Streckenweise ließen sie die Schauspieler sich selbst beleuchten, indem diese ihren Bewegungsraum innerhalb einer Szene beliebig nutzen durften, nachdem die Beleuchtung schon feststand.

Das fordert die Schauspieler nicht nur zur Improvisation auf, sondern schafft eine bewusst zufällige, nicht perfekte Ausleuchtung – und führt dazu, dass man von einer Szene unterschiedliche Aufnahmen zur Auswahl hat.Außerdem platzierte man Lichtquellen nicht unbedingt “unsichtbar”, sondern ließ sie im Bild; ihre Effekte wurden dafür nachbehandelt, teilweise nicht nur mit Farbe, sondern auch mit Schmutz und Dreck, so dass der Eindruck fehlender Funktionalität entstand. Zusätzliche Beleuchtung strömte durch die Schiffswände selbst, um eine nahezu organische Atmosphäre zu kreieren. Die Beleuchtungscrew suchte lange nach einem lichtdurchlässigen Material für die Schiffswände, um solch diffuse Beleuchtung zu erzeugen, eine Art Glühen innerhalb der Räume.

Überdies gewährleistete das Bemalen der Wände in unterschiedlichen Farben, die Farbgebung verschiedener Szenen kontrollieren und zu narrativen Zwecken einsetzen zu können. Denn Farbe spielt eine große Rolle innerhalb der „Firefly“-Erzählung. Jeder Bereich in Serenity besitzt eine eigene Tönung: Der Essraum ist in weiches Gelb getaucht, die Gänge sind blau und der Maschinenraum rot. Durch die Verbindung zwischen den Räumen auf den Sets kann man bei Aufnahmen von einem in den nächsten Raum blicken, so dass das Bild durch unterschiedliche Farbtönungen Tiefe bekommt und die Zuschauer sich in ihm orientieren können.Das beste Beispiel für „Firefly“s Farbenspiel bietet die Episode „Out of Gas“.

Sie entfaltet sich nicht nur anhand einer non-linearen Erzählung, sondern mit Hilfe unterschiedlicher Farbpaletten. Man wechselt zwischen Grün, Sepia-Gelb und Blau, um die unterschiedlichen Zeitabschnitte zu präsentieren und zu interpretieren. Denn Mals Flashbacks, wie er damals Serenity kaufte und seine Crew zusammenstellte, sind von Licht durchströmt.Das Licht lässt sich auf jedem Detail nieder; das sepia-gelbe Leuchten der Bilder kreiert eine Atmosphäre der Unbesorgtheit, der Aufbruchsstimmung. Damit korrespondiert die Szene aus der nahen Vergangenheit, in der die Crew in warmes gelbes Licht getaucht am Tisch sitzt und entspannt über Books (Ron Glass) Klostergeschichten lacht. Die Farbe wechselt zu Grün, als die Situation später immer gefährlicher wird. Und das Bild aus der Gegenwart, in der sich Mal mühsam Schritt für Schritt durch die Räume quält, ist in kaltem Blau gehalten.

Die musikalische Begleitung enthält ein Thema, das von den Machern „sad violin“ genannt wird und eigentlich immer mit dem Tod einer Figur in Verbindung steht. Wir erinnern uns: Das Thema erklang auch, als Mal (Nathan Fillion) Simon (Sean Maher) anlog, Kaylee (Jewel Staite) sei tot, und damit eine auditive Täuschung für die Zuschauer schuf. Im Fall von „Out of Gas“ wird mit Musik und Farbe (die blaue Erzählung) Unausweichlichkeit orchestriert: ein Zustand der Trauer um die Serenity, die leblos im Weltraum schwebt. Die gleiche Trauer übrigens, die „Firefly“-Fans seit vielen Jahren empfinden, seit diese aus jedem Blickwinkel “besondere” Serie abgesetzt wurde!

Mad Men

Die Kamera verweilt – und mit ihr, mit den Blicken von Don (Jon Hamm) und Roger verweilen wir – bei den verlassenen Räumen von Sterling & Cooper. Ein letzter Schwenk zum Abschied. Die Kamera zieht sich zurück. „Mad Men“, so wie seinerzeit „Twin Peaks“, betreibt in vielen Episoden – oder zumindest in vielen neuen Szenen innerhalb einer Episode – eine ähnliche Führung des Zuschauerblicks. Die Szenen eröffnen mit einer Nahaufnahme entweder von einem auf den ersten Blick unwichtigen Gegenstand im Raum oder von dem Körperteil einer Person. Danach schwenkt die Kamera ab – meistens nach rechts -, zieht sich ein wenig zurück und gibt den Blick auf die komplette Szenerie frei. Diese Aufnahmen dienen nicht so sehr der Informationsübermittlung, sondern mehr dem Erschaffen von Stimmung: von der Atmosphäre, die dann die ganze Szene dominiert. Man kann dieses Verfahren “Vom Detail zum Ganzen” nennen.

Ähnliche Kamerafahrten schließen auch viele Szenen in Sterling & Cooper ab. Oft wird eine Figur, die entweder auf einer Couch oder hinter dem Schreibtisch sitzt, in Close Up oder Medium Shot gezeigt. Dann entfernt sich die Kamera langsam nach rückwärts und lässt die Figur allein – klein und einsam, eingerahmt von den Vertikalen der Türen. Das Bild erlangt dadurch enorme Tiefe, da oft ein heller Fleck (meist ein Fenster) den Fluchtpunkt bildet, und unterstreicht dadurch das Gefühl der Einsamkeit und Isolation.Kameramann Phil Abraham erhielt vier Emmy-Nominierungen für „The Sopranos“, bevor er sich der visuellen Umsetzung von „Mad Men“ widmete. Der Pilot wurde hauptsächlich on location in New York gedreht; für die restlichen Episoden zog man nach Los Angeles um. „On any series, there’s a visual grammar that has to be maintained from show to show, and the cinematographer and production team usually provide that continuity while the directors come and go“, sagt Abraham.

Abraham arbeitete mit Regisseuren wie „The Sopranos“-Veteran Alan Taylor, Frank DeMarco, Steve Mason, Bill Roe. Setgestaltung, Farbgebung und Beleuchtung waren stark beeinflusst von der Photographie, dem graphischen Design und der Architektur der Zeit, in der die Serie spielt. Vor allem die Designs von Skidmore, Owings & Merrill dienten als Beispiel für die Gestaltung der Office-Räume in „Mad Men“. Sie sollten glänzend und schick aussehen und nicht spießig und muffig, sagt Abraham. Veränderungen des Designs im Laufe der Serie ergeben sich aus den schnellen Veränderungen der Welt, in welcher die Figuren ihr Leben zu meistern haben.„Mad Men“ wird prinzipiell mit zwei Kameras gefilmt, wie es bei vielen heutigen Produktionen der Fall ist; hier aber kommt, laut Produzenten, Kamera B seltener als gewöhnlich zum Einsatz – wenn, dann für außergewöhnliche Aufnahmen wie zum Beispiel Close-Ups von Gesichtern oder aber für spezifische Winkel, die das Licht anders auf die Anwesenden fallen lassen.

Steadicam und Handkamera werden nie eingesetzt, denn die „Mad Men“-Produzenten empfinden verwackelte Bilder als unpassend für die visuelle Ästhetik der Zeit, über die erzählt wird.Mad Men“ fällt durch den häufigen Einsatz von Low-Angle-Aufnahmen (Untersicht) auf, die die Macht und Dominanz der gezeigten Figuren unterstreichen. Aber auch bei “normalen” oder den so genannten Walk-and-Talk-Aufnahmen bleibt die Kamera etwas unter der Standardhöhe. Laut Abraham hat diese Art des Filmens nicht immer eine tiefgründige Bedeutung, sondern hat sich von Anfang an etabliert – und alle an der Serie Beteiligten fanden die so aufgenommenen Bilder einfach nur “schön”.Der besondere und sehr klar definierte Gebrauch von Licht ist vermutlich die wichtigste visuelle Waffe, die der Erzählung und den involvierten Figuren zusätzliches Gewicht verleiht. Man sieht, dass in Sterling & Cooper fast ausschließlich fluoreszente Deckenbeleuchtung benutzt wird. (Bei Nahaufnahmen von Figuren kommt zusätzlich diffuse Seitenbeleuchtung ins Spiel, um ihre Gesichtszüge zu betonen.)

Der hauptsächliche Grund für diese Beleuchtung liegt darin, dass das saubere – also nicht, wie in vielen heutigen Serien üblich, mit Grün oder Blau gefilterte – weiße, fluoreszente Licht sehr farbgetreu seine Funktion erfüllt und dem Bild Balance verleiht, was typisch ist für Produktionen der 60er und 70er Jahre. Um diese Balance zu gewährleisten, benutzen die Produzenten sehr oft Vertikalen im Bild – etwa Tür- und Fensterrahmen, die das Bild in zwei gleiche Hälften aufteilen, in welchen sich jeweils eine Figur befindet. Das geschickte Positionieren von Lichtquellen hinter den Plexiglaswänden illuminiert geradezu den Hintergrund einer Szene.Insgesamt gesehen, wechselt die Serie von helleren Bildern in der ersten Staffel zu generell dunkleren in der zweiten (und wieder helleren in der vierten), wo viele Szenen in geschlossenen Räumen oder nachts stattfinden und als Beleuchtung nur Steh- oder Wandlampen benutzt werden. Auch das Zuhause der Drapers wird immer dunkler, je nach Entwicklung der Erzählung; die relativ kleinen Räume, die anfangs mit Hilfe kleiner, natürlicher Lichtquellen geschickt “vergrößert” wurden, scheinen immer enger zu werden: Buchstäblich scheint den dort lebenden Figuren “die Decke auf den Kopf zu fallen”.

Die ständige Bewegung der Erzählung, die Verschiebungen und Veränderungen im Leben der Protagonisten werden oft mit Hilfe von Szenen-Überlappungen realisiert, zum Beispiel in der Episode „The New Girl“, für die Kameramann Christopher Manley die Emmy-Nominierung erhielt: In zwei Flashbacks wird gezeigt, was mit Peggy (Elisabeth Moss) seit der Feststellung, dass sie schwanger ist, geschah.Die eine Szene geht hier in die nächste über: Peggy geht in ihrer Wohnung den Korridor entlang, öffnet die Tür des Zimmers, kommt herein und schließt sie mit dem Gesicht zu uns; in einer langsamen Überblende verwandelt sich die Vertikale der Tür in die unscharfe Vertikale eines Fensters, das den Platz der Tür im Bild einnimmt. Wir sehen Peggy liegend und hören eine männliche Stimme (eines Arztes) über ihre Situation reden. Dies ist ein Flashback, das uns zwei Jahre zurück versetzt. In einer weiteren Szene, später in der Episode, sitzt Peggy auf der Couch; die Kamera schwenkt zu einem Stuhl und bewegt sich dann auf der Diagonale nach rechts oben, so dass die Stuhllehne (mit dem Rücken des darauf sitzenden Mannes) den Bildschirm verdunkelt – aber die Bewegung setzt sich fort, und am oberen Ende der Diagonale taucht Peggy auf, im Bett liegend. Ein weiteres Flashback: Don besucht Peggy im Krankenhaus…

Über „Mad Men“s visuelle Kunst müsste man, wie auch über etliche andere Produktionen, ein ganzes Buch schreiben, um ihnen gerecht zu werden. Ich werde im späteren Verlauf der Reihe gewiss wieder auf die AMC-Produktion zu sprechen kommen.

Schöne Bilder: Ästhetik in heutigen TV-Serien – Teil II (CSI, Dexter, Nip/Tuck)

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Die Reise ins TV-Reich der schönen Bilder wird fortgesetzt. Heute richtet sich das Augenmerk auf Alias, Dexter, Nip/Tuck und CSI.

Bei einem Long Shot kann der Eintritt eines Objekts ins Bild einem flach wirkenden Bild Tiefe verleihen. In der sechsten Episode der vierten „CSI: Crime Scene Investigation“-Staffel zum Beispiel sehen wir Sara (Jorja Fox) vor einem Gebäude warten. Obwohl sie extrem klein im Bild zu sehen ist, wirkt das Bild sehr flach – auch durch die beiden geparkten Polizeiautos und die graue Tönung des gesamten Bildes: Man bekommt den Eindruck, als wären das Gebäude und der Himmel zwei horizontal separierte Teile eines Ganzen. Dann fährt ein Lkw von rechts ins Bild und nimmt die komplette rechte Hälfte ein. Dank dieser Tatsache und der plötzlichen Bewegung im Bild scheinen sich nun das Gebäude, Nick und Sara im mittleren Tiefenbereich (middleground) zu befinden, während der Himmel in den Hintergrund tritt und der Lkw den Vordergrund okkupiert.Einschlägige Bücher lehren uns, dass die visuellen Basiskomponenten eines jeden Bildes „space, line, shape, tone, color, movement, and rhythm“ sind. Diese Komponenten verleihen dem Bild seine visuelle Struktur. Die Wirkung eines Bildes auf uns Zuschauer hängt generell vom Zusammenspiel dieser Komponenten ab. Natürlich kann man Bilder nicht einfach außerhalb des Kontexts einer – in diesem Fall seriellen – Erzählung betrachten: Die visuelle Gestaltung bildet einen Teil der Erzählung. Zudem kreiert man in manchen Serien eine distinkte visuelle Signatur, die einen Wiedererkennungswert für den Zuschauer besitzt.

Manchmal freilich wird das Bild einfach “schön” gestaltet. Die Wahl einer Farbe oder einer Kameraeinstellung zum Beispiel hat nicht immer mit erzähltechnischen Aspekten zu tun, sondern – wenn man Regisseuren Glauben schenkt – auch mit ästhetischen. Natürlich ist eine Betrachtung der “schönen” Bilder unserer Serien eine zweischneidige Sache: Schönheitsempfinden ist immer subjektiv; bis auf Aussagen von Kameramännern und Regisseuren handelt es sich um die eigene Interpretation, die wiederum aus der eigenen Wahrnehmung einer bestimmten Serie resultiert. Nichtsdestotrotz schauen wir uns Fundstücke aus unterschiedlichen Serien an, nicht nur den schon erwähnten visuellen Signaturen auf die Spur zu kommen, sondern auch um zu sehen, ob und wie sie die Erzählung einer Serie verbildlichen.Damit das Zusammenspiel der am Anfang des Artikels erwähnten Bildkomponenten überhaupt stattfinden kann, benötigt man Licht. Die Beleuchtung bei einer Produktion dient aber nicht nur dem Sichtbarmachen des Bildes, sondern mit ihrer Hilfe kann ein Bild auf unterschiedliche Art und Weise manipuliert werden, indem auf die Bildkomposition Licht “geworfen” wird, so dass unser Blick und damit unsere Aufmerksamkeit auf Bildteile – entweder bestimmte Objekte oder Handlungen – gelenkt werden. Im Gegenzug produziert die Beleuchtung auch Schatten – es werden dem Zuschauerblick auch Bildteile verborgen.

Die Beleuchtung beeinflusst damit maßgeblich unsere Wahrnehmung des Bild-Raumes, der Form und Größe der gezeigten Objekte und ihrer Textur / Oberfläche. Ein gutes Beispiel für herausragende Arbeit mit Licht- und Farbkompositionen aus dem Spy-Genre ist die Serie „Alias“. Hier wurde die Arbeit des Kameramanns Michael Bonvillain mit einer Emmy-Auszeichnung für den Piloten „Truth be Told“ und einer ASC-Award-Nominierung für die Folge „Time will Tell“ gewürdigt. Obwohl die Serie längst abgesetzt ist, kann man Arvin Sloanes undurchschaubar-bösen Blick kaum vergessen. Seine Augen erschienen immer wie zwei Dolche, die seinen Gesprächspartner durchbohrten. Um diese Wirkung zu erreichen, verwendete die Crew Toplight (also Licht von oben) und zeigte Close-Ups von seinem Gesicht leicht aus der Untersicht, so dass seine Augen das Licht wie eine funkelnde Nadelspitze reflektierten.

„Alias“ pflegt generell einen spezifischen Licht-Umgang mit Figuren. Bei Close-Ups sind die Gesichter mittels Cross bzw. Side Light oft so ausgeleuchtet, dass ein Teil des Gesichts im Schatten bleibt.Es entsteht eine klare Grenze zwischen Hell und Dunkel, die das Gesicht in zwei gleichwertige und symmetrische Hälften aufteilt. Ähnliche Ausleuchtung findet sich aber auch in anderen Spy-Serien wie „24“ oder aber Krimi-Procedurals. Sie wird entweder in Verhörsituationen verwendet, um in uns den Verdacht einer Schuld des Verdächtigen zu erwecken, oder sie verweist bei Figuren auf deren innere Zerrissenheit.Diese Aufnahmen erfüllen ihren Zweck nicht nur im Effekt, sondern sind eng mit der Hauptthematik der Serien verknüpft. Die spezifische Ausleuchtung von Figuren hebt einen möglichen Kontrast hervor – so, als besäßen die Charaktere zwei Gesichter bzw. zwei Gesichtshälften: eine dunklere, versteckte und eine hellere, offene. Vor allem in Situationen mit Verdächtigen wird damit auf eine mögliche Schuld hingewiesen.

Laut „Alias“’ Regisseur Ken Olin werden überwiegend Hauptfiguren in unterschiedlichen Situationen auf diese Art und Weise ausgeleuchtet.Visualisiert wird Sydneys Zerrissenheit zwischen ihrem Glauben an eine höhere Aufgabe und der Unmöglichkeit, ein “normales” Leben zu leben. Eine ähnliche Ausleuchtung von Gesichtern findet in vielen Serien mit Hilfe von Hindernissen für das von außen strömende Licht statt. Dieser Beleuchtungsaspekt ähnelt der Arbeit eines Malers. So entstehen Lichtstreifen, und einer davon betont immer die Augenpartie der Figur. Dies ist ein häufiger Anblick in Showtimes „Dexter“. Man bekommt den Eindruck, als würde ein Stückchen Licht auf dem Gesicht landen, als würde das Licht wie ein Pinselstrich das Bild berühren.Slice of Light und Slice of Life. So könnte man „Dexter“ beschreiben. Laut Kameramann Romeo Tirone bemühte man sich, Dexters Sicht auf die ihn umgebende Welt herzustellen: nicht sie so darzustellen, wie sie ist, sondern so, wie er sie sieht. Die frühen Episoden sind voller glänzender Oberflächen.Das Licht durchdringt sie nicht, sondern wird abgewiesen, reflektiert. „Dexter“s Welt ist voller Spiegelungen, Reflexionen, wie ein blutiger Mond in der Pfütze oder Dexters Gesicht, das sich in der Messerklinge spiegelt.

Die rote Farbe bei Nachtaufnahmen, in der Zeit von The Dark Passenger, scheint der Dunkelheit zu entspringen; das Rot saugt das Licht in sich auf. Auch bei Außenaufnahmen bei Tageslicht scheint alles eine rötliche Färbung zu haben, wenn Dexter in einer Szene zu sehen ist.Wenn wir jedoch mit seinem Blick auf die Umgebung schauen, wirken die Farben zwar warm, aber “entsättigt”, verdünnt: Das Bild wirkt trotz seiner Farbfülle kontrastarm. In den ersten zwei Staffeln filmte Tirone bei Außenaufnahmen mit Hilfe eines strohfarbenen Filters, um Miamis glühende Hitze hervorzuheben. Die Welt um Dexter herum erscheint wie eine einzige Oberfläche, ohne etwas darunter: Alles verschmilzt in eine gleich aussehende Masse. Tirone und seine Crew wollten damit die Leere, die Dexter in sich trägt, auf die Umgebung projizieren. Aus diesem Grund verzichtete man weitgehend auf Tiefe in den Bildern (was sich in den späteren Staffeln ändern sollte).

Sie wirken flach, synthetisch, portioniert.Slice of life, the American life: in Scheiben geschnitten und in Plastik gewickelt, wie menschliche Körperteile. Das Blut bei Dexters Morden darf mit Oberflächen nicht in Berührung kommen, um keine Spuren zu hinterlassen, keine Spuren von dem, was Dexter ausmacht und ausfüllt: Blut. Für die Technikliebhaber unter euch: Es wurden in den ersten zwei Staffeln Sony F900 und Arri 435 Kameras benutzt, während man später auf Sony CineAlta F23 und Sony EX1 umstieg.Mit Hilfe der Beleuchtung sind Dexters Welten klar differenziert. Bei Aufnahmen tagsüber und in Situationen, wo Dexter seinem Job und dem “normalen” Leben nachgeht, wird er meiste mit frontalem Licht (front light) gefilmt; man kann das komplette Gesicht sehen. Nur in Szenen, in welchen er in seinem Labor sitzt, wir sein Voice Over hören und er andere Figuren durch die Rollos beobachtet, fällt genau der Streifen Licht auf seine Augenpartie, von dem ich oben gesprochen habe.

Bei Aufnahmen von Dexters nächtlicher Jagd und seinen Mord-Szenen wird hauptsächlich Licht von oben eingesetzt, so dass man eine gleichzeitig unheimliche und surreale Wirkung erzielt.Diese Art der Beleuchtung bleibt konstant, aber nichtsdestotrotz sind die Kill-Szenen unterschiedlich gestaltet. Rot, obwohl Hauptfarbe, wird relativ sparsam und punktuell benutzt, während die Morde entweder in Blau oder Grün getaucht sind. Die blaue Farbe dominiert in den späteren Staffeln die nächtlichen Szenen: Das Gefühl der Dunkelheit bleibt – und trotzdem kann man sehen, was gerade passiert. Mit kleinen Lichtquellen im Raum werden die Bilder beleuchtet, die Dexter für seine Opfer bereitstellt. In solchen Szenen errichtet Dexter Inszenierungen für den Blick des Opfers, auf die sie einen Blick werfen müssen, bevor sie sterben. Das andere Bildteil, was zusätzlich beleuchtet wird, sind Dexters Instrumente, so dass ein von der Messerklinge reflektierter Lichtstreifen sein Gesicht berührt, wenn er ein Messer ergreift.

In den späteren Staffeln werden Dexters Morde immer seltener; parallel dazu verändert sich auch die Farb- und Lichtdominanz innerhalb der Bilder. Mit der Entwicklung der Beziehung zu Rita (Julie Benz) “erstrahlt” auch Dexters Welt. In Ritas Haus als permanentem Setting lässt die Crew, vor allem in der dritten Staffel, mit zusätzlichen Lichtquellen die Räume erstrahlen, so dass wir fast ein “soapiges” Bild bekommen.In der vierten und fünften Staffel geht das Rote der Serie immer öfter ins Gelbe über. Sogar Dexters Morde sind “gelb”.Die Verschiebung innerhalb der Farbenpalette geht mit der Verwendung von mehr Tiefe im Bild einher; beides korrespondiert wiederum mit Dexters Suche nach “mehr Licht”, nach menschlicher Tiefe, nach Emotionen und Gefühlen. Aber seine Suche führt immer wieder zu demselben Ergebnis: Immer wieder findet er… Blut unter der Oberfläche.Kehren wir aber zurück zu „Alias“ und zu den Kontrasten, die man sich dort mit Beleuchtung und Farbkompositionen zu schaffen bemühte – z. B. zwischen Sydneys “warmem” Zuhause und ihrem “kühlen” SD-6-Leben oder zwischen den entsättigten Farben der CIA-Zentrale und dem “farbenfrohen” Auftrag in Cuba. Durch diese Licht/Farbe-Kodierungen wusste der Zuschauer jederzeit, wo Sydney (Jennifer Garner) sich befand; gleichzeitig bekam jedes Detail ihres Lebens einen persönlichen Look. Generell wurde bei „Alias“ für den Hintergrund einer Szene hauptsächlich natürliches Licht (Stehlampen, Tischlampen etc.) statt fill light verwendet. (Fill light verringert den Kontrast einer Szene und beleuchtet Teile des Set-Ups, die sich im Schatten befinden.)

Die Crew setzte hauptsächlich auf key light (primäre Beleuchtung – definiert die Form und die Dimensionen des gefilmten Subjekts / Objekts) und natürliche Lichtquellen im Hintergrund. Diese Art der Beleuchtung schuf nicht nur enorme Tiefe im Bild, sondern sie vermittelte einen Live-Eindruck, indem Figuren an den Quellen vorbeigingen und sie für eine Sekunde “verdunkelten”. Sehr auffällig bei „Alias“ war der Himmel bei Außenaufnahmen, gefilmt mit sepiafarbenem Filter weichen Grades, so dass er oft schmutzig und schwer aussah – als trüge Sydney die ganze Welt und ihre Probleme auf ihren Schultern.Der schon angesprochene Kontrast zwischen wärmeren Farben und weichem Licht im Haus einer Figur und dem kälteren, teilweise sterilen Look ihres Arbeitsplatzes wird hauptsächlich in so genannten Hospital Dramas und in Krimis forensischen Hintergrundes benutzt.In „Nip/Tuck“ zum Beispiel bemühte sich der Kameramann um einen naturalistischen Look, den man aufgrund der glamourösen Beleuchtung als „stylized realism“ bezeichnet und sich dafür “weichen” Lichts bedient. (Das so genannte soft light ist Licht, das buchstäblich das Objekt “umgarnt” und Schatten mit weichen Umrissen schafft.)

Dahinter steckt die Idee, die Figuren zwar gut aussehen zu lassen, aber gleichzeitig jemanden, der gut aussieht, “von innen heraus zu beleuchten”.Der Arbeitsplatz der beiden Chirurgen besteht aus drei Operationsräumen, die durch fensterähnliche (beleuchtete) Panels voneinander getrennt sind und eine gemeinsame Hintergrundwand besitzen.Hinter dieser Wand befindet sich unter einem 45-Grad-Winkel die Hauptlichtquelle und versieht das Bild mit konstantem, weichem Hintergrundlicht. Dieses Licht hilft Kameramann Christopher Baffa dabei, einen klinischen, sterilen Look zu kreieren, den die mit Grün gesättigten Aufnahmen der chirurgischen Eingriffe noch unterstützen. Die grünen Reflexionen, erzeugt durch das Behandeln der Lichtquellen-Oberflächen mit grünem Gel, spiegeln sich in den Metalloberflächen des Operationsraumes und lassen das Bild teilweise surreal aussehen.Es gibt kaum eine weiße Wand in der Klinik (ich spreche hier über die frühen Staffeln!) – der Operationsraum ist blau, Christians Office gelb-beige und Seans Office blau-grau. Prinzipiell sind Kameramänner weißen Räumen nicht gewogen, da es sehr schwer ist, das Licht in einer solchen Umgebung zu kontrollieren. Im Vergleich zum Arbeitsplatz ist Seans Haus voll warmer Farben, und man kann durch jedes Fenster grüne Bäume sehen. Es ließe sich durchaus behaupten, dass „Nip/Tuck“ eher farblich “motiviert” ist und nicht so sehr Licht/Schatten – abhängig.

Dafür stellen „CSI: Crime Scene Investigation“ und der Ableger „CSI: Miami“ ein spektakuläres Spiel von Licht und Schatten dar, von Zeigen und Verstecken. Anhand des Spiels mit Licht und Farbe werden phantastische, fast surreale Räume mit glitzernden Oberflächen erzeugt: eine äußerst untypische Tatsache für eine Serie, die sich auf den ersten Blick vor allem mit der objektiven Realität, mit naturwissenschaftlichem Wissen beschäftigt – und die einen etwaigen Realitätseindruck als Qualitätskriterium um so fragwürdiger macht. Licht und Farben besitzt bei „CSI: Crime Scene Investigation“ eine eigene Logik, die nicht unbedingt mit einem Realismuskonzept zu tun hat. Was nach unserem Weltbild und kognitiver Erfahrung als realistisch zu bezeichnen ist, ist nicht unbedingt auch gut und wirkungsvoll. “Unrealistisches” Licht kann sehr viel wirkungsvoller sein.

Die Bilder der ersten „CSI: Crime Scene Investigation“-Staffeln sind spärlich beleuchtet, das Licht glänzt buchstäblich mit seiner Abwesenheit. Ausgehend vom Thema der Serie, der forensisch-kriminalistischen Suche nach der Wahrheit, ist man bemüht, eine gewisse Distanz zum Gezeigten zu schaffen, die Objektivität des Blicks und seine Aufmerksamkeit gegenüber Details zu unterstreichen. Das Bild ist scharf separiert in Hell und Dunkel und wirkt dadurch fast abweisend. In diesen frühen Staffeln schöpft die Serie ihre visuelle Schönheit aus dem Kontrast. Es werden einzelne Stellen hervorgehoben, als würde man unserem Blick das Hinsehen beibringen wollen, um sich Schritt für Schritt den kriminalistischen Blick auf die Welt anzueignen.

Das ganze Bild ist sehr schattenlastig – es verkörpert seriöse Beschäftigung mit der menschlichen Grausamkeit. Das Licht versteckt Bildelemente vor dem Blick und hebt zugleich Objekte, Details oder Figuren im Bild hervor, um uns auf sie aufmerksam zu machen (unser Blick wird automatisch auf die hellste Stelle im Bild aufmerksam). Das Hervorgehobene ist in aller Regel sehr wichtig für die Auflösung des Plots oder weist (in Verhörsituationen) entweder auf eine für die Handlung zentrale Figur hin oder, wie es in Horrorfilmen oft der Fall ist, auf etwas Bedrohliches, was im Bild nicht zu sehen ist.Dem natürlichen Licht von Außen wird aber oft der Zugang verweigert. Es findet nur durch kleine Öffnungen herein, wird gebrochen und entfaltet das Bild als einen surrealen, geheimnisvollen, Rätsel aufgebenden Raum. Dieses Licht will – im Vergleich zur pointierten Beleuchtung, die uns aufmerksam macht – nicht zeigen, sondern verstecken. Es dramatisiert die Beziehung zwischen Innen und Außen als eine durchlässige Grenze. Somit knüpft es an die Erfahrung an, die uns „CSI: Crime Scene Investigation“ präsentiert: die Erfahrung der Nicht-Existenz einer Grenze. Die Grenze als solche wird aufgehoben, sie kann durchbrochen, penetriert werden – sowohl die des menschlichen Körpers (vgl. CSI-Shots) als auch die eines jeden Raumes; vor dem Blick kann man sich nicht verstecken.

In den späteren Staffeln (ab Staffel vier) wird das Bild nicht mehr vom Kontrast dominiert. Es glänzt. In weiches Licht getaucht, simuliert es einen schönen Raum für unseren Blick. „Beautiful Light“ bezeichnet die Beleuchtung einer Szene oder eines Sets, die das Ganze “schön” aussehen lässt. Dabei kann es sich sogar um eine Industrieanlage handeln oder eine Garage, aber mit Hilfe des Lichts erstrahlt das Bild so, als würde alles im schönen Schein glänzen. Es impliziert einerseits Sauberkeit und Glamour, andererseits verleiht es dem Bild Tiefe und Wärme.

Die Oberflächen von Gegenständen, Objekten und Räumen erstrahlen bei „CSI: Crime Scene Investigation“ schön und sauber in warmem Licht. So werden aus unwichtigen oder sogar traurig-schrecklichen Räumen wie etwa dem Autopsieraum saubere und warme. Dieses subtile Erstrahlen der Räume hat eine sehr zentrale Funktion – manchmal untergräbt es selbstreflexiv-ironisch die Seriosität der Serie und inszeniert zugleich Hoffnung für den Zuschauerblick, einen schönen Raum. So schafft man ein Spannungsverhältnis zwischen Orientierungslosigkeit und Gleichgewichtsverlust des Blicks (die mit Anstrengung verbunden ist) und Vertrautheit (die mit einem angenehmen Gefühl der Ruhe verbunden ist). Wenn das Hauptaugenmerk auf Figuren gerichtet werden muss und diese in dem schönen licht-farbigen Raum eine zentrale Rolle spielen, kombiniert man bei „CSI: Crime Scene Investigation“ Back Light mit unterschiedlichen Farben, um “schöne Silhouetten” zu erschaffen und damit das Gefühl zu erzeugen, dass sie Teil davon seien.In den meisten Fällen handelt es sich bei diesen Silhouetten um die Frauenfiguren der Serie, Catherine (Marg Helgenberger) und Sara. Solche Silhouetteninszenierungen gestalten nicht nur eine Einstellung als schön und eindrucksvoll für den Zuschauerblick, sondern begleiten die entsprechende Figur durch die ganze Serie und versehen sie mit bestimmten Charakteristika, mit einer emotionalen Signatur: Für Catherine stehen warme Farben wie Orange, Sepia und Rot; für Sara kalte Farben wie Blau, Grau und Schwarz.

To be continued…

Schöne Bilder: Ästhetik in heutigen TV-Serien – Teil I

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Schöne Bilder, wohin das Auge blickt: Heutzutage kommen TV-Erzählungen in beeindruckender visueller Aufmachung daher. Zeit, einen aufmerksameren Blick darauf zu werfen.

“Watching is not seeing“, sagt Schwertkampfmeister Syrio zu der kleinen Arya Stark in der „Game of Thrones“-Episode „The Pointy End“. Kurz darauf verteidigt er sie gegen die Angreifer und bezahlt dafür (vermutlich) mit seinem Leben. Warum vermutlich? Weil wir nicht sehen, was mit ihm passiert. Es geschieht vor unserem Blick und zugleich versteckt. Syrios Holzschwert wird von seinem Gegner bis zum Griff abgeschnitten; ein Schnitt auf sein Gesicht, dann auf Aryas – und der Rest sind nur Schatten an den Wänden und die Geräusche eines unheilvollen, erbitterten Kampfes.Warum aber empfinden wir Syrios Auftritt als seinen letzten, obwohl wir ihn nicht sterben sehen? Natürlich: Auf der einen Seite behält sich eine Serie damit die Möglichkeit vor, eine Figur doch noch zurückzubringen. Syrios eigene Aussage „Watching is not seeing“ bringt das clever zum Ausdruck. Aber viel wichtiger ist hier die visuelle Umsetzung, die zur Entfaltung der Emotionen beiträgt. Die tänzerische Choreographie der Szene hat etwas Würdevolles an sich. Die schnellen Schnitte zerfließen in eine einzige Bewegung, in einen Tanz. Man verzichtet bewusst auf blutige Aufnahmen (wovor sich „Game of Thrones“ im Prinzip nicht scheut) und eröffnet damit das Feld für Spekulationen und Hoffnungen. Eine Nebenfigur in einer kleinen Szene – und doch, dank der Inszenierung, ein bleibender emotionaler Eindruck.

Inszenierung und Kameraarbeit sind eine sehr wichtige, aber oft vernachlässigte Komponente der Serienerzählung – obwohl die audiovisuelle Beschaffenheit von TV-Serien mittlerweile fast jedem Film Konkurrenz machen kann. Das nimmt nicht Wunder, denn das Fernsehen ist nach wie vor als Medium des Autors bekannt, wo Regisseure und sonstige Mitglieder des Produktionsteams nur ausführende Mitarbeiter sind. Ohne Zweifel ist das Drehbuch von enormer Wichtigkeit, aber die Art, wie heutige Serien ihr im Drehbuch festgehaltenes Konzept umsetzen, bleibt oft unbeachtet; man beschränkt sich auf die Ermittlung narrativer Komplexität und narrativer Strukturen, die wiederum als Ergebnis einer Fortsetzungshandlung und überzeugender Figurendarstellung gesehen werden.

In einer Reihe von Artikeln zur visuellen Beschaffenheit heutiger Serien wollen wir uns mit Elementen dieser Gestaltung und ihrem Einfluss auf das Gesamtkonzept einer Serie beschäftigen.

Wie Karen Lury in ihren Ausführungen zum Kino- und Fernsehbild richtig anmerkt, ist das TV-Bild traditionell dazu bestimmt, eher funktional als schön zu sein. Dem gegenüber kann das Bild heutiger TV-Serien meines Erachtens als gleichzeitig funktional und schön gesehen werden. In diesem mehrteiligen Artikel werde ich den wichtigsten Aspekten dieser Beschaffenheit auf die Spur kommen – wobei ein bei TV-Produktionen oft wenig beachteter Beruf ins Blickfeld gerät, nämlich der des Kameramannes, des sogenannten Cinematographers.Keine Angst: Dies soll keine trockene wissenschaftliche Analyse werden, obwohl die Einführung trocken daher kommt. Eine solche Einleitung vermeidet jedoch Missverständnisse und klärt den Ansatz, nämlich: unser Augenmerk auf die Arbeit des Produktionsteams von TV-Serien zu richten, ihr Tribut zu zollen und uns außerdem vor Augen zu führen, mit welchen “schönen” Bildern wir vor dem TV-Bildschirm liebäugeln dürfen.

Wie die cinematographische Arbeit unser Sehen und dadurch unsere Emotionen beeinflusst, wie sehr sie die Narration vorantreibt oder aber die geliebten Figuren in Szene setzt? Man fragt sich: Müssen wir, als Buffy Angel in die Hölle schickt (letzte Folge der zweiten Staffel), deswegen weinen, weil wir verstanden haben, was passiert – oder spielen nicht doch auch das Musikstück “Close your eyes” von Christophe Beck, die Ausleuchtung der Szene und die Kamera-Einstellungen von den beiden Protagonisten (Close-Up, Medium-Shot etc.) eine wesentliche Rolle? Man stelle sich „24“ ohne das Splitscreen-Verfahren vor oder „CSI: Crime Scene Investigation“ ohne CSI-Shots! Weshalb empfinden Zuschauer eine Serie z.B. als spannend? Nur weil sie die Handlung verstanden haben?

Meiner Meinung nach liegt eine wichtige Qualität heutiger sogenannter Quality Television-Serien in der kognitiven Herausforderung der Zuschauer. Der Genuss, den das Publikum an einer Serie empfindet, misst sich an dem Grad der Bewältigung dieser Herausforderung, die über kognitive Schemata des Einzelnen abläuft: Wissen über Genrekonventionen, Erzählmuster, die Vergabe audiovisueller Informationen, aber auch allgemeines Weltwissen usw. Wir können annehmen, dass sich Quality Television in einer höchst subjektiven Erfahrung ereignet, die in eine genauso subjektive Zuschreibung mündet: Der Zuschauer erkennt die Qualität, wenn / indem er sie sieht. „Watching and seeing!“ Solche Serien, narrativ-audiovisuelle Konstrukte, funktionieren als Zusammenspiel von kognitiver Herausforderung für den Zuschauer und dessen subjektivem Genuss daran.

Daraus sollte aber meines Erachtens bei der Betrachtung von TV-Serien eine nächste Frage resultieren: Wie wird besagte Herausforderung audiovisuell konstruiert? Wir Zuschauer bekommen schließlich nicht das Drehbuch zu lesen, sondern Bilder und Sound zu sehen und zu hören. Um überhaupt mit der Sinnkonstruktion anfangen zu können, müssen wir zuerst die Bilder wahrnehmen; erst über diese Wahrnehmung werden unsere kognitiven Schemata aktiviert. Die Geschichten werden uns gezeigt, in Bildern erzählt. Der audiovisuelle Stil einer Produktion als narratives Element, als Teil des Gesamtkonzepts einer Serie wird des Öfteren stiefmütterlich behandelt. Schon die rein technischen Entwicklungen des Mediums Fernsehen (HDTV, 16:9-Übertragung), gemeinsam mit ökonomischen Veränderungen vor allem in der US-Fernsehlandschaft, führen zu veränderter Produktion und Rezeption; man denke an LCD- und Plasmabildschirme sowie Home-Cinema-Anlagen. Tim del Ruth (Regisseur von „The West Wing“) erzählt in einer Diskussion über Breitbild folgendes:

Switching to 1.77:1 (16:9) would save us set-up time and coverage. We could stack two or three actors in one Shot without having to go to individual singles, which is what we have to do in 1.33:1 (4:3). As it stands now, we only get one-and-a-half or maybe two people in a raking Shot, the Shots get so wide perspective-wise, that the image of the (third) person’s head gets too small, and we lose the strength that’s needed to tell a story on TV.

Nicht nur dass das Breitbild der Industrie vermutlich Geld spart: Es bietet einfach mehr (kreativen Spiel-)Raum – bzw. genauso viel wie im Kino.Die Fernsehübertragung ist nicht mehr nur Informationsfluss, sondern Spektakel, das sich in der vollen ästhetischen Entfaltung der Produkte äußert. Diese Entfaltung verführt unseren Blick zur Aufmerksamkeit. Stets hat man die Fernseh-Erfahrung bezüglich der Aufmerksamkeit des Publikums als dem Kino unterlegen eingestuft, da ihr das Dispositiv Kino fehlt: die Dunkelheit, die riesige Leinwand, die vielen Unbekannten, mit denen man das Erlebnis gezwungenermaßen teilt usw. Im Gegensatz zum Fernsehen, so die verbreitete Meinung (hier Nelson), gehörte dem Film die ungeteilte Aufmerksamkeit des Zuschauers:

Given the various attractions of the domestic space, viewers’ attention may be sporadic. Unlike at the theatre or the cinema, where audiences typically sit in a darkened space constructed to focus their attention on the play or film, most people are engaged in other activities whilst watching television.

Heutzutage jedoch zwingen viele Serien den Zuschauer ungeachtet seiner jeweiligen Sehumgebung dazu, ihnen genau diese Aufmerksamkeit zu schenken. „Watch to see!“ Um zu immer höherem Genuss zu kommen, muss man auf alles achten, vor allem auf Details. Je mehr Aufmerksamkeit der Zuschauer in die Bildoberfläche investiert, desto mehr gibt es zu entdecken, und desto höher wird der Genussfaktor bei der Betrachtung von Serien. „Breaking Bad“ nehme ich zum Anlass, um an der AMC-Serie zu demonstrieren, wie viel Wert man in heutigen TV-Serien auf die Bildästhetik legt. Poesie für das Auge: so hatte ich in einem Artikel anlässlich des deutschen „Breaking Bad“-Starts die Emmy-prämierte Serie bezeichnet. Ihre Bilder sind nicht mit Figuren überfüllt, sondern oft “leer”. Laut Kameramann Michael Slovis kombinieren sie Ländliches und Urbanes. Man betrachtet das Grenzenlose und das Begrenzte, das Offene und das Geschlossene: Sie existieren gleichzeitig. Und beide können Leere und Isolation bedeuten. Man findet nicht nur den Parkplatz unter dem weiten, offenen Himmel leer vor, sondern auch das eigene Haus.

Die meisten Orte, an die uns die Serie führt, sind anonym, neutral, aber signifikant für die Erzählung: leer, aber schön. Sie befinden sich im Kontext der Geschichte und kreieren ihn zugleich. Die braun-gelben Bilder der New-Mexico-Wüste bilden „Breaking Bad“s Zuhause: Die Serie ist, existiert, lebt im Bild. Auch über das Bedürfnis nach einem Zuhause erzählt „Breaking Bad“, nach Geborgenheit, nach Stabilität, nach einer Grenze – als Abgrenzung gegenüber dem Grenzenlosen, Instabilen.

Diese Stabilität jedoch geht durch die Verkettung von Walters Entscheidungen verloren – und plötzlich ist die Leere in die eigenen vier Wände eingefallen. Was Walter als Versuch sehen will, die Familie zusammenzuhalten, wird mehr und mehr zur offenen Tür für die gefährliche Außenwelt. Walters Interaktion mit diesem Außen geschieht auch von einem anderen Zuhause aus: vom Wohnmobil, dem RV. Dort, inmitten der Chemie, fühlt er die Stabilität, derer er in seinem eigentlichen Zuhause nach und nach verlustig geht.

„Breaking Bad“s Bilder thematisieren den Zeitverlust, der gleichzeitig stehen gebliebene und fehlende Zeit bezeichnet. Zu Beginn fehlt Walter Zeit, da er todkrank ist. Als die Krankheit weicht, steckt er zu tief in den Drogengeschäften: auf einmal ist da Zeit im Überschuss, zu viel. Walter White alias Heisenberg (Bryan Cranston) bleibt in diesem braun-goldenen Wortspiel stecken. Dieses Doppelspiel kann tödlich sein – wie die gelbe Farbe in „Breaking Bad“, die Farbe der Chemie, die alles durchdringt: das Gelb der Handschuhe, das Gelb der Schutzanzüge, die Walter und Jesse (Aaron Paul) beim Kochen tragen, Gus’ (Giancarlo Esposito) gelbes Hemd und das Gelb der Sonnenstrahlen. Widmete sich damals „Fargo“ der Farbe Weiß, so widmet sich nun „Breaking Bad“ dem Gelben.

Michael Slovis, „Breaking Bad“s (und auch „Rubicon“s) Kameramann und Emmy-Preisträger für seine Arbeit bei „CSI: Crime Scene Investigation“, verwendet einen so genannten „tobacco filter“ für die Kameralinse, um die Farbtönung zu beeinflussen. „The desert in New Mexico is so brown that the filter makes the browns really pop and gives it a really pleasing skin tone to me. It’s kind of like a tea stain“, sagt er über „Breaking Bad“s Location; dieser Filter akzentuiere neben den gelben auch rote und braune Farbtöne. Der grenzenlose Himmel New Mexicos und die gelbe Schönheit der Wüste fungieren nicht nur als eigenständige Figuren der Serie, sondern als ihr Zuhause. Das Ergebnis ist eine Mischung, an der man sich die Zunge leicht verbrennen kann.

Firefly: Heart of Gold (1×13)

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Bühne frei für die glorreichen Sieben. Heart of Gold ist eine Western-Episode, auch wenn Laserpistolen zum Einsatz kommen. Und der Titel der Episode ist nicht nur der Name des Bordells, um das sich die Handlung dreht, sondern bezieht sich auf mehrere Herzen: auf Mals, Inaras und Nandys. Nandy (Melinda Clarke) ist die Besitzerin des Bordells. Melinda Clarke wurde interessanterweise um die Zeit (der Firefly-Produktion) durch eine ähnliche Rolle berühmt, nämliche die der Domina Lady Heather in CSI, wo sie dem CSI-Chefermittler Gil Grissom,CSI (William Petersen) den Kopf verdrehte.

Hier schafft sie es, Mal den Kopf zu verdrehen – als nämlich die Serenity-Crew ihrem Hilferuf folgt und die unabhängig arbeitenden Prostituierten – sie gehören nicht der Gilde an – vor dem chauvinistischen Landlord verteidigt. Interessanterweise entscheidet sich Mal, nicht des Geldes, sondern Inaras wegen zu helfen, da Nandy eine alte Freundin von Inara ist und selbst Companion war.

Heart of Gold ist in ihrem Herzen eine weitere Episode über die Beziehung von Mal und Inara, die eigentlich keine ist und werden will. Übrigens dürfen wir Morena Baccarin mit lockigen Haaren bewundern, da Heart of Gold vor The Message gedreht wurde. Weitere kleine feine Details, die uns auffallen: Mal gibt allen die Anweisung, nicht auf die Pferde zu schießen – wohingegen im Piloten er derjenige war, der auf die Pferde schoss. Außerdem trägt er dieselben Klamotten, mit welchen er in Shinding zum Ball ging. Vermutlich kein Zufall – denn das sind die Episoden, wo der Cowboy die Ehre der Dame verteidigt (bzw. der Prostituierten). Was wiederum Jayne in die Euphorie treibt:
Jayne: „Don’t know these folks. Don’t much care to.
Mal: „They’re whores.
Jayne: „I’m in.

Und tatsächlich: mit Herz, Händen und Waffen ist Jayne dabei. (Und muss nicht mal in his bunk zwischendurch…) Mal wiederum kommt, glaube ich, erstmals in dieser Episode der Gedanke, dass Inara auch ein Herz für ihn hat.

Dafür ist der Landlord herzlos, was Frauen betrifft: „Let us remember right here and right now, what a woman is to a man!“ Wie man es von Joss Whedon kennt, bleiben solche Aussagen in The Verse nicht unbestraft. Als der patriarchale Leader Burgess, dessen Kind die Prostituierte Petaline mit Simons Hilfe zur Welt bringt, Heart of Gold angreift, eskalieren die Ereignisse. Obwohl – was die Gefühle betrifft, eskalierte alles bereits in der Nacht davor, als Nandy Mal verführte und mit ihm schlief: „Well, lady, I must say you’re my kind of stupid.“ Beide passen in gewissem Sinne tatsächlich zusammen, denn sie lieben und verteidigen das, was sie haben – ihre Häuser und Familien, Serenity und Heart of Gold. Inara findet heraus, was passiert ist… und bricht in einem einsamen Moment in ihrem Zimmer unter Tränen zusammen.

Großartige Leistung von Nathan Fillion in der letzten Szene, als Inara ihm mitteilt, dass sie gehen wird. Sein Gesichtsausdruck spricht, wie man es so schön sagt, Bände. Dasselbe gilt für zwei weitere Szenen, die ich zum Abschluss erwähnen möchte: Die Aufnahmen von der Serenity-Crew mit einem langsamen Schwenk von links nach rechts: The Magnificent Eight marschieren Richtung Heart of Gold… und das Gespräch zwischen Zoe und Wash, aus dem wir erfahren, dass Wash derjenige ist, der keine Kinder haben möchte.

Aber – und das gilt für vieles hier: wenn man/frau zu lange wartet, kann es zu spät werden …

Breaking Bad oder über die Grenzen von Chemie und Poesie

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Die Chemie

Faszinierende Erzählung, großartiges Schauspiel, kunstvolle Bilder… und die Chemie: Das ist „Breaking Bad“. Dabei kann Chemie als Oberbegriff fungieren: hier stimmt sie, zwischen allen Erzählmolekülen, egal, welche Verbindungen sie miteinander eingehen.

„Breaking Bad“ wurde vom ehemaligen „The X-Files“-Schreiber Vince Gilligan für das Kabelnetwork AMC kreiert. In den letzten Jahren hat sich das Network in eine Geburtsstätte für großartige Dramen verwandelt: „Mad Men“, „Breaking Bad“ und „Rubicon“. Man sieht es: AMC ist auf dem Wege, einen Status zu erreichen, der lange Zeit nur HBO vorbehalten war.

Wenn der kleine Kabelsender eine neue Produktion auch nur ankündigt, fallen wir alle wie von selbst in den Quality-Television-Erwartungsmodus. Dabei startete AMC als Abspielstätte für Filmklassiker – und ging über Jean-Claude-Van-Damme-Filme hin zu „Breaking Bad“, der Serie über Walter White (Bryan Cranston), den Chemielehrer aus Albuquerque, New Mexico.

Bei Walter wird Krebs diagnostiziert. Er schlägt daraufhin einen unerwarteten Weg ein, um seiner Familie finanzielle Sicherheit in der Zukunft ohne ihn zu gewährleisten: mit Hilfe seiner überragenden Kenntnisse des Periodensystems produziert Walter Crystal Meth. „Breaking Bad“ ist eine Serie mit Chemie über die Chemie: Über die Verbindungen chemischer Elemente – und über die Elemente zwischenmenschlicher Beziehungen. Br steht für Brom, Ba für Barium. Die Titel der Serie heben auch die Formel für Methamphetamine hervor – C10H15N – sowie dessen Molekülmasse, 149.24 g/mol.

Sowohl Nummern als auch das Wort “Mas” spielen eine wesentliche Rolle in der Serie. Die „Breaking Bad“-Autoren lieben das Spiel mit Titeln und konstruieren ihre Breaking Bad-Erzählung wie ein Buch, das in unterschiedlichen Kapiteln unterteilt ist.

Diese Kapitelüberschriften zeichnen im Grunde Walter Whites Schritte nach: von einem chemischen Element zum nächsten, bis er den radioaktiven Bereich erreicht und Einiges zum Explodieren gebracht wird.

Die Chemie ist Walts einzige Stütze. Zwar wird seine Krebserkrankung erfolgreich mit der Chemotherapie bekämpft, und er befindet sich auf dem Weg der Besserung – aber dafür infiziert, verseucht er alle Menschen (Elemente), die mit ihm eine Verbindung eingehen, gar mit ihm in Berührung kommen: ihr Leben wird instabil.

Die „Breaking Bad“-Autoren konstruieren die Gesamterzählung wie das berüchtigte hundertzwölfte Element des Periodensystems. Ein internationales Wissenschaftlerteam entdeckte das Element im Februar 1996. Seit 2010 trägt es offiziell den Namen Copernicium: nach dem Astronomen Kopernikus (1473-1543), der herausfand, dass sich die Erde und die anderen Planeten um die Sonne drehen. Eine fundamentale Veränderung im menschlichen Denken, eng verknüpft mit dem Beginn der Neuzeit. Auch „Breaking Bad“ hat das TV-Denken verändert. Zwar hat die Serie das Fernsehen nicht revolutioniert, aber perfektioniert.

Copernicium, das Element Nr. 112, wurde entdeckt, als die Forscher eine Bleifolie mit Zink-Ionen beschossen. Durch die Verschmelzung der Atomkerne entstand ein neues Atom. Dieses Atom war allerdings nur für Bruchteile von Sekunden stabil. Kein Wunder, denn Cn ist das schwerste Element im Periodensystem: schwer – und hochgradig instabil. Eine explosive Mischung, wie uns die vier „Breaking Bad“-Staffeln zeigen. Die Veränderung, die neuen Verbindungen, die die Elemente (der Story) eingehen – ob sichtbar oder unsichtbar – tragen eine schwere (tiefe) Bedeutung.

 

Die Poesie

Nun betreten wir den Bereich des Sichtbaren, der Poesie für das Auge, die „Breaking Bad“s Produktionsteam unter New Mexicos Sonne dichtet. „Imagine the Coen brothers directing an episode of Weeds, and you have Breaking Bad“, sagte einmal TV-Kritiker Troy Patterson in seinem Artikel “No Country for Old Meth Dealers” (Slate). Damit hat er, ob bewusst oder unbewusst, einen Treffer gelandet: Beim Schauen von „Breaking Bad“ muss ich jedes Mal an „Fargo“ denken. Natürlich spielt „Fargo“ mitten im Winter in Minnesota, aber beide Produktionen erwecken mit ihrer Bildgestaltung, ihrer Inszenierung von Raum und Zeit ähnliche Gefühle. Es geht um die spezielle Kombination des Ländlichen und des Urbanen: „Fargo“ und „Breaking Bad“ untersuchen das Offene, Grenzenlose und das Begrenzte, die zeitgleich existieren und denselben Raum zu beanspruchen scheinen, ohne miteinander zu kollidieren. Denn beide können Leere und Isolation bedeuten. Man findet nicht nur den ausgedehnten Parkplatz unter dem weiten, offenen Himmel leer vor, sondern auch das eigene Haus. Die meisten Orte, an die uns die Serie führt, sind anonym, aber signifikant für die Erzählung: leer, aber schön. Sie befinden sich im Kontext der Geschichte und kreieren ihn zugleich. Die braun-gelben Bilder der New Mexico-Wüste bilden (!) „Breaking Bad“s Zuhause: es ist, existiert, lebt im Bild.

„Breaking Bad“ erzählt auch über unser Bedürfnis nach einem Zuhause, nach Geborgenheit, nach Stabilität, einer Grenze als Abgrenzung gegenüber dem Grenzenlosen, Instabilen. Diese Stabilität jedoch geht durch die Verkettung von Entscheidungen, die Walter trifft, verloren – und plötzlich ist die Leere in die eigenen vier Wände eingefallen. Was Walter als Versuch sehen will, die Familie zusammenzuhalten, wird mehr und mehr zur offenen Tür für die gefährliche Außenwelt. Walters Interaktion mit diesem Außen geschieht auch von einem anderen Zuhause aus: vom Wohnmobil, dem RV. Dort, inmitten der Chemie, fühlt er die Stabilität, derer er nach und nach in seinem eigentlichen Zuhause verlustig geht.

„Breaking Bad“s Bilder thematisieren den Zeitverlust, der gleichzeitig stehen gebliebene und fehlende Zeit bezeichnet. Zu Beginn fehlt Walter Zeit, da er todkrank ist. Als die Krankheit weicht, steckt er zu tief in den Drogengeschäften: auf einmal ist da Zeit im Überschuss, zu viel. Walter White alias Heisenberg bleibt in diesem braun-goldenen Wortspiel stecken. Doppelspiel kann tödlich sein – wie die gelbe Farbe in „Breaking Bad“, die Farbe der Chemie, die alles durchdringt: Das Gelbe der Schutzanzüge, die Walter und Jesse beim Kochen tragen, Gus’ gelbes Hemd (der Drogenbaron, gespielt von Giancarlo Esposito) und das Gelbe der Sonne.

Genauso wie damals „Fargo“ sich der weißen Farbe widmete, widmet sich nun „Breaking Bad“ der gelben. Michael Slovis (Emmy-Preisträger für seine Arbeit bei „CSI: Crime Scene Investigation“), „Breaking Bad“s Kameramann (auch „Rubicon“s), benutzt einen so genannten „tobacco filter“ für die Kameralinse, um die Farbtönung zu beeinflussen. „The desert in New Mexico is so brown that (the filter) makes the browns really pop and gives it a really pleasing skin tone to me. It’s kind of like a tea stain“, sagt er über die Location; dieser Filter akzentuiere neben der gelben ebenso die rote und braune Farbe.

Der grenzenlose Himmel von New Mexico und die gelbe Schönheit der Wüste fungieren nicht nur als eigenständige Figuren der Serie, sondern als ihr Zuhause. Aber dort wird kein Tee für Walter White serviert.