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The Chicago Code: Mike Royko’s Revenge (1×13)

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Ronin Gibbons antwortet auf Teresas Attacken mit einem Rückschlag unter die Gürtellinie, aber wird ihn seine Überzeugung von dem eigenen Tun vor dem Fall retten können?

Während manche The Chicago Code für die Langsamkeit der Serie kritisieren, behielt sie in meinen Augen immer gut die Balance zwischen dem Schritt nach vorne und diesem zurück. Die FOX-Serie arbeitete geschickt aus der Vergangenheit der Figuren heraus und lieferte gleichzeitig neue Situationen, die ihr Leben und genau den Blick zurück in ihre Vergangenheit veränderten. Darin liegt auch die Stärke des Finales, in dem ein Spiel zwischen Vergangenheit und Gegenwart tobt. Obwohl zugegeben Mike Royko’s Revenge teilweise überhastet wirkt.

Vincent Wysocki ist ausgerechnet diejenige Figur, die Ronin Gibbons zum Fall bringt.

Aber dafür zahlt die Familie Wysocki den Preis. The Chicago Code zeigt uns, dass bei solchen Korruptionsskandalen keine einfache Lösung gibt, sondern immer ein Dominoeffekt eintritt. Diejenigen, die den fallenden Steinen ausweichen können, sind die Gewinner, wenn auch nur kurzfristig. Am Anfang der Episode sehen wir, wie Ronin Gibbons (Delroy Lindo) immer noch die Richtung der fallenden Steine verändern will, so dass sie Teresa und nicht ihn unter sich vergraben. Jarek Wysocki (Jason Clarke) soll dabei für Gibbons die Steine aufhalten, damit dieser Zeit bekommt, um eine standhafte und permanente Wand um sich herum aufzurichten. Jareks Belohnung ist die Wahrheit über seinen Bruder Vincent.

Gibbons rechnet mit Jareks Gradlinigkeit und seinem Verharren in der Vergangenheit, in der das Wysocki-Familienleben noch im gewissen Sinne intakt war. Gleichzeitig vergisst Gibbons selbst in diese Vergangenheit einen Blick zu werfen, in die Zeit, als er noch nicht alles und alle unter Kontrolle hatte. Er ist zu sehr auf die Gegenwart konzentriert. Der Blick in die Vergangenheit von Gibbons war bisher, begleitet von seinem Voice-Over, immer ein Blick voller Überzeugung von den guten Taten, die er in Chicago vollbracht hat. Sein fester Glaube an die eigene Richtung lässt ihn auf den Bahngleisen seelenruhig entlang gehen, mit der Sicherheit, dass ein kommender Zug das andere Gleis nehmen wird. Die Wahrheit um Jareks Bruder erweist sich als die Schaltzentrale, von der aus die Weilchen für die Zuggleise gestellt werden.

Vincent war ein dreckiger Cop und nahm Schmiergelder sowohl von der russischen als auch von der irischen Mafia an, aber nutzte seine Lage, jenseits bürokratischer Arbeit, dafür, an Informationen über alle und jeden zu gelangen, unter anderem auch über Roning Gibbons. An Vincent Wysockis Geschichte demonstriert The Chicago Code exzellent den Kern der eigenen Thematik, nämlich der Beschäftigung mit der grauen Zone. Wie soll man eine Stadt „sauber“ bekommen, wenn nur „dreckige“ Deals dazu führen können? Ist das Bestrafen eines vermeintlichen Polizistenmörders wichtiger als die Überführung eines Politikers, der für die Stadt auch Gutes getan hat? Nachdem Gibbons die ihm ergebene Lily dazu bewegen kann vor allen Augen Killian zu erschießen, steht Teresas Fall am Abgrund.

Gleichzeitig findet The Chicago Code die Zeit, uns noch einmal vor Augen zu führen, dass Teresa (Jennifer Beals) auf ein ganzes Leben verzichtet, nämlich ihr eigenes, um ihren Job gut zu machen. Übrigens die Szenen zwischen Jennifer Beals und Adam Arkin (als FBI Special Agent) sind voller Charme, gleichzeitig humorvoll und voller Trauer. Eine der besten Szenen von Jennifer Beals, überhaupt im Verlauf der Serie, ist die allerletzte, als sie mit einem Unbekannten, der sich in Chicago wegen einer Tagung aufhält, in einer Bar flirtet. Trauer und Einsamkeit vermischen sich mit der Überzeugung dieses Leben selbst gewählt zu haben und hinter der Entscheidung zu stehen.

Die wirklich zufrieden stellenden Minuten im Serienfinale sind jedoch die während der Gibbons Verhaftung vor den Augen der Öffentlichkeit durch Teresa und Jarek. Der Abschluss unter den Klängen von “I Dream of Chicago” von Parlours ist absolut gelungen. Die erste und einzige Season von The Chicago Code hatte die eine oder andere Schwäche, aber FOX gab der Serie nicht die Zeit, um mehr aus dem Potential zu machen und eine noch mannigfaltigere Chicago-Welt aufzubauen, wie Shawn Ryan es wirklich gut kann…

The Chicago Code: Greylord and Gambat (1×12)

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Alle spielen jetzt mit offenen Karten; keiner hält sich zurück. Es kommt zu etlichen Konfrontationen, verbalen und physischen.

The Chicago Code scheint uns Zuschauern den Abschied versüßen zu wollen: Die vorletzte Episode ist bis zum Platzen mit Emotionen und Spannung gefüllt. Beim Zuschauen hat man das Gefühl, zwei Episoden hintereinander zu sehen. Die schon abgesetzte FOX-Serie pickt alle Stückchen aus den bisherigen Episoden zusammen und bastelt daraus eine explosive Mischung. Aber! Es geht noch nicht wirklich alles hoch, sondern man hört und sieht buchstäblich das Zischen des Verlängerungskabels, das Superintendent Teresa Colvin (Jennifer Beals) und Jarek Wysocki (Jason Clarke) angezündet haben. Ronin Gibbons (Delroy Lindo) ist allerdings keiner, der sich in der Luft zerfetzen lässt, und versucht auf seine beharrliche Art, den Funken mit dem Fuß den Weg abzuschneiden.

Wir hören wieder einmal Teresas Voice Over als Einführung, das für den Zuschauer geschickt die bisherigen Ereignisse zusammenfasst. Danach beginnt das Spiel mit offenen Karten. Für The Chicago Code ist diese farbliche und Licht-Gestaltung zwar nichts Neues – aber in den gegenwärtigen Wochen mit ihren Staffelfinalen (Castle, NCIS, Hawaii Five-0) fällt mir eine Gemeinsamkeit dieser letzten Episoden auf. Sie betrifft das Eintauchen der Handlung und der Gespräche zwischen den Figuren ins gedämpfte Licht der Innenräume. Die Farben Braun, Gelb und Orange dominieren; die Szenen werden mit Hilfe mehrerer kleiner, im Bild zu sehender Lichtquellen beleuchtet, die mehr Schatten als Licht erzeugen. Das Licht, das von Offscreen-Quellen kommt, wird meistens durch Fensterlamellen gebrochen und beleuchtet die Objekte im Bild seitlich. Eine Hälfte bleibt dadurch stets im Schatten. Abgesehen von dem Erschaffen eines schönen Bildes scheint diese Art der Beleuchtung vor allem zu dramatischen Zwecken benutzt zu werden. Sie schafft eine geheimnisschwangere Atmosphäre, die zwar Ruhe ausstrahlt, aber gleichzeitig verunsichert, uns in die Erwartungshaltung versetzt, dass gleich etwas passiert – denn die Situation und die Figuren sind nicht das, was sie zu sein scheinen.

Genau so erfahren Gibbons und Killian, dass Liam nicht der ist, der er zu sein schien. Liam arbeitet undercover und sorgt dafür, dass Jarek und Teresa an den Truckfahrer Ronny Underwood herankommen, der wegen seiner Aussage vor der Grand Jury kalte Füße bekommen hat. Killian schickt Liam zusammen mit einem Mafiakameraden zu Ronny und seiner Freundin Penny, um sie zu erledigen. Stattdessen tötet Liam seinen Kumpanen und übergibt das Pärchen Jarek, der ihn nicht davon abhalten kann, den Aktionsradius auf Killians Tochter Elizabeth zu erweitern: Sie nämlich ist die Buchmacherin des Vaters und besitzt schriftliche Beweise für alle Transaktionen zwischen Killian und Gibbons.

Währenddessen wird ihr Vater verhaftet und führt in der Zelle eine verbale Schlacht mit Teresa höchstpersönlich. Killian vergleicht seine Beziehung zu Gibbons mit der von Teresas Eltern, ihrer gemischten Ehe. Teresas Gegenschuss: The two of you met in high school and fell in love? In der Zwischenzeit gerät Liam Hennessey aka Officer Chris Collier in eine physische Auseinandersetzung mit Elizabeth (beide schießen einander an) und Killians Leuten, die ihn das Leben kosten könnte. In kritischem Zustand wird er ins Krankenhaus eingeliefert. Somit ist der gesamte Fall gegen Killian und Gibbons gefährdet: Ronny weigert sich auszusagen; Liam bleibt als einziger Zeuge übrig, schwer verletzt.

Die letzte Szene gehört zu jenen, die sehr ruhig, aber immer nah an der Grenze zum Explodieren verlaufen. Gibbons stattet Jarek einen Besuch ab und führt ihm vor Augen, welche Vorteile es brächte, wenn er Bürgermeister würde. Dieser Ansprache setzt er die Krone auf mit der Aussage, Jarek verraten zu wollen, wer seinen Bruder tötete. Gibbons will Wysockis Fuß benutzen, um das Funken werfende Kabel zu löschen, von dem am Anfang des Artikels die Rede war. Jarek weigert sich – und schlussendlich entfernt sich die Kamera langsam von ihm, der nachdenklich und mit geballter Faust dasteht. To be continued…

 

The Chicago Code: Black Sox (1×11)

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Gibbons und Teresa umkreisen einander wie zwei Haie, während Jarek sich mit familiären Angelegenheiten befassen und auch noch einen brutalen Mord untersuchen muss, bei dem politisch Einiges auf dem Spiel steht.

That’s not who I am. Diese Worte kommen aus dem Mund einer Figur, die verzweifelt versucht, ihre Entscheidungen zu rechtfertigen. In Black Sox müssen die Beteiligten einander Vieles erklären. Nichts ist so, wie es zu sein scheint – und während manche es kommen sahen, treffen die Enthüllungen andere unvorbereitet. Natürlich ist hier in erster Linie die Rede von dem noch inoffiziellen Krieg zwischen Gibbons und Teresa, der in die nächste Runde geht: Öffentlich lässt man sich zwar nichts anmerken, aber die beiden verdächtigen einander, einander zu verdächtigen und auszuspielen.

Gibbons (Delroy Lindo) übt Druck auf Teresa (Jennifer Beals) aus, um einen von ihm vorgeschlagenen Polizisten zum Chef der Gangs Investigation Unit zu machen. Der Haken daran: Genau diese Einheit untersucht die irische Mafia – und dadurch indirekt auch Gibbons’ Machenschaften. Zum Glück gibt es noch Menschen im Büro des Bürgermeisters, die hinter Teresa stehen, und sie schafft es, Gibbons’ Falle zu umgehen. Aber das bleibt nicht unbemerkt. Gibbons: Either she thinks she’s not going to be in her job in six months, or she thinks I’m not going to be in mine.

Die Szene, als Teresa allein im Restaurant sitzt und Gibbons am Nebentisch seinem Berater diese Worte zuflüstert, ist hervorragend gefilmt und geschnitten. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden wird durch die kurzen Ausschnitte von Close-Ups ihrer Gesichter betont. Die Perspektive wechselt hin und her; stets befinden sich im Bild Hindernisse zwischen den beiden, doch anstatt den Blick auf den jeweils anderen zu versperren, wird der umso mehr in den Fokus gebracht: Der Krieg ist erklärt – und die Kontrahenten sind aufeinander fixiert, um ihn zu gewinnen.

Während Teresa sich auf Kriegsterritorium begibt, hat Jarek (Jason Clarke) den Krieg im privaten Bereich, der mehr ein Krieg gegen sich selbst war, verloren. Er will zu seiner Ex-Frau zurück, aber sie weist ihn ab. Im nächsten Zug weist er seinerseits seine Verlobte ab und erzählt ihr die ganze Wahrheit in einer sehr bewegenden Szene. That’s not who I am: man hört ihn es fast sagen – aber er tut es nicht. Denn es wäre eine weitere Lüge.

So wie sein eigener Bruder seine Frau belogen hat. Endlich wird Vonda stärker in die Haupthandlung involviert als in den letzten Episoden, wo sie und Isaac fast wie eine separate kleine Soap funktionierten. Sie findet heraus, dass ihr Vater eine Freundin hatte – und, viel schlimmer, dass Jarek Bescheid wusste. Er versucht Vonda zu erzählen, dass ihr Vater ein guter Mann war, aber der Schmerz einer Lüge lässt sich mit solchen Erklärungen nicht wegwischen. So kommen wir zurück zum Anfang dieses Textes: zum Fall der Woche, bei dem ein Gay-Community-Leader brutal ermordet wurde. Neben den wieder einmal großartigen Verfolgungsjagden auf Chicagos Straßen bietet der Fall eine sehr gelungene Wendung: Das vermutete Verbrechen aus Hass entpuppt sich als Verbrechen aus Liebe. Der angebliche Zeuge Aaron Fash tötete seinen Ex-Liebhaber, der nichts mehr von ihm wissen wollte.

Genauso wenig will FOX von The Chicago Code wissen:  Wie auch Lie to Me und Human Target wurde die US-Serie von der schlechten Nachricht ereilt, dass sie abgesetzt wurde. Natürlich ist TCC keine Offenbarung seines Genres, aber heutzutage mangelt es in der TV-Landschaft an guten Cop-Serials – und TCC war gerade dabei, Fahrt aufzunehmen. Schade, dass FOX wieder einmal so schnell am Abzug ist.

Doch wenn ein Sender sein Programm umkrempeln will – nach dem Motto: That’s not who I am -, dann gibt es unausweichlich Opfer. Für den Showrunner Shawn Ryan verlief die Season undankbar, da er neben TCC und Terriers auch an Lie to Me beteiligt war und die Serie in meinen Augen in eine sehr gute Richtung gelenkt hat. Aber weder FOX noch die Zuschauer sind dieser Meinung – und man kann nur hoffen, dass Ryan demnächst bei einem der Kabelsender mehr Erfolg hat und an glorreiche The Shield-Zeiten anknüpfen kann.

The Chicago Code: Bathhouse and Hinky Dink (1×10)

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Liams Cover steht auf dem Spiel, als er einen waghalsigen Schritt macht, um Killian und Gibbons in Bedrängnis zu bringen. Teresa will der Korruption in Chicago einen entscheidenden Schlag versetzen.

The Chicago Code hält das Versprechen, das uns die US-Serie ganz am Anfang gegeben hat: dass nämlich Teresa Colvin (Jennifer Beals) und Jared Wysocki (Jason Clarke) in den Krieg gegen Stadtrat Gibbons (Delroy Lindo) ziehen werden. Die FOX-Produktion hat uns Delroy Lindo für eine Episode vorenthalten, um ihn in Bathhouse & Hinky Dink um so eindrucksvoller in Szene zu setzen.

Die vor Gericht gescheiterte Anklage wegen Korruption in den höheren Etagen der Chicago-Führung lässt Teresa und Jarek wenig Zeit, um stichhaltige Beweise zu erbringen. Gibbons will es gar nicht erst so weit kommen lassen und versucht Teresa in eine andere Richtung zu lenken.

Im Laufe der bisherigen zehn TCC-Episoden hat Liams Figur die größte Entwicklung durchgemacht – und wird nun plötzlich zum Dreh- und Angelpunkt des Kampfes gegen Gibbons. Hatte man am Anfang gedacht, dass Teresa und Jarek es aus eigener Kraft schaffen würden, und Liam nur für einen nervigen Klotz am Bein gehalten, so drehen die TCC-Autoren jetzt den Spieß um. Dieser Spieß aber könnte Liam direkt ins Herz treffen. Mit Hilfe mehrerer Rückblenden wird die Geschichte um Liam überdies auch auf persönlicher Ebene in Verbindung mit Jarek gebracht.

Je tiefer Liam in Killians und Gibbons’ Machenschaften eindringt, desto mehr fühlt sich Jarek an den Tod seines Bruders Vincent erinnert. Während wir Jarek in den früheren Episoden Liam dazu fast zwingen sahen, mutigere Schritte zu unternehmen, versucht er ihn jetzt auszubremsen: Vincent had twice the instincts Liam had and he never saw it coming. Aber es ist zu spät.

Die Art und Weise, wie Killian hereingelegt wird, besticht zwar nicht gerade durch Raffinesse, aber die Serie vermag uns über den Verlauf der kompletten Episode hinweg gespannt zu halten, was Liams Schicksal betrifft. Irgendwie wartet man buchstäblich darauf, dass er sich im nächsten Moment eine Kugel einfängt: sei es in der Szene mit Killian oder aber mit Killians Tochter (Shannon Lucio) an der Bar.

Als Vonda und Isaac auf Jareks Befehl hin den Müllwagen abfangen, der Killians Drogenlieferung transportiert, ist die Zeit für Gibbons gekommen, um die Fassung zu verlieren. (Den Nebenplot um Isaacs und Vondas Liebschaften lasse ich übrigens aus, denn er gehört zu den wenigen Schwachpunkten der Serie in diesem Augenblick!) Gleichzeitig faszinierend gespielt und verstörend wirkt Gibbons’ Ausraster in seinem Büro – und die Art und Weise, wie er sich mit Hilfe seiner Assistentin wieder zu beruhigen versucht.

Teresa und Jarek haben dem mächtigsten Mann in Chicago den Krieg erklärt, und The Chicago Code bleiben noch drei Episoden, um zu zeigen, wer diesen Krieg überleben wird und wer mit welchen „Kriegsverletzungen“ und Kollateralschäden zu rechnen hat. FOX hat noch keine zweite Staffel bestellt, aber meiner Meinung nach wird das geschehen: Sowohl in den Ratings als auch in der Gunst der Kritiker konnte sich die Serie stabil halten. Und Zündstoff für die Weiterführung der Machtkämpfe in Chicago gibt es mehr als genug.

The Chicago Code: St. Valentine’s Day Massacre (1×09)

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Die Hitzewelle in Chicago ist vorbei, aber unter Teresa Colvins Füßen fängt es an zu brennen. Sogar der Bürgermeister stellt sie öffentlich in Frage.

In der letzten Episode richtete man bei TCC den Blick auf Superintendent Teresa Colvin (Jennifer Beals); in St. Valentine’s Day Massacre setzen die Autoren dies fort. Interessanter Weise glänzt diesmal Stadtrat Gibbons (Delroy Lindo) mit Abwesenheit. Es scheint mir eine gute Entscheidung, zu zeigen, dass Ronin Gibbons beileibe nicht Teresas einziger Feind ist, ja sogar im Vergleich zu anderen nicht einmal direkt gegen sie vorgeht.

Ich weiß, dass viele Zuschauer Jennifer Beals nach dem Start der Serie für eine Fehlbesetzung hielten und manche es immer noch tun, aber in dieser Episode dürfte sie auch die kritischen Stimmen überzeugt haben. Für mein Empfinden schafft sie es hier, Teresas gefährliches Balancieren zwischen den Fronten in Chicago zu vermitteln, genauso wie die damit verbundene Erschöpfung und die kurzen Augenblicke des Verlorenseins unter all dem Druck.

In St. Valentine’s Day Massacre bekommen wir eine weitere Lektion aus der Geschichte der Stadt, die sich zu wiederholen scheint. Es handelt sich um eine Hinrichtung am Valentinstag. Sieben Gangster wurden damals von der Konkurrenz ermordet – die Mörder waren als Polizisten verkleidet. Der Vorfall kostete den damaligen Polizeichef seinen Job. Dasselbe blüht jetzt auch Teresa, wenn sie einen ähnlichen Mord nicht schnellstens löst. Sogar der Bürgermeister (John Heard), von dem sie 200 Neueinstellungen bei der Polizei erzwingt, setzt sie öffentlich unter Druck. Teresas Hoffnungen ruhen auf Jarek und Evers, die den Auftraggeber des Anschlags gerade dort finden, wo man ihn am wenigsten erwartet hätte: nicht auf den Straßen, sondern im Behörden-Apparat von Chicago. Währenddessen muss sich Teresa auch noch einem No-Confidence-Vote seitens ihrer Kollegen stellen, den sie am Ende nur knapp gewinnen kann.

In dieser Episode wird mit Hilfe des Falls der Woche nicht nur Teresas komplizierte Situation dargestellt, sondern auch all die Spannungen in Chicago: von den hohen Etagen bis zu den Straßengangs und den Cops untereinander. Jarek setzt sogar seine Fäuste für Teresa ein, um einen Kollegen von ihrer Aufrichtigkeit zu überzeugen. Gleichzeitig demonstriert der B-Plot der Woche, wie anfällig das System ist und wie wenige Fehler sich alle darin Beschäftigten erlauben dürfen.

Staatsanwältin Anna Chase (gespielt von Shawn Ryans Frau Cathy Ryan, The Shield) nimmt Isaac und Vonda wegen eines Vorfalls bei der Verhaftung eines Verdächtigen ins Kreuzverhör. Chases zynischer und letztendlich erfolgreicher Auftritt steht im direkten Vergleich zum A-Plot und Teresas Kampf um ihre Machtposition. Sowohl Chase als auch Colvin sind Frauen mit Macht in den Händen – und sie schaffen es, die zu behalten, weil man sie ständig unterschätzt. Die Frage ist: Wie lange noch?

 

Nachdem bei einer Schießerei im Lincoln Park fünf Menschen zu Tode kommen, versucht der Bürgermeister Teresa Colvin (Jennifer Beals) dafür verantwortlich zu machen. Es mangle ihr an Durchsetzungsvermögen und sie habe die Sache überhaupt nicht im Griff. Also müssen Wysocki (Jason Clarke) und Evers (Matt Lauria) für Ordnung sorgen. Außerdem werden Isaac (Todd Williams) und Vonda (Devin Kelley) gebeten, die Ermittlungen in einem alten Fall zu übernehmen.

The Chicago Code: Wild Onions (1×08)

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Liam steigt in Chicagos Hierarchie auf, während Teresa einen neuen Bodyguard bekommt. Caleb muss feststellen, dass ein gelöster Fall nicht immer Sieg bedeutet.

The Chicago Code gehört zu den wenigen Network-Serien, bei denen mir es wirklich was ausgemacht hat, eine längere Pause hinnehmen zu müssen. Die stetige und interessante Entwicklung, die die neue FOX-Serie mit der ersten Hälfte der Staffel demonstrierte, hat definitiv die Lust nach Mehr geweckt. Wild Onions ist eine besondere Episode. Nicht wegen der Ereignisse oder irgendwelcher Enthüllungen und Entwicklungen, sondern wegen der kreierten Atmosphäre. Man muss Adam Arkin, der in der letzten Episode als Schauspieler einen Gastauftritt hatte, ein Kompliment aussprechen, denn in Wild Onions war er der Mann hinter der Kamera. Generell vermittelt die komplette Episode ein Gefühl von Quirligkeit, Lebendigkeit und Unruhe.

Dabei würde man denken, Chicago wäre wie gelähmt, denn die Stadt wird von einer Hitzewelle heimgesucht. Teresas Voice Over erzählt uns, dass solhe extreme Zustände zu noch extremeren führen. Menschen, die keinen Hitzeschlag bekommen, laufen trotzdem „heiß“ und die Verbrechensrate steigt ins Unermässliche. Das bedeutet, Teresa (Jennifer Beals) muss selbst auf die Straße. Aber nicht allein, denn sie hat einen neuen Beschützer, namens Officer Bidwell, einen Ex-Marine mit zwei Irak-Touren hinter sich. Wie wir später erfahren, ist dank Jarek die Wahl auf ihn gefallen und Bidwell nimmt seinen Job mehr als ernst, so dass er sogar vor Teresas Wohnung Nachtdienst schiebt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Beziehung zwischen den beiden entwickeln wird, denn wir sehen, dass Teresa sich von Antonios Tod immer noch nicht erholt hat.

Dieses Mal ist der Plot um den Mord an einem Eisverkäufer nicht so spannend wie die Storys in den Episoden davor. Die Moral von der Geschichte sollte sich um Calebs Versprechen drehen und einen Erfolg, der letztendlich keiner ist, aber es lässt einen irgendwie unberührt. Dafür ist die den Fall abschließende Verfolgungsjagd sehr gut inszeniert und gefilmt.

Mit zwei anderen Paaren verbringt die Episode mehr Zeit und zeigt uns wie die Beziehungen zwischen Ronan Gibbons (Delroy Lindo) und Liam (Billy Lush), und Isaac und Vonda vorankommen. Gibbons ist damit beschäftigt die älteren seiner Wähler mit Wasser und Essen zu versorgen, wofür er Liams Hilfe braucht. Während des „Lieferdienstes“ rettet Liam einer Frau das Leben, was zu einer Promotion seitens Gibbons führt. Liam bekommt einen Job bei der Behörde, bei der Stadt, von der er sowieso bezahlt wird. Gibbons gute Seiten, die bisher vor Liam zum Vorschein gekommen sind, lassen die ersten Zweifel aufkommen, wer auf welcher Seite kämpft und was das Richtige ist.

Für Vonda ist Isaac das Richtige. Schon seit dem Piloten fühlt sie sich hingezogen zu ihm, nicht nur im Sinne der Kameradschaft und in Wild Onions geht sie mit Isaac ins Bett bzw. unter die Dusche. Isaacs Voice Over gekoppelt an seinen Handlungen in dieser Episode zeigt uns, dass er vielleicht nicht ganz der Mann ist, als den ihn Vonda idealisiert. Einerseits haben wir seine melancholischen Erinnerungen an die Kindheit und andererseits die Story, dass er Cop wurde, um Macht über andere zu haben…

The Chicago Code: Black Hand and the Shotgun Man (1×07)

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Teresa und Jarek versuchen einen Drogenlord zu überführen, bevor das FBI sich den Fall unter die Nägel reißt.

Der Rhythmus einer Erzählung, nicht nur staffelübergreifend, sondern auch innerhalb einer Episode, kann manchmal den Unterschied zwischen einer  guten und einer sehr guten Serie machen. Oft kommt es nicht nur auf das „Was“ an, sondern darauf, wie erzählt wird. Damit ist nicht von der berüchtigten erzählerischen Komplexität die Rede, sondern vom Erschaffen eines Feelings, einer Atmosphäre, welche die Zuschauer als Markenzeichen einer Serie empfinden.

Der Aufbau der TCC-Episoden gefällt mir immer besser. Auch Black Hand and the Shotgun Man drängt ihre Wucht und ihr Tempo dem Zuschauer nicht mit besonders dramatischen Szenen oder ausgiebigen Actionsequenzen auf, sondern lässt uns alles unter der Oberfläche spüren. Die Episode beginnt an einem Punkt, wo Cop-Serien-Episoden üblicherweise enden: Normalerweise erwischt man einen mächtigen Drogenbaron, wie im Fall Romero, nach rasanter Jagd erst zum Schluss, aber in TCC dauert es nur fünf Minuten – am Anfang der Episode.

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die darauf folgende Handlung unspektakulär wäre; vielmehr ist die Serie immer mehr bemüht, Geschichten unter der Oberfläche weiter zu flechten. TCC umkreist ihr Zentrum, indem sie ihm mit jeder Episode neue und unterschiedliche Facetten hinzufügt. Sehr schön bringt man hier Jareks (Jason Clarke) Beziehungsprobleme mit den familiären Strukturen zusammen, die Chicago auf die eine oder andere Weise zum Funktionieren bringen.

So geht es im Fall Romero nicht so sehr um den Krimi-Plot, sondern um das Fokussieren der Kamera auf Jareks Gesicht in den Szenen mit Romero und seiner Familie. Wenn man so will, ist Jarek zwischen Familien gefangen – und das bereitet ihm schlaflose Tage und Nächte. Welche Familie wird er wählen? Kann er gleichzeitig zu zwei Familien gehören?

Welcome to the Family! Das sagt Stadtrat Gibbons (Delroy Lindo) zu Liam (Billy Lush), und man kann auch ein Willkommen an dessen Figur als solche innerhalb der TCC-Erzählung heraushören. Denn bisher hatte man immer das Gefühl, dass Liam irgendwie nicht hineinpasse, seinen Platz nicht finden könne und darauf reduziert sei, kurze hektische Nachrichten zu übermitteln.

Seine Aufnahme in die TCC-Welt vollzog sich zwar eigentlich schon letzte Woche, auf grausame Art und Weise. Aber diese grausame Zugehörigkeit zur Familie kristallisiert sich für die Figur erst jetzt heraus, bei seinem neuen Job für Gibbons. Liam steigt in der Hierarchie auf und darf in dieser Episode Gibbons durch die Stadt fahren, damit dieser Wählern sein Beileid aussprechen kann, die kürzlich ein Familienmitglied verloren. Obwohl man von Gibbons einiges erwarten kann, kommt man dennoch nicht darauf, was er mit Liam macht – bis zum letzten Besuch. Liam wird von Gibbons dazu gebracht, Blumen zu überreichen, und zwar ausgerechnet der Ehefrau, deren Mann im von Liam gelegten Feuer starb. Nicht nur zeigt Gibbons Liam, dass er massiven Druck auf ihn ausüben kann. Er erteilt ihm eine Lektion darüber, dass halbe Sachen in Chicago nicht funktionieren.

Ungewollt bringt Gibbons Liam jedoch mit dieser Lektion dazu, seine Zweifel zu überwinden und Teresa in einem Treffen am Ende seines vollen Einsatzes zu versichern. Teresa bekommt in dieser Episode recht wenig zu tun, aber ihre Szenen mit dem für Romeros Fall verantwortlichen FBI-Agenten (Adam Arkin) haben die gewisse Chemie, die uns Arkins regelmäßige Präsenz in der US-Serie wünschen lässt.

Am Ende der Episode zeigt die Kamera Jarek von draußen durch das Fenster, wie er zu Hause bei seiner Verlobten sitzt und auf die Hochzeitseinladungen starrt. Was dort geschrieben steht, scheint nicht die Lösung zu sein…

The Chicago Code: The Gold Coin Kid (1×06)

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Teresa und Jarek spielen ein gefährliches Spiel, aber in dieser Episode stehen sie am Ende als Sieger da.

Obwohl Stadtrat Ronin Gibbons (Delroy Lindo) in dieser Episode mit Abwesenheit glänzt, geht die Auseinandersetzung mit dem mehrköpfigen Hydra-System, das Chicago in der Hand hält, weiter. Zwar wird noch immer lediglich an der glänzenden Oberfläche gekratzt, aber auch dadurch erfahren wir immer mehr über die Welt hinter der Oberfläche. Im Verlauf einer jeden Episode wechselt TCC geschickt den Fokus: von den Verbrechern mit Waffen in den Händen zu den Köpfen der Hydra mit den teuren Anzügen darunter. Der Fall der Woche dient hier als Mittel zum Zweck, um die Kratzer an der Oberfläche hervorzubringen.

Auch auf Figurenebene gräbt die Erzählung weiter und geht von den etwas distanzierenden Voice-Over-Erzählungen über zu Figuren, die man „anfassen“ kann. Einmal mehr stehen Jarek (Jason Clarke) und sein Partner Caleb (Matt Lauria) im Mittelpunkt, die gleich zwei Fälle bearbeiten. TCCs dramaturgisches Schema kristallisiert sich langsam heraus: Man beginnt mit einem „normalen“ Fall, bei dem Jarek und Caleb eine Art Einführung und Aufwärmübung absolvieren, bevor sie von Teresa (Jennifer Beals) zu einem wichtigeren Fall gerufen werden.

Mir gefällt nun an TCC, dass der erste Fall nicht einfach liegen gelassen, sondern im Hintergrund weiter verfolgt wird und irgendwann doch wieder den Weg des zweiten kreuzt. Mag sein, dass die Geschichte um die nicht funktionierenden Polizeifunkgeräte und Teresas Kampf darum, eine Kiste (wie wir am Ende sehen) neuer Geräte zu bekommen, etwas unglaubwürdig klingt. Aber auf der einen Seite bedeutet sie einen kleinen politischen Sieg für Teresa – und auf der anderen, thematischen, stellt man sehr geschickt eine Verbindung zu den bisherigen Ereignissen her. Damit meine ich die Problematik zwischen Jarek und Moos (Brad William Henke, Justified), die darin gründet, dass Moos’ Leute damals ihre Geräte abschalteten und Jarek damit die Hilfe untersagten.

In dieser Episode übernehmen Moos & Co. (darunter auch Jareks Nichte Vonda) den Fall – und dank schlampiger Arbeit seitens Moos werden Vonda und Isaac fast getötet. Angesichts dessen, dass Moos ihren Onkel so sehr hasst, nimmt Vonda die Schuld auf sich. So erntet sie nicht nur Jareks Bewunderung, sondern hat auch Moos in der Tasche.

Jarek seinerseits treibt zusammen mit Teresa ein gewieftes Spiel in einem sensiblen Fall. Der Sohn einer der mächtigsten Männer Chicagos liegt im Koma; seine Freundin wird tot aufgefunden. Die Untersuchung führt Jarek und Caleb zu einem elitären Nachtclub, wo Chicagos reiche und mächtige Männer die Dienste junger Frauen genießen. Natürlich übt das Office des Bürgermeisters Druck auf Teresa aus, Jarek zu stoppen. Sie tut es – wofür sie als Dank die Funkgeräte finanziert bekommt -, aber zum Spiel gehört, dass Jarek mit Teresas Wissen ihren Befehl ignoriert und seine Arbeit fortsetzt. Dafür werden er und Caleb für zwei Wochen suspendiert, aber sie bringen Teresa eine Kiste voller kompromittierender Videos und anderer Materialien gegen Chicagos Köpfe. Man könnte sagen, dass Teresa dadurch mehr Macht besitzt als je zuvor.

Während die Beziehung zwischen ihr und Jarek funktioniert, steht die zwischen Caleb und Jarek auf dem Spiel: Evers ist entrüstet, dass Jarek ihn im Dunkeln lässt, dem gegenüber seinen persönlichen File gelesen hat und im Grunde alles tut, um ihn von sich wegzuschieben. Evers spricht am Ende nicht nur Jareks „trust issues“ an, sondern auch seine Doppelmoral, was die Frauen in seinem Leben betrifft. Die Kamera zeigt für ein paar Sekunden, bevor der Abspann beginnt, einen ratlosen Jarek dastehen. Vielleicht wird es Zeit, dass auch er (s)eine Lektion lernt, anstatt nur andere darüber zu belehren, was richtig und was falsch ist? Zusätzlich zu den intensiven politischen Spielchen findet diese Episode Zeit, um den Zuschauern eine Lektion über Chicagos Geschichte zu erteilen, über die Anfänge der organisierten Polizeiarbeit und die allerersten Bordelle. Insgesamt eine sehr abgerundete Episode, die Lust auf mehr macht.

 

The Chicago Code: O’Leary’s Cow (1×05)

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Jarek und Evers untersuchen einen Fall in Chinatown, der bei Jarek alte Erinnerungen aufwühlt. Teresa steht vor einer schweren Entscheidung, die ihre Familie betrifft.

Die Ratings von The Chicago Code halten sich auf einem stabilen Niveau, und mit O’Leary’s Cow liefert die US-Serie eine weitere solide Episode ab. Obwohl The Chicago Code den Hauptplot an der Seitenlinie warten lässt, hat die Serie alle Hände voll zu tun. Im Vergleich zu den vorherigen vier Episoden wird Action in O’Leary’s Cow eher klein geschrieben, aber dennoch schafft es die Episode, alles wieder einmal geschickt auf den Punkt zu bringen.

Was ist damit gemeint? Nicht nur spielt man TCCs Hauptthema durch – die Klärung von Sachverhalten im Chicago-Style -, sondern bricht es auf die Ebene einzelner Schicksale herunter und involviert dabei mehrere Hauptfiguren. Wenn der Punkt erreicht ist, an dem man zwischen Moral, Arbeitsethik und der eigenen Familie entscheiden muss: wie entscheidet man sich dann? Entlang dieser Grenze wird Teresa Colvin (Jennifer Beals) in dieser Episode geführt, als sie feststellt, dass ihr Schwager Robert (Rockmond Dunbar, Terriers) im Grunde ihre Dienste verkauft hat, um der eigenen Familie zu helfen.

Nicht nur bekommen wir durch diesen Plot einen tieferen Blick in Teresas Privatleben, sondern Teresas Situation demonstriert, wie sehr das Regeln von Alltäglichem auf Chicago-Art tief in jedem verwurzelt ist. Die eigene Familie steht zu einem, so lange man selbst in erster Linie im Dienste der Familie steht. Sobald man aber Teil des Systems ist, wird man automatisch Mitglied einer größeren Familie. Die Parallelerzählung über Teresa und Gibbons veranschaulicht, dass man unmöglich beiden Familien gerecht werden kann, ohne selbst als wandelnder Kompromiss moralisch-ethische Grenzen zu übertreten. Teresa zwingt ihren Schwager, sich dem FBI zu stellen, um der Gefängnisstrafe zu entgehen – andernfalls hätte sie ihn angezeigt. Aber diese gerechte Entscheidung Teresas wird von der Familie nicht als solche verstanden: Teresas Schwester wünscht keinen Kontakt mehr zu ihr.

Auch im zentralen Plot der Woche geht es um unterschiedliche Verständnis-Modelle von Gerechtigkeit. Wysocki (Jason Clarke) und Evers (Matt Lauria) untersuchen den brutalen Mord an einem farbigen Jungen in Chinatown. Jarek wird von der Vergangenheit, einem alten ungelösten Fall, eingeholt: Damals fand er den Mörder einer asiatischen Familie; der jedoch konnte vor der Verhaftung das Land verlassen, anscheinend durch die Hilfe des Chinatown-Bosses “Chairman” Lao (François Chau, Lost). Durch Gibbons’ (Delroy Lindo) Intervention kooperiert Lao diesmal, aber Jarek und Caleb finden heraus, dass er selbst Gerechtigkeit walten lassen wollte – und die Mörder des Jungen hinrichten ließ.

Lao bietet einen Deal an und verrät Jarek, wo sich der Mörder von damals aufhält: Seinen Körperteile liegen in einem See. Diese Art von Gerechtigkeit scheint den Hinterbliebenen mehr Genugtuung zu bringen, als den Schuldigen ‚nur’ verhaftet zu sehen… Es wird hier zwischen gerecht und richtig unterschieden: zwischen dem offiziellen Weg, Sachen zu klären, und dem familiären Weg.

Für Liam (Billy Lush), dessen Auftritte bisher zu den Schwachstellen in TCC gehörten, ist die Zeit gekommen, diese Lektion zu lernen. Mit voller Wucht trifft ihn nun die Erkenntnis, für einen doppelten Dienst unterschrieben zu haben: er muss zugleich seiner kriminellen und seiner Polizeifamilie dienen. Um tiefer in die Geschäfte der irischen Mafia einzusteigen, muss er ein Haus in Brand setzen, wobei ungewollt ein Mensch ums Leben kommt. Krankenschwester Natalie wiederum, die Jarek und Evers im Fall behilflich ist, will niemanden daten, der ein paar Stunden später tot bei ihr eingeliefert werden könnte: keinen Polizisten also. Konsequent blockt sie Evers’ Avancen ab.

Ich muss gestehen, dass ich für ihre Absage eine andere, überraschende Antwort erwartet hätte; zum Beispiel, dass sie Jareks junge Verlobte sei, die wir bisher noch nie zu Gesicht bekamen. Evers jedenfalls scheint nicht gewillt aufzugeben – eine Haltung, die er mit allen übrigen Figuren teilt: In einer letzten Szene sehen wir, wie Gibbons in seinem Büro dem neuen Chinatown-Chairman, Laos rechter Hand, ein Glas Scotch reicht – genauso wie früher in der Episode Teresa. Wer mit Gibbons ein Glas Scotch nimmt, gehört zur Familie…

The Chicago Code: Cabrini Green (1×04)

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Während eine Bombenserie Chicago in Panik versetzt, bekommt Stadtrat Gibbons Probleme, mit denen er nicht gerechnet hat.

The Chicago Codes neue Episode ist eine Terriers-Reunion, aber an der Autorenfront. Cabrini-Green wurde von Jon Worley und Tim Minear geschrieben. Man kann zwar nicht sagen, dass sie im bisherigen Verlauf der neuen FOX-Serie herausragen würde, aber immerhin vermag sie nach einer exzellenten dritten Episode die Fahne weiterhin hoch zu halten: mit einer Mischung aus hohem Tempo, minimalem Fortschritt im Haupterzählstrang und sparsamer, aber bedeutsamer Informationsvergabe über eine bestimmte Figur.

Im Piloten wurden zwar mehrere Figuren eingeführt, aber seitdem lässt sich TCC Zeit, um uns mit ihrem Leben vertraut zu machen; wir sehen sie mehr von der beruflichen Seite als von der privaten. Nach vier Episoden haben wir Jareks Verlobte immer noch nicht zu Gesicht bekommen, und seit der kurzen Szene im Piloten ist von seiner Ex und seinem Sohn keine Spur mehr zu sehen. Auch über den Mord an Jareks Bruder haben wir nichts Weiteres erfahren, genauso wenig wie über Evers’ Hintergrund. Es scheint so, als würde TCC nach Plan Informationen zurückhalten und die Geschichte langsam entfachen.

In dieser Episode erfahren wir mehr über Gibbons. Sein Voice Over versetzt uns in die Kindheit des Stadtrates, in seine Träume von Fortschritt und Macht. Währenddessen jagen Jarek und Evers einen Bombenleger durch die ganze Stadt. Die Bomben tragen die Signatur der berüchtigten Chicago Liberation Army, deren Mitglieder eigentlich entweder schon tot sind oder im Gefängnis sitzen – bis auf einen: David Argyle, der es vor Jahren schaffte, sich „reinzuwaschen“.  Doch nun holt ihn die Vergangenheit ein in der Gestalt Trey Steins, dem Sohn seiner damaligen Mittäter.

In letzter Sekunde können Jarek und Evers Argyle retten, aber nur, um ihn etwas später zu verhaften. Jarek verwendet seine Aussage gegen ihn, mit deren Hilfe sie auf Stein kamen. Er erklärt Argyle, dass Polizeiarbeit so funktioniert…

Die Metapher der Vergangenheit, die einen einholt, betrifft auch Gibbons, der in seinem Lieblingsbarbierladen von einem Fünfzehnjährigen überfallen wird und dem Jungen ins Bein schießen muss. Später findet er heraus, dass ein Gang-Initiationsritual dahinter steckte, nach dessen Protokoll er eigentlich hätte erschossen werden müssen. Der Auftrag kam ausgerechnet von der farbigen South Side Mafia und deren Leader Darius aka Little Monster.

Mit einem tot auf dem Asphalt liegenden Darius schließt die Episode ihre Erzählung ab. Little Monster wollte von Gibbons dieselben Konditionen wie die irische Mafia. Vermutlich kommt die Beseitigung von Little Monster für Gibbons dem Ausradieren des früheren Chicagoer Sozialprojekts Cabrini-Green gleich. Wir erfahren, dass Gibbons in jener Siedlung aufwuchs, die sich vom Symbol für soziale Gerechtigkeit zu einem des Zerfalls und der Korruption wandelte – nicht ohne Nachhilfe. Gibbons wurde Stadtrat und schwor, alles für „seine“ Leute besser zu machen, weil der damalige Stadtrat seinen eigenen Vater aufs Kreuz legte.

Natürlich wird der Neubau auf den Grundstücken von Firmen ausgeführt, an welchen Gibbons auf die eine oder andere Weise beteiligt ist. Die Chicago Liberation Army hatte auch Ideale und wollte nie, dass Menschen durch ihr Tun verletzt werden – aber es ist passiert. Cabrini-Green liefert eine Lektion über das Gefangensein im System. Ungerechtigkeit ruft Verlangen nach Gerechtigkeit hervor, danach, die Fehler im System zu beheben. Aber um das tun zu können, muss man Teil des Systems werden und wird in Folge dessen vom System selbst verändert. Ob dies auch mit Teresa Colvin und mit Jarek passieren wird? Müssen sie, um Gibbons zu bekämpfen, wie Gibbons werden?