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The truth is in our (dead) body: Die monströse Suche nach der Wahrheit zur Primetime

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n den 90ern verwandelte die Serie „The X-Files“ die Post-Vietnam-Paranoia in eine monströse Verschwörung, in die die Regierung involviert war. Die Wahrheit befand sich „da draußen“, und die Verschwörung betraf die Gesellschaft als soziales Netzwerk. Wenn man so will, ist „Fringe“ das X-Files des neuen Jahrhunderts, mit einem wesentlichen Unterschied: Hier ist die Verschwörung physisch zu spüren – und betrifft das Netzwerk des menschlichen Körpers.

Man sucht nach der Wahrheit „da drin“, im rohen Fleisch des menschlichen Körpers. So gesehen, kennzeichnet „Fringe“ eine Rückkehr zum Monströsen, zu alten Geschichten über Drachen, Werwölfe, Kraken usw., d.h. über die Transformation des Menschlichen ins Monströse. Das leitende Prinzip heißt:
Show me a human fear, and I’ll show you a monster!

Mit „Fringe“ schließt sich ein Kreis, und wir gelangen wieder zu Frankenstein: Die Menschheit hat unglaubliche Macht über das Leben erlangt und kann den Einzelnen beliebig verwandeln, von Festplatte über Sender bis zum Urtier. Hamlets Frage nach dem Sein würde jetzt heißen: Maschine oder Monster? – Freilich ist es nicht nur „Fringe“, das nach der traumatischen Wahrheit in lebendigen und toten Körpern sucht – auf und unter ihrer Oberfläche. Auf diese Suche machen sich viele Primetime-Serien, wie CSI, Terminator, Eleventh Hour, Dollhouse, Lie to Me, Nip/Tuck etc.

Die atomare Bedrohung wurde nach und nach aus der Primetime verbannt und ersetzt durch die Angst vor dem eigenen Körper – vor allem vor der Wahrheit, die er verbergen könnte.
Warum sollten wir solche Angst vor dem eigenen Körper haben? Die Wissenschaft ist dabei zu lernen, wie das Leben auf dem mikroskopischsten Niveau funktioniert. Gibt uns dieses Wissen nun Macht – oder entmachtet es uns? Ein Gentest könnte uns zeigen, dass wir zu einer Krankheit neigen, für die es kein Heilmittel gibt. Oder man kann Fisch-DNA in eine Tomate packen. Alles könnte in etwas Anderes transformiert werden! Eine entsetzliche und gleichzeitig faszinierende Vorstellung – Geheimnisse zu lüften, zu hören, was der Körper (tot oder lebendig) für eine Geschichte, für eine Wahrheit zu erzählen hat.

Diese Serien inszenieren nicht nur die offene Wunde, das blutende Fleisch und die halb verwesten Organe, deren Madenbefallstadium auf den Todeszeitpunkt verweist, sondern auch unseren Blick darauf. Müssten wir, das Publikum, nicht geschüttelt von Graus und Ekel abschalten? Wir tun es nicht. Wir müssen mitmachen, unser Blick ist neugierig auf der Suche nach sich selbst – und sei es in einer blau schimmernden Schusswunde. Die Serien spekulieren auf die menschliche Bereitschaft, bis zum Äußersten zu gehen, um ein Rätsel zu lösen, die Wahrheit zu erfahren.

Man erschafft einen Raum, eine glitzernde Oberfläche, die diesen suchenden Blick umgarnt, ihn durch ein audiovisuelles Spektakel ohnmächtig macht, so dass er sich dem Gezeigten nicht mehr entziehen kann und sich Woche für Woche entlang einer Linie führen lässt: von „Body of Evidence“ (die erzählten Geschichten) durch „Body of Spectacle“ (der audiovisuelle Raum) zu „Body of Truth“ (das Versprechen). Darin liegen die Wurzeln des Erfolgs dieser Formate.

Es wird gesucht nach der Wahrheit über das Humane, über die Menschlichkeit. Man bedarf manchmal des Todes (wie bei CSI), um zu den gewünschten Informationen Zugang zu bekommen – zu ihnen und zu der Position des objektiven Beobachters.

Ein Spektakel über die Suche des menschlichen Blicks nach der Wahrheit – nach der Wahrheit über sich selbst. Diese Wahrheit bleibt freilich ein Rätsel, das zusammengepuzzelt werden muss und will. Sie entzieht sich einem endgültigen Abschluss; man muss immer von vorne anfangen, denn es bleibt ein blinder Fleck, der den Blick stört und diesen Abschluss verweigert – die menschliche Fehlerhaftigkeit, der menschliche Makel.

Dieses Thema inszeniert man immer wieder – das unmögliche Begehren nach der Überwindung dieses Makels.

Fringe: Through The Looking Glass And What Walter Found There (5×06)

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Walter Bishop im Wunderland. Eigentlich wird er immer schon in einem Wunderland gewesen sein. Die sechste Fringe-Episode kann man als eine “pocket episode” bezeichnen, die von einem “pocket universum” handelt. Walter findet auf den alten Videobändern seine eigenen Anweisungen, wie man zu diesem Universum in dem Universum gelangt. Dort soll etwas Wichtiges versteckt sein. Für den “neutralen” Zuschauer ist vermutlich diese Episode eine weitere Verwirrung, aber für den Fringe-Zuschauer ist sie eine Art Offenbarung. Natürlich soll sie die Handlung vorantreiben, aber ist bei Fringe dieses Die-Handlung-voran-Treiben nicht über sich selbst zu reflektieren? Wie soll man voran kommen, wenn man nicht weiß, wer man ist und wo man ist? Im letzten Review haben wir darüber gesprochen, wie sehr Peter in Walters Fußstapfen zu treten droht und diese Episode macht es noch einmal deutlich, was das bedeutet.

Wenn man einen Schritt zurück tritt und aus einem anderen Winkel die Bilder betrachtet, kopfüber – genauso wie in dem Pocket-Universum ein Van Gogh kopfüber hängt-, sieht man Fringe und Walter gleichzeitig die Wahrheit über sich selbst offenbaren. Was die FOX-Serie geschaffen hat, ist ein Pocket-Universum innerhalb des TV-Universums mit seinen Regeln und Gesetzen. Alle Türen in Walters Universum haben Glyph-Symbole. Das sind die Türen zu einzelnen Handlungssträngen in der Serie, zu den unterschiedlichen Themen und Motiven.

Gleichzeitig ist das Pocket-Universum Walter selbst auf der Suche nach einer Lösung für jedes Problem und mit den ständigen Verschiebungen kämpfend. Aber sowohl für Walter als auch für Fringe gilt, was Walter zu Peter und Olivia, als sie eintreffen, sagt: No dead end! Das bezieht sich zwar auf eine Wand, die nur ein Ende simuliert, aber auch eigentlich auf die Probleme, mit welchen die Figuren zu kämpfen haben. Außerdem weiß man – das Universum ist an sich unendlich. Die Autoren lassen hier auch die so genannte “marble theory” aus den 70ern einfließen: “What if there’s a universe inside a universe?” Man sieht, bevor Peter in Walters Universum geht, kurz im Bild zwei Murmeln, die danach plötzlich verschwinden.

Vielleicht befindet sich diese Fringe-Episode innerhalb von Lewis Carrols “Alice” und innerhalb von Fringes “Through The Looking Glass And What Walter Found There” steckt wiederum Losts “Through the Looking Glass” (Season 3, Episoden 22 und 23) oder umgekehrt?
Nicht vergessen: 4+1+3 = 8
Auch der Satz “You’re the friend of the red-head on level 4” aus den Videoaufnahmen wirft Fragen auf hinsichtlich der Tatsache, dass im roten Universum dort die Wohnung von Fauxlivia war bzw. ist…

Mysteriös bleibt außerdem Donalds Identität, der anscheinend damals die Kamera hielt, als Walter sein “Pocket-Universum” betrat, um dort Lil’ O, das Kind aus der Episode “Inner Child” zu verstecken. Aber wie Olivia, Peter und Walter feststellen, ist das Kind nicht mehr da. Eigentlich sind 20 Jahre vergangen, aber die Zeit ist im Pocket-Universum “anders” – dort sind nur paar Tage vergangen. Walter trifft dort auf Cecil, einen Mann, der zufällig hinein geschleudert wurde und dort gefangen blieb. Er behauptet seit vier Tagen dort zu irren.

Als die Observer das Pocket-Universum stürmen, wird Cecil umgebracht, aber der Rest kann dank Peter neuen “Observer”-Fähigkeiten fliehen. Diese Fäihgkeiten bleiben aber unsers und Peters Geheimnis, denn Olivia und Walter sehen nicht, wie er einen Observer tötet. Die Frage ist, was wirklich mit Peter passiert? In was verwandelt er sich?

Lasst mich ein paar Spekulationen los werden (ohne die Episode 7 gesehen zu haben): Lil’ O ist nicht in dem versteck, aber dort finden Walter & Co. ein Radio, das dort nicht funktioniert, aber “draußen” empfangsbereit scheint. Die Frequenz, wenn ich mich nicht täusche, lautet 6khz und wir erinnern uns an die Episode aus der dritten Staffel namens 6995khz. Welche Nachricht wird kommen? Eine vom September vielleicht? Ist Lil’ O September geworden? Ist vielleicht mit ihm Ähnliches passiert, wie mit Peter? Andererseits versteckt sich “Peter” als Wort im “September”…

Am Ende der Episode teilt Walter Peter mit, dass er auf seiner Suche nach einem Ausweg genau das gefunden hat, was er nicht will, nämlich den alten Walter, den Wissenschaftler, der menschliche Opfer in Kauf nimmt:
“I’m losing the man that you helped me become,” sagt er zu Peter, genau als dieser die Umgebung mit den Augen eines Observers sieht – mit kalkulierenden, elektrische Impulse empfangenden Augen… Wie geht es weiter? No dead end:
Aus diesem Wunderland kommt man nur durch ein Wunder des Herzens!

Fringe: An Origin Story (5×05)

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In Milan Künders Roman “Die Langsamkeit” beschreibt der Autor, dass wenn man sich an etwas erinnern möchte, der Mensch langsamer geht und wenn er vergessen möchte schneller. Diese neue Finge-Episode, die sich um den Umgang mit Ettas Tod dreht, demonstriert genau das. Nicht nur ist der Umgang seitens Peter und Olivia ein anderer, sondern Olivia will sich erinnern und Peter will in seiner Wut alles für einen Augenblick der Rache vergessen. Aber der Schmerz ist Teil der Liebe, auch wenn man heutzutage bemüht ist die Liebe sicher zu machen – Partner per Internet-Katalog auswählen und lieber keine Kinder bekommen.

Der Verlust ist auch Teil der Liebe – Walter musste diese Lektion lernen und er ist verbittert zu sehen, dass im Grunde Peter den Weg des Vaters gehen will. Darin besteht die Schönheit der dramaturgischen Wendung, die in dieser Staffel von den Autoren vollbracht wurde. Sie opferten Etta, um die Fringe-Erzählung genau zu diesem unerwarteten schmerzvollen Punkt zu bringen, an dem sie schon einmal war: Ein Vater muss sich entscheiden, entweder mit dem Verlust zu leben, ihn als Teil des Lebens und der Liebe zu akzeptieren oder die Welt zu verändern, die für diesen Schmerz verantwortlich ist.

Und wie wir wissen, sind solche Änderungen katastrophal. Als der Widerstand herausfindet, dass die Observer dabei sind, Maschinen aus der Zukunft zu holen, um damit schneller  die Atmosphäre zu zerstören, entscheidet sich Peter ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Der Widerstand hält einen Observer gefangen und sie haben eins der Geräte, die die Zeitreise ermöglichen in die Hände bekommen. Für Peter heißt es dann – das Geräte zum Laufen zu bringen und  eine Dosis Antimaterie Richtung Zukunft zu befördern, so dass ein Schwarzes Loch entsteht.

Aber Peter ist eigentlich derjenige, der in das metaphorische schwarze Loch fällt. Der gefangene Observer erinnert ihn daran, dass man zwei Gräber vorbereiten soll, wenn man sich auf den Rachepfad begibt. Peter macht trotzdem mit Hilfe einer speziellen Verhörmethode weiter. Diese Methode erlaubt ihm die Pupillen-Reaktionen des gefangenen Obsevers zu lesen und so zum Zusammenstellen des Geräts zu benutzen. Währenddessen versucht Olivia nicht zusammenzubrechen. Man kann buchstäblich sehen, die Minute für Minute die Erkenntnis immer tiefer hinein sickert, was in ihrem Leben gerade geschehen ist. Sie braucht etwas, um such festzuhalten, um nicht einfach davon zu gleiten. Walter ist derjenige, der ihr das anbietet: Es ist eine Videokassette mit einer von Ettas Geburtstagspartys. Was Walter Olivia gibt ist der Schmerz, an den sie sich festhalten soll: “The pain is her legacy to you both. It’s proof that she was here.”

Olivia nimmt zunächst die Videokassette nicht, denn sie sieht das als eine Art Beweis, dass Etta tatsächlich weg ist. An diesem Punkt demonstriert Finge sehr schön die Komplexität und gleichzeitig die Grausamkeit der Liebe.  Etwas später sieht Olivia überall Plakate mit Ettas Gesicht darauf und den Worten: Resist! Am Ende schaut sie sich doch die Aufnahmen an und ihre Hand berührt den Bildschirm, berührt Ettas Lächeln, wie wenn sie sich daran festhalten will, während Peter immer weiter weg gleitet. Wir sehen, dass er – so wie sein Vater damals – den erschrecken Schritt macht. Er holt aus dem Nacken des Observers ein Implantat heraus und setzt es bei sich ein…

Wie viel Hilfe und wie viel Schaden diese Tat mit sich bringen wird? Olivia ruft Peter an und bittet ihn darum zu ihr zu kommen. Sie braucht ihn, aber … er braucht sie in diesem Augenblick viel mehr, um nicht beim Versuch den Schmerz auszulöschen in ihm zu verschwinden.

Fringe: The Bullet That Saved The World (5×04)

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Blau, Rot, Grün und Gelb. Wer erinnert sich an das Spiel “Simon Says”, dessen erste elektronische Version im Jahre 1978 auf den Markt kam? Es ist das Jahr, in dem Peter Bishop geboren wurde. Fringe liefert mit dieser Episode einen sehr subtilen und trotzdem deutlichen Beweis, wie sehr alles in dem Universum miteinander verbunden ist. Das Spiel sehen wir am Anfang der Episode, als Peter in einem Laden neue Halskette für Etta zu erwerben versucht, nur um von einem Observer entlarvt zu werden.

Als etwas später Broyles die Szene betritt, ist Windmark schon da und drückt etwas hektisch auf die Spieltasten. Alle Farben leuchten in einem wilden Durcheinander. Aber ist es wirklich wahllos? Oder kann Windmark einfach nicht die richtige Reihenfolge finden? Simon Says ist eigentlich ein Memory-Spiel und wir haben im Review zur letzten Episode viel über die Erinnnerung-Problematik gesprochen. Wer sich richtig erinnern kann, der wird das Spiel gewinnen!

Auf der einen Seite kann das ein Hinweis zu dem Wiedererlangen von Walters Plan gegen die Observer sein und auf der anderen fordern die Fringe-Autoren die Zuschauer auf, sich zu erinnern. Das Spiel wurde zum ersten Mal in der Episode “Inner Child” von Ella, Olivia und Rachel gespielt. Außerdem, wenn ich mich nicht täusche und sich die Fringe-Wiki nicht täuscht, dann hatten wir drei Simons bis jetzt: Simon Foster, Simon Paris und Simon Phillips.

Der erste opferte sich für das Team und für die Hoffnung in Letters of Transit, der zweite entfernte Walters Erinnerungen (Grey Matters) und der dritte war ein Cortexiphan-Kind, das Gedanken lesen konnte. Fringe pendelt zwischen Erinnern und Vergessen. Manche Sachen kann und darf man nie vergessen, wie zum Beispiel – Liebe. Warum riskiert Peter viel, um neue Halskette zu holen. Was ist der Sinn der Kette? Auf diese Fragen von Windmark antwortet Broyles trocken: “Its purpose? You wear it.” Aber als Windmark Etta am Ende der Episode die tödliche Kugel verpasst, entreißt er ihren Gedanken die Antwort: Aus Liebe!

Fringe ist als Serie ein Labyrinth aus Erinnerungen und die Liebe ist die einzige Navigation, die man hat. Auch durch Walters Erinnerungen muss man navigieren, um zu einem Gesamtbild zu gelangen. Die Videokassette schickt in dieser Episode das Team zu der Penn Station, wo Walter als Kind seine Detectiv-Comics versteckte. Aber um dorthin zu gelangen, müssen sie an einem Checkpoint vorbei. Also nimmt Walter sowohl das Team als auch uns Zuschauer auf eine weitere Reise in die Vergangenheit, in unsere Erinnerungen daran: “Astriff! Prepare the laser!” Unter dem Labor befindet sich Walters Sammlung von Fringe-Events.

Dort hat er Andekne von jedem bearbeiteten Fringe-Fall: “My porcupine-man!” Walter ist auf der Suche nach der passenden Fringe-Waffe gegen die Bewacher des Checkpoints und findet sie auch. Wir erinnern uns an das Gas, das Nase, Augen und Mund “zusammenklebte” und das Gesicht in eine zusammen geschmolzene Masse verwandelte? Das ist, was das Team verwendet, um an Walters Versteck und das nächste Puzzlestück (einen Plan, den er wahrscheinlich von September hat und zunächst nicht dekodieren kann) heranzukommen.

Übrigens: Walters Lächeln und “you electrocuted me” zu dem Observer, als ein kleiner Rauchfaden aus seinem Ohr hochstieg, war Situationskomik pur. Die Heiterkeit und die Herzlichkeit in Erinnerung an die “alten” Tage setzten sich fort, als Etta dem Team Broyles vorstellt, der als Inside Man für den Widerstand arbeitet.  Sein “Agent Dunham” und Olivias Antwort “Philip” gehören zu einem der schönsten Momente in dieser Staffel. Aber der bisher traurigste Augenblick ist Ettas Tod am Ende, obwohl wir die Figur nicht so lange kennen. Trotzdem ist ihr Abschied für die Zuschauer ein qualvoller, vor allem angesichts Peters und Olivias bisheriger Reise.

Jetzt ist die Kugel von Ettas Kette wieder in Olivias Besitz. Hat sie damit ihren Bestimmungsort erreicht oder wird sie ihn noch erreichen müssen? Wird es die Kugel sein, die die Welt rettet? ist es eine und dieselbe Kugel, die vielleicht Olivia tötete? Oder ist es diejenige, die in Ettas Brust steckt? Walter sagt auf einer der Aufnahmen: “Accept the reversibility of all phenomena.” Bezieht sich diese Aussage auf Ettas Tod oder ist sie nur eine generelle über die Fringe-Welt, oder beides?

Fringe: The Recordist (5×03)

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Nachdem ich vor langer Zeit den David Lynch-Film Lost Highway sah, setzte sich ein Satz in meinem Gedächtnis fest, der ungefähr so lautete: Ich mag mich an die Ereignisse erinnern, wie ich mich erinnere und nicht wie sie tatsächlich geschehen sind. Der Protagonist macht diese Aussage gegenüber einem Polizisten als Antwort auf die Frage, ob er eine Videokamera besitze. Erinnerungen werden nicht so sehr von dem erinnerten Ereignis geprägt, sondern von der Art, wie man sich daran erinnert und diese Erinnerung zum Ausdruck bringt.

Wie hat man das eigene Handeln im Gedächtnis festgehalten? Als mutig oder als kaltherzig? Das sind die Fragen, um die sich die dritte Episode dreht, sowohl was die Haupthandlung betrifft, als auch den Fall der Woche. Eine von Walters Aufnahmen schickt das Team in die Wildnis von Pennsylvania, wo vor vielen Jahren Walter etwas Wichtiges gesucht haben soll, um seinen Plan gegen die Observer voran zu bringen. Aber was das Team als Erstes dort findet, sind andere Menschen, die weder zu den Loyalsten noch zu dem Widerstand gehören.

Sie sind Archivare. Sie dokumentieren die Ereignisse aus ihrer Perspektive, der der Verlierer. Im Grunde haben sie den Status  von Beobachtern, nachdem die Welt von den Observern überrannt wurde. Edwin Massey ist der Haupt-Archivar und er genauso wie die anderen leiden unter einer unbekannten ansteckenden Krankheit, die ihre Haut wie die von Schlangen oder Eidechsen aussehen lässt. Walter kann schnell feststellen, dass der Grund für die Erkrankung die Strahlung ist, die aus der alten Goldmine in den Wäldern kommt. Ausgerechnet dort befinden sich bestimmte Art Steine, die Walter vor zwanzig Jahren, bei seinem letzten Besuch mitnehmen wollte.

Wir erfahren, dass er mit einem Mann namens Donald verabredet war, aber mehr Informationen über ihn bekommen wir nicht. Die Geschichte von Edwin und seinem Sohn River ist vielleicht etwas melodramatischer, als von Finge gewöhnt und die Spannungskurve der Episode funktioniert nicht ganz (Observer entdecken den Standort, der Widerstand warnt das Team und Edwin opfert sich in letzter Sekunde), aber die Szenen zwischen Olivia und Peter mit ihrem Bezug auf das Thema der Episode machen die kleinen Schwächen wieder wett. Es geht, wie schon gesagt, darum, wie man Geschichte erinnert.

Während Edwin alles nur sammelt und ordnet, also möglichst objektiv speichert, katalogisiert, hält sein Sohn die Geschichte in seinen Comic-Zeichnungen fest und gibt ihr damit mehr Dynamik, Emotion und dramatische Nuancen. Auch Olivia erinnert die nahe Vergangenheit anders als Peter. Die Zeit, nach Ettas Verschwinden hat Peter mit Bewunderung im Gedächtnis behalten, weil Olivia die Kraft hatte den Widerstand zu unterstützen und für die Welt zu kämpfen. Aber Olivia, wie wir hören, hat es als Schwäche in Erinnerung. Ettas Verschwinden sah sie als eine Art Strafe für ihre Entscheidung Mutter zu werden, ein “normales” Leben führen zu wollen. Wo Peter eine mutige Frau sieht, die trotz Trauer weiter kämpft, sieht Olivia sich selbst als voller Entsetzen, Kälte und Unentschlossenheit.

Welches Empfinden ist das richtige? Gibt es überhaupt ein “richtiges” Erinnern? Diese Fragen gelten nicht nur der Vergangenheit dieser Fringe-Welt, sondern aller Welten, die wir bisher sahen.

Fringe: In Absentia (5×02)

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Oberflächlich betrachtet, kann man sofort behaupten, dass es in Fringes letzter Staffel darum geht, die Welt zu retten, die Observer zu besiegen. Aber In Absentia demonstriert sehr geschickt und subtil die Nuancen, die in dieser Prämisse mitschwingen. Welche Welt rettet man? Und auf welche Art und Weise? Fringes Geschichte war immer schon die Geschichte des Anderen. Ohne sie zu kennen, kann man den Anderen und sich selbst nicht retten. Und manchmal ist die Geschichte die Abwesenheit von … Geschichte. In dieser neuen Welt ist Etta ohne ihre Eltern aufgewachsen.

Sie ist Teil der Geschichte dieser Welt, während Peter und Olivia abwesend waren. Und sie erleben ihr kleines Mädchen, das nicht mehr mit Löwenzahn spielt, sondern bereit ist, einem Feind, dem gefangenen Loyalisten, seiner zukünftigen Geschichte zu berauben. Mit einer Foltermaschine stiehlt sie Jahre seines Lebens, damit er redet. Etta ist in den Augen ihrer Eltern aber immer noch das kleine Mädchen auf der Wiese. Die Diskrepanz ergibt sich aus dem Fehlen. Olivia kritisiert Ettas Handlungen nicht offen, sondern erinnert sie nur daran, dass sich hinter jeder Bezeichnung (in dem Fall “Loyalist scum”) eine Geschichte verbirgt.

Vielleicht kam der Loyalist tatsächlich nur um die Vögel zu füttern? An dieser Stelle spielt Fringe ein doppeltes Spiel. Auf der einen Seite gibt man Olivia Recht, aber auf der anderen auch ihrer Tochter. Die Erzählung des Gefangenen ist eine rührende, aber eine vom Inhalt her falsche. Er würde alles erzählen, um am Leben zu bleiben. Aber – und hier behält Olivia Recht – er ist ein Niemand, keine Gefahr. Die Tragik ergibt sich genau aus dieser falschen Erzählung. Am Ende lässt ihn Etta laufen und verkündet Oliva: “I’m on my way back!” Dieser Satz bedeute auch mehr, als er ist. Etta kehrt zurück zu dem kleinen Mädchen, zurück zu ihren Eltern.

Sie sagt, dass der Mann in Olivias Augen Schwäche sah, aber es war Gewissheit. Was Etta in den Augen ihrer Mutter sah, war Mitleid. Damit bekommt die Frage nach der Rettung eine weitere Nuance. Der Schlüssel zu der eigenen Freiheit befindet sich manchmal im Blick des Anderen. Dieses Thema wird fortgeführt innerhalb des Plots, als Walter und Peter das Auge eines Schweins benutzen, um das von dem Loyalisten nachzumachen. Denn sein Auge ist der Schlüssel, um sich Zugang zu verschaffen. Dazu verschafft sich Walter auch Zugang zu einer Videokassette in dem Amber, um seine eigenen Hinweise auf den Plan zu rekonstruieren.

Es sieht danach aus, als wird die Handlung dieser Staffel aus dem Suchen und Finden des nächsten Puzzelstücks finden, womit man auch wieder eine Fall-der-Woche-Struktur bekommt. So wie Walters Gedanken zerstreut sind, sind es auch die Hinweise auf den Plan gegen die Observer. “Disorder” gegen “The Future In Order”…

Fringe: Transilience Thought Unifier Model-11 (5×01)

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Ich möchte mich für das Verspäten des Reviews entschuldigen und werde mein Bestes geben, um alle Fringe-Reviews möglichst schnell nachzuholen.
Mit jeder neuen Staffel bekommt man als Fringe-Zuschauer den Eindruck in eine weitere neue Welt eingeführt zu werden. Aber diese Welten sind nur Vorwand. Sie sind mögliche Szenarien, dank welcher man alles immer und immer wieder auf die Probe stellt. Und mit “alles” ist die Liebe gemeint. Denn so sehr sich Fringe mit Sci-Fi-Themen beschäftigt und einen Kampf der Universen inszeniert, ist es letztendlich ein Kampf um die Liebe. Ohne Liebe stirbt jedes Universum einzeln und mit ihm sterben die anderen. Denn Leibe heißt  Verbindung. Ohne Liebe wird es kein blondes Mädchen geben, dass zwischen den Pusteblumen spielt.

Was den persönlichen Geschmack betrifft, gefällt mir die neue Observer-Welt und die Rolle der mysteriösen Männer aus der Zukunft nicht so sehr, aber es ist Mittel zum Zweck. Dasselbe kann man auch über das Benutzen von Walter Bishops Gehirn, um eine Plot-Landkarte zu schaffen. Es fehlen wichtige Informationen, an die er sich nicht mehr erinnert und aus diesem Grund muss man sie erneut sammeln. Die Figuren sind wie Hänsel und Gretel, die den Weg nach Hause suchen – Stein für Stein oder soll man besser sagen: Pusteblümchen für Pusteblümchen.

Als “Transilience Thought Unifier Model-11” beginnt, befinden wir uns mittendrin in der von Observern kontrollierten neuen Welt. Es sind eine Handvoll Widerstandskämpfer, die gegen die neue Macht etwas zu unternehmen versuchen. Die Doppelagenten-Rolle hat aber Henrietta Bishop, das kleine Mädchen aus Peters Traum, seine Tochter. Übrigens wir haben in dieser Episode zwei Mal die geträumte oder besser gesagt erinnerte Situation, wie die Observer-Invasion anfing. Die Welt, wie sie existierte und in der die Bishops endlich eine glückliche Familie waren, wurde plötzlich weggepustet, wie die schon erwähnte Blume, die wir in den Flashbacks in Ettas Hand sehen.

Was die Episode macht, ist die einzelnen Teile im Verlauf von Walters und Olivias Rettung zusammen zu bringen. Als Etta bei der Invasion verloren ging, ging auch etwas zwischen Peter und Olivia verloren. Während Olivia und Walter sich der Widerstandsbewegung anschlossen, machte sich Peter auf der Suche nach Etta. Interessanterweise ist sie jetzt diejenige, die  ihre Eltern findet und möglicherweise zusammenbringt. Olivia musst für kurze Zeit die Rolle von Schneewittchen übernehmen, als sie der Bibliothekar Edward Markham von den “amber gypsies” kaufte und in seinem Wohnzimmer hinlegte, um sich selbst in der Rolle des Prinzen zu imaginieren. Aber in der Fringe-Erzählung kann es für Olivia nur einen Prinzen geben, nämlich Peter. Nur für Wiedererwachen der Liebe bleibt im Moment keine Zeit.

Olivia: “We didn’t save the world?”
Peter: “Not even by half.”

Auch der “thought unifier” von September erweist sich als nutzlos nachdem die Observer Walter einer “Gedanken-Folter” unterziehen. Walter verliert die Gedanken, die zu einem Plan gegen die Observer zusammen gepuzzelt werden mussten. Diese erste Episode der neuen und letzten Fringe-Staffel endet wie sie anfing: Mit einer Pusteblume! Der verzweifelte Walter wandert zwischen den Ruinen dieser Welt und die Spiegelung des Sonnenscheins durch eine Skulptur aus alten und kaputten CDs führt ihn zu einem Auto, in dessen Musikanlage er eine der CDs reinlegt. Es ist Yazoo’s “Only You” und wer ganz genau das Bild betrachtet wird auch eins der Fringe-Symbole darin entdecken. Betäubt von dem Musikgenuss wandert Walters Blick (und damit auch unser) zu einem Löwenzahn, das allein inmitten von dem Bruchgestein wächst. Das Ende ist der Anfang.

Dazwischen befindet sich die Liebe, die gleichzeitig auch Sinn ist: Zwischen dem kleinen Mädchen, für das eine Pusteblume zum Pusten da ist, und dem alten Mann, für den sie Hoffnung (in Gestalt eines kleinen Mädchens) bedeutet…

Fringe: Brave New World – Part 2 (4×22)

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Where is Peter? Auf diese Frage kommt mit dem Finale die Antwort. Sie lautet: Bei Olivia. Es ist keine überraschende Antwort, aber dafür eine höchst zufrieden stellende. Denn wir haben schon oft darüber gesprochen, dass Finge unter anderem eine Liebesgeschichte ist, eine Geschichte über das Suchen und Finden, eine Geschichte  über die Welt als Ereignis, welches man aus dem Blickwinkel der “Zwei” erlebt. Und so bekommen wir Olivia und Peter zu sehen, Hand in Hand ins kalte Wasser springen. Dieser Sprung ist aber keiner ins Ungewisse. Sie können ihn nur zusammen vollbringen, denn nur zusammen ist ihre Wahrnehmung dieser Welte(n) vollständig. Peter “schwingt” mit der Frequenz der roten Welt und Olivia der blauen. Man könnte sagen, dass hier Peter Olivia (“the power”) navigiert. Jetzt, wo die Brücke zwischen den Welten nicht mehr existiert, ist Olivia die Brücke. Sie ist die einzige, die ohne   zusätzliche Hilfsmittel überqueren kann und diejenige, die auch alles zerstören kann. Wir erfahren, dass Olivia Bells “power source” ist. You had the power all along my dear, lauten die Worte von Glinda the Good Witch aus The Wizard of Oz. Hier kommen sie aus Nina Sharps Mund.

Auf mehreren metaphorischen Ebenen kann man die Fringe-Erzählung lesen, wenn man Lust dazu hat. Fringe navigiert uns Zuschauer durch die unterschiedlichen Windungen der eigenen Erzählung und deren Positionierung innerhalb anderer medialer Erzählungen und gleichzeitig führt die Serie ihre Figuren zu sich selbst. Für dieses Durchs-Leben-Navigieren braucht man Orientierungspunkte, wie zum Beispiel Familie und Freunde. Es ging bei Finge nie darum, uns große Erkenntnisse über “Gott und die Welt” zu präsentieren, sondern uns die Schönheit von Vorhandenem aufzuzeigen, unsere Sicht auf die Welt zu navigieren.

In der berüchtigten LSD-Episode sah man Bell und Walter an Bord eines Zeppelins, wo Bell Folgendes sagte: We should circumnavigate the currents.

Die beiden sind jetzt an Bord eines Schiffes und Bell ist bereit, die Welt in den Zerfall und dadurch in die Auferstehung als eine seiner Meinung nach bessere zu navigieren. Obwohl er versucht seinen alten Freund und Weggefährten für diesen extremen Schritt zu begeistern, steuert Walter gegen die von Bell gewählte Richtung. Dabei, wie wir erfahren, gehörte die Idee mit der Geburt einer neuen Welt aus der Katastrophe der vorhandenen erschreckenderweise Walter selbst. Um sich von dieser Vision zu befreien, ließ Walter Teile seines Gehirns entfernen. Aber bevor wir uns der Auseinandersetzung zwischen den beiden “mad scientists”, Bell und Bishop, widmen, kommt ein anderes “Fringe-Event”, nämlich Jessica Holt. Sie gehört zu den Figuren, die nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Wie es sich erweist, hilft sie Bell und sorgt dafür, dass Olivia auf Hochtouren kommt, um September zu retten. Dieser ist auf einem Stück Fußboden gefangen, dank den runischen Zeichen, die Jessica dort platziert hat. Wenn ich mich nicht täsuche, ist es eine neue Erkenntnis, dass Observer mit “übernatürlichen” Mitteln bekämpft werden können? Ganz abgesehen davon, wie man diese Information werten will, ist sie hier Mittel zum Zweck. Als Jessica mit einer Spezialwaffe (Bells Kreation) September trotz seiner Schnelligkeit trifft, ist Olivia gefragt, um die nächsten Kugeln abzufangen. Nicht nur stoppt sie diese, sondern befördert sie zurück zum Absender, zu Jessica. An diesem Punkt muss man nicht nur bezüglich dieser Szene, sondern auch der Serie selbst, an den geflügelten Satz aus Lacans Schriften denken – “Der Brief erreicht immer seinen Bestimmungsort”!

Für Jessica endet das Übersenden von Botschaften mit ihrem Tod nicht. Sie wird “befragt”, so wie im Piloten damals Nina Sharp die “Befragung” von Olivias totem Partner befahl. Jessicas Aufwachen kann man definitiv als ein Fringe-Event bezeichnen: Das Überlappen der zwei Stimmen und die sich in unterschiedliche Richtungen drehenden Augen hatten es in sich! Viel wichtiger noch ist ihre “Kindheitserzählung”: “My bicycle is blue and it has a little chimey bell!” Während Peter, Olivia und Nina weiterhin aus Jessica herauszubekommen versuchen, wo Bell ist, richtet sich dieser Satz an uns Zuschauer. Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr Fringe die treuen Zuschauer in die Erzählung miteinbezieht: Die Farbe Blau und die Klingel, wobei “bell” natürlich uns direkt zu William Bell und seiner Glocke führt. Wenn der Postmann zweimal klingelt…

In Fringe gibt es immer ein zweites Mal, sei es eine zweite Chance, sei es ein Doppelgänger, sei es ein zweites Universum oder aber das wiederholte Läuten der Glocke. Zu diesem kommen wir, nachdem Olivia und Peter es an Bord schaffen und Walter zu einer Verzweiflungstat gezwungen wirdt. Er nimmt den Luger aus Bells Vitrine und schießt … Olivia in den Kopf. Wird damit Walter zu Mister X? Im Grunde “bricht” damit Walter Bells Gotteshand die Finger. Im Vergleich zu den etlichen “mad scientists”, mit welchen uns Fringe im Laufe der Zeit konfrontierte, ist Bell keiner, der aus Liebe oder aus dem Streben nach Liebe handelt. Er sieht sich über die Liebe erhaben.

Es fällt auf, dass im ersten Teil des Finales Walter von der Uhr seines Onkels Heinrich erzählte, jetzt den Luger benutzt und der Glyph in dieser Episode “PURGE” lautet. Außerdem gab es im Nazi-Deutschland auch eine Glocke, eine Geheimwaffe. Vermutlich beziehen sich diese kleinen Hinweise auf das Eintreffen der Observer…

Diejenigen, die die Sache mit dem Zitronenkuchen als ein Vorwegnehmen kommender Ereignisse sahen, werden in dieser Vermutung bestätigt. Nachdem Walter Olivia erschießt, schafft sie die Auferstehung aus eigener Kraft bzw. dank dem Cortexiphan.

Am Ende überstürzen sich die Ereignisse: Bell fleiht mit Hilfe der Glocke, Olivia lebt wieder und sie ist so gut wie Cortexiphan frei und schwanger, Peter hat ein Haus für die beiden gefunden und die Fringe Divison bekommt von der Regierung alles was der frisch gebackene General Broyles’ Herz begehrt.

Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Fringe-Autoren doch für ein mögliches Ende bereit waren. Trotzdem fehlt nicht der Cliffhanger, als September in Walters Labor auftaucht, um eine Warnung auszusprechen.

Werden wir in der fünften Staffel einen Zeitsprung erleben? War Olivias Tod der Tod, von dem September sprach? Werden wir die rote Welt wiedersehen? Wo ist William Bell? Fragen über Fragen in einem Fringe-Universum, wo es auf jede Frage zwei Antworten gibt…

Fringe: Brave New World – Part 1 (4×21)

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Feuer fangen. Von Innen aus verbrennen. Eine schreckliche Vorstellung und gleichzeitig eine, die sehr genau den Gemütszustand schildert, in dem sich die Fringe-Fans des Öfteren befinden. Man möchte Antworten haben, brennt buchstäblich darauf zu erfahren, was mit den Lieblingsfiguren passieren wird. Dieses Brennen ist aber kein gewöhnliches, sondern ein regelrechtes Fringe-Ereignis.  Wie wird der nächste Vorspann aussehen – blau, rot oder orange? Wann wird die Handlung spielen? Wer wird dabei sein? Wo ist Peter…?

Mit dieser Frage nämlich eröffnete die vierte Staffel und während wir mit dem Suchen und dem Finden von Peter und seiner Beziehung zu Olivia beschäftigt waren, rückten andere mögliche Fragen in den Hintergrund. So sehr, dass wir sie beinahe vergessen haben. Was ist mit William Bell in dieser “neuen” überschriebenen Ziellinie geschehen? Warum ist Jones überhaupt zu einem Ober-Bösewicht geworden? Auch die Aussage der Produzenten verhalfen dazu die Fans Manches vergessen zu machen: Vielleicht schaffen wir es Leonard Nimoy für die fünfte Staffel zu einem Auftritt zu überreden und vielleicht auch nicht – so ähnlich lauteten die Twitter-Meldungen. Dadurch machte man William Bell zu dem Kaninchen in dem Hut, welches man im ersten Teil des Doppelepisoden-Finales ans Tageslicht beförderte.

Dazu muss ich sagen, dass ich die Enthüllung – rein vom Gefühl her (und Finge ist eine Erzählung über Gefühle) – etwas übertrieben und aufgesetzt fand, aber trotzdem gelungen. Uns wurde Jones einfach viel zu lange als Mastermind präsentiert, um ihn plötzlich zu einer einfachen Schachfigur zu machen. Jones, der penibel durchgeplante Aktionen auszuführen vermochte, wird in dieser Episode selbst zu einer penibel durchgeführten Aktion, als in Boston plötzlich Menschen anfangen von Innen aus zu verbrennen.

Für das Fringe-Team wird schnell klar, dass es sich um Jones Tat handelt, als sie ihn sogar auf den Aufnahmen der Überwachungskamera sehen. Ungewöhnlich für ihn, aber gewöhnlich für ein Katz-und-Maus-Spiel. Lustigerweise sind es sowohl Walter & Co. als auch Jones selbst die “Mäuse” in dem Spiel. Die Naniten, die durch die Berührung vom Rolltreppengeländer, in die Körper der Menschen geraten, verursachen das tödliche Erhitzen, stellt Walter fest. Jessica Holt (Rebecca Mader, Lost) ist eine der Betroffenen, für die jeder weitere Schritt tödlich sein kann, denn Bewegung bedeutet Hitze erzeugen.

Es ist aber Olivia und nicht Walter die Jessicas Leben rettet. Natürlich geschieht das dank Olivias “Superkräften” (POWERS), aber trotzdem ist die Szene rührend, denn was wir sehen, ist wie Olivia Jessicas Hand hält. Diese tröstende Geste ist eine eine Art Versicherung, dass man für den anderen da ist. Und im übertragenen Sinne, auf der Gefühlsebene der Fringe-Erzählung, ist diese Versicherung die Rettung für Jessica. “If you ever need help getting to the head of the line in an ER, sagt Jessica zu Olivia, als sie geht – ein Vorwegnehmen kommender Ereignisse?

Dieses Detail führt uns zu einem übergreifenden Thema, zu der Bedrohung für Olivas Leben, über die wir nach wie vor nicht viel wissen. Abgesehen von der Mr.X-Story. Auch Walters Anmerkung über William Bell in der Zukunft legt die Schlussfolgerung nahe, dass William Bell mit Olivias Tod zu tun hat. Wie so typisch für Finge, findet man die Verbindung in einem kleinen Detail, in den Naniten nämlich. Nicht nur stellt Walter fest, dass sie definitiv das Werk von William Bell sind, sondern in meinen Augen tragen sie sogar Bells, nennen wir sie gemäß den Entwicklungen, “tödliche” Signatur – ein X!

Ich will hier nicht übertreiben, aber Finge hat uns schon einmal auf die richtige Fährte mit Hilfe einer Kombination aus visuellen und narrativen Details geschickt. Nehmen wir zum Beispiel noch die Szene, bevor Olivia und Jessica ins Auto gehen – Man sieht im Hintergrund an der Kirche eine Zeichnung mit den Worten “Light of the world” und den Zeichen “X, P, Alpha und Omega”.

Auf die Gesamterzählung bezogen kann man hier etliche Deutungen anbieten, aber es scheint eine Art Konstellationsbezeichnung zu sein: Wie im Moment die Figuren positioniert sind. Alpha und Omega sind der erste und der letzte Buchstabe aus dem griechischen Alphabet – Anfang und Ende. Die Rückkehr zum Anfang oder der Anfang vom Ende? Eine Verbindung zu diesem Gedankengang bietet die Episode mit Hilfe einer visuellen Spiegelung. Als Walter zu St. Claire zurückgeht, um Beweise für den damaligen Besuch von Bell zu finden, sehen wir ihn durch die Türspalte an dem Schreibtisch mit dem Rücken zu uns sitzen, wie damlas in der Pilotenepisode. Anfang und Ende als Kreis oder als Brave New World, als das Katastrophenprinzip, als Neugeburt aus der Asche des Endes?

Die Sonne ist diejenige, die alles zur Asche verbrennen kann und sie wird auch als Light of the World bezeichnet. Bell benutzt hier die Sonnenkraft, um Boston die ultimative Zerstörung anzudrohen, so dass er Peter und Olivia herauslocken kann. Mindestens denkt Jones so, nachdem Bell ihm erklärt, wie Schach funktioniert. Jones ist nur eine Figur von vielen in Bells persönlichem Schachspiel. Klar kommt diese Enthüllung etwas aufgesetzt daher, aber eigentlich ist der Gedanke ein logischer, anzunehmen, Bell würde hinter Noahs Arche stehen. Solche mad scientist-Gotteshand-Pläne würden tatsächlich zu Bell passen, mehr als zu Jones: Don’t confuse a winning move with a winning game. The Art of (War) Chess für Bell ist etwas (eine Figur, “the bishop”), was im Moment eine große Rolle spielt, zu opfern und dann die entstandene Lücke, auszunutzen.

Nun, Jones wurde zu einer wichtigen Figur und wird hier geopfert, da er Bells Aussage mit “the bishop” als direkten Verweis versteht. Der Kampf “per Fernbedienung” zwischen Peter und Jones (“I got it wrong. I was the sacrifice.”) fand ich nicht besonders gelungen, aber er erfüllt den Zweck – Jones “verbrennt” zur Asche. Ist zwar ein schneller Abschied einer wichtigen Figur in dieser Staffel, aber es geht doch hier um das Ganze, um die Welt(en), um Zerstörung und Neugeburt. Sind eine Zerstörung, ein Einschnitt, endgültig oder kann sich das Ganze regenerieren, aus eigener Kraft? Walter demonstriert mit dem Zitronenkuchen wie dank Cortexiphan sich Objekte regenerieren können. Als Spiegelung davon sehe ich eine auf deme rsten Blick unwichtige Szene, als Olivia ihren Finger schneidet. Zwar konnte man erwarten, dass der Finger wieder von alleine heil wird, aber das geschieht nicht, denn Fringe befindet sich wieder auf der metaphorischen Ebene. Olivias Wunde kann nur Peter schließen und beide können vielleicht diejenige dieser Welt schließen? Ich bin persönlich kein Anhänger religiöser Erzählungen, aber hier liegt alles so ziemlich auf der Hand.

Das P an der Kirchenwand kann für Peter stehen, aber auch für Powers, so wie das Glyph in dieser Episode lautet. Mit ihren Kräften rettet Olivia Jessica und vielleicht wird Peters Kraft bzw. die Kraft der Liebe Olivia retten, diese Welt retten? Man braucht nicht weitere Deutungen bemühen, denn die religiösen Konstellationen sind mehr als deutlich, vor allem nachdem man das Schild mit dem Wort EDEN über dem Tor des Lagerhauses, wo Bell seine “Experimente” hütet, zu sehen ist. Dorthin führt die Spur Walter und Astrid (Astrid: Alex? Walter: I’m on the roll!), aber sie werden erwartet. Astrid trift eine Kugel und während sie in Walters Armen liegt, taucht Bell auf mit einem freundlichen: Hallo, old friend.

Bell: Freund oder Feind? Schöpfer oder Zerstörer?

Ob in Fringe solche Fragen überhaupt angemessen gar möglich sind?

To be continued…

Schöne Bilder: Ästhetik in heutigen TV-Serien – Teil IV (Fringe, Boardwalk Empire)

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„Boardwalk Empire“ sorgte im Fernsehjahr 2010/2011 für großes Aufsehen – allerdings vor allem wegen der Geldsumme, die HBO in Piloten und Werbekampagne zu investieren bereit war. Außerdem schien das Projekt mit Namen wie Martin Scorsese und Steve Buscemi hinter der Produktion förmlich zum Erfolg verdammt.Und doch: Nicht nur die Quoten oder die dicht erzählte Geschichte um die amerikanische Prohibitionszeit sollten von sich reden machen, sondern auch die Bilder der Serie. Damit sind nicht nur die CGI-Effekte und die Sets gemeint, sondern auch die cinematographische Arbeit. Man könnte sagen, dass die Kamera in „Boardwalk Empire“ uns Zuschauern die Figuren und ihre emotionalen Zustände gleichsam erarbeitet.

Das beste Beispiel hierfür bildet natürlich die Hauptfigur der Erzählung, Nucky Thompson, verkörpert von Steve Buscemi. Immer, wenn ich Steve Buscemi sehe, muss ich an die kongenialen Bilder von „Fargo“ (Joel und Ethan Coen) denken, die genauso malerisch daherkamen wie diejenigen der HBO-Serie. Die Kamera nähert sich im extremen Close-Up den wässrigen Augen Buscemis; im nächsten Moment fährt sie zurück und gibt den Blick auf das ganze Gesicht frei, wo jeder Funken einer Regung sichtbar wird: Zweifel, Reue, aber auch Genuss. Atlantic Citys Promenade ist nicht nur mit Liebe zum Detail inszeniert, sondern Nuckys Figur scheint mit ihr zu verschmelzen. Er gehört dazu – und ist gleichzeitig überrascht, gar verbittert über diese Tatsache.

Manche Szenen fallen besonders auf – sie erzählen mehr über die Figur als alle Dialoge zusammen. Etwa diejenige, in welcher Nucky vor dem Schaufenster mit dem Inkubator steht (“See Babies That Weigh Less Than Three Pounds!” lautet die Aufforderung auf dem Werbeschild). Die Kamera filmt Nucky dann von innen, vom Laden aus, so dass er in der linken Bildhälfte am Fenster- und Bildrahmen steht. Danach geht er zum Geländer und bleibt dort stehen, mit Blick aufs Meer. Aus einem Low Angle heraus (sehr typisch für den Piloten und für Scorseses Arbeiten) nähert sich die Kamera seinem Gesicht, dann filmt sie ihn von hinten. Die Farbe seiner Augen ist jetzt die Farbe des Meeres, die vor unserem und seinem Blick liegt.

Wieder steht er links im Bild, als einzige Vertikale. Die restliche Bildstruktur erzeugen die Horizontalen des Meeres, des Geländers und der Bank, die sich rechts im Bild befindet. Die Zeit wird eingefroren. Das Bild könnte auch von René Magritte stammen… In dieser Aufnahme werden die Emotionen aufgefangen und wie auf einer zeitgenössischen Postkarte präsentiert, so dass man beim Zuschauen einen salzigen Geschmack im Mund bekommt.

Später in der „Boardwalk Empire“-Erzählung sehen wir eine ähnlich Aufnahme: „What does the future hold for you?“ Diese Überschrift steht am Schaufenster einer Wahrsagerin auf der Promenade. Nucky nähert sich und wirft einen Blick hinein. Die Kamera filmt ihn auf dieselbe Art wie beim Baby-Schaufenster: „What does the future hold for you?“Für die Serie selbst beantworteten die HBO-Chefs diese Frage sehr schnell, indem sie nach der Ausstrahlung des Piloten sofort eine zweite Staffel in Auftrag gaben. Stuart Dryburgh stand beim Piloten hinter der Kamera, Martin Scorsese übernahm die Regie. Die restlichen elf Episoden gingen auf das Konto Kramer Morgenthaus und Jonathan Freemans. Ungefähr zwei Drittel der Aufnahmen stammen aus Locations in New York, hauptsächlich aus Brooklyn.Um die zeitgenössische Stimmung und die Kleidung wiedergeben zu können, investierte man viel Zeit in Recherche.

Manche der Details in der Serie wurden minutiös aus Fotografien jener Ära übernommen, etwa das Baby-Incubator-Sideshow oder das Chop-Suey-Restaurant. Laut Dryburgh versuchte man, die Tönung der Bilder gedämpft zu halten und die Farben teilweise zu entsättigen – bis auf ein paar grelle Farbflecke wie zum Beispiel Blumen. Die wichtigste Frage, vor der die Produzenten standen, betraf die Ausrichtung der Promenade. Letztendlich entschied man sich für die Südrichtung, damit möglichst viel Sonneneinstrahlung und damit natürliches Licht zur Verfügung stünde – denn die Serie wird sowohl im Sommer als auch im Winter gefilmt. Der Pilot wurde in 30 Tagen abgedreht, während der Crew für die restlichen Episoden jeweils zwölf Tage zur Verfügung standen.Nach der Sichtung der ersten Staffel und den Aussagen der Produzenten kann man getrost behaupten, dass die Kameraleute von „Boardwalk Empire“ sehr gern mit Low- und High-Angle-Aufnahmen operieren und diese häufig ins Extreme führen. Unser Blick befindet sich mit der Kamera entweder ganz unten oder ganz oben.

Ähnlich verlaufen auch die Erzählung und das emotionale Innenleben der Figuren. Die beste Beschreibung, die einem spontan einfällt: wie eine Sinuskurve! Im strikt geometrischen Sinne: Das Leben der Figuren in „Boardwalk Empire“ verläuft in Sinuskurven – mal sind sie oben, mal unten, und dazwischen ereignen sich nur freier Fall und atemberaubender Aufstieg. Solcher Kurven bedienen sich aber auch die Figuren in ihren Monologen selbst: seien es Al Capone und Margaret in „Family Limitation“, Chalky in „Anastasia“ oder Jimmy in „Nights in Ballygran“. Die Monologe bilden Ausschnitte einer Sinuskurve; sie sind kleine Parabeln.Sehr gut wird uns dies mit den ersten Bildern von „Family Limitation“ veranschaulicht. Die Szene besitzt inhaltlich keine besondere Bedeutung, aber visuell durchaus: Wir befinden uns auf der Promenade.

Die Kamera (und unser Blick mit ihr) steigt empor und eröffnet den Blick auf das muntere Treiben dort unten. Es ist fast eine Top-Angle-Aufnahme (extreme Aufsicht), die uns Überblick verschafft. Dann fährt die Kamera plötzlich nach unten, ganz tief, bis zum Boden, und zeigt aus der extremen Untersicht einen Mann mit einem Geldumschlag. Er wird dann in einer Slow-Motion-Verfolgung in eine Falle gelockt, bekommt einen Schlag auf den Kopf und fällt zu Boden. In diesem Moment sind wir durch die Kamera wieder an seinen Blick gekoppelt. Wir befinden uns auf dem Boden und blicken Richtung Himmel, dorthin, wo wir uns am Anfang der Szene befanden. Damit sind wir innerhalb kürzester Zeit am Scheitel- und Tiefpunkt der Sinuskurve gewesen.

Nucky versucht stets, am höchstmöglichen Punkt zu verweilen, aber damit beeinflusst er das Leben Anderer – und manchmal ihren freien Fall. In „Broadway Limited“ spricht Jimmys Mutter mit Nucky und fragt ihn, warum er sich nicht an sein Versprechen halte, ihren Sohn von Problemen fern zu halten. Nucky antwortet, er sei doch kein Gott. Diese Szene korrespondiert direkt mit dem Ende der Episode. Broadway Limited zeigt uns, dass Nucky – ob Gott oder nicht – dem Leben eines jeden Menschen, mit dem er in Berührung kommt, seinen Stempel aufdrückt: Er markiert, signiert, hinterlässt Spuren – solche wie die schmutzigen Abdrücke auf dem Teppichboden der Hotellobby, auf die Nucky in der letzten Szene blickt.Dieses Bild nun hält die komplette bisherige Erzählung fest – wie auf einem Foto. Nucky geht ins Trockene, da es draußen regnet, aber auf dem Weg in die eigene “Komfortzone” hinterlässt er matschige Abdrücke. Als er im Fahrstuhl steht, blickt er auf diese Abdrücke (und wir blicken mit ihm). Dann zeigt uns die Kamera sein nachdenkliches Gesicht, eingerahmt von einem Rhombus des Fahrstuhlgitters. Die Fahrstuhltür schließt sich: von rechts nach links, wie ein Kameraschwenk Richtung Abspann. Diese dritte Episode scheint alle Handlungsstränge miteinander zu verbinden – wie eine Fotostrecke von Bildern, die auf einem Negativfilm nacheinander an unseren Augen vorbeiziehen.

Visuell wird das mit Hilfe “simulierter” Kameraschwenks dargestellt: Wenn sich die Erzählung von einem Handlungsort zum anderen bewegt, schwenkt die Kamera von links nach rechts; im Bild erscheint ein vertikaler schwarzer Balken, der den Schnitt versteckt, so dass man als Zuschauer den Eindruck eines fließenden Übergangs bekommt – wie zwischen zwei eingerahmten Fotos. Diese fotografische Simulation korrespondiert direkt mit Jimmys Leben, das sich ebenfalls als Simulation erweist: Von diesem Leben existieren keine Fotos. Im Fotoalbum sind nur Bilder seiner glücklich aussehenden Frau und seines Kindes zu sehen. Jimmy muss in dieser Episode feststellen, dass es in Atlantic City keinen Platz für ihn gibt: Nucky schickt auch ihn weg.

Die zwei „Boardwalk Empire“-Kameramänner bewegten sich nur selten weg von dem im Piloten angegebenen Ton, aber entschieden sich im Laufe der Erzählung, die Tönung der Bilder allgemein dunkler zu gestalten. Diese “Verdunkelung” spiegelt die immer größeren Probleme wider, die Nucky heimsuchen. Sehr typisch für die HBO-Serie sind zudem die “kleinen Dramen”, die sich über zwei oder sogar nur eine Episode erstrecken und laut Freeman und Morgenthau einen ganz eigenen Look bekommen: „We were encouraged to treat each episode as its own mini-feature and, to a certain extent, give each one a unique look“, sagte Morgenthau.

Beispielsweise verwendete Freeman exzessiv so genanntes Side Light in den Harrow-Episoden. Harrow trägt eine Maske, um seine im Krieg verunstaltete Gesichtshälfte zu verbergen; mit Hilfe des Lichteinfalls – so dass eine Gesichtshälfte im Schatten bleibt – unterstrich man die grundlegende Thematik des Maskentragens in der gesamten Serie: Viele Figuren verstecken sich hinter Masken. Im Vergleich zu seinem Kollegen bevorzugt Morgenthau Toplight, das nicht nur die Augen der beleuchteten Figuren wie zwei Nadelstiche ihr Gegenüber durchbohren lässt (man denke an Arvin Sloanes Beleuchtung in „Alias“), sondern auch – wie oft bei Nucky – das Auftreten der Figur machtvoll und imposant macht.

Bei Tagesaufnahmen war man sich jedoch einig darüber, sparsam mit künstlicher Beleuchtung umzugehen, da im Jahre 1920 Elektrizität einen Luxus darstellte. Die Promenade freilich musste trotzdem erstrahlen, denn sie war das Herzstück von Atlantic City: Hier geizte man nicht mit Beleuchtung, Luxus hin oder her.

Fringe

„Fringe“ gehört zu den Serien, die eine extreme Entwicklung durchgemacht haben. Man vergleiche zum Beispiel die erste mit der dritten Staffel des FOX-Projekts. Auch im visuellen Bereich tritt das zu Tage. Michael Bonvillain („Alias“) filmte den „Fringe“-Piloten, während nach und nach unterschiedliche Kameramänner zu der „Fringe“-Ästhetik beitrugen, die wir in der bisher letzten dritten Staffel genießen durften – unter anderem Michael Slovis, der in den letzten Jahren durch den Emmy für „CSI: Crime Scene Investigation“ und seine Arbeit bei „Rubicon“ und „Breaking Bad“ Berühmtheit erlangte. Derzeit sind David Moxness, Greg Middleton und Tom Yatsko die drei “Haupt-Kameramänner” der Serie.

Während man in den ersten beiden Staffeln kaum von einem spezifischen „Fringe“-Look sprechen konnte, hat der visuelle Fluss der Serie laut Kameramann Yatsko mit der dritten Staffel in sein ganz eigenes Bett gefunden: seien es die Farbenspiele innerhalb einzelner Episoden, sei es das häufige Platzieren kleiner, aber wichtiger Details im Vordergrund des Bildes usw. Mit der Kreation visueller Spiele stellt „Fringe“ im Grunde folgende Frage: Empfinden wir Menschen Dinge und Vorgänge bzw. Ereignisse nur dann als schön, wenn sie einen Sinn ergeben oder ihre Schönheit logisch erklärt werden kann? Wo aber bliebe dann das äußerst subjektive, unlogische Schönheitsempfinden?

Die Logik der Serie ist eng verbunden mit ihrem Genuss als visuelles Produkt, mit dem Empfinden der Schönheit brillanter visueller Inszenierungen – und auch dem Genuss der Interaktion zwischen den Figuren, der kleinen und feinen Meta-Spielchen seitens der Autoren, der Vorlagen für die Zuschauer, sich selbst Gedanken zu machen oder sich gar darin zu verlieren: nur weil der Prozess, gedankliche Knoten zu binden, Spaß macht. Matters of the Mind or Matters of the Heart? Das ist eine der wichtigsten Fragen, mit denen „Fringe“ spielt – und zwischen deren zwei Antworten die Serie unauffällig eine Brücke baut.Brücken sind unangefochten DIE visuelle Metapher für „Fringe“s Erzählkonzept und Thematik: der Technologie entstammende Verbindungen zwischen Dingen bzw. Orten, die ursprünglich nicht direkt miteinander verbunden waren. Brücken erlauben uns, Grenzen zu überschreiten, Verbindungen herzustellen – zwischen Menschen, aber auch zwischen einer Welt und ihrem Spiegelbild. „Fringe“ handelt als romantisches Sci-Fi-Märchen vom Überbrücken von Gefühlen und Zeit. Um zu sich selbst zu gelangen, zu einem Spiegelbild oder zu sich selbst als einem Anderen?

Die Produzenten wollten nach eigenen Aussagen die zwei Welten in „Fringe“ immer näher zusammenführen, auch auf visueller Ebene. Während im blauen Universum der visuelle Erzählfluss standardgemäß abläuft und ausbalancierte Bilder präsentiert, die den Eindruck des horizontalen Fließens vermitteln, erscheint das rote Universum von Unruhe gekennzeichnet. Oft sind dort die Bilder “gekippt”, drohen die Balance zu verlieren – so wie die Welt, die sie zeigen, bereits aus der Balance geraten ist.Die Kamera wechselt zwischen Unter- und Aufsichten; sie verändert ihre Position auf der Vertikalen, um uns dann plötzlich mit extremen Close-Ups von den Gesichtern der beteiligten Figuren zu konfrontieren oder mit Details, die die Erzählung aufnehmen und ihr eine besondere Färbung verleihen.Färbung ist hier das Stichwort: Rot und Blau. Erinnern wir uns an Fauxlivias Blutabnahme in der Episode … – die Fläschchen haben rote und blaue Deckel, und an der Wand hängt ein “fließendes” Bild (vertikale Bewegung).

Das “Drüben” wurde zunächst nicht nur durch die dominierende rote Farbe und rötliche Oberflächen markiert, sondern auch anhand von Kameraeinstellungen (viele Low Angle-Aufnahmen), die unseren Blick – der auch an Olivias gekoppelt ist – vom Gesehenen distanzieren. Nach Olivias (Anna Torv) Flucht suggerieren auch die zahlreichen Long Shots diese Distanz, in denen die Umgebung präsentiert wird. Die Distanz schwindet schließlich im selben Maße, wie Olivia nach und nach von Alt-Olivias Erinnerungen überwältigt wird: Nun dominieren Medium Shots und “weiche Close-Ups”. Die erhöhen nicht nur unsere Empathie mit der Figur, sondern demonstrieren ihren Fall: immer tiefer in ein anderes Leben hinein.Mehr und mehr muss man als Zuschauer auf jedes Detail im Bild achten, denn ob im Fokus oder nicht: die Kunst steckt bei „Fringe“ im Detail.

Bei Olivias zwei kurzen Reisen nach Welt-1 in „Amber 31422“ bemerkt man eine Veränderung im Bild: Die Luftballons bei Olivias erstem Eintreffen waren blau, gelb und rot, während sich die Farben beim zweiten Mal zu Blau, Lila und Gelb verschoben haben.Mit Hilfe dieser Veränderung wurde uns demonstriert, dass Olivias Reise von der roten zurück in die blaue Welt begonnen hat und sie sich auf der Schwelle befindet: „Fringe“ bewegt sich von einer Nummer zur nächsten.Der Titel der nächsten Episode lautet denn auch „6955 kHz“; er wird schon in „Amber 31422“ vorweggenommen, ganz am Anfang, als die Kamera sich Richtung Quarantäne-Zone Franklin Station bewegt. Folgende Zahlen stehen auf den drei grünen Kreisen und dem roten Kreis unter dem Haltestellen-Namen: 6955.

Das Fringe-Team findet heraus, dass jemand die Zahlenübertragungen mit Hilfe eines unbekannten Geräts manipuliert hat, um die Zuhörer vom Code abzubringen. Nicht Walter, sondern Astrid gelingt es, den Code zu knacken – eine Referenz auf Astrid-2! Als sie, um Walter zu beruhigen, eine Schallplatte auflegt, sehen wir kurz im Bild, dass es sich um Bachs “Kunst der Fuge” handelt. Lateinisch “fugere” bedeutet “fliehen”. In der Musik wird als Fuge ein polyphon komponiertes Musikstück bezeichnet, dessen Stimmen einander “fliehen”, sich gegenseitig einen Kontrapunkt setzen, worin es Bach zur Meisterschaft brachte. In der Psychologie bezeichnet „state of fugue“ temporäre Amnesie und dissoziatives Verhalten: Eine betroffene Person geht einfach weg, entflieht ihrem alten Selbst und nimmt für eine gewisse Zeit eine neue Identität an (einen Kontrapunkt zu ihrem alten Selbst).

Fringe lässt keine Möglichkeit aus, um auf diese subtile Art und Weise auf die Probleme der Figuren hinzuweisen, aber gleichzeitig auch den handlungsübergreifenden Erzählstrang voranzutreiben. Hinter dem Code also verbergen sich Locations überall auf der Welt, wo offenbar, wie das Fringe-Team herausfindet, Teile von Walternates Maschine versteckt sind.„Fringe“s Produzenten hingegen versuchten nicht zu verstecken, dass in der dritten Staffel die weiße Farbe in Kombination mit Rot und Blau auftaucht. In mehreren Episoden sieht man im Hintergrund außerdem schwarz-weiße Fotos von Brücken an Wänden hängen. Kein Blau, kein Rot, sondern Schwarz und Weiß. Schwarz oder Weiß? Ein Bild der Überquerung: von einer Welt in die nächste? Auf der Suche nach Wahrheit – oder auf der Suche nach Hoffnung? Gibt die Wahrheit Hoffnung?Nicht nur ist Weiß im herkömmlichen Sinne die Farbe des Friedens, sondern sie umfasst alle Farben, sie ist der Punkt, wo alle Farben zusammenlaufen – in einer weißen Tulpe: „Who are you really, and what were you before?